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Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger «ud Dr«»er: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Herman« Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i» Wilsdruff. Nr 276 Sonnabend den 26. November 1821. 80. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Interalliierte Kommission hat die bisher verweigerte Einreiseerlaubnis sür deutsche Bevollmächtigte in Oberschlesien erteilt. * Der Preußische Landtag nahm nach einer die ganze Nacht andauernden Sitzung die neue Geschäftsordnung an. * Der preußische Minister des Innern hat einen Erlaß zur Bekämpfung des Wuchers und der Preistreiberei heraus- gegeben. * Der deutsche Botschafter in Rom von Berenberg-Goßler hat um seine Entlassung aus dem Reichsdienst gebeten. * Eine Denkschrift des Bundes der britischen Industrien «ordert Erleichterung der deutschen Reparationslasten. * Zwischen England und Afghanistan ist ein für England günstiger Vertrag geschlossen worden, der den russischen Einsluß zurückdrängt. * Der nächste Internationale Bergarbeiter-Kongreß wird im August 1922 in Frankfurt am Main abaehalten werden. „Undurchführbar." In Deutschland ist die Gesamtorganisation der maß gebenden Jndustrieverbände im Augenblick Gegenstand heftiger Angriffe, weil sie das Kreditangebot an die Reichsregierung mit weitgreifenden Bedingungen wrrl- schaftlicher Natur verbunden hat, hinter denen nicht nur die organisierte Arbeitnehmerschaft politische Druckmittel stärkster Art wittert. In England tritt zu gleiüfer Zeit der „Bund der b ri t i s ch e n I n d u st r i e" mit einer Denkschrif 1 an die Öffentlichkeit, die der Unhaltbarkeit der europäischen Gesamtlage rücksichtslos zu Leide geht. Was diese britischen Industriellen hier ausführen, hat alles andere eher, nur nicht den Reiz der Neuheit. Auch von englischer Seite sind die Gründe, mit denen die Denk schrift die unbedingte Notwendigkeit einer Erleichterung der deutschen Reparationslasten vertritt, schon mehr als einmal geltend gemacht worden. Aber daß sie nun auch von der Gesamtvertretung der britischen Industrie ohne jede Verschleierung ins Feld geführt werden, aus der Er kenntnis heraus, daß der völlige Zusammenbruch Deutsch lands auch alle anderen europäischen Nationen unrettbar in seinen Strudel hineinziehen muß, ist ein Fortschritt, der immerhin mit einiger Befriedigung verzeichnet werden darf. Die Denkschrift stellt fest, daß der Reparations plan in seiner gegenwärtigen Gestalt undurchführ bar sei und daß jeder Versuch, ihn mit Gewalt durch- zusühren, zum Zusammenbruch Deutschlands führen müsse. Der erste Teil dieses Satzes ist eine Verurteilung der eige nen Regierung in London, die diesen Reparationsplan allen deutschen Abmahnungen zum Trotz durch ein unsinni ges Ultimatum erzwingen half; der zweite Teil ein Stotz gegen Frankreich, das sich jeden Augenblick zur Gewaltan wendung bereit zeigt, falls Deutschland mit den ihm auf diktierten Leistungen ckäumig werden sollte, das in solchen Fällen immer den dösen Willen Deutschlands bewiesen sehen will, während in Wirklichkeit objektive Unmöglich keiten vorliegen, denen auch der beste Wille der besten deutschen Regierung nicht entgehen kann. Die Denkschrift spricht es rundweg aus, daß die gewaltsame Eintreibung der Deutschland aufcrlegten Reparationen die Industrie Großbritanniens ernstlich erschüttern würde. Gewiß müsse Deutschland bis zum äußersten Maße seiner Fähigkeit zah len. Aber, wenn man die britische Industrie nicht mehr als nötig schädigen wolle, müssen neue Vereinbarungen mit Deutschland gesucht werden, um die im Londoner Ultimatum