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ZZ s Alle Blumen, die der Oberleutnant in der Hand hielt, sie len ihm vor Schreck zur Erde. „Das gute Zeug", bedauerte Lotti und begann eifrig meine — Maschinenschreiberin. Monatlich 120 Mart. Ist mit ihm die Blumen Wieder aufzusammeln. Dabei stießen sie beide mit ihren Köpfen zusammen. „Na — Tippfräulein. Verstehen Sie denn das nicht? Ich das viel?" Dem Oberleutnant waren nicht nur die Blumen ent fallen, sondern auch tausend bume Träume seines leicht ent flammten Herzens. „Nein, Gott bewahre", stotterte er. „Wie soll denn das viel sein?" „Soviel wie ungefähr eine Leutnantsgage, nicht wahr?" bohrte Lotti voll Bosheit weiter, als sie sein Erschrecken sah. ! „Na, das ist noch wem g er" gab er voll Groll zurück. „Nach allen Abzügen, du lieber Eott,_da bleibt überhaupt ! nichts übrig, da muh dann der Alte ran mit seinem Zuschuß, ! Uebermäßig ist's ja auch nicht", fuhr er treuherzig fort, ! ,/aber es muh gehen und wenn man keine Schulden hat, I kommt man schon aus. Na, und Vater hat ja auch noch'ir paar Kröten im Kasten. Jetzt im Krieg sind wir Offiziere ja glanzend dran, so dah unsereins sogar Kriegsanleihe zeich nen kann. Sie glauben gar nicht, wie ich mir dabei vor komme. Son armer Schlucker wie ich" Lotti sah ihn mit glänzenden Augen an, fast war es, als schimmerten sie feucht. Aber schnell legte sie die langen ! Wimpern übe: die verräterischen braunen Sterne. Hatte er den Schreck über das Tippfräulein schon ver wunden? „Ja", seufzte sie schwer auf. „Es ist nicht so leicht, Geltz zu verdienen" — er sah nicht den mutwilligen Blick, den sie ihm aus halbgeschlossenen Augen zuwarf. „Mein Kommerzienrat, bei dem ich Sekretärin bin, sagt immer, wenn er mir fü^ Stunden lang endlose Briefe in die Schreibmaschine diktiert hat, ich verdiene mein Geld mit Sünden. Viele arme Fa milien mit unzähligen Kindern mühten mit 120 Mark aus- kommen." „Das ist bestimmt ein Schurke, der Herr Kommerzienrat, ganz bestimmt. Der will Sie gewiß nur ausnützen. Können Sie denn den Kerl nicht sitzen lassen mit seinen Schreibekram?" Der Oberleutnant war ganz aufgebracht und seine Stimme klang heftiger. „Bewahre", gab Lotti mit einem Taubenlüchsln zurück, „ich bin ihm sogar aus Lebenszeiten verpflichtet." „Aber erlauben Sie mal, das ist ja ganz unmoralisch. Wie kann ein solcher Mensch es wagen, Sie auf Lebenszeit zu verpflichten? Sie könnten doch heiraten." „Nie", gab Lotti vathetisch zurück. „Ich leide nämlich an der dummen Idee, nur V<s Liebe gebeiratet zu werden, aber dazu ist keine Aussicht. Ich bitte Sie — ein armes Mädchen 120 Mark monatlich — nicht mal" — hier hätte sie beinahe laut aufgclacht — „nicht mal 'ne Aussteuer. Da findet sich keiner?' Der Oberleutnant blickte Lotti, dir herzbrechend seufzte, entgeistert an. Sie sah dabei so berückend aus, daß. er sie am"liebsten gleich in seine Arme genommen hätte. Arm — na, das wäre noch gegangen — man könnte sich schon «inrichten, aber — Tippfräulein — dem Oberleutnant schauderte. — Zu Hause wüxde sir ja alle der Schlag rühren — nee, das ging nicht, das ging beim besten Willen nicht. Lotti verfolgte mit ungeheurem Vergnügen den Kamps in dem frischen, offenen Gesicht des Offiziers, der weiter dachte: „Mensch, Liste denn wahnsinnig. Verliebst dich hier Knall und Fall in «in Mädchen, das du gar nicht kennst, das nicht mal seinen Namen nennen will und denkst sogar an Heiraten und ähnliche Sachen?" And er fühlte sich von allen Seiten an den Kopf, ob es wirklich noch ganz richtig mit ihm fei. Was ging ihn, zum Henker, das reizende Tippfräulein an, das jetzt bald ans Nimmerwiedersehen verschwand — da mar wieder der schmerzend: Stich, den er vorhin schon einmal wie einen Dolchslick versvürte. Zum Donnerwetter, war er denn ganz narrisch? Daß man sich überhaupt so täuschen konnte. Tausend Eide hätte er doch geschworen, ein- Dame der Gesellschaft vor sich zn haben und nun enthüllte sich dieses entzückende