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Kernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt sÜs UNd ^MgegMd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger »«d Dr«»er: Arthur Dschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 305 Sonnabend den 31. Dezember 1821. 80. Jahrgang Amtlicher Teil. Auf jeden Fall ist damit zu rechnen, daß das Umsatzfteuergesetz Wesentliche Aeuderungen erfahren wird. Voraussichtlich werden diese Aenderungen erst im Monat Januar 1922 beschlossen werden mit Rückwirkung ab 1. Januar 1922. Wesentlich geändert werden die Bestimmungen über die Ein- und Ausfuhr. Besonders hervorzuhebsn ist, daß noch nicht festsieht, ob der Steuersatz 2°/, oder 2*/z°/o betragen wird, daß aber schon für die Umsätze vom 1. Januar 1922 ab mit einer Erhöhung auf 2°/, oder 2>/2°/a zu rechnen ist. Wilsdruff, am 29. Dezember 1921 »7» Der Stadtrat. ^^Für die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren einschl. Losungs- kontrolle bei der städtischen Sparkasse zu Wilsdruff wird ab 1. Januar 1922 eine Gebühr in Hohe von 1 Mk für jedes angefangene Tausend bis zu 20000 Mk. (Nennwert) Depotguthaben und darüber hinaus 0,50 Mk. für jedes angefangene Tausend erhoben. Diese ist zu Beginn des Geschäftsjahres (Anfang Januar), bei Zugängen am Tage der Hinterlegung zu entrichten. Zer Wilsdruff, am 30. Dezember 1921 Der Stadtrat in Vertretung der Sparkasse. kN Kleine Zeitung für eilige Leser. * Dr. Rathenau hat sich nach Paris begeben und wird viel leicht auch während der Beratung des Obersten Rates in Cannes anwesend sein. * Der Eisenbahnerstreik im Westen hat sich verschärft, wird aber von den Gewerkschaften als „wilder Streik" abgelehnt. Die Regierung wies das Ultimatum der Eisenbahner zurück. > * In Len mitteldeutschen Kohlenrevieren wird für den Be ginn des neuen Jahres der Ausbruch neuer Unruhen befürchtet. * Die Botschafterkonferenz billigte den Vorschlag der Gene ralkommission, das Burgenland am 1. Januar Ungarn zu übergeben. * Die Ubootfrage hat in Washington zu einer scharfen Meinungsverschiedenheit zwischen England und Frankreich geführt. * über das Gebiet des Suczkanals wurde von den Engis .ländern der Kriegszustand verhängt. An Ser Lahreswende. Wir stehen im Begriff, uns wieder um eine Jahres zahl von den heldenhaften Ereignissen der Kriegszeit, von den unglückseligen Vorgängen der Friedenszeit, die uns seither vergönnt war, zu entfernen. Man sollte meinen, daß, je mehr wir in das dritte Jahrzehnt dieses Säkulums Hineinschreiten, desto näher wir einer neuen Sammlung unserer Kräfte, einer Beruhigung unserer Nerven, einer leidenschaftsloseren Betrachtung der hinter uns liegenden Erlebnisse kommen müßten. Man weiß, daß Frankreich nach seiner furchtbaren Niederlage vor fünfzig Jahren in unglaublich kurzer Zeit wieder obenauf war, so daß schon 1875 Bismarck ernstlich eine neue Kriegsgefahr abwehren mußte. Man weiß, daß alle Kämpfe, die sonst in den letzten Jahrzehnten zwischen großen und kleinen Völkern ausge fochten wurden, schließlich auch in ihren Folgen mehr oder weniger bald überwunden wurden, und man kann sich noch immer nicht recht an den Gedanken gewöhnen, daß der Weltkrieg etwas anderes und etwas größeres gewesen ist als ein gelegentlicher, durch diese oder jene Ungeschick lichkeit hervorgerufener Grenzstreit. Er war das größte Verbrechen, das an der Menschheit begangen worden ist, und so müssen seine Folgen auch alles weit hinter