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MMOrTageblali Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Postscheckkonto Leipzig 28644 Erscheint seit dem Jahre 1S44 Nr. 206 Sonnabend den 3. September 1921 80 Jahrgang <rw«<>tt läßlich mU «»«»aftme der Sonn- und Festlage nachmittag« 5 Uhr ftr den folgenden Tag. 2ezug«prei« bei S^bfiabholung monatlich «.50 Ml., durch unsere Austräger zugetragen In der Stadt monatlich 5 Ml., auf dem Tande ^15 Ml., durch dte Post bezogen vleeteljühettch 15.75 Ml. mit Zustellungsgebühr. Alle postanstaiten und Postboten sowie Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Zm Faste höherer Gewalt, Krieg oder hmstlg« Betriebsstörungen hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« Bezugspreise«. Znserttonsprei« 1 Ml. für die »gespaltene Korpuszetle -der deren Raum, Reklamen, die rspalttge Korpu«zelle 2.50 Ml. Bei Wiederhoiung und Zabresauftrag entsprechender Preisnachlaß. Belanntmachungen im amlllchen Test <nur von Behörde») die r gespalten- Korpuszelle Z Ml. Nachweisungs-Gebühr 50 pfg. Anzeigenannahme bis vormittags 10 Uhr. Für die Richtigleit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir leine Garantie. Zeder Rabatt- anspruch eriischi, wenn der Betrag durch Klage elnoezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konlurs geräi. Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des (Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrenkamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Amtlicher Teil. Der bei der Lohnzahlung einzubehaltende iü nach einem. Erlaß d.s Reichsministers der Finanzen HxD von jetzi ab auch bei wöchentlichen und monatlichen Lohn- Zahlungen, also nunmehr in allen Fällen, auf volle 10 Pfennig uach unten abzurunden. Die bisher bei Lohnzahlungen für eine Woche oder einen längeren Zeitraum vor geschriebene Abrundung auf eine volle Mark nach uncen ist nicht mehr statthaft. Wilsdruff, am 1. September 1921. Der Stadtrat. Die Pflichtfeuerwebr Grumbach kält Sonnabend den z September eine Übung ab. Stellen nachminau punkt 8 Uhr am Spritzenhaus. Alle männlichen Einwohner vom 23. bis 35. Lebensjahre und alle anderen, die sich im Besitze einer weißen oder roten Binde tust d n, haben sich zu dieser Uebung einzufinden. Nichterscheinen oder uneno'chuldigtes oder nach Z 22 der Feuerlöschordnung unbegründetes Fernbleiben wird nach ß 25 der F-ueUöschordnung be straft. Begründete und eventuell bestätigte Entschuldigungen sind spätestens 48 Stunden nach der Uebung beim Unterzeichneten schriftlich anzubnnuen Die Binden find anzulegen. Grumbach, am 2. September 192l. SS02 Der Gemeiudevorftand. Kleine Zeitung für eilige Leser * Der Völkerbundsrat soll beabsichtigen, eine neutrale Sach verständigenkommission zur Beurteilung der oberschlesischen Frage zu ernennen. * In Biberach erfolgte die Beisetzung Erzbergers, wobei der Reichskanzler eine beachtenswerte politische Grabrede hielt. * Der Belagerungszustand in Groß-Strehlitz und Stadt und Landkreis Gleiwitz ist ausgehoben worden. * Der Deutschnationale Parteitag ist in München eröffnet Worden. * Nach einer Entscheidung des Oberkommissars ist für die Einreise in Danzig ein polnischer Sichtvermerk nicht ersorder- lich. „Deutsches Volt, wache auf!" Das Drama von Griesbach ist zu Ende. In Bi berach ist der ermordete Abgeordnete Erzberger unter großer Teilnahme der Bevölkerung, seiner politi schen Freunde und der Reichsrea'-rung zur letzten Ruhe bestattet worden, während glen. g in Berlin und in zahlreichen anderen großen Sladen des Reiches viele Hunderttausende sich zu eindrucksvollen Kundgebungen vereinigten, die dem Abscheu vor der Mordtat und dem festen Willen Ausdruck geben sollten, die staatliche Ord nung gegen alle Angriffe zu schützen. Der Reichskanz ler hat am Grabe seines ermordeten Parteifreundes eine Rede gehalten, die neben dem rein menschlichen