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mehr gefragt. Und jetzt bekannt« auch Marlen« sich zu dem gleichen Argwohn. .ft „Leider ist gar kein« Hoffnung, datz Joachim noch am Leben sein könnte," beschwichtigt« er Marlene, ihr lind üb« das Vlondhaar streichend: „Nach allen Seiten hin wurden ja lächforschungen anpestellt! Alle hatten das gleiche Er gebnis. Noch jetzt, in diesen Tagen, wandte ich mich abermak telegraphisch und schriftlich an alle Nachrichtenstellen. Es ist mir, wie du weißt, auch gelungen, «inen Dragoner-Wacht- . 'meister von Joachims Regiment ausfindig zu machen. Wie ich euu, schon erzählte, schrieb er mir aus seinem Lazarett in Hannover, daß er gesehen hat, wie Joachim fiel. Als er ihm zu Hilfe eilen wollte, sah er nur noch, daß Joachim im- Sterben lag. Di« Pferde' sausten dann-über ihn hin, der Wachtmeister wurde fortgerissen und geriet, selbst, schwer verwundet in Gefangenschaft, um dann-als Austauschgcfange- ner wieder nach Deutschland zu komnien. Am Montag wiS ich nach Hannover fahren, um mit dem Mann zu reden. Ich glaube zwar nicht, daß es irgendeinen Zweck Haft denn was er gesagt, haben andere' auch noch bestätigt. Und die Tat sache, man bei dem zur Unkenntlichkeit durch rin« Erarurte Zerschmetterten, die späte: einschlug, Joachims Papiere und Wertsachen fand, erbringt ja eben den vollen Beweis, daß er es war, der dort drn Heldentod fand. Sobald erst friedliche Zeiten kommen, werden wir sein Grab suchen, und wenn wir es gefunden, dann erst werden wir alle ruhiger sein.." Marien« schüttelte hastig den Kopf. „Ich kann und mag es nicht glauben, datz er tot ist. Wenn es mir hundertmal mein Verstand auch sagt, mein Herz empfindet anders. Denke -doch, Günter — wenn er- wiedev- kehrt« und fände Güldane als das Weib eines anderen. Nichr auszudenken ist das Schreckliche." Günter war leichenblaß geworden. - „Du bist gewiß kränk, , Marlene," kam es stoßweise von seinen Lippen.' ' „Nein, gewiß nicht. Ich sorge mich nur. Noch spät in der Nacht, es-ließ mir keine Ruhe, schlich ich mich zu Güldane. auf meiden Knien habe ich sie beschworen, von diese: -Heirat . abzustehen/wenigstens vorläufig. Ich habe ihr gesagt, daß ich-fest in meinem Innern glaube, Joachim letze noch. Das furchtbare Unglück, in das sie sich und uns alle stürzt, wenn m«ine Ahnungen Wahrheit würden, habe ich ihr ausgemalt, aber sie hat über mich Macht, wie so ost schon. Ein hysterisches Geschöpf nannte sie mich, dem sie selbstverständlich nicht ihr Lebensglück zum Opfer bringen wolle. "Und heute früh, da ' ist sie nach Hannover gefahren, Spitzen und Tand zu kaufen, um sich für Wolfgang zu schmücken.' Wüßtest du, wie ost ich mich schon Güldanes als meiner Schwester geschämt habe/' fuhr Marlen« mit heißem Blut fort, „besonders damals, als sie das kecke Liebesspiel mit dir anbändelte, weil sie sah, daß du dich Christa-Maria zuneigtest. Und dann, als sie gewährt«, daß Joachim mir gewogen schien. Weil Joachim mehr als ein flüchtiges Interesse für mich zeigte, gerade das reizt« sie und sie scheute sich nichft alle erprobten Versührungs- künst« auf ihn loszulassen. Was galt es ihr, daß dem und auch mein Leben fast daran zerbrach? Sie triumphierte im , Vollbewußtscin ihrer Macht. Sieh mich nicht so grenzenlos s erstaunt an, daß ich Dinge berühre, die vielleicht lieber unge- sprachen blieben. Ja, ich'habe Joachim lieber gehabt als ! mein Leben, freudig wäre ich für ihn gestorben und muhte s doch 'mit ansehen, wie er, als der Rausch verflogen, in > dieser Ehe litt, und doch seine Last mit soviel. Würde trug. Als ich einmal meinem Unwillen über Güldane, die sich wieder'mal unglaublich zu ihm benommen, Worte lieh, sagte ! er zu mir: . . ft . - „Man muß viel Geduld mit ihr haben. Gerade ich, dec ! ich so viel ihretwegen leichtsinnig aufgab, untz der erst in der s Ehe erkannte, daß nicht Herzensneigung, sondern nur Sinnen- ; rausch mich zu Güldane führte, muß mild zu ihr sein, weil ! ich ihr doch nur wenig geben kann." Das sagte er, der ihr in Wirklichkeit so unendlich viel mit vollen Händen gab. Es war das einzige Mal, daß Joachim andeutete, daß er nicht glücklich mit Güldane geworden.. In seinem Wesen zu ihr blieb er immer trotz aller Festigkeit der stets Nachsinnige-und Gütige. And diesen Mann konnte sie vergessen, verraten in s dieser heiligen Zeit, die uns alle vor Ehrfurcht erschauern läßt, s Und die Schamröte brennt nicht