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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wl)chenbla^ fUf Wilsdruff UNd ÜMgegLNd Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger «nd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür de» Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 221 Kleine Zettuna kür eilige Leser. * Frankreich hat der deutschen Regierung die Zurückziehung der zur Besatzung des Ruhrgebiets bestimmten Trupepn ange- zeigt. * Auf dem sozialdemokratischen Parteitag betonte der ehe malige Reichskanzler Hermann Müller, die Sozialdemokratie müsse wieder in die preußische Regierung eintreten. * Gegen die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Sanktio nen sollen von England in Paris Vorstellungen erhoben wor den sein. * Volkskommissar Krestinski ist zum Vertreter Sowjetruß. lands in Deutschland ernant worden. * Die Schlacht vor Angora hat mit dem Rückzug der Griechen geendet. Reibungen. Von besonders gutunterrichteterSeite wird ilns zu den im Verlauf der Berlin-Münchener Angelegen heiten entstandenen Reibungen zwischen der preußischen und Reichsregierung geschrieben: Seit einigen Tagen ist nun in den Streit zwischen Reich und Bayern Preußen hineingezogen worden. Von München aus wurde berichtet, daß der preußische Ministerpräsident Stegerwald mit dem Kanzler eine Besprechung über die bayerische Frage hatte, und daß Preußen mit Bayern eine Einheitsfront gegen Dr. Wir 1 h bilde. Herr Stegerwald hat die Mitteilung in dieser Form sofort dementiert: er habe den Reichskanzler zu einer Besprechung über den bayerischen Streitfall aufge sucht, in der er Herrn Dr. Wirth gebeten habe, mit Bayern aus der Grundlage der neuen bayerischen Vorschläge (also nicht in der Formulierung durch den bisherigen Minister präsidenten Kahr) zu einer Verständigung zu gelangen. Beide, Stegerwald und Wirth, hätten dabei in der Beur teilung der Gesamtlage und der Verständigungsbereit schaft völlig übereingestimmt. Nun wurde die Frage aufgeworfen, wie Herr Stegerwald überhaupt da- m komme, sich in diesen Streitfall zu mischen und dadurch unter Umständen die Neibungsflächen zu vermehren. Nun, . cm preußischen Ministerpräsidenten konnte im vaterländi schen Interesse der Wunsch getrieben haben, dazu Leizu- ' ragen, daß der Streitfall möglichst rasch beglichen werde. Es liegt aber auch nahe, daran zu denken, daß Preußen in München einen besonderen Vertreter hat, daß dieser crtgesetzt Berichte über die dortige Lage und die Stim mungen sendet, und daß in diesen Berichten vielleicht Larauf hingewiesen wurde, daß es zweckmäßig wäre, wenn Preußen einen Verständigungsversuch machte. Das ist nur eine Vermutung, aber sie liegt ziemlich nahe. Ministerpräsident Stegerwald hat Sonntag noch ein mal Veranlassung genommen, auf diesen Fall zurückzu kommen. Er erklärte ergänzend, daß er sich über die Frage des Ausnahmezustandes in Bayern überhaupt nicht ausgesprochen habe, da dies Preußen nichts angehe, und er betonte mit Nachdruck, daß die jetzige Zeit nicht ge eignet sei, Fragen der staatlichen Zuständigkeit zwischen dem Reiche und den Ländern auf die Spitze zu treiben und bis zur endgültigen Klärung zu bringen. