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tragen, weit über alle kleinliche Philisterei Hinaus, die mir pimutet, «reine Jugend, meine Schönheit zu vergrabe«, nur weil Krieg ist." , Sie streckte beide Arme Heitz der Sonne entgegen und um ihre schmalen roten Lippen zitterte es wie brennende Sehnsucht nach Lust. Mochte doch die Welt zusammenbrcchen, wenn ihre ungestüme Sehnsucht nur ein Ziel, und Erfüllung' fand. — Kast schaudernd hab' sie den Blick auf zu der dunklen Burg, die wie ein grimmiger Feind zu ihr herniederdräute. All die Blütenpracht, die das stolze Schlotz in seine Zauber- schleker hüllte, sah Güldane nicht. Sie sah nichts als dis düsteren, starken Mauern und dahinter die Pflicht — und die Pflicht Hatzte sie. — * Mühselig, wie unter Bergeslast, »schritt die schöne Frau den Weg hinan. So schwer hatte sie das Trauerkleid und der lange Witwenschleier nie gedrückt, wie heute das Frühlings- gewand, in dem sie dem Geliebten entgegentreten wollte und das nun schmutzig war an seinem breiten Saum von den Tränen, die die Nacht geweint. Von der Burg schallte das- Jauchzen einer Knabenstimme hernieder. , Die schöne Güldane hörte es wohl, aber der Klang verwehte eindruckslos an ihrem Ohr. Bis zu ihrem Herzen drang er nickst. < * * O - Da sah nun Gras Günters. Ettersrode wieder wie einst in der Kinderzeit in. der großen gemütlichen Stube des alten Doitorhauses dem Sanitätsrat Alten gegenüber, mit dem ihn immer die herzlichste Freundschaft verbunden hatte- „Wie ich mich freue, Lieber Graf," bewillkommnete ihn der Sanitätsrat, ein jugendlicher Fünfziger mit leicht an gegrautem Bart und'Haar, „datz es das Schicksal so gnädig mit Ihnen gemeint und Sie Ihrer lieben Mutter erhalten hat, kann ich Ihnen gar -nicht sagen. Sie hat so schwer gelitten, als Sie damals fortgingen," setzte er etwas zögernd hinzu und sah mit seinen klaren blauen Augen dem Besucher forschend ins Gesicht. „Ich weih es, Herr Sanitätsrat," unterbrach Günter den Sanitätsrat etwas hastig und eine fliegende Röte huschte über sein Gesicht, „und glauben Sie mir — ich habe mein Fortgehen ost und schmerzlich bereut." . - „Natürlich wollte ich nicht alte Wunden aufreißen, mein lieber, junger Freund. Es ist nur, weil Ihrs Erlaucht, trotz dem sie sich so prachtvoll aufrecht hält, doch völlig zusammen- gebrochrn ist, als die Nachricht von dem Tode Ihres ältesten Bruders eintraf und sie nun alle ihre Hoffnung auf Sie, als den Aeltesten der Familie, setzt." „Ich danke Ihnen innigst, Herr Sanitätsrat, 'datz Sie meiner Mutter, wie ich gehört, in allen schweren Heim suchungen immer treulich beistanden. Schmerzlich war es mir indes, zu hören, datz Fräulein Christa-Maria den Verkehr auf Schlotz Ettersrode-wöllig fallen lieh." Da war nun endlich die Frage nach ChristarMaria, von der ihr Vater noch kein Wort erwähnt, heraus. Der Arzt lächelte fein, und seine klugen Augen schweiften durch das breite Fenster der mit altväterischem Hausrat geschmückten Stube in den Garten hinaus. „Sie müssen so etwas nicht tragisch nehmen, bester Graf. Christa-Maria ist noch immer so eigen, wie sie es schon als Kind war. Sie weih, daß Gräfin Güldane ihr nicht wohl will, und darum beschränkt sich ihr Verkehr.mit den Ihrigen auf Hie Mitglieder Ihrer Familie, die zu uns in unser schlichtes Haus kommen. Auch einfache Bürgermädchen haben ihren Stolz, Herr Graf." , - „Ich habe nie an dem Stolz Christa-Marias gezweifelt, ' Herr Sanitätsrat," bemerkte Günter fast bitter. Der fröhliche Kinderlärm drauhen im Garten tat ihm plötzlich weh. Der Sanitätsrai bemerkte es. „Wollt ihr wohl ruhig sein, ihr Bande," rief er, gut mütig zum Fenster hinaus, „man versteht hier sein eigenes Wort nicht." - Die Kinder lachten und jubelten dem Grotzvater ent gegen und der Kleinste begann zu singen: „Lieb Vaterland «magst ruhig sein." „Man mutz ihnen viel nachsehen," begütigte der Sanitäts rat seinen East, ,He haben nun keinen Vater mehr und Hilde meint, wir müssen den Kindern Freude ins Herz pflanzen." Günter