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Wilsdruffer Tageblatt : 08.12.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-12-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192112081
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19211208
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19211208
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-12
- Tag 1921-12-08
-
Monat
1921-12
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.12.1921
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Amerika. X Rothschilds Zweck bei seiner Amerikareise. Einem Ver treter der Newyorker Presse erklärte der in Amerika wei lende Londoner Bankier Rothschild, der Zweck seines Be- siwhes sei nicht der, über eine Anleihe Deutschlands zu ver handeln. Eine deutsche Anleihe sei sehr viel mehr eine politische wie eine geschäftliche Angelegenheit und außer dem erst dann tatsächlich zu regeln, wenn die Ergebnisse der Washingtoner Konferenz fest vorlägen. L)as Drama von Kleppelsdorf. (Erster VerhandlungStag.) § Hirschberg, 5. Dezember. Unter ungeheurem Andrang des Publikums, das von weit her herbeigeströmt ist, begann heute die Verhandlung gegen den angeblichen Architekten Peter Grupen, der beschuldigt ist, im Februar d. I. seine 16jährige Nichte Dörthe Rohr beck, die Schloßherrin von Kleppelsdorf, und deren Stiefbase Ursula Schade ermordet zu haben, um, wie die AnN- annimmt, daS Millionenvernrögen der jungen Gutsbesitzerin seine Hand zu bringen. Die Mordtat hat, wie man sich er innern dürste, seinerzeit das größte Aufsehen erregt, und die Aufregung der ganzen Bevölkerung der Hirschberger Gegend wuchs noch, je näher der Tag des Prozeßbeginns heranrückte. Da die Frage, ob der Angeklagte bei der Begehung des Ver brechens sich hypnotischer Mittel bedient hat, vorausgesetzt, daß ihm der Mord überhaupt nachgewiesen werden kann — von großer Bedeutung ist, sind mehrere hervorragende Irren- und Seelenärzte alS Sachverständige geladen worden, unter ihnen Dr. Most auS Berlin und Dr. Lesser aus Breslau. Dörthe Rohrbeck, daS eine der beiden Opfer der Bluttat, war die Tochter eine) Millionenbauern auS Berlin-Tempelhof. Sie hatte das Gut Kleppelsdorf, dessen Wert fast 2 Millionen Goldmark betrug, von ihren während des Krieges verstorbenen Eltern geerbt, und soll außerdem noch ein Barvermögen von fast 1)4 Millionen Mark besessen haben. Trotz dieses achtbaren Vermögens soll sie beinahe ärmlich gelebt haben, da sie von ihrem Vormund und von ihrer Großmutter, einer Frau Eckart, sehr knapp ge halten wurde. Es soll mehr als einmal vorgekommen sein, daß sie kein Geld besaß, um sich notwendigste Lebensmittel zu kau- sen, und daß sie dann bei freundlichen Nachbarn »pumpen* mußte. Der Angeklagte Grupen ist ein großer blonder Mann, der sich aber sorgfältig kleidete und auch jetzt vor dem Richter den Eindruck eines flotten, ener gischen, selbstsicheren Menschen macht. Er ist erst 27 Jahre alt, hat im Kriege den linken Arm verloren und erklärt mit Stolz, daß er Besitzer deS Eisernen Kreuzes sei. Die Anklage wirst ihm nicht nur den Doppelmord, sondern auch ein Sittlichkeits- Verbrechen an der dreirelmiäbrigen Ursula Schade vor. * (Zweiter Tag.) § Hirschberg, 6. Dezember. Der gestrige Tag brachte den Beginn der Vernehmung des Angeklagten Peter Grupen, und heute wurde dieses Ver hör fortgesetzt. Mit leiser, fast sraulischer Stimme, die einen etwas überraschenden Gegensatz zu seiner kräftigen Statur bildet, schilderte Grupen seinen Lebenslauf. Er