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Fernwrfcher Wilsdruff M. 6 fÜs 28!l^dsUff UNö ÜMgLgLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts za Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 244. Dienstag den 18. Oktober 1921. 8V. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Nach einer letzten entscheidenden Sitzung der Botschafter- konserenz sollen die Beschlüsse über Oberschlesien am Dienstag in Berlin und Warschau bekanntgegeben werden. * Die Devisenhausse hat sich infolge der oberschlesischen Be schlüsse scharf fortgesetzt. Am Sonnabend wurde an der Ber liner Börse der Dollar vorübergehend mit 150, der holländische Gulden mit über 50 Mark gehandelt. * Der Hauptansschuß des Preußischen Landtags genehmigte einen Betrag von sechs Millionen zur Unterstützung der Opfer von Oppau. * Der Ausnahmezustand in Bayern ist aufgehoben. Damit haben auch die Staatskommissare ihre Tätigkeit beendet. * Die englische Regierung hat die Entscheidung des Völker- b-ndsnateZ über Oberschlcsien angenommen. ' Man ksi ermg. Einen Tag oder Zwei hat cs so geschienen, als wenn auch in diesem Schlußstadium der Oberschlesischen Frage zwischen England und Frankreich ernsthafte Meinungs verschiedenheiten entstehen sollten. Lloyd George hielt sich zwar diesmal persönlich stark zurück, aber seine Preß organe hatten noch nicht vergessen, was er — wie lange ist es her? — in sehr verständigen Reden vor der ganzen Welt über die notwendige Gerechtigkeit für Oberschlesien gesagt hatte. Und im ersten Augenblick mochten sie glauben, daß der britische Premierminister zu den Männern ge höre, deren Ja — Ja und deren Nein — Nein bedeutet. Man verfällt merkwürdigerweise immer wieder in den Irrtum, daß Männer des öffentlichen Lebens es für ihre Aufgabe hielten, sozusagen ewige 'Wahrheiten von sich zu geben, während sie doch in der Tat nur daran denken, in jedem Augenblick das zu tun oder zu sagen, was ihnen nach Lage der Verhältnisse am zweckmäßigsten erscheint. Und von Lloyd George insbesondere sollte man nachgerade überall wissen, daß er alles andere eher als eine Bekenner natur ist: Er steht — denn er will nicht fallen — und er kann auch anders, wo und so oft es sein muß. So blies er seinen Blättern schleunigst ab, und nach zweimal vier undzwanzig Stunden ist wieder einmal volles Einverneh men zwischen England und Frankreich hergestellt. Was vorher mit dem Friedensvertrag nicht vereinbar war, ent spricht jetzt plötzlich allen Erfordernissen der Objektivität und Gerechtigkeit. Was vorher wirtschaftlich unmöglich schien, zerstörend und verhängnisvoll, das wird jetzt glatt akzeptiert, nachdem Herr Balfour, der britische Vertreter in Genf, seinen Segen dazu gegeben hat, und Polen kann nun, nachdem Frankreich ihm alles zuliebe getan, auch mit England von Herzen zufrieden sein. Doch ist es noch lange nicht aller Tage Abend, auch wenn die Botschafterkonferenz am Dianstag oder Mittwoch die Weisheit von Genf sich vollends zu eigen gemacht haben wird. Diese Weisheit besteht einmal darin, daß eine neue Grenzlinie für Oberschlesien gezogen, dann aber darin, daß versucht wird, trotz der politischen Trennung Les Industriegebietes seine wirtschaftliche Einheit aufrecht zu erhalten, und daß zu diesem Zweck weitgehende und vielseitige Abmachungen zwischen Deutschland und Polen empfohlen werden. Noch sind Einzelheiten über diesen sonderbaren Gedanken und die Art seiner Aus führung nicht bekannt geworden. Aber der Druck und der Zwang der Entente muß natürlich da aufhören, wo autzer- balb des Friedensvertrages von Versailles Deutschland sowohl wie Polen Dinge zugemutet werden, die nur bei Freiwilligkeit auf beiden Seiten zu leisten sind. In War schau zeigt man sich einstweilen über die Genfer Lösung, soweit dieser Punkt in Frage kommt, einigermaßen be- iroffen; man möchte wohl jubeln über die fette Beute, die der Völkerbundsrat wieder einmal für