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Wilsdruffer Tageblatt : 13.12.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-12-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192112134
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19211213
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19211213
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-12
- Tag 1921-12-13
-
Monat
1921-12
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 13.12.1921
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ge^s eine Novelle zugeyen, die die Steuerabzugsfähigkeit der Srenken- und Jnvalidenverfichernngsbeiträge sowie eine Her- -mflehung der WerbungSkosten auf WW bis 4500 Mark Vorsicht. Bemerkenswert ist noch die Bestimmung, das; die zum Haushalt der Steuerpflichtigen gehörigen minderjitzrigen Kin der im Alter bis zu 17 Jahren und die Ehefrau beim Haus haltungsvorstand auch dann berücksichtigt werden, wenn sie sel ber Arbeitslohn beziehen und ihrerseits Anspruch auf Steuer- -nnäßigung haben, auch daß die Steuerpflichtigen Anspruch auf die in gleicher Weise wie für die minderjährigen Kinder festge setzten Ermäßigungen des Steuerabzuges für mittellose Ange hörige erheben können, die von ihnen unterhalten werden (daß -ie zu ihrem Haushalt gehören, ist^nicht notwendig). Ein ent sprechender Antrag ist möglichst vor dem 1. Januar zu stellen. Politische RunSschau. deutsches Reich. Die Saarfrage vor dem Völkerbundsrat. Der Präsident des Völkerbnndsrates, Hymans, hat den Rat auf den 10. Januar nach Genf einberufen. Auf der Tagesordnung stehen u. a. verschiedene die Freie Stadt Danzig betreffende Fragen. Auch die Saarfrage wird einen beträchtlichen Raum in den Verhandlungen einneh- men, da der Rat sich mit dem Protest der deutschen Regie rung gegen die Verfügung der saarländischen Negierungs kommission über die Eigenschaften eines Saarbewohners beschäftigen muß. Ermäßigung der Jnseratensteuer. Bei den Beratungen im Reichstagsausschuß über die Umsatzsteuer führte die Frage der Jnseratenbesteuerung zu einer lebhaften Auseinandersetzung. Abg. Cremer von der deutschen Volkspartei führte aus, Reklame und Inser tion seien kein Luxus, ebensowenig sei die geschäftliche Lage der Zeitungen zu einer Svndersteuer angetan. Der durch weitere Beschränkung der Reklame und den Zusam menbruch der Zeitungen entstehende Steuerausfall würde größer sein als der durch Anwendung der gewöhnlichen Umsatzsteuer entstehende. In der Abstimmung wurden von den Abgg. Hergt und Bruhn (Deutfchn.) eingebrachte Anträge angenommen, die Anzeigensteuer von 10 auf 5 Prozent zu ermäßigen. Ersatzansprüche aus dem polnischen Aufstand. Die Interalliierte Kommission in Oppeln hat die Verordnung erlassen, daß die Schäden aus dem polnischen Aufstand im Mai und Juni bis zum 1. Januar 1922 bei den neu errichteten Kreisausschüssen schriftlich anzumelden sind. In jedem Kreise wird ein solcher Ausschuß zur Fest stellung der durch die Aufstandsbewegung verursachten Schäden fungieren. Ein Zentralausschutz wird ferner für ganz Oberschlesien eingesetzt, bei dem jeder Geschädigte Einspruch erheben kann, und zwar innerhalb 10 Tagen nach Empfang des Entscheides des Kreisausschusses. Die Schäden müssen in der Zeit zwischen dem 2. Mai und dem 3. Juli 1921 einschließlich entstanden sein. Am Aufstand beteiligte Insurgenten sind entschädigungsberechtigt. Niederschönenfeld wird nicht