Mädel als Tippfräulein beim Herrn Kommerzienrat. Na, es war nur gut, daß man bald in Romkerhalle war, dann hatte doch die ganze elende Geschichte em End«. Lotti beobachtete heimlich jede Miene in dem von der Sonne gebräunten Gesicht dec Oberleutnants. -Dabei plau derte sie ganz lustig weiter. - ! Nun, es wäre doch heutzutage «ine Pflicht für jede Frau, für jedes Mädchen, irgend etwas Rechtschaffenes zu leisten. Die Zeiten wären ja längst vorbei, wo die Damen-der Gesellschaft sich scheuten, irgendwir Hand anzulegen, wenn es sich nichr um einwandfreie Wohltätigkeitssachrn handelte. Jetzt hätten alle gelernt, die Hände zu rühren. Teils, weil sie mußten, weil dße Verhältnisse sie dazu zwangen, teil weil der Eemeinsinn sie trieb und die Liebe zum Vater kaum sie bestimmte, ihre ost recht albernen Vorurteile fahren zu lassen, „Das Gute wenig- Doktor. Wenn der Zufall sich mir gnädig erweist oder ich : doch Mittel und Wege finden sollte, Jbren Namen zu erfahren, ' was würden Sie dann sagen?" Ein freies stolzes Lächeln flog um den roten Mädchen- ; münd. ,^Daß ich mich freue, Herr Rittmeister, Ihre alte Energie ! wieder durchbrechen zu sehen als Zeichen für baldige voll- j ständige Genesung." „Sie weichen mir aus", zürnte er und die sammetdunklen Augen blitzten wieder so herrisch auf. ' - Da ^eichte ihm Christa-Maria lächelnd die Hand und ihre meerblauen Augen suchten die brausenden Wellen der Oker, die zischend an einem gigantischen Felsblock empsr- drandeten. „Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag", kam es zögernd > and doch überzeugungsvoll von Christa-Marias Lippen. Da sprachen sie nicht mehr miteinander. Der Rittmeister beugte sich nur stumm über die weiße, kräftige Wädchenhand, die so lebenswarm in der seinen lag. — Unterdes war der Oberleutnant mit Lotti wacker vor aus marschiert. Ab und zu fielen ihnen die Nachkommendsn «in. Dann hielten sie inne und blickten zurück, oder staunten die rauschenden Wasser an, die zwischen den Steinmeeren dahin schossen. Oder sie pflückten Blumen. Lottis ganzer Hut war schon voll blauer Veilchen. Dabei plauderten sie wie ein paar gute Kameraden über allerlei und der Oberleut nant erzählte Ernstes und Heileres von Ler Front und aus dem Feldlazarett, in dem er ein paar schwere Wochen verbrachte, «he er in die Heimat transportiert wurde. »Ist Ihr Arm denn wieder ganz gut?" fragte Lotti. „Und der Lungenschuß auch?" „Ziemlich. Ich habe noch einige Wochen Erholungs- «rlaub, die ich bei meinem Freund verbringen will, da mein Vater selber 'm Krieg ist, dann geht es wieder hinaus, „ran an den Feind"." „Mau wird Sie gewiß doch noch totschießen", meinte Lott: und schob sich ein Veilchensträußen zwischen die Perlmutter- -nöpfe ihrer Blus«. „Sicher", nickte der Oberleutnant und machte «in ganz wehmütiges Gesicht. Lotti sah ihn prüfend an, und dann lachte sie plötzlich ganz hell. „Schreiben Sie es Mir vorher." „Aber mit dem größten Vergnügen, mein gnädiges Fräu lein, sagen Sie mir, -wohin? Das Einfachste, «ine gegenseitige Vorstellung geruhten Sie vorhin entschieden abzulehnen." „Das liegt auch jetzt nicht in meiner Absicht." „Ja aber, wie soll ich Ihnen denn da schreiben?" „Das ist Ihre Sache. So in Not Mrd Tod wird Ihnen ja wohl eine Erleuchtung kommen." „Sie sind wirklich grausam, gnädiges Fräulein." „Bin ich?" lacht« sie ihn strahlend an. Der Oberleutnant schnitt ein klägliches Gesicht. „Ja und unersättlich obendrein. Könnten Sie denn nicht mal das Geschäft da" — er wies auf die vielen gepflückten Veilchen — „endlich einstellen? Ich bin wirklich schon ganz kreuzlahm." „Also Schluß! Zu einem Kranz für meine Freundin reicht es längst." „Und für mich zu einem Abschiedsstrauß." „Wird gemacht. Wissen Sie denn aber, daß ich vorhin doch nicht so ganz und gar die Wahrheit sprach, als ich Ihnen sagte: „Ich bin Vaters Tochter". „Ach nee? Noch was?" „Ja", nickte Lotti ungemein wichtig. „Ich bin nämlich außerdem noch — Tippfräulein." „Waa-s?"