ist am 20. Sep tember 1894 in Haveldorf in Holstein als Sohn eines Boots bauers geboren, trat 1914 als Kriegsfreiwilliger ins Heer ein und verlor 1915 den linken Arm. Er war mehrmals verlobt, aber die Verlobungen wurden wieder ausgehoben, und zwar, wie er behauptet, auf seine Veranlassung. Dann lernte er in folge einer Zeitungsanzeige, die er aus Scherz aufgegeben haben will, Frau Gertrud Schade, die Witwe eines Perle berger Apothekers, kennen. Diese Bekanntschaft führte zur Ehe, und die Ehe soll — immer nach den Schilderungen des Ange klagten — in der ersten Zeit glücklich gewesen sein. Die Frau habe sich aber schließlich als Trinkerin entpuppt und außerdem eigenartige Neigungen anderer Art an den Tag gelegt. Das habe zu einer Zerrüttung des Ehelebens führen müssen. Hin- zugekommen sei noch, daß die Frau eines Tages im Rausch an gedeutet habe, daß ihr erster Mann, der nach ihren ersten An gaben infolge eines Jagdunglücks ums Leben gekommen sein sollte, von einem ihrer früheren Liebhaber auk der Jagd er schossen worden sei. i Der Besuch in Ottenbüttel. Durch seine Heirat mit der Frau Schade war Grupen mit Dorothea Rohrbeck, der jungen Schloßherrin von Klep pelsdorf, verwandt geworden, und eines Tages erschien Doro thea — oder Dörthe, wie sie von den Verwandten genannt Wurde — mit ihrer Erzieherin» einem Fräulein Zahn, als Gast in Ottenbüttel, wohin Grupen, der bis dahin in Itzehoe ge wohnt hatte, verzogen war. Die Reise soll durch Fräulein Die Grafen von Freydeck. 9s Roman von A. Ostland. „Nein, aber ich sah den kleinen Weg durch das Bos kett, den sie genommen hatte." „Den werden Sie mir morgen genau zeigen!" „Ja, das kann ich tun. Also ich lief ihr nach und stand dann dort neben der Partmauer" — Georg Gün ther wies mit der zitternden Hand aus dem Fenster — „und sah hier im Arbeitszimmer den Schatten der Frau!" „Sehr sonderbar," sagte Doktor Amberg; „war da verhalte Herr schon hier?" „Nein. Als der Herr Graf eintrat, war hier alles finster. Erst als er schon neben dem Lehnstuhl war, glitt die seltsame Erscheinung dort — aus jener Ecke — hervor - und — und dann warf sie sich ihm zu Füßen, sprach zu ihm — der Graf sank zusammen —" Der junge Mann suchte mühsam nach Worten. Das ganze Geheimnisvolle, Unerklärliche des Vorganges kam ihm neuerlich überwältigend zum Bewußtsein. Er ver mochte es kaum, sein Entsetzen zu schildern. Was hatte ihn überhaupt so furchtbar erschreckt? Doch nur der Aus druck grenzenlosen Grauens, welches er bei dem schwachen Schein der Lampe in dem Antlitz des alten Grafen hatte austauchen sehen! „Hm," sagte der Gerichtsrat, .und da sind Sie also durch das Fenster gesprungen?" .Ja." „Nun, und was weiter?" „Was weiter? Das Licht verlosch — ich"— ich hörte noch etwas. Ganz leise Schritte — ein Klappen wie von einer Tür — dann nichts mehr. Ich habe gerufen, aber ich war ganz sinnlos — der Graf gab auch keine Ant wort. Als ich endlich Licht zustande brachte, sahen mich seine toten Augen an. Da fiel ich ohnmächtig hin. Erst das Rütteln an der Tür schreckte mich auf —" „Und Sie haben wirklich keine Silbe mit dem Herrn Grafen mehr gesprochen? Kein einziges Wort?" Georg Günther sah angstvoll aus. „Ich glaube, er war schon tot, als ich hier eindrang. Er gab keinen Laut von sich. „So!" Der Rat trat einen Augenblick zurück an den Schreib tisch. - „Der Herr Graf hatte von Ihnen oder von Ihrem Vater keine Anzeige erhalten, daß Sie um diese Stunde hierherkommen würden? Bestimmt nicht?" „Bestimmt nicht I" Georg Günthers Stimme