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Einige Ausleger werden sinden, daß sich Stegerwalds Mahnung gegen Bayern, andere, daß sie sich gegen Wirth richten. War in diesem Falle das Eingreifen des preußischen Ministerpräsidenten mehr platonischer Art, so wurde Preu ßen recht materiell in den Kampfstrudel gerissen durch einen Bericht des preußischen Staatskom- miss ars sür öffentliche Ordnung Dr. Weis- mann, den er am 14. September dem Reichskanzler auf Lessen Aufforderung gesandt hat. Dr. Wirth hat den Be richt im Überwachungsausschuß des Reichstages verlesen. Er enthielt bekanntlich sensationelle Angaben über Bayern als Zufluchtsstätte Rechtsradikaler und Mitteilungen über den Justizminister Roth und den Münchener Polizeipräsi denten Poehner. Die Bayern flammten auf, und auch in preußischen Blättern fand sich lebhafte Kritik Die preu ßische Regierung hat sich darum in einer besonderen Mi- nisterialsitzung mit dieser Angelegenheit befassen müssen. Das Ergebnis ist eine Erklärung, in der b ed auert wird, daß der preußische Staatskommissar in einem andern Lande Ermittlungen angestellt habe, ohne daß die Regie rung dieses Landes darüber unterrichtet wurde. Es wird ferner bedauert, daß der Öffentlichkeit von diesen Ermitt lungen Mitteilung gemacht wurde, bevor die Regierung des beteiligten Landes die Möglichkeit erhielt, sich zum Ergebnis der damaligen Ermittlungen zu äußern. Und schließlich wird versichert, daß gegen eine Wiederkehr der artiger Vorkommnisse geeignete Vorkehrungen getroffen seien. Es läßt sich nicht bestreiten, daß diese Erklärung ge wissermaßen den Vorgang, bei dem der Reichskanzler Dr. Wirth den Bericht des Staatskommissars bekannt gab, nicht ganz anerkennend behandelt. Vielleicht wäre auch, so vermutet man, der Bericht des Staatskommissars anders abgefatzt worden, wenn die alsbaldige Veröffentlichung vorausgesetzt worden wäre. Es kann nicht übersehen wer den, daß die preußische Regierungserklärung dem Staats kommissar eine Art Mißtrauen ausspricht, das noch ver stärkt wird durch die überraschende Fest stelluna. Mittwoch den 2t. September 1S21. daß das preußische Staatsministerium selber von den Er mittlungen des dem preußischen Minister des Innern unterstellten Staatskommissars erst durch die Verlesung ourch den Kanzler Kenntnis erhalten hat. Staatskom missar Dr. Weismann war zu seinen Ermittlungen sicher lich verpflichtet, aber man findet es bedauerlich, daß er anscheinend Berichte seiner Unterorgane etwas allzu gläu big ausgenommen hat, und schließlich sogar ein Jahr später (die Berichte stammen aus dem Sommer 1920) in einem dienstlichen Bericht an den Kanzler verwertet. Dr. Wirth mutzte annehmen, datz ein ihm erstatteter Bericht jederzeit erweisliche Wahrheiten enthalte. Man könnte allenfalls darum streiten, ob sich Dr. Wirth einen Bericht über Bayern nicht durch den R e i ch s kommissar für öffentliche Ordnung hätte geben lasten sollen. Dadurch wäre die Aufregung der Bayern wenigstens nach der Rich tung unterbunden worden, daß ein preutzischer Be amter dem Kanzler Material über einen anderen Bundes staat liefere. Doch das hätte nur eine formale Bedeutung gehabt; denn der Reichskommistar für öffentliche Ordnung hätte sich ja auch nur auf einen Bericht des Dr. Weismann stützen können. Welche Folgen die durch den plötzlichen Gang der Er eignisse erzwungene Stellungnahme der preußischen Re gierung noch haben wird, weiß niemand. Hoffentlich kommt nun nicht zu dem Konflikt zwischen Bayern und dem Reiche noch ein solcher zwischen Preußen und dem Reiche hinzu. Deutschland könnte das nicht vertragen. Man kann deshalb allen Beteiligten nur zurufen? Einigt euch! Vergleicht euch! Und sollte zu diesem Zweck auch schließlich der Staatskommistar Dr. W e i s m a n n die Kon sequenzen eines notwendigen Personenwechsels zu tragen haben, so müßte das im Interesse des Ganzen eben ge tragen werden. Zentralismus oder Föderalismus. Berlin, 1S. September. Staatskommistar Dr. Weis mann hat, wie hier verlautet, einen neuen Bericht über die Lage ausgearbei tet, den er der preußischen Regierung übermittelt hat. Die preußische Regierung wird diesen Bericht an die bayerische Regierung weitergeben. Von einer Absicht des Staats kommissars, sein