revidiert. Die Auseinandersetzungen über die politischen Gefan genen in Bayern hatten zur Einsetzung eines Ausschusses des Reichstages, der die Zustände in der Strafanstalt in Niederschönenfeld in Bayern, wo Toller, Mühsam u. a. in terniert sind, durch persönlichen Augenschein feststellen sollte, geführt. Von bayerischer Seite war das als Eingriff in die bayerische Justizhoheit empfunden worden. Der Aus schuß selbst beschäftigte sich jetzt mit der Streitfrage und nahm gegen die sozialistischen Stimmen einen Antrag Merck (bayer. Vp.) an, daß von der Besichtigung mit Rück sicht auf die strittiae Rechtsfrage Ab st and genommen werden solle. Die Schlichtungsordnung angenommen. Der Reichswirtschaftsrat hatte bei der ersten Lesuno. des Gesetzentwurfs für die Schlichtungsordnuna den En?» Die Grafen von Freydeck. 13j Roman von A. Lstlanv. Es ist übrigens eine aste Geschichte, daß die schöne Ulrike von Freydeck immer wieder einmal auftaucht und um das Haus streicht, wenn da ein Unglück geschehen soll oder eins gestorben ist. Sie war ja auch später eine Karmeliterin. Vielleicht ist doch was Wahres an den alten Sagen! Und heut hält' sie ja allen Grund, zu erscheinen. Drüben liegt der alte Herr tot, und unser junger Graf, der schaut so sonderbar aus, grad als wie irrsinnig, und sitzt in seinem Zimmer und starrt immer vor sich hin aus einen Fleck. Ist nicht zur Ruhe zu bringen, sagt Doktor Amberg, und antwortet auf keine Frage. Niemand halt' geglaubt, daß der so an seinem Vater hängt! Na, ist's denn da ein Wunder, wenn die Ge spenster des Hauses lebendig werden? Die gescheiten Leute sagen wohl, das alles gibt's nicht, das ist lauter Einbildung und Aberglaube, und was weiß ich, was noch! Aber ich bleib' dabei; 's liegt ein tiefer Sinn in diesen Sachen! Und von der roten Ulrike hab' ich schon aller lei gehört! Und immer wieder war da ein Zusammenhang mit den Karmeliterinnen. Die schöne Komtesse Lucie hätt' ja auch sollen in den Orden eintreten; wie der alte Herr drauf gekommen ist, daß sie den armen Schlucker liebhat." „Aber Frau Wüten I" Gottfried schüttelte unzufrieden sein weißes Haupt. Die Weiber! Ob denn die jemals den Mund halten können zur rechten Zeit? Vergaß denn die Frau ganz und gar, Laß der alte Graf strengstens verboten hatte, je vor Hilda Wentheim den Namen ihrer Mutter zu erwähnen? Und wenn die Baronin Berghaus ein solches Wort hörte, dann gnade Gott der geschwätzigen Alten! Und Hilda — was die heute für Augen machte! Und wie bittend sie Frau Marie ansah I „Erzählen Sie mir was von — von Lucie von Freydeck!" sagte sie mit klangloser Stimme. Man hatte ihr stets verwehrt, zu sagen „von meiner Mutter". Nach dem Willen des alten Grafen und seiner Schwester sollte die schöne Lucie tot sein für immer und für alle, auch für ihr Kind. Sogar die Erinnerung an sie sollte vergehen und verwehen. Leise und ängstlich schlich sich der alte Diener aus dem Zimmer. Frau Wilten aber sah verlegen in das junge Gesicht, aus dem die Augen so bittend sie anblickten. „Gehen Sie zu Bett, Fräulein Hildchen", sagte sie und nahm das junge Mädchen sanft beim Arm; „Ihnen ist gar nicht gut! Ich meine gar, Sie haben Fieber. Ja? Ziehen Sie sich aus — " Hilda Wentheim streifte langsam das Tuch herab und litt es, daß die Alte ihr beim Aufknövken des Kleides Wurf, wie er vom Ausschuß empfohlen wurde,'abgclchnt. In zweiter Lesung wurde ein Antrag zur Herauslassung der