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auf dem Wege stand ein Feldgrauer und winkte ihnen leb haft zu. Na, das sah ja nicht weiter gefährlich aus, und Lotti dachte: d „Eine unglaubliche Unverschämtheit von dem Kerl, der ja ganz munter und gesund ausschaut, uns hier durch einen Hilferuf heraufzulocken. Sie setzte dann auch ihre unnahbarste Miene aus, aber der Schalk blitzte doch in ihren Augen, als sie den schlanken Ober leutnant der sich leicht verneigte, spöttisch fragte: „Wo brennt es denn, mein Herr? Ich will nicht hoffen, daß Sie sich einen unpassenden Witz Mit uns erlauben. Ihr Rus klang ja, als wäre es „Mathäi am letzten" mit Ihnen. Und nun stehen Sie da, heil und ganz, und es fehlt Ihnen rem garnichts." Ueber das ernste Gesicht des Oberleutnants flog der Schein eines Lächelns. „Ich bin Ihretwegen untröstlich, daß mir nichts fehlt, gnädiges Fräulein. Aber nicht meinetwegen ries ich die Damen an, sondern", er wies mit der Hand zur Seite, „mein Freund da ist auf dem Wege zur Höhr plötzlich zusammengebrochen, und da mutzte ich mir im Augenblick keinen anderen Rat." „Das war sehr vernünftig", lobte Lotti, ihren Rucksack aöwersend und rasch zu dem Ohnmächtigen tretend, an dessen Seite Christa-Maria bereits am Boden kniete. „Schnell etwas Wasser", gebot Christa-Matta, während sie dem Kranken mit geübter Hand die beengenden Knönfe der Uniform löste, um ihm ein freies Atmen zu ermöglichen. Lotti hatte ihrem Rucksack schnell einen kleinen silbernen Trinkbecher entnommen, und der Oberleutnant sprang zur Quelle, ihn mit Wasser zu füllen. Christa-Maria kühlte dem Kranken die heißen Schläfen und die fliegenden Pulse und als er langsam die Augen aufschlug, mächtige dunkle Augen, die aus Wundertiefen zu ihr ausschauten, da lächelte sie und.griff eiligst nach ihrer Taschenapotheke. Sorgsam zählte sie dann zwaiyig Tropfen aus einem Fläschchen ab und hielt den Becher energisch an die Lippen des Kranken. Als er keine Miene machte, den Trank zu neh men, hob sie mit kräftigem Griff wie bei einem widerspenstigen Kinde seinen Kopf in die Höhe und flößte ihm die Medizin ein, die er jetzt auch willig schluckte. , „Baldrian-Aether," bemerkte sie zu dem Oberleutnant, der ihr sorgenvoll zu sah, „das beste bei so kleinen Herz-Affären." „Ich weiß garnicht, wie ich Ihnen danken soll, meine Da men",' antwortete der Oberleutnant, die Hacken zusammen nehmend, „umsomehr, da ich nicht ganz schuldlos an diesem Schwächeanfall meines Freundes bin. Er ist kaum von schwe rer Verwundung genesen und "bedarf noch sehr der Schonung. Er hatte aber eine so unbezwingliche Sehnsucht, hier herauf zu steigen, eh« er zur Erholung in die Heimat ging, daß ich leicht sinnig genug war, ihm seinen Willen zu tun." Lotti aber, die sich auf das Praktische verstand, hatte in zwischen ihren Rucksack ausgepackt. „Vielleicht hat ihr Freund Hunger," meinte sie mit ' einem reizenden Lächeln, das dcm Oberleutnant plötzlich das Blut in die Wangen trieb. „Ost ist der Magen ein schlim merer Geselle als das Herz." Der Oberleutnant wußte dazu nichts zu sagen, aber seine Blauaugen blitzten fröhlich den leckeren Schinkenbrötchen, hartgekochten Eiern, Apfelsinen und Aevseln entgegen, die Lotti auf zierlichen Papiertellern appetitlich ordnete. Nur die Sorge um den Freund hielt den jungen Offizier ab, nicht gleich an Lottis Seite Platz zu nehmen, und den so freundlich gebotenen Herrlichkeiten, zuzusprechen. „Man sagt zwar, wir Soldaten seien draußen im Kriege sehr praktisch geworden," nahm der Oberleutnant zu Christa- Maria dos Wort, ,^ber als mein Freund so ganz plötzlich an meiner Seite zusammenbrach, war ich im Augenblick ganz ratlos, was ich beginnen sollte. Und ohne Besinnen rief ich um Hilfe, als ich,Sie, meim Damen, da unten im Tal ge wahrte. Ich war natürlich nicht sc unbescheiden zu erwarten, daß Sie sich zu uns herausbemühen würden, sondern hatte nur die Absicht, Ihnen zuzurufen, daß Sie uns unsern Wagen sckiäen möchten, den wir nach Romkerhall« voraussandten, und vielleicht, wenn er zu haben lei, auch -einen Arzt." „Das bin ich selbst", antwortete Christa-Maria, sachgemäß den Puls des Kranken fühlend. Jetzt legte sie auch ihren braunen Lockenkopf