sich zurücklassen, was sonst ein blutiger Waffengang unter den Nationen an Nachwirkungen zurückzulassen pflegte. Und da wir 1918 das Spiel verloren geben mußten, da wir 1919 gezwungen wurden, zu unterschreiben, dieses größte Verbrechen an der Menschheit verschuldet zu haben, so können wir wirklich nicht gut erwarten, daß die Welt schon nach zwei oder drei Jahren so ziemlich wieder ihr früheres Aussehen angenommen haben sollte. Wenigstens nicht die deutsche Welt. Und gerade die Tatsache, daß, lediglich nach dem trügerischen Schein der Oberfläche geurteilt, ! unser Handel und Wandel blühte, das Wohlleben weiter i- Kreise sich immer üppiger ausbreitete und der papierene Milliardensegen die Volkswirtschaft unseres Landes immer reichlicher befruchtete, ließ den Groll der Feinde und Neider, deren Unersättlichkeit nach Siegesbeute durch die Nachkriegserlebnisse nicht ganz befriedigt worden war, nicht zur Ruhe kommen. So taumelten sie von einer Kon ferenz in die andere, immer das Ziel vor Augen, unsere militärische Niederlage durch unsere finanzielle und wirt schaftliche Strangulierung endlich zu vollenden. Wir glaubten, dieser kurzsichtigen Bemühungen spotten zu können, glaubten, daß die Arbeitskraft eines Sechzig millionenvolkes unüberwindlich sei. Bis der jähe Mark- und danach der ebenso jähe Dollarsturz uns eines andern belehrte. Auch der bestfundierte Wirtschaftsstaat muß bei solcher Unbeständigkeit seiner Geld- und Preisverhältnisse zugrunde gehen. Und so wird wieder einmal nach einem Ausweg aus diesen unendlichen Erschütterungen der euro päischen Kulturwelt gesucht, und das deutsche Volk fühlt sich wieder einmal aus die Folter von Konferenzen ge spannt, bei derren es selbst wenig oder gar nichts mitzu reden hat, bei denen es nur die Macht der Tatsachen für sich sprechen lassen kann. Wir erleben dieses Schauspiel nickst zum erstenmal, aber was sich jetzt in Paris und inCannes vorbereitet, wird vielleicht doch endlich einen Abschluß bringen — so oder so. Die Nervenkraft unseres Volkes geht zur Neige, wirmüssen erfahren, was nun werden soll. Jede neue Krisis schwächt die Tragfähigkeit unserer Schultern wie unserer Seelen, die Gleichgültigkeit gegen alles, was noch kommen mag, hat erschreckend um sich gegriffen. Zwischen Tür und Angel vom alten zum neuen ^zayr bieivr uns nur die Hoffnung, daß ein barmherziges Schicksal uns aus dieser jammervollen Lage bald befreien möge. Allerdings, keine Gunst des Schicksals wird uns helfen können, wenn nicht auch wir selbst kräftig zupacken da, wo wir immerhin noch Herren unserer Lage sind. Die Wieder herstellung der Ordnung im Innern ist noch — wer weiß, wie lange noch? — in unsere Hände gegeben, und unver kennbar hat, verglichen mit der Zeit vor einem Jahre, bei aller Schärfe der fortdauernden Parteigegcnsätze doch das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungskreise unter uns etwas friedfertigere Form angenommen." Die große Koalition, die in Preußen endlich erreicht wurde, hat, sich wider Erwarten leidlich eingearbeitet, und im Reiche, das ist wenigstens die allgemeine Empfindung, wird sich die schmale Basis der gegenwärtigen Regierung über kurz oder lang gleichfalls von der Mehrheitsfozial- demokratie bis zur Deutschen Volkspartei ausdehnen. Mit der äußeren, durch unsere Feinde erzwungenen Entwaff nung hat so auch eine innere Abrüstung in gewissen Gren zen Schritt gehalten, und man darf Wohl sagen, daß die Gefahr bewaffneter