Handwerkslehrlinge und ein Antrag, Lehrlinge in Landwirtschaften usw. herauszulassen, angenommen. Ebenfalls angenommen wurde ein Antrag, wonach zur Verhütung wilder Streiks zwar kein Schadenersatz, jedoch eine „angemessene Buße" verhängt werden kann. In der Gesamtabstimmung wird der Entwurf mit 80 gegen 76 Stimmen angenommen. Aoroomenra. X Das Viermächteabkommen. Die Washingtoner Kon ferenz hat ein bemerkenswertes greifbares Ergebnis ge zeitigt. Das Abkommen zwischen England, Amerika, Ja pan und Frankreich zur Aufrechterhaltung des Friedens in der Südsee ist vorläufig abgeschlossen worden. Es bedarf zu seiner Gültigkeit noch der Genehmigung der vier Regierungen selbst, an der jedoch nicht zn zweifeln ist. Damit ist das bisherige englisch-javanische Bündnis als endgültig erledigt anzusehem Aus In- und Ausland. Brüssel. Die neue Regierung ist gebildet. Minister präsident wird Theunis. Es ist eine Koalition zwischen Katho liken und Liberalen zustande gekommen. Belgrad. Der jugoslawische Ministerpräsident Pasi 1 sch, der mit der Bildung des neuen Kabinetts beauftragt war, hat seinen Auftrag an den König als unausführbar zurückgegeben. Eine Vermehrung des Familienstandes nach dem 20. Oktober 1921 (letzte Personenstandsausnahme) kann für das Jahr 1922 nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, daß die Vermeh rung zwei Personen umfaßt und im ersten KalenderMertestahr ein entsprechender Antrag gestellt wird. DsrKapp-puisch vor demNeichsgerr'chi Leipzig, 10. Dezember. Bei der Zeugenvernehmung überwiegen zunächst die Generäle und Offiziere. Die Politiker sollen später zu Worte kommen. Der bekannteste aller Truppensührer, General Ludendorff, erregte zwar das größte Inter esse durch seine Persönlichkeit, aber seine Aussagen brach ten keinerlei besondere Überraschungen. Er gab nur Aus kunft über-die Art und Weise, wie er die verschiedenen am Putsch beteiligten Personen kennenlernte, und schil derte seine Auffassung über die vor dem Putsch besonders brennenden Fragen der Bolschewistengefahr, der Aus lieferungsfrage und des Baltikumunlernehmens. Er er klärte ferner, daß ihm von der Absicht eines Regierungs sturzes nichts bekannt gewesen sei, wie er selbst ja über haupt nirgends in den Vordergrund trat. Ein Brief an ihn, der ihn allerdings nicht erreichte, kennzeichnet jedoch die Rolle Ludendorffs dahin, daß sein Einfluß, ob vor oder hinter den Kulissen, der maßgebende sein würde. Ob und wieweit ein solcher Einfluß aber wirklich stattge sunden hat, darüber ist weder aus Ludendorffs eigenen Worten, noch aus anderen Zeugenaussagen etwas zu ent nehmen. überhaupt bleibt vorläufig die Rolle vieler Per sönlichkeiten noch sehr in Dunkel gehüllt. Aus den Mit teilungen über Osfizierszusammenkünfte, bei denen auch die Marine stark beteiligt war, ist nur zu entnehmen, daß viels Leute etwas geahnt oder gewußt haben, daß aber eine eigentliche Teilnahme in den meisten Fällen nicht vorzuliegen scheint. * Vevh andlungsberlcht. (Vierter Tag.) 8 Leipzig, 10. Dezember. Die Zeugenvernehmung setzte in der Sonnabendsitzung mit den Aussagen einer jetzt noch in hoher Stellung amtierenden Persönlichkeit, des Generals v. Secckt, ein. Die Verhand lungen bilden jedoch mit dem Vorlage ein zusammengehöriges Ganzes, da es sich überall um Bekundungen darüber handelt, was die Zeugen von den Absichten der eigentlichen Führer des Putsches, Kapp uud Lüttwitz, gewußt