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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Mochenblü^ fÜs WllödsUff UNd ^NMgMd Postscheckkonto Leipzig 286^4 Dieses Blatt enchalt die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verlegerund Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil. Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr 157. Freitag den 8. Juli 1S21. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil 2n der Zeil vom 4. bis 20. Juli 1921 gelangen weitere 2 Pfund Einmachzucker je Kopf der Bevölkerung zur Verteilung. Die Ausgabe erfolgt auf den auf der Stammkarte be findlichen Buchstabenabschnitt der Normalzuckerkarte Reihe 21. Näheres ist aus der Bekanntmachung des Wirlschaftsministeriums, Landeslebens mittelamt vom 1. Juli 1921, abgedruckt Sächsische Staatszeitung Nr. 152, die bei den Gemeindebehörden ausliegt, ersichtlich. Meißen, am 6. Juli 1921. Nr. 321 d 11 k. Die Amtshauptmannschast. Die Vorstände und Aerzte der Krankenkassen des Bezirks werden erneut an die Verordnung des Ministeriums des Innern vom 28. Februar 1913 erinnert und aufgefordert, alle infolge der Einwirkung von Blei, Phosphor, Arsen oder Quecksilber bei Kaffenmitgliedern vorkommenden Erkrankungen gewerblicher Angestellter und Arbeiter der Amtshauptmannschast sogleich nach Eintritt des Erkrankten in ärztliche Behandlung anzuzeigen. Wird die Krankheit erst später erkannt, so ist die Anzeige sogleich nach Feftstelluug der Krankheitsursache nachzuholen. Anzeige ist auch dann zu erstatten, wenn die Erkrankung eine dauernde oder vor übergehende Arbeitsunfähigkeit des Betroffenen nicht zur Folge hat. Meißen, am 1. Juli 1921. Nr. 572 V1I. Die Amtshauptmannschast. Kleine Zemmo «ur etltae Leser * Ans London wird die Nachricht verbreitet, in Rußland sei sür den nächsten Mona« ein neuer weißer Ausstand zu erwarten. Die Führer erhofften Franlrcichs und Amerikas Unterstützung. * Das spanische Ministerium Hal dem König seinen Rücktritt infolge Unstimmigkeiten in der Wiederherstellung nach den Er schütterungen durch die Kriegsereignisse unterbreitet. Der König sprach dem Kabinett erneut sein Vertrauen aus. * Laut Berichten aus Brussa ist das griechische Heer, das den dortigen Frontteil besetzt hielt, zerstreut. * Die Auslosung des deutschen Selbstschutzes in Obrrsckleücn, der am 5. Juli das gesamte Gebiet geräumt bat. wird von Briea aus durch General Hoefer geleitet. Der Auslösungsbekehl ist bereits ergangen. * In das Arbeitszimmer des Präsidenten der Republik Peru. Leguia, wurde von einem vorbcifahrenden Automobil aus eine Bombe geworfen. Der Präsident war jedoch nicht anwesend. * Aus Tokio wird gemeldet, daß die javanischen Truppen bei Nowonikolajewsk in Ostsibirien von Bolschewisten über- fallen wurden. Es kam zu ernsten Kämpfen. Die Bolschewisten haben die Stadt Ochotsk besetzt. * Die Kemalisten sollen im Anmarsch auf Konstantinopel sein. In den Kreisen der Westmächte regt man an, den Rumänen die Verteidigung Konstantinopels zu übertragen. Die Türkifierung Deutschlands Nachdem die Türkei im Jahre 1876 einen Staats« bankerott erlitten hatte, wurde einige Jahre später aus Anlaß der andauernden finanziellen Verwirrung im os manischen Reiche eine internationale Finanzkontrolle in Konstantinopel eingerichtet, die bis zum Beginn des Krie ges bestand und eine Quelle fortwährender Reibungen bil dete. Angesichts der Verlottorung des damaligen tür kischen Staatswesens war die Aufrechterhaltung dieser so genannten „Kapitulationen" jedoch eine Notwendigkeit, denn wenn die europäischen Staaten nicht selbst die wich tigsten Einnahmequellen der Türkei, besonders die Zölle unter ihrer Aufsicht gehabt