Nücktrittsgesuch einzureichen, könne in diesem Augenblick nicht gesprochen werden. Der amtliche preußische Pressedienst betont in einer Erklärung, der preu ßische Ministerpräsident habe deutlich genug hervorge hoben, Laß es die preußische Regierung nicht für ange bracht hält, jetzt den Streit um die Weimarer Verfassung, d. h. um die Frage, ob Zentralismus oder Föde ralismus, woraus verschiedene Kreise in München und Berlin hindrängen, zum Austrag zu bringen. Zurückziehung der Ruhrarmee. Eine Note der französischen Negierung. Nachdem Belgien mit der Rückberufung seiner sür den Fall der Besetzung des Ruhrgebiets vorgeschobenen Truppen vorangegangen ist, scheint auch Frankreich trotz aller Winkelzüge das Dasein der für den genannten Zweck aufgebrachten Truppenkörper nicht mehr rechtfertigen zu können. Die französische Regierung hat am 17. September an die deutsche Regierung folgende Note gerichtet: „Die fran zösische Regierung hat die Zurückziehung der im Mai die ses Jahres in das besetzte Gebiet entsandten Truppen nach Frankreich beschlossen. Die Truppenbewegung soll am 15. September beginnen und vor dem Ende dieses Monats beendet sein." Die militärischen Sanktionen im Rheinland werden nach wie vor aufrechterhalten, nur die besonders zur Be setzung des Ruhrreviers bestimmten Militärverbände gehen zurück. Besorgnisse vor dem Marksturz kommen in einem Artikel Les „Petit Parisien" zum Aus druck. Das Blatt schreibt, anscheinend von maßgebender Stelle informiert, der ungeheure Kurssturz gehe auf die fortgesetzten deutschen Devisenkäufe zurück und betont, Laß die Goldmilliarde , die Deutschland jetzt bezahlt hat, 30 Milliarden Papiermark entspreche. Wenn immer davon gesprochen werde, daß Deutschland einem betrügerischen Bankrott entgegeneile, so fei dem entgegenzuhalten, daß die Geschäftsleute sich im allgemeinen nicht mit derartigen Kindereien abgäben. Gerade jetzt wären in Deutschland Verhandlungen zwischen der Regierung und bedeutenden industriellen und finanziellen Gruppen im Gange, dem Reich nach Möglichkeit bei der Erfüllung seiner finanziellen Verpflichtungen zu helfen, indem als Gegenleistung ledig lich gewisse Steuererleichterungen und der Eintritt der Deutschen Vollspartei.in die Negierung verlangt werde. politische Rundschau. Deutsches Reich. Englische Schritte gegen die „Sanktionen". Von London aus wird beharrptet, daß das Londoner Auswärtige Amt in Paris Vorstellunaen wegen der Fort 80. Jahrgang. dauer der Sankttonen erhoben hat. Auch der Pariser „Temps" weiß zu melden, daß Lie französische und die eng lische Regierung vollkommen einig seien in der Auffassung, daß die Aufhebung der wirtschaftlichen Sanktionen in Deutschland nicht mehr mit der bedingungslosen Zustim mung zur Ausübung einer interalliierten Kontrolle über die Ausgabe von Ein- und Ausfuhrlizenzen im Rhein lande in Verbindung gebracht werden soll. Von dem zwischen Paris und London bestehenden völligen Einver nehmen sei die deutsche Regierung bereits unterrichtet worden. Maßnahmen gegen die Presse im besetzten Gebiet. Die Interalliierte Rheinlandkommission in Koblenz hat beschlossen, die Einführung derjenigen Organe ins be setzte Gebiet endgültig zu untersagen, die schon zweimal verboten worden sind und dieser doppelten Warnung nicht Rechnung getragen haben. Die Kommission hat den deut schen Reichskommistar gebeten, die Aufmerksamkeit der deutschen Negierung aus die unheilvolle Rolle zu lenken, Lie die Haltung mehrerer deutscher Blätter für die Wieder herstellung der friedlichen Beziehungen in Europa darstellt. Zachscn-Thüringen als Einheit? Anläßlich der Thüringer Wahlen war von einem an geblichen Plane gesprochen worden, Sachsen und Thürin gen zu einer Einheit gegen