Aufstände für absehbare Zeit über wunden ist. Was nun zu tun bleibt, ist die Bereinigung der öffentlichen Finanz Wirtschaft. Was wir mit dem ersten Januar auf dem Gebiete der Post- und Tele graphengebühren erleben, ist nur ein Vorspiel für die Gesamtentwicklung, der wir entgegengehen.. Das Mil liardendefizit muß aus den Staats- und sonstigen öffent lichen Betrieben fortgefcheucht werden, und wenn diese Arbeit noch so große Mühe und Opfer erfordert, können wir uns jetzt nicht aus eigener Entschließung aufraffen, so kommt den staatlichen Notwendigkeiten der Druck der Entente zu Hilse, die nur unter der Voraussetzung, daß wir im Innern Ordnung schaffen, über gemeinsam mit uns zu treffende Maßnahmen zur Bewältigung unserer Neparationslasteu mit sich reden lassen will. So wenigstens stellt sich uns die Lage im Augenblick dieses Jahreswechsels dar, und danach werden unsere gesetzgebenden Körperschaften ihre Entscheidungen zu treffen haben. Was uns also im neuen Jahre erwartet, ist nichts weniger als eine Erleichterung gegenüber den materiellen, den geistigen und den seelischen Lasten, die wir nun solange schon getragen haben, aber wir werden vielleicht nun endlich Gewißheit erhalten über die weitere Entwicklung, die uns bevorsteht, und wir müssen — so lieg endie Dinge mit uns — froh sein, wenn das neue Jahr uns wenigstens diesen einen Fortschritt be scheren sollte. Dr. Sy 'Mr oes ZettLMg'sgsVeldes. Seichs Forderungen. In einer Eingabe der Vereinigten Betriebsräte der Hamburger Zeitungen an Reichsbehörden, Reichstag und Landesregierung werden die folgenden Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Not der Zeitungen gesordert: 1. Eingriff des Staates gegen jede ungerechtfertigte Erhöhung des Zeitungsdruckpapierpreises. 2. Ein reihung des Zeitungsdruckpapiers in die Klasse lebenswichtiger Bedarfsgegenstände. 3. Versetzung des Zeitungsdruckpapiers in eine billigere Klasse des Eisenbahngütertarifs. 4. Beseitigung jeder Son derbelastung des Zeitungsgewerbes auf dem Wege einer erhöhten Umsatzsteuer für die Inserate. 5. Eine weitgehende Herabsetzung der be reits abgeschlossenen und noch zur Beratung stehenden Postzeitungsgebühren, Fernsprech- und Te legraphengebühren für Zwecke des Zeitungsnach richtendienstes und weiteres Entgegenkommen an die Bedürfnisse der Zeitungen, insbesondere auf dem Ge biete des Nachrichtenverkehrs aus dem Auslands, der durch den katastrophalen Marksturz gänzlich lahmge legt zu werden droht. 6. Strengste Überwachung aller Produktions- und Verkehrszweige gegen jede miß bräuchliche Ausnutzung solcher dem Zeitungsgewerbe zugestandenen Erleichterungen. In der die Eingabe begleitenden Begründung legen die Betriebsräte in Gemeinschaft mit den Arbeiter- und Angestelltenorganisationen die schwere Notlage dar, unter der das Zeitungsgewerbe steht. Die Zeitungen feien heute mehr denn je ein Faktor und ein Instrument des öffentlichen Lebens und aller gemeinnützigen Bestrebungen. Als solche haben sie Anspruch auf weitestgehende Erleichte rung ihrer Arbeit üm Dienste des Gemeinwohls, da alle ihnen gewahrten Erleichterungen automatisch der Volks gemeinschaft in vervielfachtem Maße wieder zugute kommen. Bezugsgelder-Erhöhungen. In Berlin sehen sich die großen Zeitungen gsnö- ngt, vom 1. Januar 1922 ihre Bezugspreise auf monat lich 25 Mark zu erhöhen. Ähnliche Preisheraufsetzungen werden in den andern Großstädten vorgenommen, und die Presse in den mittleren und