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22 -- ' Feuer der Kameraden in ein Massengrab betterUnüssen—es wurde auch . Güyter küßte ehrfurchtsvoll die Mutterhcmd, die sich warm vertrauend in die seine schmiegte. Ein unversiegbarer Strom von Kraft und Beruhigung. ging von ihr aus. Er fühlte diesen Strom Heitzer Mutterliebe bis zu seinem Herzen schlagen, als er fragte: „Habt Ihr noch nichts Näheres über Joachims Tod erfahren?" Die Gräfin schüttelte trübe das Haupt. „Es lieh sich nichts in Erfahrung bringen. Der Kom mandeur seines Regiments teilte Güldane und mir mit, datz. Joachim bei den Kämpfen in Flandern gefallen sei. Ein Granatstück hätte ihm den Kopf zerschmettert, so datz nie mand ihn mehr erkennen konnte. Sein Taschenbuch, Briefe und Bilder und. seine goldene Ahr, die man bei ihm fand und an uns sandte, liehen keinen Zweifel, dah es Joachim war, der an der Spitze feines Regiments fiel. Anter dem zu Ende, so kann sie heiraten, wen sie will. r jetzt nicht, das Mre dieser großen Zeit nicht würdig. — Immer würde sie als eine ÄuSgestohLne unter uns wandeln." „Gewih hast du in vielem recht, mein Junge, und ich » persönlich habe das gleiche Empfinden. Aber ich fürchte, mit deinem Gefühl und den sich daraus entwickelnden Theorien - wirft du nicht weit kommen. Denke doch, wenn der Krieg noch lange dauert, wie viels neue Krirgsehen da geschlossen werden, vielleicht geschlossen werden müssen. Der Staat be sonders sieht, das für ein großes Glück an. Erstens sichern neue Eheschließungen ihm den Nachwuchs, und dann befreien sie ihn baldigst von der Verpflichtung, die zahlreichen Kriegs witwen zu unterstützen." „Und doch, Mutter, bleibe ich bei meiner Ansicht. Es mag tausend Fälle geben, wo meine Bedenken fortfallen wür den. Es mag vorkommen, daß eine Frau in dem Tod des gefallenen Gatten die Erlösung. von endloser Qual sieht, oder daß eine Witwe mit viel Kindern sich zu schwach dünkt, allein den Lebenskampf für sich und die Ihren aufzunehmeü. Es mag auch solche Weiber geben, die ohne den Mann nicht leben können, ganz gleich, ob da draußen einer für sie starb. Aber die gebildete Frau, die Achtungchat vor sich selbst und unseren toten Helden, darf niemals zu einer neuen Ehe schrei- -ten, ehe dieser furchtbare Kampf, in dem ihr Mann verblutete, ausgekämpst ist. Ich meine auch, jeder Mann schuldet seinen gefallenen Kameraden so viel Achtung, dah er nicht seine Witwe an sich 'reißt, . solange noch dis Kanonen die eherne Sprache von Blut und Tod und Verderben reden." Die blauen Augen der alten Frau leuchteten hell aus. Mit weicher Hand strich sie Günter über das heiße Gesicht, ! „Du bist mein alter, lieber Junge geblieben mit dem glühenden Idealismus, den leider unsere Zeit eingebüht hat. Aber wir wollen ihn uns- wieder'schaffen als edelste Er rungenschaft dieser heiligen Zeiten. Teufende von Frauen und ehrliche deutsche Männer- reichen sich dazu' in langer, ! Kette die Hände. Und wenn es auch noch viele gibt, die ! den Ernst der großen Zeit noch immer nicht verstehen, die s tändelnd voll Sucht nach Genuß durchs Dasein taumeln, die Helden da draußen werden und sollen rächt umsonst ge fallen sein." * „Du hast recht!" antwortet« Günter warm. „Die blutige Saat wird kommenden Geschlechtern zum Segen reifen. And darum bitte ich dich, Mutter, versage deine Einwilligung zu einer neuen Ehe Güldanes, Joachims Heldentod fordert das unerbittlich." Die Gräfin erhob 'sich langsam. „Ich habe keine Macht über Güldane. Niemand hat Macht über Güldane, selbst Wolfgang nicht, der wohl selber ähnlich empfindet wie du, und der doch tut, was sie will. Fast möchte ich glauben, daß sie dich auch schon wieder kn Fesseln schlug, wenn ich dich nicht zu genau kennen würde." , da draußen als Held gefallen? Nein, Mutter, die heilige -euer der feindlichen Granaten habe man. ihn mit anderen 's Zeit darf und soll Güldane nicht verletze -. Ist der Krieg mitgeteilt, wo er seine letzte Ruhestätte gefunden. Aber ! wie der Kommandeur schrieb, befindet sich das Grab im Kamp- - gelande und es würde nach dem Kriege sich schwerlich noch i auffinden-lassen, wenn nicht ein Zufall es erhält, um so s mehr, da auch die Erkennungsmarke Joachims fortgerissen l worden sei." Günter schüttelte vor sich hingrübelnd den Kopf. Ein wahnwitziger Gedanke leuchtete plötzlich in ihm auf. War Joachim wirklich tot? Wenn er noch