Empfinden, welches sich angesichts eines so tragischen Todes aufdrängt, die politischen Rückwirkungen der verabscheuungswürdigen Tat in großen Stechen kennzeichnete. Er würdigte die Tätigkeit Erzbergers seit seinem Auftreten bei den Waffen stillstandsverhandlungen und bei den Friedensverhand lungen, wies ferner darauf hin, was Erzberger bei der Neuordnung des deutschen Finanzwesens erstrebt und ge leistet hat, und verteidigte schließlich den Verstorbenen ge gen alle die zahlreichen Angriffe, die von seinen Politiken Gegnern gegen ihn gerichtet wurden. Nicht Rache für den Mord sei es, was uns am Grabe beseelen dürfe, so meinte der Kanzler, sondern vielmehr ein leidenschaftsloses, aber um so liebevolleres Gedenken an das Vaterland, das vor der Gefahr des Chaos und der Kleinstaaterei bewahrt werden müsse. „Deiches Volk, wache auf!" so rief der Kanzler aus, „schul v alle die ab, die dich aufs neue in schwere Bedrängnis bringen wollen, und folge dem Stern des neuen Staatsgedankens, der dich den Weg zur neuen Freiheit finden läßt!" Wenn diese Worte des Kanzlers überall richtig ver standen, und wenn sie nicht unter dem Gesichtspunkte be schränkter Parteipolitik, sondern in dem Bestreben, dem ge meinsamen Vaterlands zu dienen, ausgelegt werden, dann darf man wohl hoffen, daß sie dazu beitragen, die deutsche Politik aus dem Zustande fieberhafter Erregung, in den sie durch das Attentat von Griesbach versetzt wurde, wieder in die ruhigeren Bahnen sachlicher Arbeit und gegenseiti ger Verständigung geleitet werden. Gewiß waren schon seit längerer Zeit innere Spannungen zwischen den ein zelnen politischen Gruppen vorhanden, die nun, lärm" be vor sie reif wurden, durch die Revolverschüsse der Atten täter vorzeitig zur Explosion gekommen sind. In der ersten gewaltigen Erregung, die das ganze Volk ohne Unterschied der Partei bei der Kunde von der Mordtat ergriff, ist manches gesagt und getan worden, was über das Ziel hinausschoß. Noch sind die Mörder und ihre Beweggründe zu der verdammenswerten Tat ebensowenig bekannt wie die politischen Beziehungen, die die Täter vielleicht haben mögen, und doch hat sich ein beispielloser Sturm gegen alle rechtsstehenden politischen Gruppen er hoben, nur weil diese die Gegner des Ermordeten waren. Die Regierung ist sofort mit einer Verordnung hervor getreten, die den ausführenden Behörden außergewöhn liche Machtbefugnisse zur Unterdrückung aller staatsfeind lichen Regungen in die Hand gibt. Daß solche Schritte angesichts der inner- wie außerpolitischen Spannung über haupt ergriffen werden, ist durchaus zu billigen, denn es ist die Pflicht jeder Regierung, in außergewöhnlichen Ver hältnissen — und solche sind durch das Attentat zweifellos hervorgerufen worden — auch mit starker Hand außer gewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen. Aber bei einiger maßen wiederkehrender Besinnung muß dann auch für eine sachliche, unparteiische Handhabung dieser verschärften Waffen gesorgt werden. „Das neue Deutschland kann nur bestehen auf christ licher sozialer Grundlage. Unter Staat wird ein Volks staat sein, oder er wird nicht sein!" hat der Kanzler weiter gesagt. Damit befindet er sich im Einklang mit allen Parteien, die überhaupt eine sachliche, ernsthafte Politik treiben. Gerade deshalb muß aber darauf geachtet wer den, daß auch alle Feinde der staatlichen Ordnung die Wirkung der neuen Maßnahmen zu fühlen bekommen. Wenn man jetzt von sozialdemokratischer Seite behauptet, eine kommunistische Gefahr bestehe überhaupt nicht mehr und die Kommunisten seien ganz zahm geworden, während man doch gleichzeitig die kommunistischen Anregungen zur Bildung einer einheitlichen Front der Arbeiterschaft als Störung durch vertrauensunwürdige Elemente zurück weist, so liegt darin ein Widerspruch, der nur mit der Stellungnahme „gegen rechts" erklärt werden kann. Eine solche