festgelegten Bedingungen nach verschiedenen Richtungen hin abzuändern, mehr noch: die Last zu er leichtern, die man Deutschland auferlegt habe. Unmöglich könne der internationale Handel auf die frühere Bahn zurückkehren, unmöglich könne man neue Beziehungen auf einer dauernden Grundlage Herstellen, bevor man nicht die Methode zur Liquidierung aller Kriegsschulden auf einer vernünftigen Grundlage regele. Diese Schulden können nnr in Waren und in Arbeitsleistungen abgetragen werden; Deutschland insbesondere könne sich seiner Ver pflichtungen nur entledigen durch die Zahlung eines Über schusses seiner Ausfuhr über die notwendige Einfuhr von Lebensmitteln, Rohstoffen und andern Bedürfnissen. Dazu müsse aber die Welt um Deutschland herum zur Entgegen nahme solcher Waren und Arbeitsleistungen bereit sein, wäh rend jeder Blick in die Umwelt zeige, daß überall wachsende Tarifschranken aufgerichtet würden und daß man sich in zahlreichen Fällen weigert, Waren anzunehmen, die die Nachbarn liefern wollten. Die Reparationszahlungen hätten in den Finanzen der ganzen Welt Verwirrungen angerichtet und so eine dauernde Entwertung der deut schen Mart auf eine unbegrenzte Zeit hinaus geführt und dadurch wiederum die Ausfuhr von Fertigwaren aus Deutschland Ün unsinnigem Maße gesteigert. So werde das industrielle Leben anderer Länder schwer geschädigt, und die Wirtschaft Europas könne unmöglich in Ordnung kommen. In England wird diese Denkschrift sicherlich nicht tauben Ohren predigen, denn der nüchterne Geschäftssinn der Engländer hat die hier geschilderten Zusammenhänge schon seit langem in der eigenen Berührung mit den har ten Tatsachen des Wirtschaftslebens erkannt. In Frankreick, dagegen wird sie, wie alle sonstigenSttmmen der Vernunft, die sich von Zeit zu Zeit immer wieder Gehör zu ver schaffen suchen, auf Ablehnung stoßen. Nicht bei den klei nen Leuten im Lande, die, wie eben erst die Abstimmungen in elf Dörfern des zerstörten Gebietes bewiesen haben, die deutsche Mitarbeit am Wiederaufbau durchaus willkommen heißen. Im Durchschnitt haben sich dort 84 Prozent der Einwohner für Verwendung deutscher Arbeiter, wie unsere Gewerkschaften sie anboten, ausgesprochen. Aber Minister Loucheur und seine Leute erklären sich von dieser Abstimmung noch immer nicht überzeugt, sie gehen zu weiteren Winkelzügen über, eben weil sie keinerlei Erleich terung für Deutschland wollen. Unterdessen verhandelt Hugo Sünnes in London über Pläne von riesenhaften Ausmaßen, für die er mit der deutschen, die englische, die amerikanische und die französische Industrie vereinigen will. Wird die Vernunft, die in solch großartigen Ent würfen nach Verwirklichung strebt, sich nicht doch einmal durchsetzen können? Frankreich bleibt gerüstet. Briands Widerspruch in Washington. Nachdem bereits die große Rede Briands auf der Ab rüstungskonferenz in vielen Ländern, so vor allem in Eng land, bei allen Freunden der Rüstungseinschränkung tiefe Enttäuschung hervorgerufen hat, wurde die Absicht der Franzosen, von ihrer waffenstarrenden Armee keine Kom pagnie streichen zu lassen, vollends deutlich durch eine neue Erklärung des französischen Premierministers anläßlich der Absicht der Konferenz, eine allgemeine Aus sprache über die Einschränkung der Landheere herbei zuführen. Briand machte gegen diesen Plan heftige Opposition und erklärte, daß Frankreich unmittel baren Gefahren standhalten müsse und seine Armee nur vermindern könne, wenn die Gefahren von den andern Mächten geteilt würden. Da Frankreich keine Garan tien geboten worden seien, sei die Einschränkung der Rüstungen gegenwärtig unmöglich. Auch die von England vorgeschlagene