Polen aus dem Leibe des deutschen Volkes herausgeschnitten hat; man hält sich aber noch vorsichtig zurück, weil nicht mit Sicher heit zu ersehen ist, ob nicht etwa mit der rechten Hand ge nommen werden soll, was die Linke gegeben hat. Uns soll nur genommen, nichts gegeben werden. Wir haben also gar keine Ursache zu befürchten, daß uns bei verfrühter Stellungnahme zu den „Empfehlungen" des Völkerbundsrates irgend ein Vorteil verloren gehen könnte, auf den wir bei unserer nahezu verzweifelten Lage unter keinen Umständen verzichten dürften. Aber selbst wenn dem nicht so wäre — lernt erst einmal das Volk der Polen kennen, und ihr werdet wissen, daß noch niemals jemand zu seinem Recht gekommen ist, der sich mit ihnen unter der Voraussetzung ehrlicher und gewissenhafter Vertrags erfüllung auf Abmachungen eingelassen bat. Die letzten, die davon ein Liedchen zu singen wissen, sind die Bewohner von Danzig. Auch diesen famosen „Freistaat" hat der Völkerbund so unglückselig konstruiert, daß er auf Leben und Sterben mit Polen zusammengekettet ist. Auch hier ergab sich daraus die Notwendigkeit zu Verträgen über Eisenbahnen, über den Hasen und seine Anlagen und über Zoll- und Wirtschaftsfragen aller Art, und man weiß, daß es Monate gedauert hat, ehe nur die dringendsten Fragen erledigt werden konnten. Wiederholt mußte Danzig, um sich auch nur vor den schlimmsten Forderungen zu retten, in London, in Paris und schließlich in Genf sein Recht suchen, und zumeist ist es — man denke nur an die Frage des niilitärifchen „Schutzes" des Freistaates — dabei zu sehr faulen Kompromissen gekommen. Das weitere^ muß der Zukunft» muß der praktischen Arbeit des Völkerlebens überlassen bleiben, und die deutschen Danziger haben, ebenso wie andere Leute auch, die Hoffnung, daß der jammervolle Zustand des Polenreiches sie schließlich viel leicht noch vor dem Schlimmsten bewahren werde. Wenn Oberschlesien wirklich zu einer Art wirtschaft lichen Freistaat verunstaltet werden sollte, unter Anheim stellen an Deutschland und Palen, die näheren Modali täten über die Verwaltung dieses Kunstproduktes zu ver einbaren, so dürften sich auch hier ähnliche Verhältnisse entwickeln, wie sie sich in Danzig herausgebildet haben. Die deutsche Regierung wird es vielleicht nicht ablehnen, nicht ablehnen können, Vertragsversuche darüber mit Polen einzuleiten. Dazu würden dann eine Verwaltungs- und eine Kontrollkommission kommen, Körperschaften von der Art, wie sie sich im Rheinland und im Saargebiet ja schon ganz hervorragend „bewährt" haben. Leider nur auf Kosten unserer deutschen Landsleute im Westen! Kein Mensch kann hoffen, daß unsere deutschen Landsleute im Südostcn bessere Erfahrungen machen werden. Aber Briand will es so, und Lloyd George ist sein Prophet. Da muß das Selbftbestimmungsrecht der Völker, da müssen Glück und Wohlstand einer ganzen reichen Provinz un widerruflich die Segel streichen! Die Vollstreckung. In Beruncr politischen Kreisen hat man erfahren, daß die Alliierten am Dienstag der deutschen Regierung die Entscheidung über die Austeilung Oberschlesiens offiziell notifizieren werden. Die Notifikation soll gleich zeitig in Berlin und Warschau erfolgen. Gleichzeitig sollen die deutsche und die polnische Regien,'ng auMsordert werden, am Donnerstag mit der Besetzung und der Ver waltung der ihnen nach der Austeilung Oberschlesiens zu- gcsprocheneu Gebiete zu beginnen. Man nimmt an, daß der Reichstag am nächsten Freitag zusammentreten wird. — Nach einer Berechnung des „Matin" sollen durch den Vorschlag des Völkerbundes Polen 81 Prozent der Kohlenförderung, 70 Prozent der Eisengewinnung und sämtliche Zinkhütten überwiesen werden. „Keine ideale Lösung." Ein Vertreter der Interalliierten Kommission in k Oppeln machte ein bemerkenswertes Eingeständnis zur ! Genfer Entscheidung. Er sagte u. a.: Die Kommission weiß, daß eine ideale Lösung des oberschlesischen