Einseitigkeit aber mutz vermieden werden, wenn das deutsche Volk im Sinne des Kanzlers erwachen und seinen rechten Weg erkennen soll. Die Massenversammlungen, die zur Stunde der Beerdigung nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen großen deutschen Städten stattfanden, sind überall nach übereinstimmenden Berichten ohne Zwischenfälle und in musterhafter Disziplin verlaufen, ein Beweis dafür, daß der Sinn für Ordnung und Einigkeit sich im Volke erfreulicherweise wieder zu heben beginnt. Mit der Be ruhigung der Stimmung wird auch die Erkenntnis wieder einkehren, daß man zur nutzbringenden Arbeit für das Reich sich nicht auf die Wege einseitiger Parteipolitik be geben darf, sondern alle, dte die Fähigkeit und den guten Willen zur Mitarbeit haben, zusammenfassen muß. Zwischen den politischen Führern in Berlin sind die Ver ständigungsverhandlungen über die nach der Mordtat be gangenen übereilten Schritte bereits im Gange, und es ist zu erwarten, daß die Fehler, die dabei unlergelaufen sind, alsbald richtig gestellt werden. Dann kann man hoffen, daß die plötzlich aufgerissenen Abgründe zwischen den einzelnen Volkskreisen überbrückt werden und einer verständigen, nutzbringenden Zusammenarbeit keine Hin dernisse mehr in den Weg gelegt werden. —m. .* Die Beerdigungsfeier. Die Leiche Erzbergers traf, von einer Ehrenwache Bibe- racher Bürger begleitet, am Otte der Beisetzung ein und wurde in der Stadtpfarrkirche ausgebahrt. Eine Ehrenwache hielt die ganze Nacht Wache am Sarge. In einem Sonderzuge ivaren der Reichskanzler, die Minister und Abgeordneten aus Berlin und Stuttgart cingctroffcn. Bei der Beerdigung legte nach der Rede des Reichskanzler der Reichstagspräsident Loebe im Namen des Deutschen Reichstages einen Kranz aus den Sarg nieder. Für die gesamte Deutsche Zentrumspartei sprach Ab geordneter Becker-Arnsberg. Reichskanzler Dr. Wirth ist von Biberach nach Nadolszcll weitergereist und am Freitag nach Berlin zurückgekehrt. * Oie Mörder im Ausland? Die Nachforschungen nach den Mördern Erzbergers werden durch zahllose Anzeigen und Zuschriften an die Behörden unterstützt. Es finden sich darunter aber auch Zuschriften, die nur zu dem Zweck gesandt worden sind, um die Spur abzulenken und die Arbeit zu erschweren. Eine davon kam von Stettin, in der die Täter mitteilen, daß es ihnen gelungen sei, auf ein Schiff zu kommen, das sie nach dem Osten in Sicherheit brächte, "ü der Redak tion der badischen Presse in Karlsruhe ist eine Postkarte aus Gossensaß (auf der italienischen Seite des Brenner) eingelaufen mit dem Bemerken: „Wir haben den Brenner hinter uns. Man mag in Oppenau beruhigt sein und den aufgebotenen Apparat nach Hause schicken." Der ver haftete ehemalige Fähnrich Oltwig von Hirschfeld bleibt vorläufig noch weiter in Haft. Deutsch-polnische Verhandlungen in Genf? Eine neutrale Kommission. Der belgische Delegierte Hymans will im Völker bundsrat Vorschlägen, man solle Vertreter Polens unv Deutschlands zu gemeinsamen Beratungen unter Vorsitz des Grasen Ishii nach Genf berufen. So würde man, meint Herr Hymans, durch Besprechungen zwischen den schließlich und endlich doch Hauptbeteiligten am raschesten zu einer wirklichen Lösung kommen, statt die Sache durch einen Schiedsspruch von oben herab abzutun. In Genf bleibt man demgegenüber in anderen Kreisen dabei, daß der Völkerbundsrat zunächst eine Kommission aus zehn an der Frage gänzlich uninteressierten Mitgliedern des Völkerbundsrates, also unter Ausschluß Frankreichs und Englands, vielleicht auch Italiens, aber unter Hin zuziehung von anderen sachverständigen Persönlichkeiten, ernennen wird, und glaubt, daß das von Hymans oor- geschlagene Verfahren erst nach Erstattung des Berichtes der Kommission in Frage kommen könnte Französische Quertreibereien. Viel beachtet wird in Genf eine lange Unterredung zwischen Balfour und Bourgeois, aus