hätten, wäre keinerlei Aus sicht auf eine auch nur teilweise Rückerstattung der für da malige Zeiten ungewöhnlich hohen türkischen Staats schulden vorhanden gewesen. Das System der Beauf sichtigung von Staatseinnahmen stellt aber selbstverständ lich einen schweren Eingriff in die innere Verwaltung und dainit in die Staatshoheit eines Landes dar und ist in folgedessen nur im Falle der unumgänglichen Notwendig keit zu rechtfertigen. Wenn man daher von feiten der Entente jetzt daran gehen will, die gleichen Methoden gegen Deutschland anzuwenden, so muß dagegen der schärfste Einspruch erhoben werden. Deutschland hat trotz seines schweren Zusammenbruches so viel Kraft und Fä higkeit zum Wiedesausblühen und so viel guten Willen zur Abtragung der übernommenen Verpflichtungen be wiesen, hat vor allem bereits so bedeutende Zahlungen an die Verbandsstaaten geleistet, daß nicht die geringste Ur sache zu der Befürchtung besteht, daß es künftig in der Erfüllung seiner finanziellen Zusagen in Rückstand kom men würde, wenn man ihm nicht Kontrolleure in seine wichtigsten Ämter setzt, die darüber wachen sollen, daß auch wirklich jede Staatseinnahme in erster Linie sür die Bezahlung der feindlichen Forderungen benützt wird. Ein solches Verfahren kann nur dazu führen, daß das Verantwortungsgefühl untergraben und der Wille zum Aufstieg, der bei uns ja nun einmal über den Versuch zur Erfüllung des Ultimatums geht, gelähmt wird. Deutsch land darf nicht dulden, daß es „türlisiert" wird, denn die inneren Verhältnissen des starken und leistungsfähigen 60- Millionen-Volkes, das nach wie vor ein unentbehrlicher Faktor in der Weltwirtschaft» ist, können in keiner Weise mit den Zuständen des Verfalls verglichen werden, die vor dem Kriege in der alten Türkei herrschten. Die neuesten Beschlüsse des seit dem Londoner Ulti matum eingesetzten „Garantiekomitees", einer Unterab teilung der großen Reparationskommission, scheinen aber tatsächlich auf eine solche „Türkifierung" Deutschlands hin auszulaufen. Wie jetzt auf dem Umwege über England bekannt wird, ist die Aufgabe dieser Kommission tatsäch lich nichts anderes, als eine vollständige Oberaufsicht über die deutsche Verwaltung auf dem Gebiet der Finanzen und der Zölle. An der Spitze der Zollabteilung wird ein statistischer Beamter stehen mit dem Aufenthaltsort in Berlin. Er hat einen Stab von Beamten bei sich mit dein Rech« zur Inspektion aller Zollämter und zur Nachprüfung c>er Einnahmen, die bei der deutschen Zentralverwaltung einlausen. An der Spitze der Finanzabteilung wird sich — immer nach den Mitteilungen der „Times" — ein Fach mann befinden, dessen Aufgabe es sein wird, die deutsche Verwaltung im ganzen zu überwachen. Diese Beamten sollen mit einer weitgehenden Vollmacht versehen werden. Die Kommission hat bereits getrennte Finanzcnt- würfe für das Jahr 1921/1922 einerseits und für die fol genden Jahre andererseits aufgestellt. Die diesjährigen Zahlungen betragen 2 Milliarden Goldmark, zahlbar in vier Vierteljahreszahlungen von je 500 Millionen Gold mark und ebenso vierteljährliche Zahlungen auf Grund der 26 prozenttgen Ausfuhrabgabe. Die Ablieferungen an Waren werden für dieses Jahr auf 1200 Millionen Goldmark angesetzt, der Zollertrag auf 200 Millionen Goldmark, während die 26prozentige Ausfuhrabgabe 1100 Millionen Goldmark erreichen dürfte. Der Gesamt betrag, den Deutschland mit Ende des am 30. April 1922 beendigten Rechnungsjahres zu leisten hat, beläuft sich auf 2 Milliarden 650 Millionen Goldmark. Hiervon sind 2 Milliarden 350 Millionen Goldmark bereits in Sicht (in -Oglu). 