fühlte, datz der Arzt das Gespräch von Christa- Maria ablenken wollte, und fast verwirrt fragte er: ^Jst Frau Hilde zu Hause'? Ich hätte sie gern wieder- gesehen." „Ich habe ihr sagen lassen, datz Sie hier sind. Sie wird gewitz, bevor sie zum Dienst in unser Krankenhaus geht, noch einmal bei mir einschauen. Christa-Maria aber ist augen blicklich auf einer Harztour begriffen, von der ich sie auch jede Stunde zurückerwarte." Günters Herz klopfte plötzlich ganz laut und seine Augen leuchteten auf. Und dann begann er dem Sanitätsrat von seiner gestrigen Begegnung im Okertal zu erzählen und datz er Christa-Marla nicht einmal erkannt hätte. - Alten lachte hell. „Ja, sie hat sich sehr verändert, meine Jüngste," meinte er dann nachdenklich. „Aher warum haben Sie mir. denn Ihren lustigen Freund-nicht mitgr- bracht, liebster Graf? Wissen, Sie noch, früher, als mein« Frau noch lebte, da waren alle Ihre Schulfreunde auch bei uns zu Haufe." ' > ", Ein warmer Strahl brach aus Günters dunklen Augen. „Ich habe nie vergessen, Herr Sanitätsrat, datz ich hier immer eine Heimat, hatte. Mein Freund wird sich gewitz gern bald die Ehre geben, Ihnen einen Besuch zu machen. Heute wollte ich lieber allein bei Ihnen sein." Der Arzt hielt die schlanke braune Hand des jungen Mannes fest in der seinen. „Und nun. möchten Tie noch den Namen der kleinen Lötti wissen," versuchte er zu scherzen, um seine aussteigende Rührung zu verbergen. „Natürlich darf ich nicht aus der Schule plaudern, obwohl ja die Kleine Ihrem Freunde schon die weitgehendsten Geständnisse über ihre persönlichen An gelegenheiten gemacht zu haben scheint. Da die Mädels offenbar nicht erkannt werden wollten, müssen wir schon ihre Wünsche respektieren. Na, Christa-Maria wird Augen machen, in ihrem Pflegling von der Landstraße ihren alten Jugend gespielen wiederzufinden." Günter schickte sich gerade an, in Bodos Interesse dennoch eine Frage nach Lotti zu wagen, da öffnete sich aber die Tür und die älteste Tochter des Hauses, Hilde v. Ryssel, trat, umdrängt von jhren vier Blondköpfen, mit leichtem Schritt in die Stube. „Wie schön, lieber Graf, datz ich Sie noch treffe," sagt« sie, ihm die Hand reichend, und die Kinder zurückscheuchend, „die Pflicht ruft mich schon wieder an mein Tagewerk." - Günter kützte der Frau in dem schlichten schwarzen Kleide, die so frei und sicher vor ihm stand, bewegt die Hand. „Sie haben auch so unendlich viel hergeben müssen, liebe gnädige Frau, in dieser harten, schmerzensreichen Zeit," sagte er leise. Ein Schatten trat in die blauen Augen, dann aber leuchteten sie wieder auf. «„Mir ist.noch viel geblieben, lieber Gras. Sehen Sie hier meine Rangen an, zwei Mädel und zwei Buben- Gebb dem Onkel die Hand, Kinde: — ihr könnt ihn euch ein ander mal noch genauer ansehen — dann aber raus mit such an die frische Lust." Die Mädchen knirten und die Juirgen machten ihren Kratzfuß, Helle Freude und Lebenslust in den Auge«. Dann stürmten sie wieder davon. - ", „Ich möchte in Gegenwart der Kinder nichts Trauriges aufkommen lassen. Sie haben ihren Vater so früh verloren, da muß ich doppelt darauf sehen, 'daß ihr Leven licht und sonnig wird." ' Günter konnte nicht sprechen. Er hätte vor dieser Frau niederknien mögen, die so Holz ihre Dornenkrone trug. Da gab es keine Aufmachung mit lang nachschleppenden Kreppgewändern und Witwenschleier wie gestern bei Güldane, da.'stand die Kriegswitwe schlicht, im Arbeitsgewänd, um für ihre Kinder' Brot zu schaffen. „Hat Ihr Herr Gemahl noch schwer gelitten?" fragte er endlich. „Nein, er war gleich tot. Er hat sein Los wohl geahnt, denn am Tage vor seinem Ende, da schrieb er mir noch: „Ich sende Dir hier beifolgend ein paar Verse, Kamerad ' - Fritz Meyer hat sie seiner Frau geschrieben, ehe ihn die tödliche Kugel traf. Ich, liebste Frau, könnte Dir auch nichts besseres zum Abschied sagen." Hilde suchte in ihrem Taschenbuch und dann reichte sie Günter ein engbeschriebenes schmales Blättchen. Ein wehes Lächeln zitterte um ihre feinen Ljppen.