kleineren Orten ist gezwungen, ihre Abonnementsgebühr ebenfalls den Verhältnissen an zupassen, soll ihre Existenzmöglichkeit einigermaßen er halten bleiben. Raihsnmr m Paris. Das Programm für Cannes. Außer den amtlichen deutschen Unterhändlern, die sich unter der Führung des Staatssekretärs Fischer nach Pa ris begeben haben, um dort mit der Reparationskom- nttssion über die nächsten deutschen Zahlungen zü verhan deln, ist jetzt auch Dr. Rathenau, wiederum wie bei feiner Londoner Reise, „als Privatperson" nach Paris gefahren, nicht um an den direkten Verhandlungen teilzunehmen, wohl aber, um in Fühlung mit der Reparationskom mission zu treten und sich in ähnlicher Weise zu informie ren, wie er es in England getan hat. Es wird in Paris sogar davon gesprochen, daß Rathenau nach Cannes gehen werde, um dort zur Stelle zu sein, falls der Oberste Rat Auskünfte über die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Deutschland wünscht. Die Besprechungen Fischers mit der Kommission werden sich in erster Linie mit der Frage der Ratenzahlungen im Januar und Februar beschäftigen. Man ist der Ansicht, daß von deutscher Seite im Januar beim besten Willen nicht mehr als etwa 200 Millionen Mark gezahlt werden können. Im Zusammenhangs mit den ersten beiden Zahlungen des nächsten Jahres dürfte das gesamte Reparationsproblem und insbesondere dis Regelung der deutschen Reparationsleistungen sür das Jahr 1922 zur Erörterung kommen. Auf Grund des jetzt in Paris vorgelegten Materials wird Deutschland zeigen, was es im Jahre 1922 äußerstenfalls an Geldleisttmgen aufbringen kann. Darüber hinaus wird Wohl Rathenau deutsche Sachleistungen Vorschlägen. Die Reise Nathenaus nach Paris ist übrigens, wie versichert wird, auf ausdrücklichen Wunsch maßgebender Ententekreise erfolgt. Das Programm für Cannes. Die erste Sitzung des Obersten Rates wird am 6. Januar abgehalten. Die Zusammenkunft wird acht Tage dauern. Die Delegationen werden ungefähr 200 Per sonen umfassen. Auf dem Programm stehen zwei Punkte: Die Reparationen und dis Einberufung einer in- nationalen Konferenz. In Pariser politischen Kreisen wird mit großer Vorsicht die Folgerung gezogen, daß in Cannes vielleicht einiges zur Besserung der wirt schaftlichen Situation erzielt werden wird, aber bei weitem nicht soviel, wie einige Optimisten glauben. Es wird be sonders von Belgien ein starker Widerstand in allen Fra gen der Wiedergutmachung erwartet, die die belgischen Interessen berühren. Auch Frankreich dürfte nickst geneigt sein, in seinen Varforderungen nachzugeben. Sehr' viel wird in Cannes davon abhängen, ob England tatsächlich einige Opfer brinaen will. Der Eissttbahnersirerk im Wesim. Das Ultimatum abgelehnt. Die Forderung der Eisenbahnarbeiter einiger Bezirks im Rheinland nach sofortigen Vorschüssen ist vorn Reichs kabinett abgelehnt worden, weil dafür neue Milliarden summen nötig sein würden, die jetzt nicht zur Verfügung stehen. Auch ist dieses in ultimativer Form vorgebrachte Verlangen der Regierung bei allen bisherigen Verhand lungen mit den Organisationen noch nie vorgelegt wor den und daher völlig überraschend gekommen. Da die Arbeitsniederlegungen ohne vorherige Anrufung eines Schiedsgerichts erfolgten, so wird von Regierungsfeite be tont, daß es sich um wilde Streiks handelt. Bei der Aufstellung der ultimativen Forderun gen an die Eisenbahndirekttonen Elberfeld, Köln und Essen haben die Funktionäre des Allgemeinen EisenbaLnerver-