der verlautet, daß eine Lösung der Frage gefunden sei. Sie soll darin be stehen, daß weder der französische noch der englische Vor schlag zur Annahme gelange, sondern daß der Völker bundsrat eine eigene Grenzlinie ausarbeite. Das wäre also das befürchtete Kompromiß, von dem sich Deutschland schwerlich viel Gutes zu versprechen haben würde. Von französischer Seite unterstreicht man die Not wendigkeit der Einstimmigkeit des Beschlusses und läßt die versteckte Drohung laut werden, daß Frankreich, wenn gegen seinen Willen entschieden werden sollte, durch seinen Austritt den Völkerbund sprengen werde. — Die polnische Delegatton unter Führung des Ge sandten Askenazy soll angeblich hinter den Kulissen eine rege Tätigkeit entfalten. Die Truppentransporte. In Dover wurde ein Bataillon der Munster-Füseliere für Oberschlcsien eingeschifft, ein zweites soll sofort folgen. Das erste aus Grenadieren bestehende italienische Batail lon ist in Oberschlesten eingetroffen, das zweite, aus Ber- saglieri zusammengesetzte, soll Ende nächster Woche ab fahren. Bayern und die Neichsregierung. Beratungen des Ministerrats in München. Entgegen anderweitigen Meldungen hat der baye rische Ministerrat in seiner Mittwoch-Sitzung noch keine bestimmte Stellung zu den Erlassen der Reichsregierung über das Verbot des Uniformtragens und die Bestimmun gen über Presse und Versammlungen genommen. Was bisher über die Stimmung im Ministerrat verlautet, ist durchweg als Vermutung zu werten, da keine amtlichen Berichte vorliegen. Wie es heißt, soll man in bayerischen Negicrungskreisen überrascht gewesen sein, daß so ein schneidende Maßnahmen der Reichsregierung ohne vor herige Rücksprache mit den Landesregierungen gefaßt worden sind. Wie ferner verlautet, wird der bayerische Bevollmächtigte in der Reichsratssitzung gegen verschie dene Punkte der letzten Reichserlasse Einwendungen er heben. Zum Uniformerlaß bezieht sich Bayern auf sein Reservat, die Genehmigung zum Tragen der Uniform von sich aus zu verleihen. Manche Kreise Bayerns er blicken darin einen Eingri" in die Erekutivgewal. oer Einzclläuder. Die verfassungsmäßige Berechtigung des Reimes zum Erlaß der Ausnahmeverordnung werde je doch von der bayerischen Regierung nicht in Frage gestellt, daocaen ihr eigenes Recht zur Beibehaltung des Aus nahmezustandes betont. Aufhebung des Ausnahmezustandes. Einige Zeitungen behaupten, und aus parlamentari schen Kreisen wird bestätigt, daß in den nächsten Tagen durch einen Erlaß des Reichspräsidenten auch in Bayern die Aufhebung des Ausnahmezustandes erfolgen soll. Maß nahmen, in denen Landesregierungen Ausnahmeverord nungen erlassen haben, sind nach Artikel 48 der Verfassung auf Verlangen des Reichspräsidenten oder auf Verlangen des Reichstages außer Kraft zu setzen. In der rechtsstehenden bayerischen Presse wird ver langt, daß für den Fall der Aufhebung des Ausnahme zustandes in Bayern der Landtag alsbald einberufen wer den soll. Die Bayerische Mittelpartei veröffentlicht eine Kundgebung, welche den stärksten Widerspruch gegen das in der Verordnung des Reichspräsidenten angeblich ent haltene Antasten der Exekutivgewalt der Bundesstaaten und ihrer Justizhoheit erhebt. Die Verordnung des Reichspräsidenten wird als ein scharfer Vorstoß gegen Bayern und seine Regierung bezeichnet, unv die baye rische Negierung wird aufgefordert, den ernstesten Wider stand zu leisten. Die Korrespondenz der Bayerischen Volks partei erklärt, die Verordung des Reichspräsidenten be deute nichts anderes als die Zerschlagung der Selbständig keit des staatlichen Verwaftungsrechts der Länder. Die neue Reichsverordnung habe den Kampf für oder gegen den Einheitsstaat in Deutschland wieder entfacht. Vom bayerischen Standpunkt aus müsse verlangt werden, daß in die bestehenden besonderen bayerischen Ausnahmebe stimmungen von Reichs wegen nicht eingegriffen Werve.