300 Millionen Goldmark müßten also noch auf gebracht werden. Das soll du bereits vorbereitete neue Steuern geschehen. Für die Zukunft, so meint d.e Kommtsston, kann der Betrag der deutschen Zahlungen nur schätzungsweise ins Auge gefaßt werden. Die Kommission nimmt aber an, daß er 1300 Millionen Goldmark betragen wird. Mit den festen Jahrcszahlungen von 2 Milliarden Goldmark ergibt sich eine Summe von 3300 Millionen Goldmark. Die „in Sicht" stehenden Einkünfte, zusammengesetzt aus Lieferungen, der 26prozentigen Abgabe, den Zolleinkünften usw. bleiben um 650 Millionen Goldmark hinter dem Betrag von 3300 Millionen zurück. Diese 650 Millionen sollen nun nach der Absicht der Kommission durch Steuern auf Dividenden, Zucker, Tabak, Branntwein, Kohle und die Umsatzsteuer aufgebracht werden. Die deutsche Schätzung dieser Erträg nisse beträgt 1660 Millionen Goldmark, und die Garantie lommission schlägt nun vor, 50 Prozent der Einkünfte zur Zahlung von Reparationslieferungen vorzumerken. Die Garantiekommission hat den Plan, immer zwei Monate voraus den Betrag der Vierteljayrszahlnngen zu bestimmen, der nach den drei vorangegangenen Monaten berechnet ivird. Die Zolleinnahmen, die eine der „Haupt garantien" bilden, sollen jeden Monat bei Banken, die von der Kommission zu bestimmen sind, eingezahlt werden. Man sieht diesem Projekt auf den eisten Blick an, daß es ohne jede Rücksicht auf den inneren Finanzbedarf Deusichlands entworfen ist und nichts anderes als einen Versuch bedeutet, Deutschland trotz seines säst über unsere Kraft hinausgebcnden guten Willens zur freiwilligen Lei stung neue Fesseln anzulegcn. Man kann übrigens an- nebmeu, daß auch vier nichts so beiß gegessen Wie gekocht wild Die Teisung Oberschsesiens. Beuthen eingeschlossen und gesperrt. ' In Paris soll man nun auch den Plan auf eine nur einstwsilige Lösung der oberschlesischen Frage aufgegeben haben und eine endgültige Regelung durch den Obersten Rat für notwendig halten. Die nächste und entscheidende Sitzung des Obersten Rates soll nunmehr nicht in Bou- logne stattfinden. Vielmehr werde man in Brüssel zu sammentreten, mn dort über Oberschlesien und die Märzsanktionen zu beraten. Hindenburg, KönigshüUe und Kattowitz deutsch? Als endgültig beseitigt betrachtet man in Paris an geblich die Teilungslinie des französischen Oberkommiffars General Le Nond. Die neue von Frankreich befürwortete Linie decke sich im wesentlichen mit der sogenannten zweiten Linie des Grafen Sforza. Diese würde Hindenburg, Königshütte und die Stadt Kattowitz bei Deutschland belassen. Frankreich werde nun auf der Tagung des Ober sten Rates eine derartige Lösung Vorschlägen, falls nicht bis zur Konferenz Ereignisse eintreten, welche die Be schlüsse in letzter Stunde nach anderer Richtung ablenken Zwei Drittel an Deutschland, eines an Polen Auch in Berliner Ententekrersen wird behauptet, daß die Enlscheidung über Oberschlesieu nahe bevorstche und daß über die Grundlagen der beabsichtigten Teilung be reits Einigkeit erzielt sei. Danach sollen vom gesamten Ab stimmungsgebiet etwa zwei Drittel an Deutschiano und ein Dritel an Polen kommen. Die Kreise Oppeln, Kreuzburg, Rosenberg, Natibor, Lublinitz, Oberglogan, Cosel, Leobschütz, Groß-Strehliy, Königshütte, Hinden burg, Gleiwitz und Stadt Kattowitz sollen deutsch bleiben, während die Kreise Pletz, Rybnik, Kattowitz-Land, Beuthen und Tarnowitz polnisch werden sollen. Bei dieser Regelung würden nicht weniger als drei Viertel des Jndustriereviers von Deutschland losgerissen. Man behauptet in den erwähnten Ententekreisen, datz die Teilung des gesamten Gebietes im Verhältnis der Ein wohnerzahl von 1 :2 ungefähr dem Abstimmungsergebnis entspreche und sogar noch zugunsten Deutschlands aussalle, verschweigt aber, daß die