Problems auch vom Völkerbundsrat nicht ge funden worden, sondern, daß eine Teilung Oberschlesiens eintreten wird, so schmerzlich diese Lösung auch für beide Teile sein mag. Die Kommission ist der Ansicht, daß trotz der auf beiden Seiten vorhandenen Nervosität die Einsicht siegen wird und daß die Bevölkerung die Entscheidung in Ruhe und ! Selbstzucht ausnchmen wird. Davon hängt es ab, ob die Kom- - Mission laut Friedensvertrag ihre Mission einen Monat nach der gefallenen Entscheidung wird beenden können. Der Völkerbund verständigt sich. London. Das Londoner Bureau des Völkerbundes hat eine längere Erklärung über die Entscheidung des Völkerbun des in der oberschlesischen Frage veröffentlicht, die „Daily Chronicle" unter der Überschrift „Die Verteidigung des Völ kerbundsrates in der oberschlesischen Frage" bringt. Es heißt darin, die Arbeit des Völkcrbundsausschusses habe zu dem deutlichen Schluß geführt, daß das oberschlesische Problem nicht nur durch Festlegung einer Linie gelöst werden könne, die aus schließlich auf Abstimmungserwägungen und wirtschaftliche Er wägungen oder aus irgend einen Ausgleich begründet sei. Sachverständige von Ruf seien angewiesen worden, die wirt- swaftlichcn Maßnahmen zu untersuchen, die notwendig sein wurden, um eine Störung der bisherigen wirtschaftlichen Ver hältnisse in Oberschlcsien zu verhüten. Keynes prüft die Reparationsrechnung. Leider sind es nur vereinzelte Stimmen und leider nur private, die in den Ententeländern sich für die Ver nunft anssprechen. Im Getöse des Wahnsinnes verhallen sic, und an der Maner der Gleichgültigkeit gleiten sie ab. In London tagt zurzeit eine Konferenz für wirtschaftlichen Wiederaufbau und Weltfrieden. Auf ihr hielt der bekannte englische Volkswirtschastler Keynes eine bemerkens werte Rede. „Astronomische" Zahlen. Während der Friedenskonferenz, sagte Keynes, hätten die Menschen den Kopf verloren und in Zahlen von astronomischer Größe über Summen gesprochen, die Deutschland zahlen müsse für den Schaden, den es angerichtet habe. Die Menschen seien jetzt ruhiger und in der Lage, diese Fragen vernünftig zu be sprechen. Man sei jetzt in der Lage, genauer zu beurteilen, was es kosten würde, um den von Deutschland in Nordfrank reich angerichteten Schaden wiedergutzumachen. In Nord frankreich seien etwa 300 000 Häuser zerstört und weitere 300 000 Häuser beschädigt worden. Angenommen, jedes der 300000 Häuser koste tausend Psund, so würde dies weniger betragen als die Zinsen, die Deutschland jetzt in einem Jahr bezahlen müsse. Frankreich habe durch den Mangel an Kohlen ungeheuer ge litten. Der Verlust sei jedoch nicht so groß, wie die Leute ge meinhin annähmen. Die Erzeugung der französischen Kohlcu- bergwcrke betrug den zwanzigste» Teil der Kohlenerzeuanna Großbritanniens. Auch hier liege die Summe im Bereich der deutschen Zahlungsfähigkeit. Das gleiche gelte von der Wieder herstellung der verwüsteten Felder. Wenn man den gesamten Schaden zusammenrechne, so be stehe kein Grund, weshalb Deutschland ihn nicht innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit wiedergutmachen könne. Die Rechnung für Verwüstungen betrage jedoch nur ein Drittel der gesamten Rcparationssorderungen. Die anderen zwei Drit tel enthielten Pensionszahlungen. Diese Forderung stehe i m Widerspruch zu dem, wozu sich die Alliierten beim Ab schluß des Waffenstillstandes verpflichtet hatten. Dis proiesibewegmrg. Kundgebungen im ganzen Reiche. Die Genfer Beschlüsse haben nicht mir in Oberschlcsien eine tiefgehende Erregung ausgclöst, die nian dort mit steigender Besorgnis beobachtet, sondern auch im ganzen Reiche lmue Empörung geweckt, die in zahlreichen An sprachen, Telegrammen und Entschließungen ihren Aus druck findet. Davon seien folgende hervorgehoben: Der schlesische Städtetag richtete an den Reichskanzler ein Telegramm, worin^r sagt, daß kein Deutscher, kein Schle sier, vor allem kein