klang jetzt ganz fest. Aber Zahn, mit der Grupen sehr schlecht stano, veranlaßt'worden sein. Der Vormund der Schloßherrin, ein Herr Vielhack, soll sein millionenreiches Mündel sehr knapp gehalten und Fräu lein Zahn, als sie gegen seine Knauserei Einspruch erhob, kur zerhand gekündigt haben. Fräulein Zahn sei nun mit Dorothea in Ottenbüttel erschienen, um sich für den Prozeß, den sie gegen ihren Vormund anstrengen wollte, die Sympathien der Ver wandten ihres Zöglings zu sichern. Sehr harmonisch scheint dieser Besuch in Ottenbüttel nicht verlaufen zu sein: Dörthe Rohrbeck machte aus ihrer Abneigung gegen den „angeheirate ten" Onkel kein Hehl, und Fräulein Zahn will einen Heirats antrag, den er ihr gemacht haben soll — er hatte die Absicht, sich von seiner Frau scheiden zu lassen —, rundweg abgelehnt haben. Gegenbesuch in Kleppelsdorf. Kurz darauf machte Grupen einen Gegenbesuch aus Schloß Kleppelsdorf, angeblich, um die knapp gehaltene Dorothea mit etwas Geld zu unterstützen. Seine Frau hatte er nicht mitge bracht. Sie soll damals und früher schon geäußert haben, daß sie Schauspielerin werden und nach Amerika gehen wolle. Frau Grupen verschwindet. Nach seiner Rückkehr aus Schlesien fuhr Grupen mit seiner Frau zu einem Notar nach Itzehoe und ließ sich dort von der Frau eine Hypothek im Betrage von 52000 Mark überschreiben. Tags darauf war er wieder beim Notar und verlangte hier, an geblich auf ausdrücklichen Wunsch der Frau, die Gütertrennung. Und noch einen Tag später begab sich etwas, was bis heute noch rätselhaft und nicht aufgeklärt ist. Grupen kam mit seiner Frau und zwei Dienstmädchen zum drittenmal nach Itzehoe und brachte die Frau, die, seinen Angaben nach, nach Kleppelsdorf fahren wollte, zur Bahn. Frau Grupen ist aber nie in Klep pelsdorf eingetroffen und ist seit jenem Tage spurlos verschwun den. Auf dem Abort in Ottenbüttel fand man später einen halb zerrissenen Brief, in dem sie mitteilte, daß sie jetzt ihren längst gehegten Plan, nach Amerika zu gehen, auszusühren ge denke und ihre beiden Kinder aus erster Ehe der Obhut ihrer Mutter, einer Frau Eckert, und ihres Mannes anvertraue. Dorothea Rohrbeck kam dann auf Grupens Wunsch noch einmal nach Ottenbüttel, diesmal ohne die Erzieherin. Diese kam aber kurz daraus nach, da Dorothea ihr telegraphiert hatte, daß sie sich sehr unglücklich fühle. In Berlin, in Hamburg und in Kiel, wohin er mit den Damen fuhr, soll der Angeklagte sich sehr merkwürdig benommen haben. In Hamburg brachte er Dörthe und ihre Erzieherin in einem berüchtigten Absteige quartier unter, und während einer Kahnfahrt auf der Alster soll er seine Gäste wiederholt in ernste Lebensgefahr gebracht haben, in dem er den Kahn in die Strömung der großen Dampfer hineinbugsierte. Er will das nur „aus Scherz" getan haben, während die Anklage annimmt, daß er die Absicht gehabt habe, die reiche Schloßherrin aus irgendeine Weise aus dem Wege zu räumen, um ihr Vermögen erben zu können. Der 14. Februar. Hatte bis dahin die Vernehmung des Angeklagten einen ziemlich ruhigen Verlauf genommen, so spitzte sich jetzt, wo die Vorgänge am 14. Februar 1921, dem Mordtage, zur Sprache kamen, das Verhör in geradezu hochdramatischer Weise zu. Am 8. Februar war Grupen mit seinen beiden Stieftöchtern Ur sula und Irma und der Großmutter der beiden Mädchen, der schon genannten Frau Eckert, in Kleppelsdorf angekommen. Für das Gericht ist es nun von besonderer Wichtigkeit, zu wissen, in welcher Geistesverfassung sich damals die kleine