unerhörte Zerreißung des Jndu striereviers nicht nur dem Abstimmungsergebnis geraden wegs zuwiderläuft, denn bekanntlich haben alle großen Industriestädte starke deutsche Mehrheiten gehabt, sondern auch einen Eingriff in die wirtschaftlichen Zusammenhänge bedeutet, der geradezu vernichtend wirken mutz und der Deutschland seiner wichtigsten und wertvollsten Quellen beraubt, aus denen uns erst die Mittel zur Leistung unserer Neparationsverpslichtungcn fließen sollen. Daß man sich auf feiten der Entente stillschweigend dieses Umstandes be wußt ist. beweist die weitere Vereinbarung, daß Beratun gen über eine Entschädigung Deutschlands ein geleitet werden sollen, mit dem Ziele, daß Polen einen Teil der oberjchlesischen Kohlenausbeute bis aus weiteres an Deutschland liefern und einen kleinen Anteil der deutschen Neparationslasten übernehmen soll. Auch darüber ist man sich klar, datz die Gefahr besteht, das Jndustriercvicr könne unter polnischer Herrschaft bald in schweren wirtschaftlichen Verfall geraten. Deshalb behalten sich die Alliierten eine Kontrolle in den an Polen abzutretenden oberschlesischen Gebieten vor, und sie beabsichtigen sagar, falls es sich als nötig erweisen sollte, diese Gebiete ineigeneVerwal- tung zu nehmen Französische Gewaltherrschaft in Beuthen. Die deutschen Parteiführer und Gewerkschaftsführer beschlossen Dienstag einen Aufruf, der zur Ruhe und Be sonnenheit mahnt und Bedauern über die Vorfälle aus spricht. Ferner sollte sich ein Viererausschuß zum französi schen Kreiskontrolleur beaeben. um Vorstellunaen aeaen die Sperrung des Straßenverkehrs und die Verhaftung von Geiseln zu erheben. Bevor jedoch der gewählte Viereraus schuß sich zum Kreiskoutrolleur begeben konnte, wurden die Herren verhaftet. Ferner sind verhaftet außer dem Ersten Bürgermeister Stadtrat Kasperrowitz, Polizeidirektor Ben der, Bergassessor Bloch als Ersatz für den verschwundenen Vater, Stadtrat Krüger, Gymnasialdirektor Flaschel, Stadtrat Trappe, Oberstaatsanwalt Gorkow. Mehrere der als Geiseln Festzunehmenden waren nicht mehr aufzu finden. Die Stadt ist nach wie vor von französischen Posten umstellt und jeglicher Zu- und Ausgang verboten. Der Zugverkehr ist vollkommen eingestellt. Die Straßenbahnen des Industriegebietes verkehren nur bis an die Grenzen der Vorstädte heran. In den Kreisen der diplomatischen Entente-Missionen in Berlin glaubt man, daß weitere internationale Verwick lungen nicht entstehen werden, sondern der ganze Vorgang in Beuthen als ein lokales Ereignis ausgesaßt und be handelt werden wird. Auch aus Paris hört man, das französische Außenministerium stehe auf dem Standpunkte, es handele sich in Beuthen lediglich um eine Polizeiange- legcnhcit von lokalem Charakter. Die Verantwortung könne kein vernünftiger Mensch der deutschen Regierung zuschieben. Vor einem vierten Po len auf stand? Die über die Grenzen zurückgezogenen polnischen Jn- surgentcnverbände halten militärische Übungen ab und bleiben fest geschlossen. Die im Aufstandsg'ebiet zurückge bliebenen Insurgenten und Hallersoldaten sind nm bis zum 17. Juli beurlaubt. Auch»beziehen die Hallersoldaten ihre Löhnung weiter. Ihnen ist aufgegeben worden, sich für den baldigen Ruf bereitzuhalten. Es verlautet, daß dieser vierte Aufstand bereits am 10. Juli mit einem^treik beginnen soll, der sich zu einem Generalstreik ausdehnt, um dann am 17. Juli, wenn die ersten Nachrichten aus Paris eintreffen, den neuen Aufstand zu entfesseln. In den Wäl dern von Gleiwitz wimmelt es von schwer bewaffneten Aufständischen. In den Kreisen Rybnik und Natibor haben sie an verschiedenen Orten die Gewalt wieder an sich gerissen. Die Bevölkerung flieht in Masten.