haben. Der Direktor -des pommerschen Landbuudes, v. Dewitz (Stettin) hatte darüber ausge-sagt, daß man damals stänüia aut einen KmnmnniN-nniik- half. Aber dann legte sie ihre schlanken, weißen Mädchen- arme um die Schultern der alten Frau. „Bleiben Sie bei mir, Frau Marie, ich fürchte mich so sehr! Ich bitte Sie, bleiben Sie da, und erzählen Sie mir noch mehr von dem Gespenst und der roten Ulrike, und — und — von —" „Ich weiß schon, Kindchen", sagte die alte Frau gut mütig. Sie hatte sich auf den Rand des Bettes gesetzt ' und strich mit ihrer hartgearbeiteten Hand beinahe zärtlich über die schmalen Wangen des jungen Mädchens, das § nun, da es unter der Bettdecke sich streckte, fast noch - kindlicher ausfah als früher. „Ich weiß schon, Kindchen, was Sie sagen möchten," fuhr die alte Frau fort, „aber ich kann Ihnen auch nickt ; gar viel sagen, weil diese Sachen ja vor uns Dienstleuten s immer streng geheimgehalten werden. Nur daß natürlich doch dann und wann was durchsickert —" „So glauben Sie auch, daß die Gestalt vor meinem Fenster ein — ein Gespenst war?" Hilda Wentheims seine, schlanke Finger hielten unter der Decke die Schnur, an welcher der Ring und der kleine Schlüssel hingen. Durch ihren Kopf flogen allerlei seltsame, wirre Gedanken. Hatte Georg Günther nicht auch gesagt, eine schwarzgekleidete Frauengestalt sei im Arbeitszimmer des Großvaters gewesen, dieselbe Gestalt, die er früher im Part zu sehen gemeint hatte? Und nun hatte sie auch den seltsamen Schatten gesehen! Und es war ja auch jemand dagewesen I Ganz bestimmt, dis Be weise hielt sie doch selbst in ihrer Hand. Frau Marie Wilten schüttelte zweifelhaft ihren grauen Kopf, auf dem das saubere, blütenweiße Häubchen saß. „Ach, Kind, ich mein' wohl, es war der Geist der schönen Ulrike — ich glaub's bestimmt. Die soll ja keine Ruhe finden im Grabe, denn sie hat ihren Gemahl, den schlimmen Wolf von Freydeck, betrogen und hat einen anderen liebgehabt, einen feinen, jungen Gesellen, einen fahrenden Spielmann. Der Wolf von Freydeck war ein gefürchteter Ritter und hat fein junges, schönes Weib gar hart gehalten. Er hat sie von ihrem Vater zugesprochen bekommen, und sie ist wohl nicht viel nach ihrem eigenen Willen gefragt worden, Kindchen, wie das schon so war, früher einmal. So mein' ich, es ist just kein Wunder, daß ihr der junge Sänger besser gefallen hat. Aber der Graf hat es erfahren, daß sie ihm nicht treu war. Und sehen Sie, Kindchen, die Leute sagen, da hat er vor ihren Augen den Sänger von der .hohen Brucken' aus hinuntergestürzt in das brausende Wehr des Flusses. Und sein schönes, junges Weib hat er zu den Karmeliterinnen geführt, die Anno dazumal auch schon einmal da drüben hausten im alten Marienkloster. Aber sie hat keinen Frieden gefunden, nicht auf Erden und nicht im ewigen Leben. Und wenn ein Un glück über das Haus kommt, dann steht sie wieder aus aus ihrem Grabe — dort drüben im alten Klosterfriedhof soll stand gefaßt war und sich auf die Abwehr rechtzeitig vorbereite'n wollte. Einen landwirtschaftlichen Lieferungsstreik habe man nicht geplant, auch sei ein solcher kaum durchführbar. Durch die Vieten Alarmmeldungen war die Selbstverteidigung der Bauern erlahmt. Die Stimmung auf Selbsthilfe hoch zu halten, war sehr schwer. — Rechtsanwalt Böttger: Ist Ihnen bekannt, daß unter Herrn Braun, der sich „Minister der Land arbeiter" nannte, die Streiks aufflammten? — Zeuge: Das ist ein unerquickliches Kapitel. Die Beamten des Ministers haben bei unS Haussuchungen abgehalten, da man mit dem Wort „Rechtsputsch" hausieren ging und Stimmung gegen uns machte. Wir verlangten damals, um überhaupt eine geordnete landwirtschaftliche Prodrcktion aufrecht erhalten zu können, daß endlich mit den Streiks der Landarbeiter, die die Versor gung untergruben, ein Ende gemacht werde. Wir warm auch auf dem besten Wege, mit den Landarbeiterverbünden in ein gutes Verhältnis zu kommen, aber das wollte man scheinbar im Ministerium nicht. — Der Zeuge Major Fleischer er klärte, Geueral Lüttwitz sei zweifellos über die Stimmung der Truppen falsch orienti rt. Er war stets der Ansicht, daß ihm die Truppen unbediugi sol- gen würden. Aber damals waren schon sehr erfolgreich die Bestrebungen im Gange, die Soldaten zu entpolitisieren. Ober reichsanwalt Ebermeyer: Wohin sollten sie ihm denn folgen? Zeuge: Wir hatten den Eindruck, daß General v. Lüttwitz mit den Soldaten einen Druck auf die Regierung ausüben wollte. Er wollte nach unseren Informationen die Regierung und die Nationalversammlung zwingen, die Verfassung zu respektieren. Der nächste Zeuge Kapitänleutnant v. Trotha macht über den Anmarsch der Brigade Ehrhardt von Däberitz nach Berlin Mitteilung. Vors.: Waren innerhalb der Brigade für den Kapp-Putsch vorher militärische Vorbereitungen getroffen? Zeuge: Nein. Am 12. März um 8 Uhr abends erst gab Kapi tän Ehrhardt den Befehl, nachdem vorher ein entsprechender Befehl von Exzellenz Lüttwitz eingetrossen war. — Vors.: Er hob sich im Offizterkorps gegen diesen merkwürdigen Vormarsch dann gar kein Widerspruch? Zeuge: Ich hörte, daß unterwegs Kapitän Ehrhardt an die Truppen Ansprachen gehalten hat. In Berlin schickte mich Kapitän Ehrhardt mit einer Kompagnie zum Reichsmarineministerium, wo ich Admiral v. Trotha mel den sollte, daß wir einmarschiert seien. — Oberreichsanwalt Ebermever: Sie mußten doch wissen, daß Sie nicht dem Oberst Bauer und nicht Exzellenz v. Lüttwitz, sondern dem Chef der Marine, Admiral v. Trotha, unterstellt waren? — Der Zeuge schweigt. — Nach längerer Beratung kam das Gericht zu dem Beschluß, die Zeugen von Stubbendorf und Trotha nicht zu vereidigen, da der Verdacht, sie seien als Teilnehmer des Unternehmens zu betrachten, nicht beseitigt sei. General SeeckL über den 13. März. Der Zeuge General Seeckt äußerte über die Vorbereitun gen zum Kapp-Putsch folgendes: Die Anzeichen, daß Lüttwitz ein Unternehmen plante, das mit seiner Pflicht unvereinbar war, waren im Januar 1920 bereits erkennbar, schon daraus, daß Lütt witz mit der Marinebrigade in Verbindung trat, um sie vor der Auflösung zu schützen und sich eine gefügige Truppe zu schaffen. Minister Noske besaß volles Ver trauen zu Lüttwitz, und bei uns in den militärischen Stellen olaubte man nicht an den Ernst seiner Bestrebungen, die zur Niederlage von vornherein verurteilt waren. Am 9. März hörte ich von Oberstleutnant Hammerstein, dem Generalstabsoffizier von Lüttwitz, man wisse nicht mehr. Was Lüttwitz vorhabe, aber es sei ernst. Ich ging zu Nvske und verlangte sofortige Verabschiedung von Lütt witz. Ich verlangte ferner, daß Noske der Unterredung zwischen dem Präsidenten Ellert und Lüttwitz beiwohnte. Wir mußten reinen Tisch machen. Am 10. März war Lüttwitz bei Ebert, am 11. hörten wir von der Verbindung Lüttwitz mit Kapp und Oberst Bauer. Wir drängten auf sofortige Festnahme der Herren. General Lüttwitz wurde nicht ver abschiedet, sondern zur Disposition gestellt. Dann kam die Nacht vom 12. zum 13. März, die unsere Befürchtungen be stätigte. — Vors.: Hat nicht Ollerst Reinhardt zwischen General Lüttwitz und der Marinebrigade vermittelt? — Zeuge: Das glaube ich nicht. Die Marincbrigade war auf ihre Führer ein gestellt. Wer die Führer hatte, hatte die Brigade. Der Schutz des Regierungsvicrtels war dem Schützenrcg. 