Ursula Schade besoird. war sie es doch, die zuerst als Mörderin der Dorothea Rohrbeck bezeichnet wurde. Ursula soll, wie Grupen behauptet, schon in Itzehoe manchmal sehr traurig ge wesen sein und öfters grundlos geweint haben. Auch habe sie in den Nächten nervöse Angstzustände gehabt. Zwischen dem 9. und 14. Februar soll sie dann der Stütze Marie Mohr, die gleichfalls in Kleppelsdorf weilte, einen Brief gegeben haben, der eine Überraschung für die Großmutter enthalten sollte. Sie soll sich in jenen Tagen, wie Grupen versichert, in einem anderen Brief als „die traurige Ursel" bezeichnet haben. Am Vormittag des 14. Februar ist Dörthe Rohrbeck mit ihrer Base Irma in der Stadt gewesen. Gegen Mittag sind sie von dort zurückgekommen. Fräulein Rohrbeck ging in das Kinderspielzimmer, während Grupen sich im Nebenzimmer be fand. Die Verbindungstür zwischen den beiden Zimmern war offen. Grupen spielte zuerst mit Ursula, dann mit Irma und zuletzt mit der Stütze Marie Mohr Mühle. Daß er das Zimmer für längere Zeit verlassen habe, bestreitet er. Dagegen wurden die andern Personen, Irma, Fräulein Zahn uns Fräulein Mohr, hin und her geschickt. Alle diese Vorgänge spielten sich im ersten Stockwerk des Schlosses ab. Um die Mittagszeit kam ein Dienstmädchen hinaus und sagte: „Es ist angerichtet." Als sich bald daraus alle zum Essen begeben wollten, kam ihnen auf der Treppe dasselbe Mädchen entgegen mit den Schreckens- Worten: „Die Kinder liegen unten tot." die Augen des atten Herrn fayen ryn fo streng an, vag er es fühlte, man glaubte ihm nicht. Und doch sprach er die volle Wahrheit! Der Rat hatte ein zerknülltes Blättchen von dem Tische genommen. Es war so fleckig, als ob jemand Tinte darüber geschüttet hätte. Nur dort und da war noch ein Wort lesbar. Der Gerichtsrat hielt dem jungen Mann das Papietz hin. Verständnislos sah Georg Günther darauf. Mühsam las er die mit einer steilen Schrift geschriebenen Worte, welche trotz der vielen Flecke noch sichtbar geblieben waren: „zwanzigtausend — morgen — zehn Uhr — Arbeitszimmer —" Darunter hatte wohl ein Name gestanden. Aber hier war der Fleck so tiefschwarz, daß er alles verschlungen hatte. Man konnte nur noch den großgeschriebenen An fangsbuchstaben entziffern. „Nun, was hat da gestanden?" fragte der Rat in die Stille hinein. „Bitte, sehen Sie ganz genau hin! Wenn auch nur der Anfangsbuchstabe mehr erkennbar ist — dieser eine Buchstabe dürfte genügen." Georg Günther blickte verwirrt um sich. Er sah die Hellen, scharfen Augen des alten Gerichtsrates fest und streng auf sich gerichtet, er sah den Doktor Amberg sicht lich interessiert nähertreten, um gleichfalls den zerdrückten Zettel genau zu studieren, er sah, wie sich die hohe Gestalt der alten Baronin Berghaus langsam und steif aus dem Fauteuil, in welchem sie bis jetzt gesessen, emporhob. Und in den eisigen Mienen aller dieser Menschen las er einen starken, schweren Verdacht, eine geheime Anklage, fast eine Drohung. Aber da stand ganz plötzlich wie hingewehl Hilda Wentheim neben ihm. Ihre Hände faßten nach seinem Arm. „Ich bin bei dir, Georg," sagte sie schlicht, „fürchte dich nicht, du hast ja nichts Böses getan; ich weiß das!" Ihre einfachen Worte gaben ihm wieder neuen Mut. „Hier steht ein ,G ", sagte er laut. Er wunderte sich über seine eigene Stimme, welche ihm fremd und hart tm Ohre nachklang. „Ganz richtig" — der Rat nahm das Blättchen wieder an sich und glättete es sorgfältig, um es dann in seiner Brieftasche höchst achtsam zu verwahren. „Ein ,G', und das heißt?" „Herr Rat, wie soll ich das wissen, was das heißt?" „Das heißt aller Wahrscheinlichkeit nach ,Günther'. Sic werden doch nicht glauben, daß das Gericht so wenig Kombinationsgabe besitzt, junger Mann? Ihr Vater befindet sich in schweren Geldverlegenheiten; wie ich mich erinnern zann. handelt es sich um zirka xwancha- „Wir find nun," so fährt der Angeklagte in offensichtlicher Erregung fort, „alle hinuntergelaufen. Fräulein Zahn bat ich, rasch einen Arzt zu rufen, dann ging ich ins Zimmer und legte Dörthe aufs Bett. Den Arzt bat ich, zuerst Ursula, die am Schrank kauerte, zu Helsen. Dann sagte einer der Anwesenden: „Da liegt die Pistole. Bei Ursula fand man außer einer Schachtel mit 19 Patronen einen Brief, der also lautete: „Kleppelsdorf 19. Liebe Großmutti! Sei mir nicht böse, daß ich Vati den Re volver aus dem Schreibtisch genommen habe. Ich will Dir helfen, Du sollst Dich nie mehr über Dörte ärgern. Als Vati Onkel Wilhelm das zeigte, habe ich das gesehen und ihn mit genommen." Die Adresse lautet: „An Großmutti," und es soll dies der Brief gewesen sein, der von der Stütze Mohr der Großmutter ccegeben werden sollte. Wie die Mordwaffe nach Kleppelsdorf gekommen ist, will Grupen nicht wissen. Er habe sie in Otten büttel im Schreibtisch aufbewahrt gehabt, und Ursula müsse sie dort wohl heimlich an sich genommen haben. Sie habe wäh rend der Reise die Pistole wahrscheinlich in ihrem Mantel Ver steckt gehalten; das schließe er daraus, daß sie sich während der langen Fahrt niemals hinlegen wollte. Sehr verdächtig erscheint es der Staatsanwaltschaft, daß Grupen nach der Entdeckung der Tat zu Fräulein Mohr plötz lich Plattdeutsch sprach, obwohl ihm der Gendarm das Sprechen verboten hatte. In heftigem Tone erklärt er, daß Plattdeutsch die Umgangssprache seiner Heimat sei, und daß er Fräulein Mohr nur aufgefordert habe, alles wahrheitsgemäß zu bekun den, auch daß sie Beziehungen zueinander hätten. Einen Hei ratsantrag habe er der Dorothea Rohrbeck niemals gemacht. Er habe ihr lediglich geholfen, wenn sie Unterstützung brauchte. Mit Hypnose habe er sich niemals beschäftigt. Grupen äußerte sich dann noch über die etwas unerquicklichen Familienverhätt- nisse und über die häufigen Verstimmungen, die zwischen der Frau Eckert und Dorothea Rohrbeck herrschten. Während der Vernehmung über das Sittlichkeitsverbrechen, daß Grupen an seiner Stieftochter begangen haben soll, wurde die gesamte Öffentlichkeit ausgeschlossen. Neueste Meldungen. Erhöhte Belohnung auf die Ergeifung Boldts. Hamburg. Die auf die Ergeifung des aus dem Unter suchungsgefängnis entwichenen Oberleutnants zur See a. D. Boldt ausgesetzte Belohnung ist vom Oberreichsanwalt aus 50 000 Mark erhöht worden. Erschießung ukrainischer Geiseln. Stockholm. Nach der Charkower Fswestija, dem ukrainischen Regierungsblatt, wurden am 6. November 216 ukrainische Gei seln erschossen; sie waren von den bolschewistischen Truppen auf dem Rückzüge mitgenommen worden. Ihre Erschießung er folgte als Vergeltung für die Hinrichtung einer Reihe Von Sowjetbeamten durch die ukrainischen Aufständischen. Sturmschäden in Spanien und Portugal. v. Madrid. Die Küsten Spaniens und Portugals wer den gegenwärtig von schweren Stürmen heimgesucht, die schon zahlreiche Schiffbrüche und schwere Beschädigungen von Hafen anlagen verursacht haben. In Coruna lief der französische Dampfer „Rhein^ mit schwerem Maschinendefekt ein. Fünf Kohlenschiffe haben Schiffbruch erlitten. Besonders schwer sind die