Bayern zu verschmelzen. Der sächsische Ministerpräsident Buck hat auf eine Anfrage da zu folgende Auskunft erteilt: „Die Regierung hat mit die ser Frage sich zu beschäftigen bisher noch keinen An laß gehabt. Meine Politik ging von jeher dahin und geht auch jetzt noch dahin, alles zu tun, um die Einheitlich keit des Reiches zu erhalten. Die Verschmelzung aller Teile des Reiches zu einem Ganzen muß die vornehmste Ausgabe aller Regierungen sein. Welche Mittel und Wege sabei zu beschreiten sind, schreibt einzig und allein Ar- ttke! 18 der Reichsverfassung vor." Dr Stresemann für verbreiterte Negierungsbasis. Auf Lem westfälischen Parteitag der Deutschen Volks- partei sprach Dr. Stresemann über die politische Lage. Er betonte die Notwendigkeit einer Politik der Mitte und einer breiten Koalition. An der Politik des Neichskanz- lers^Dr. Wirth übte Stresemann vielfache Kritik. Mit Bay ern müßte Verständigung gefunden, jede Bestrebung, Franken von Bayern loszulösen, müsse vermieden werden. Notwendig sei aber auch ein starkes Abrückcn der Deutsch nattonalen von den rechtsradikalen Elementen. — Gerade als Abg. Stresemann die Rednertribüne verlassen hatte und Abg. Dr. Hugo diese betrat, wurde ein Pistolen - s ch u ß durch die Fenster nach der Richtung der Tribüne abgegeben. Getroffen wurde niemand. Deutsche Rücklieferung von Flußschiffen. Die Reparattonskommission veröffentlicht einen Be richt über die deutschen Rücklieferungen von Flußfahr- zeugen an die Alliierten. Ein amerikanischer Schiedsrichter bestimmte, daß die Abtretungen keinesfalls 20 Prozent der Gesamtzahl der deutschen Flußfahrzeuge bis zum 1. No vember 1918 überschreiten dürsten. Die belgische und die französische Regierung haben mit Deutschland Vereinba rungen getroffen, einen Teil der alten Flußfahrzeuge, die zu erstatten sind, durch neue zu ersetzen. Es handelt sich um ungefähr 100 000 Tonnen Schiffsraum als Gegen leistung für die französischen und um 68 000 Tonnen für die belgischen Verluste. Rückgabe an Eisenbahumaterial. Bis zum 31. August 1921 einschließlich sind insgesamt gemäß Artikel 238 des Friedensvertrnges zurückgegeben: An Belgien: 10 567 Staatsbahnwagen, 208 Privatwagen. An Frankreich: 5107 Staatsbahnwagcn, 599 Privatwagen und 14 481 Fahrzeuge. Die industrielle Goldbeschaffung fraglich geworden? Die Besprechungen über die Beschaffung einer Gold anleihe für das Reich durch Industrie und Handel in Ber lin gehen weiter. Doch sollen, wie unterrichtete Quellen wissen wollen, die Aussichten ungünstiger geworden sein infolge scharfer Angriffe, die von links gegen den Plan ge richtet wurden. Man wolle jetzt, wie behauptet wird, zu nächst die Ergebnisse des Görlitzer Parteitages abwarten. Polen. X Drohnote an Rußland. Der polnische Gesandte in Moskau hat dem Volkskommissar Tschitscherin eine Ver balnote überreicht, in der die polnische Regierung seststellt, daß die polnisch-russischen Beziehungen trotz des Friedens schlusses viel zu wünschen übrig lassen. Die Sowjetregie- rung habe ihre aus dem Friedensvertrag sich ergebenden Verpflichtungen bisher in keiner Weise erfüllt. Entgegen den Bestimmungen des Vertrages befänden sich noch zehn tausend Gefangene und dreitausend Geiseln in russischen Konzentrationslagern. Die polnische Regierung fordert 1. Entlassung aller Gefangenen und Geiseln und Erfüllung der Abmachungen über dis Reparation. 2. Leistung der ersten Rate der im Vertrage vorgesehenen Zahlungen. 3. Sofortiger Zusammentritt der Herstellungskommission und Einstellung der Verschleuderung polnischen Eigen tums. In dem Wunsche, die polnisch-russischen Beziehun gen günstig zu gestalten, ersucht die polnische Negierung um Erfüllung vorstehender Punkte bis spätestens 1. Ok tober.