Beschränkung der U-Boot-Flotten erklärte er für Frankreich als unannehm bar. Da Briand übrigens sofort nachPariszurück- kehren will, dürfte die Landabrüstungsfrage schwerlich eine positive Lösung finden, und Briand wird mit Recht auch in manchen Ententeblättern als Saboteur der Kon ferenz getadelt. Ein japanisch-amerikanischer Gcheimvertrag? Die Besprechungen zwischen den Vertretern Japans und den Vereinigten Staaten, die in Washington außerhalb des Rahmens der Konferenz stattfanden, werden dahin gedeutet, daß sic einen geheimen Vertrag zum Ziele haben, nach dem Amerika Japan seine chinesischen Besitzungen garantiert und dafür von Japan Zugeständnisse in der Flottenfrage erlangt. Für die Flottenfrage ist den Japanern anscheinend der Plan des ermordeten Minister präsidenten Hara maßgebend, wonach Japan einer Herab setzung auf 70 Prozent seiner Flottenstärke zustimmen und das englisch-japanische Bündnis aufgeben will. Günnes und Rußlands Aufbau. Wirtschaftliche und politische Bedeutung für Deutschland. Der Abgeordnete Dr. Stresemann von der Deut schen Volkspartei kam bei einer Rede iu Offenbach a. M. Mich auf die Londoner Reise des Großindustriellen Sün nes zu sprechen. Die französischen Blätter schrien auf bei dem Gedanken, daß Sünnes mit Lloyd George etwa über den wirtschaftlichen Aufbau Rußlands durch England und Deutschland gesprochen hätte. Eine Kraftquelle für Deutschland ist aber der Wiederaufbau Ruhlands. Dar über habe Sünnes auch mit Krassin, dem Abgeordneten Lenins, gesprochen. Daß er mit Lloyd George und Krassin darüber sprach, beweise, daß Sünnes eine große Achtung überall besitze. Wenn englisches, amerikanisches und fran zösisches Kapital mit deutschem Kapital und deutscher In- telligenz dem Wiederaufbau Rußlands dienen, werde das für uns in Deutschland wirtschaftlich und politisch von großer Bedeutung sein. Kaffee-, Tee- und Kakaozoll wie bisher Der Neichstagsausschuß lehnt Erhöhungen ab. Im Verbrauchssteuerausschuß des Reichstages wurde ein wichtiger Beschluß über die Zollerhöhungen gefaßt. Die Zollsätze des Regierungsentwurfs für Kaffee, Kakao bohnen, Kakaobutter, Kakaomasse, Kakaopulver und Tee wurden abgelehnt. Für diese Artikel bleibt es also bei den alten niedrigen Zollsätzen. Dagegen wurde der neue erhöhte Zollsatz für Schokolade und Schokoladeersatzmittel sowie Waren daraus vom Ausschuß bewilligt. Für Schokolade soll demnach also pro Doppelzentner ein Zoll satz von 200 Mark wirksam werden. Diese Beschlüsse des Ausschusses sind zwar nochnich 1 endgültig, aber es ist anzunehmen, daß sie vom Plenum des Reichstages bestätigt werden. Der Ausschuß nahm ferner die neuen Zollsätze für Bananen (Doppelzentner 10 Mark), Datteln und Traubcnwcine (60 Mark), Paprika (10 bis 5" Mark) und Gewürze (50 bis 100 Mark) an. — AUS der Debatte über den Kaffeezoll ist noch die inter essante Bemerkung eines demokratischen Redners zu er wähnen, welcher erklärte, ein deutscher Arbeiter würde nach den geplanten neuen Zollsätzen zwei Tage für ein Pfund Kaffee arbeiten müssen, während ein englischer Arbeiter nur eine Stunde dafür zu arbeiten braucht. Das Gold-Aufgeld. Über die Frage der Erhöhung des sogenannten Goldagios erklärte ein Regierungsvettreter, daß das Aufgeld den Zweck habe, den Zoll dem Wertstande der Mark anzupassen. Der je weilige Satz solle nicht allzu oft geändert werden. Für die nächste Zeit sei eine weitere Erhöhung zunächst nicht beab sichtigt; es müsse aber Vorbehalten bleiben, je nach der Ent wicklung des Markstandes das Aufgeld zu erhöhen. ^vtiisschL Rundschau. Deutsches Reich. Reichs Jugcndwohlfahrtsgesctz. Der zuständige Ausschuß des Reichstages