horchend gegen seine Brust. Da schlug der Kranke in der Husaren-Rittmeisteruniform dir Augen auf und ein leises Lächeln spielt« um seinen Mund. „Alles in Ordnung, Göttin der Barmherzigkeit?" fragte er. ' " < Christa-Matta hob schnell den Kopf und wie sie in seine großen dunklen Augen blickte, da flog plötzlich Helle Röte über ihr Gesicht und eine kleine Falte schob sich zwischen ihr« dunkel beschatteten Blauaugen. „Herz- und Pulsschlag ganz normal," gab sie sachlich zurück, schnell aufstehend. „Die kleine Anwandlung von Schwäche bei dem Herrn Rittmeister hat nichts zu bedeuten," wandte sie sich zu dem Oberleutnant. „Sie war nur eine Folge der übergroßen Anstrengung." „Gott sei Dank," seufzte der Oberleutnant erleichtert. . „Sie nehmen mir einen Stein von der Seele, gnädioes Fräulein." Christa-Maria lachte. Cm goldiges Helles Lachen. „Wie kann ein Kriegsmann so ängstlich sein? Jetzt aber muß unser Patient wirklich etwas genießen. Das ist brav von dir, Lotti, daß du daran gedacht hast." „Na, wie ich mich fühle," gab Lotti zurück, mit schel mischem Lächeln dem Rittmeister, der jetzt sitzend an einem Baum lehnte, eine zierlich geteilte Apfelsine reichend, „solch Lob wird mir nämlich selten zuteil, meine Herren. Für ge wöhnlich bin ich zu wenig nütze in der Welt." „Auch Arzt?" fragt« der Oberleutnant, der es sich jetzt ganz ungeniert an Lottis Seite bequem gemacht hatte und wacker den ihm gereichten Schinkenbrötchen zusprach. „Nee", lachte Lotti, „nur Vaters Tochter." „Wie ich Vaters Sohn", gab der Oberleutnant ganz mechanisch zurück, „da passen wir ja gut zueinander." Und dann sahen sich die beiden in die Auger und lachten laut auf. > - „Es ist doch zu komisch", rief Lotti, „ich hatte schon auf einen kleinen Mordanfall bei Ihrem Hilferuf gerechnet und nun sitzen wir hier alle gemütlich beim Frühstück." „Dank Ihrer Düte, meine Damen," warf der Ritt meister ein und nahm den mit Wein gefüllten Becher, den ihm Christa-Maria darbot und trank ihn bis auf den letzten Tropfen leer. „Menschenskind," rief der Oberleutnant erschreckt auf springend, „willst du dich zugrunde richten?" „Ohne Sorge, es geht mir wieder vortrefflich." „Dir klein« Anregung der Herztätigkeit wird Ihrem Freunde nichts schaden," entschied 'ne junge Aerztin, die kaum sechsundzwanzig Jahre zählen nieste, nun auch tapfer dem Frühstück zusprechend. „Erlauben die Damen," Hub der Oberleutnant an, wieder die Hacken zusammennehmend, „uns vorzustellen?" „Um Gotteswillen," wehrte Lotti entsetzt. „Sie werden doch nicht? Da wäre ja gleich alle Romantik futsck und ich" — hier traf die beiden Feldgrauen ein listiger Blick, ich bin nämlich sehr fürs Romantische." „Ganz mein Fall," stimmte der Obcle.tncmt bei und strich sich über seinen blonden Schädel. Lotti musterte ihn etwas kritisch von der Seite, »er Ritt meister aber bemerkte, mehr zu Christa-Macia gewandt, leis«: „Ich hätte so gern gewußt, wem ich so tatkräftige Hi?' zu danken habe." Christa-Maria sah weithin ins Tal und ihre roten Lippen zitterten leise. „Was tut ein Name?" kam es aus ihrem Munde. „Er verweht, als hätten wir ihn nie gehört. Aber die Erinnerung an eine sonnige Frühlingsmorgenstun' kann uns niemand rauben, wenn wir selber sie in unser Erinnerung festhallen wollen. Ich liebe diese goldige Frühlingsstunde besonders," fuhr sie hastig fort, als sie die dunklen Augen des Ritt meisters plötzlich ausglühen sah, „wenn wir in ihr hoffnungs- sroh dem Lenz entgegen schreiten. Ich brauche sie als Gegen gewicht gegen den endlosen Jammer da draußen in der Welt. Alle Lande voll Blut, voll Hatz, voll Mordlust. Grenzen loses Elend überall. Zu Tausenden hat die blutig« Sichel des Krieges Deutschlands Söhne schon dahingerafst, und ost meint man, garnicht mehr atmen zu können vor dem unfaßbaren Leid, das die Welt durchzittert. Da nehme ich dann zuweilen meinen Wanderstecken zur Hand wenn mein gütiger Vater mir bedeutet, daß es wieder einmal Zeit die Kräfte aufzusrischen. Und dieses Mal hab« ich meine jung« Freundin da, deren sonnige Heiterkeit auch arg im Sinken war, sogar bestimmt, milzukon. ren. In «in paar Tagen sind wir wieder daheim, erfrischt und zu neuen Taten ! gestählt." ZAZ ZGÄ ZZA ö? «ois ü