deutscher Oberschlesicr sich jemals der Ent scheidung des Völkerbundsrates widerspruchslos beugen kann. Schlesiens gesunde Kraft beruhe nicht zuletzt in dem Dentschbe- wußtsein seiner Städte. Wer sie mit frevelnder Hand ausein- andcrreißt, raube Ihnen die an,' gemeinsamer Arbeit beruhende Lebensfähigkeit. Die deutsche Studenten scbajt wendet sich in dieser Stunde der Not an die akademische Jugend aller Länder. Sie ' ritz' ibr zu: Wie lange noch sollen Wahrheit und Recht vcrge- § waltigt werden? Wann endlich wird das Rechtsempfinden der i gefaulten Welt sich auibäumcn gegen diese Ungeheuerlichkeit? - Nicht um Hilse, nicht um Gnade geht unser Ruf; wir fordern nur eines: Gerechtigkeit. t Der sozialdemokratische sächsische Ministerpräsident Buck forderte in einer Rede, daß Oberschlesien, das an dem wirt schaftlichen Ausstieg in der Vorkriegszeit hervorragend beteiligt war, ungeteilt bei Deutschland verbleibe. Wenn das obcrfchlc- sische Industriegebiet als reise Frucht dem polnischen Volke übergeben werde, dann sei auch die Arbeiterschaft dieser jun gen Nation gelähmt. Im braunschweigischen Landtag wurde eine Er- klärwig gebilligt, in welcher dem tiefsten Schmerz über die ge plante Zerstückelung Oberschlesiens Ausdruck gegeben und wei ter gesagt wurde: Der Völkerbund hat unwidersprochenen Nach richten zufolge in einer Weise über das oberschlesischc Gebiet ' verfügt, wie es weder durch das Ergebnis der Volksabstim mung noch durch die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Landes gerechtfertigt ist. Die Loslösung deutscher Gebietsteile mit allem, was deutsche Tatkraft und deutscher Geist geschaffen hat, bedeutet eine Vergewaltigung des deutschen Volkes. „Zis yisrhsr reicht Der Denkstein aus dem Brenner. Die Reise des Königs und der Königin von Italien in die acraubleu Gebiete Tirols hat sich bis zum nörd lichsten Punkte, dem Brenner, erstreckt. Dort wurde nörd- - licy ves Hoicls „Alpenrose" ein großer Grenzstein errichtet, der in lateinischer Sprache folgende Inschrift trägt: „Grenze zwischen Italien und Österreich, durch den Ver trag von St. Germain geheiligt: Bis hierher reicht Italien." In seiner Ansprache an den König sprach Ge- neralkommissar Credare von der „ewigen Pforte Italiens", während die anwesenden Faszisten riefen: „Hier bleiben wir! Von hier gehen wir nicht weg!" Das „bestrafte" Bozen. Im Gegensätze zu Bozen, wo dem König von Italien ein sehr kühler Empfang bereitet wurde und die deutsche Bevölke rung sich vollkommen fernhielt, wurde der König in Meran sehr sympathisch ausgenommen. Die Gemeinde errichtete eine Triumpüpsorte, die Häuser waren geflaggt und abends illu miniert. Das hat dem König offenbar gefallen, während die geringe Begeisterung in Bozen, wie italienische Blätter zu mel den wissen, nicht ungesühnt bleiben soll. Für den Fall nämlich, daß Südtirol in einen deutschen und in einen italienischen Teil getrennt wird, soll Meran zur Hauptstadt des deutschen Tetzes proklamiert werden, während Bozen leer ausgehen wird. politische AimSschmr. Deutsches Reich. Die „Sanktionen" sollen bleiben. Das Pariser Blatt „Liberte" behauptet zu wissen, van der französische Ministerrat sich in Ler Frage der militäri schen Sanktionen am Rhein dahin geeinigt habe, daß in keiner Weise von einer Aufhebung der militärischen Saickttoncn die Rede sein könne. Abgesehen davon, daß der Standpunkt der französischen Negierung in dieser Fraae nach wie vor sehr klar sei, habe sich auch in Deutschlanv nichts ereignet, was einen Grund zur Freigabe der no- wcndigen Garantien hätte geben können. — Man schein, in Frankreich absichtlich vergessen zu haben, daß der Grund für die Einführung der GewalLmc-ßnahmeu längst hin fällig geworden ist, so daß es neuer „Ereignisse" in Deutsch land überhaupt nicht bedarf, um dieses schreiende Unrea l schleunigst aufznhebcn. Hergt gegen Wirth. In einer deutfchnationalen Wahlerversammlung in