in ihrem weißen E«sicht mit , dem sinnbetörend.en Lächeln, das schuld ist, das ich so grenzen- los elend bin? Ach, Günter, könnte ich Güldane doch mit s allen Kräften meiner Seele zurückhalten von dem Verhängnis- - vollen Schritt- den sie tun will." , Mund — „sie braucht nicht zu wissen, datz ich sie gesehen habe." < Leise und vorsichtig schlüpfte er durch die Wildrostnr Decke auf den schmalen Pfad zurück: Günter war ihm dankbar. Wie zart und taktvoll von Bodo. Ja, es würde die ernste, stolze Marlene tief zu Boden Drücken,'-wüßte sie^ daß er und .Bodo sre so "schwach gesehen. Eigentlich hätte er auch mit umkehren müssen, um Marlene-in ihrem Schmerz nicht zu stören, aber dennoch trieb ihn eine innere Gewalt, nach der alten Bank, -auf der Marlene ganz haltlos kauerte, das Gesicht tief in beide Hände vergraben, bitterlich schluchzend. 2-ie lichtblonden Flechten, di« .Marlene sonst um den Kopf gesteckt trug, hingen ihr wie rin paar Goldschlangen über die Brust. Zum ersten Mal sah Günter, baß Mkrlene, die neben ihrer berückenden Schwester immer im baue, sondern wie von innen heraus durchleuchtet von einer hohen geistigen 'Schönheit.- , ; „Mailen«"', rief er weich, „liebe Marlene!" Die Hände, sanken von ft l verweinten Mädchenges-cht und , «in paar tränenvolle Augen hoben, sich finster zu ihm auf. „Was willst du hier?" herrschte sft den Vetter an- „Mein Gott,'gibt es denn nicht ein einziges Erdenfleckchen, wo mast ; -ch mal ausheulen kann." .. ! „Günter setzte sich einfach zu dem zürnenden Mädchen auf Nie Bank. Sanft, wie ein Bruder legte er seinen Arm-um ihr« Gchulter, während er sprach: ftNun vertraue mir mal deinen Kummer, Marlen« Bin ich nicht dein Freund, dem Bruder? Kann ich dir nicht Helfen?" . „Mir kann niemand ' helfen, Günter. Geh,' laß mich allein. Ich bin ja immer mit- mir fertig geworden"-, schloß De bitter. , „Das ist es ja eben, Marl'Ne. Du sollst Vertragen zu mir haben. Weinst.du um Güldane?" * .Marlenes feingeschwungene Lippen kräuselte der Spott. „Am sie? Nein, um euch weine ich, um uns alle Ach, «s ist ja zu entsetzlich- zu qualvoll, ich ertrage die furchtbare Angst nicht mehr, äje mich Tag und Nacht foltert und vor Entsetzen lähmt." Günter, umschloß anit festem Druck des Mädchens Hand. . „Nun mußt du dir.aber alles vom Herzen reden", rief er energisch. „Mit halben Andeutungen stst-es ,Nicht getan. Was fürchtest du, was ängstigt dich?" „Ich weiß nicht, Günter" — wich Marlene aus und sah den Grafen unsicher und doch so verzweifelt an, daß warmes Mitleid, mit der Gepeinigten seine Seele überflutete. - - „Vertraue mir doch, Kind", bat er weich. . „Ach, Günter, ich habe sine so stirchtbäre Angst", flü- Uerte Marlene, sich ängstlich umblickend, als ob jemand sie hören könne. „Denke nur, jede Nächt erscheint mir Joachim nn Traum und seine blauen Augen.sehe,« mich voller Jammer an. Sein Antlitz ist bleich und sein'Muu^ müde, wenn er ast vorwurfsvoll, oft drohend zu mir spricht: Ist d«nn keiner unter euch, der fühlt, daß ich lebe, daß ich wiede'kehre?' -Wie ein Schlag durchfuhr es Günter. Hätte ihm selbst dieser wahnsinnige Gedanke nicht schon im Hirn gespukt? „Du bist krank und nervös, Marlene", tröstete er, „all die Auf regungen der letzten Zeit haben deine Nerven angegriffen. Es ist ganz natürlich, daß man träumt, was man wünscht und hofft." Marlene schüttelte hastig den blonden Kopf „Nein, nein", wehrte sie, „woher käme mir denn die furchtbar«, die entsetzliche Angst. Und siehst du, heute, als ich Holm ankleidete, da sagte der Jung«: . . - ft,Fühle mal, Tante Marlene, wie mein H«rz schlägt, Mir vor lauter Freud«, als ab Vati nicht gestorben wäre, sondern wiederkäm«." Gras Günter wurde ganz bleich. Erst heute morgen hatte sein« Mutter ihn gefragt: . „Ist es eigentlich unbedingt sicher, wenn di« Todes nachricht eines Gefallenen hier vom Regiment aus eingeht, daß der Betreffende gefallen ist?" „Natürlich, Mutter", hatte er geantwortet. „Eine solche Auskunft ist doch von so ^weittragender B.deuttng, daß ein -Irrtum ganz ausgeschlossen scheint. .Vorgekommen soll «s ja Allerdings schon sein, daß von Amtswegeu Todesfälle be- Lätigt wurden, bei denen sich nachher herausstellt«, daß der Totgesagte.nur vermißt war. Aber solche Fälle sind so selten, daß niemand damit rechnen kann, zumal ja jetzt mehr als «in Kahr seit Joachims Tod vergangen ist." Die Mutter hatte seufzend geschwiegen und er hatte nicht