6 anvcrtraut, die Führer waren zuverlässig, die Manuschasten weniger. Dazu kam, daß die Sipo schwankte. Truppen, die vorher im Felde zusammen gewesen, sollten aufeinander schießen, Eine Schlacht am Brandenburger Tor! Ehrhardts Truppen waren ausgezeichnet bewaffnet. Ehrhardt, es wtn — uno wandelt Yin über ms Wiesen uno scyleuyi um das alte Haus und gleitet zwischen den Waldbäumen hindurch. „Es haben sie schon gar viele gesehen", fuhr Frau Wilten fort, „und sie erzählen seltsame Sachen, wie schön sie sei, und das goldrote Haar schleift fast am Boden noch in langen Zöpfen, just so, als wie sie es dereinst trug, als sie als Herrin da droben saß. Drüben im Kloster haben sie ihr dann das herrliche Haar abgeschnitten." Hilda Wentheim tastete nach ihren eigenen Zöpfen, welche schimmernd auf der Bettdecke lagen. Ihre heißen, zuckenden Finger griffen nach den runzeligen Händen der alten Frau. „Frau Wilten — und was — was war mit meiner Mutter? Sie sollte auch ins Kloster?" „Ja, Kindchen. Ich sollte wohl nicht zu Ihnen dar- über reden. Aber Gott — es war ja doch Ihre Mutter! Ist's da nickt ganz natürlich, daß Sie auch einmal gern was hören möchten? Nur daß ich, wie gesagt nickt gar viel weiß. Aber erinnern kann ich mich noch gar gut an das liebe, süße, junge Ding, an die schöne Komtesse Lucie. Sie hat ganz anders ausgesehe», als Sie, Hildchen. Schlank war sie auch und feingliederig, just wie Sie, aber um das rosige Gesicht kräuselten sich die braunen, wirren Locken, und ein Paar braune Augen hatte sie, so leuchtend, so voll Uebermut und Schelmerei, daß man sie nur an- schauen durfte, und man lackt» schon. Der alte Graf war auch rein verliebt in sie. Er wollte hoch hinaus mit ihr, hatte große Ptäne. Ein Herzog wollte sie zur Frau. Aber sie schüttelte nur die Locken: .Nein!' Dann kam ein anderer, dann ein dritter — lauter hohe Herren. Aber sie wollte keinen!" „Warum nicht?" fragte Hilda Wentheim in die Stille hinein. „Frau Marie, bitte, bitte, sagen Sie mir alles I Ja? Alles, was Sie selbst wissen l Auch von meinem Vater!" Die alte Frau war wieder sehr verlegen. „Gott, von dem weiß ich doch gar nichts! Grad nur, daß er Buchhalter war und vom alten Herrn Grafen ausgenommen, damit er hier die Geschäftsbücher des Ver walters in Ordnung bringt und die ganze Eeldgebarung überwacht. Wir haben ihn ja nicht viel gesehen, wir Dienstleute. Er war ein bißchen stolz und immer so ganz für sich. Aber ich sollt' Ihnen doch das alles nicht er zählen, Fräulein Hildchen!" Die alte Frau rückte ängstlich hin und her. Ader die heißen Hände des jungen Mädchens ließen sie nicht los, „O ja, das kann doch kein Unrecht sein; gewiß nicht! Denken Sie nur, Frau Marie: das waren doch mein Vater und meine Mutter!" „Ja, das ist wohl richtig, aber verboten ist's mir doch worden!" „Ich sag's ja niemand, Frau Marie — keinem Men- scken : das verivreck' ick Ibnen I"
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