beendigte die erste Lesung des Jugendwohlfahrtsgesetzes, nachdem die ursprünglich in Höhe von 50 Millionen Mark vorge sehenen Zuschüsse des Reiches an die Länder verdoppelt worden waren. Die zweite Lesung soll am 9. Dezember beginnen. In Kraft treten soll das Gesetz erst am 1. April 1923. Bayerische Erklärung gegen Briand. Der französische Ministerpräsident Briand Hai in seiner Rede aus der Washingtoner Konferenz gesagt, der baye rische Ministerpräsident habe sich gerühmt, über ein Heer von 300 000 Mann samt Ausrüstung zu verfügen. Halb amtlich wird dazu aus München erklärt, es scheine sich um ünes jener Gerüchte zu handeln, die zur Zeit des Kampfes um die Einwohnerwehr über bayerische Verhältnisse ver breitet worden sind. Sie entsprechen in keinem Punkte der Wirklichkeit. Niemals hat ein bayerischer Ministerpräsi dent diese oder eine ähnliche Äußerung getan. Befchwervenotr ver Reichsregieruug nach Ungarn. Von zuständiger Stelle wird mttgeteilt, daß die deut sche Reichsregieruny in der Frage der Adressierung des Beileidsschreibens der ungarischen Regierung an den ehe maligen bayerischen Kronprinzen durch ihren Gesandten in Budapest die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Vor stellungen erhoben. Dabei handelt es sich um die Adresse, mit der die ungarische Regierung dem Prinzen Rupprecht von Bayern ihr Beileid zum Tode seines Vaters aus- drückte. Die Adresse lautete: „An Se. Majestät König Rupprecht von Bayern." Zulassung der deutschen Bevollmächtigten in Oberschlesicn. Die Interalliierte Kommission hat dem deutschen Be vollmächtigten mitgeteilt, daß sie in Zukunft die Einreise- erlaubns für bevollmächtigte Vertreter der deutschen Re gierung nicht mehr versagen werde, die zum Zwecke der deutsch-polnischen Wirtschaftsverhandlunger in Ober schlesien Erkundigungen einziehen wollen. Einem Ein reisegesuch des Generalvertreters für die Wirtschafts fragen, Reichsminister a. D. v. N a u m e r, ist entsprochen worden Grenze der Lohnpfändung 8000 Mark. Eine Novelle für Verordnung über Lohnpfändung ging dem Reichstage zu. Der Arbeitslohn bis 8000 Mark ist demnach psändungsfrei. Soweit er diese Summe über steigt, ist er zu einem Drittel des Mehrbetrages der Pfän dung nicht unterworfen, jedoch nur bis zu einem Ein kommen bis 50 000 Mark. Die deutsch-polnischen Verhandlungen wurden in Genf mit einer Vorbesprechung unter dem Vorsitz des Bundesrats Calonder eröffnet. Dabei erklärten sowohl die deutschen wie die polnischen Ver treter, daß die mit dem größten Geist der Versöh nung an ihre Aufgabe herantreten würden und mit dem Bewußtsein, daß nicht nur die beiden Länder, sondern die ganze Welt an einer befriedigenden Lösung der durch die Teilung Oberschlesiens aufgerollten Fragen interessiert sei. Als Ort der Hauptverhandlungcn kommt voraus sichtlich Danzig oder Wien in Frage. Siegerwald in Amsterdam über Deutschlands Lage. Von den christlichen Gewerkschaften war der frühere preußische Ministerpräsident Stegerwald nach Holland ent sandt worden, um der dort stark von französischer Seite betriebenen antideutschen Agitation cntgegenzntreten. Stegerwald führte aus, die innere politische Lage in Deutschland sei besser geworden. Monarchisten und Re publikaner hätten sich genähert, der Bolschewismus sei weniger gefährlich geworden. Inwieweit in Deutschland der Bolschewismus unterdrückt werden kann, hängt von der Versorgung mit Lebensmitteln, sowie von der Haltung der andern Länder Deutschland gegenüber ab. Stcger- wald hält zwei Dinge für notwendig: Eine Währungs einheit auf internationaler Grundlage und ein Morato rium für einige Jahre für die deutschen Zahlungsverpflich tungen.