lebte? Neinf^. es war ja ganz ausgeschlossen. Mehr als ein Jahr war nach - der amtlichen Bestätigung von Joachims Tod vergangen. ' Aber konnte Joachim nicht vielleicht verwundet in fron- § - Mische Gefangenschaft geraten sein? Ganz aufgeregt sprang -i Günter in die Höhe. ' Wie kamen, ihm nur plötzlich solche - Hirngespinste:? Die Mutter durfte natürlich nichts davon ! ahnen. Seine Wahnvorstellungen grenzten ja schon an Toll heit, zumal alle Beweise dafür sprachen, daß Joachim nicht mehr unter den Lebenden weilte. Wäre er wirklich gefangen genommen, so hätte er doch inzwischen sicher längst Ge legenheit gefunden, den Seinen ein Lebenszeichen. zu über mitteln. Nein, , nur die Ausgeburt der kühnsten Phantasie > trieb ihr Spiel mit ihm. Die amtlichen Nachrichten waren i so genau wie nur möglich und Joachims. Tod war zweifellos i - festgestellt. Nur sein Wünschen, sein Hoffen, seine Liebes Zu dem Gefallenen, die wollten nicht glauben, daß er nie' > wiederkehrte. Blitzschnell jagten alle diese Gedanken durch ? »sein Hirn. Die Mutter hatte ihr müdes Antlitz in beide Hände vergraben und sann schwer vor sich hin. ! „Morgen gleich," dachte Günter, „will ich mich doch an , alle Nachrichtenstellen des In- und Auslandes wenden und ! alle Gefangenenlager ausforschen," laut aber sagte er, indem er liebevoll seinen Arm um die'Schulter der Mutter legt«: „Wir müssen uns darein zu finden suchen, Mutter, daß Joachim uns verloren ist. In seinem Kinde, diesem herrlichen Jungen, föll uns Joachim neu erstehen. Holm in Joachims ! Tinn zu einem tüchtigen Menschen zu erziehen, das soll meine ! heiligste Aufgabe sein, wenn ich lebend aus diesem Krieg« , wieder heimkehre. Und du, Mutter, und Marlene, ihr werdet mir helfen." Gräfin Erdmute von Ettersrode sah jetzt mit ihren Hellen Augen prüfend in ihres Sohnes Gesicht. „Und an die Mutter denkst du dabei nicht?" fragte sie mit leisem Spott, der ihr sonst ganz fern lag. „Nach deinen Andeutungen, liebe .Mutter, nehme ich an, 'daß Güldane Ettersrode bald verlassen wird. Wolf gang v. Diethardshausen wirbt um Güldane und wir haben kein Mittel, sie zu halten, wenn sie ihn zum Gatten nehmen will." „Ja, möchtest du sie denn halten?" „Um jeden Preis, Mutzer, das sind wir Joachims An denken schuldig, du darfst deins Einwilligung zu einer Wieder- verheiratung Güldanes nimmermehr geben." „Mein' lieber Junge. Das ist doch nur Formsache- Güldane braucht meine Einwilligung gar nicht. Sie ist ihr eigener Herr, kann tun und 'fassen,, was ihr beliebt. Wenn ihr eigenes Gefühl sie nicht von einer Wiederverheiratung abhält, so läßt sich doch nichts dagegen tun. Zudem weiß man auch gar nicht, ob nicht noch andere Gründe da mitsprechen. Gük- dane erhielt nach Joachims Ableben im Verhältnis zu ihrem früheren Einkommen eine nur bescheidene Rente. Der ganze Majoratsbefitz kommt Holm zu, von dem sie gewissermaßen — was die Geldfrage betrifft — abhängig ist. Da kann ich es wohl begreifen, daß eine Natur wie Güldane gern vor baut." „Der Gedanke entsetzt dich nicht, Mutter, daß Joachims . Witwe wieder heiratet, noch ehe dieser Krieg zu Ende ist?" „Nein, Günter. Ich gebe zu, daß bei mir ein selbst süchtiger Beweggrund dabei mitspricht. Ich meine, in diesem Fall würde Güldane sich völlig von uns loslösen, auch von ihrem Kinde, das uns als heiliges Vermächtnis des Toten anvertraut ist." - „Und ist sie uns nicht Ävch anvertraut? Müssen wir nicht über Güldane wachen, Mutter, daß sie würdig als Witwe Joachims dasteht, wenn die Siegesfahnen wehen und unsere Tapferen heimkehren? Kannst du dir denken, datz ein echtes, deutsches Weib am Arm «irres Anderen unseren heim- kehrenden Siegern in die.Augen blicken kann, wenn ihr Mann waschen, ehe ich wieder in deine lieben, treuen Augen sah. - Meinen törichten Jugendstreich von damals, ich habe ihn ' ost und bitter bereut." Die Gräfin nickte. „Wir reifen innerlich schneller als sonst in diesen Tagen voll Blut und Kamps. Manches, was wir sonst als unerläßlich für unser Glücksbewußtsein, für unser Dasein ansahen, lassen wir ohne Schmerz, -ja ohne Bedauern fahren. Die große Zett, die für uns anbrach, mein Gohn, schafft andere Lebenswerte, als in den Tagen des Frie dens, die vielen nur TLge des Genusses waren. Auch meine schwache Seele ist in der heiligen Zeit, in der wir leben, stark geworden. Wie hätte ich -sonst wohl die Last ertragen sollen?"