Sturmschäden in Malaga. Schnellere Rückzahlung üverschießender Steuerbeträge. Berlin. Der Hauptausschutz des Preußischen Landtages nahm einen Antrag aus Beschleunigung der Rückzahlung der von den Lohn- und Gehaltsempfängern zuviel gezahlten direkten Steuern an. Beendete Rundreise ausländischer Arbeiter. Berlin. Die ausländischen Arbeitervertreter, die eine Rund reise durch deutsche Jndustrieorte machten, haben ihre Heim reise nach der Schweiz, Belgien, England und Italien ange treten. Die Arbeiterschutzkonferenz in Genf hat die Absicht, in einer Denkschrift, die dem Obersten Rat und der Interalliierten Kontrollkommission zugehen wird, ihre Beobachtungen und Er fahrungen zusammenzufassen. Die Arbeiten des Reichstages. Berlin. Der Reichstag wird vor Weihnachten nur noch die dringendsten Vorlagen erledigen und nach einer Vereinbarung mit der Regierung von den Steuervorlagen nur das neue Um satzsteuergesetz, das am 1. Januar in Kraft treten soll, verab schieden, ferner wünschte die Regierung die Verabschiedung des neuen Ortsklassenverzeichnisses vor Weihnachten, das rück wirkende Kraft vom 1. April 1920 erhält. Die Beamten in den höhergestuften Orten sollen ihre Nachzahlungen aus dieser Vor lage zum 1. Januar erhalten. taufend Gulden, welche übermorgen fällig sind und ein- tassiert werden sollen. Daß Ihr Vater nach den vielen Unglücksfällen der letzten Jahre und jetzt, wo seit sechs Wochen infolge des Streiks die Fabrik steht, das Geld nicht hat, um die Wechsel einzulösen, das liegt auf der Hand. Wie zerrüttet die ganzen Verhältnisse überhaupt sind, das weiß hier in Heidenheim jedes Kind. Ihr Vater wandte sich nun aller Wahrscheinlichkeit nach an den alten Grafen, trotz der offenen Feindschaft, in welcher die beiden Häuser sich seit kurzem befanden. Er bat ihn um die Summe — er bestimmte die Stunde — höchstwahrscheinlich war er verhindert, selbst zu kommen, da sandte er Sie —" „Nein, nein!" rief Georg dazwischen. „Nichts von alledem ist wahr! Nichts kann wahr sein! Es war nur ein Zufall, daß ich hier vorüberging —" In diesem Augenblick trat Hilda Wentheim vor. Sie trug das schöne Köpfchen frei und stolz. „Nicht lügen, Georg!" sagte sie, und in ihrer klaren Stimme klang ein leises Beben. „Immer die Wahrheit sagen! Du kamst nicht zufällig hier vorbei, du wolltest mich sehen, nur mich. Da sandtest du heute durch euren Gärtner meine Bücher herüber, die ich dir einst geliehen. Und in einem lag der kleine Zettel, in dem du mich batest, vor zehn Uhr für einige kurze Minuten in den Park zu kommen —" „Und du, Hiida, du bist gegangen?" Die alte Baronin Berghaus batte mit Gewalt die Hände des jungen Mädchens von Georg Günthers Arm derabgezogen. Nun hielt sie die zarten Hände wie mit eijernen Klammern fest. Der Blick Hildas war frei und offen, als sie nun der empörten, furchtbar erregten Frau ins Auge sah. „Ja, Tante, ich bin gegangen. Georg war mein ein ziger Kamerad und Freund in all den langen Jahren. Er war das Licht, die Freude in meinem Leben. Was wissen wir, weshalb sein Vater und Onkel Hugo sich ge stritten hatten? Man hat uns nicht einmal die Ursache jenes Streites gesagt I Man hat uns nur einfach verboten, uns je mehr zusehen. War das nicht grausam, Tante? Und nun wußte ich Georg im Unglück, ich wußte, er war ganz verzweifelt, ohne Freunde, ohne Stütze. Und da hätte auch ich ihn verlassen sollen?" Die alte Frau hielt noch " die Hände ti-s Mädchens umspannt. (Fortsetzung folgt.)
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