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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Woä)LNb!alf für WlWdmff UNd ^lttMgMd Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtühauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Gtadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 122 Sonnabend den 28. Mai 1S21. 8V. Jahrgang. Amtlicher Teil Haftpflichtversicherung. Einladung zur Hiuvtoersammlung des Haftpftichwerficherungsverbands Meißen am Donnerstag de« 2. Juni 1924 vormittags ^11 Uhr im Sitzungssaals des amlshauplmannschafilichen Dienstgebäudes in Meißen. Meißen, am 27. Mai 1921. Der Vorstand des Haftpflichtversicherungsverbandes. Wegen Massenschutt wird die Straße Hühndorf—Weistropp am 31. Mai und 1. Juni für den Fährverkehr gesperrt. Der Verkehr wird über Oberwartha und Kleinschönberg verwiesen. Weistropp, 27. Mai 1921. «res Gutsdczirk Weistropp. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der deutsche Protest gegen die Zusprechung der Mon schauer Bahn an Belgien ist vom Botschastcrrat abgclehnt Worden. * Zum Pressechef der Reichsregierung ist der Zentrumsab- geordnete Höfle ernannt worden. * Bei den Wahlen in Nordirland ist es zu schweren bluti gen Zusammenstößen mit der englischen Polizei gekommen. * Ein Vertreter der Sowjetregierung erklärte in Riga, daß Rußland den Zusammenschluß der Randstaaten als oasus belli betrachten würde. Durch Arbeit zur Freiheit! Reichskanzlei Dr. Wirth hat einen kurzen Besuch in seiner Vaterstadt Freiburg in Baden gemacht und ist von dort nach Karlsruhe gefahren, der Hauptstadt Ba dens, wo er vor seiner Berufung in die Reichsregierung als Ncichsfinanzminister an der Spitze der finanziellen Verwaltung des badischen Landes stand. Der Kanzler hat in Karlsruhe während einer Zusammenkunft beim Staatspräsidenten in Gegenwart des Landtagspräsidiums, der Führer der drei Koalitionsparteien und vor Vertre tern der verschiedenen schaffenden Parteien eine bedeut same politische Ansprache gehalten, die man mit gutem Fug als eine Art Erläuterung der Richtlinien betrachten darf, nach denen die neue Reichsregierung zu marschieren gedenkt. Diese Karlsruher Erklärung ist somit, wenig stens in den allgemeinen Zügen, die Vorwegnahme des Regierungsprogramms, das bisher aus den bekannten Gründen vor dem Reichstag noch nicht entwickelt wurde, ob wohl Dr. Wirth hervorhob, er sei nicht zu dem Zweck nach Karlsruhe gekommen, um ein politisches oder wirtschaft liches Programm zu entwerfen. Dieses nicht vorhandene Zweckbewußtsein ändert nichts an der Tatsache, und diese wird um so gewichtiger, als der Kanzler ausdrücklich be tonte, er hoffe bei seinen weiteren Besuchen an den Re gierungssitzen anderer Bundesstaaten das gleiche Ver ständnis für seine Pläne zu finden. Dr. Wirth hob zunächst hervor, die Beantwortung des letzten Ultimatums der Entente mit „Ja" sei notwendig gewesen um der Freiheit des deutschen Volkes willen. Es habe sich um ein aufrichtiges, deutsches Ja ge handelt, kein an verzwickte formale Konstruktionen und akademische Erörterungen geknüpftes Ja. Die akademi schen Erörterungen aller möglichen Konferenzen des letzten Jahres hätten zu nichts geführt. Dieses unser Ja soll ein Zeitalter der Lei st ungen einschließen. Diese allein können die Welt von dem guten Willen Deutschlands über zeugen. Es gibt, fuhr der Kanzler fort, draußen in der Welt wohl fast niemanden, der Deutschland nicht große Leistungen zutraut. Nun gut! Die Tatsache stellen wir fest, daß die Welt an ein wirtschaftliches Er - ftarkenDeutschlandsglaubt, und nun müssen wir auch selbst daran glauben. Trotz des Elends der letzten zwei bis drei Jahre sieht Dr. Wirth doch eine, wenn auch noch geringe Hebung der Gcsamtlage des deutschen Volkes. Schreitet dieser Ansatz zur Besserung fort, erhält die Wirtschaft neues Leben, wird die Erzeugung, besonders auch die landwirtschaft liche, gefördert, werden unserem hungernden Magen die genügenden Nährstoffe zugeführt, so ist auf beachtliche und freiwillige Steigerung der Leistungen des deutschen Volkes zu hoffen. Und zwar schon um der Freiheit willen. Denn nichts Schrecklicheres als die Aussicht, die großen Industriegebiete, das Herz unserer ganzen Produktion, Rheinland-Westfalen, andauernd unter der Herrschaft fremder Bajonette zu sehen. Nicht allein die Freiheit der lebenden, sondern auch der kommenden Genera tion steht dabei in Frage. Wohl schließt das „Ja" viel Unbarmherziges in sich, aber wir müssen es mit dem Ge danken an die zu erringende Freiheit tragen. Die Waffen werden wir aus den Händen legen, aber wir werden in jedem Augenblick den Standpunktdes Rechtes festhalten. Unerträglich wäre es, wenn etwa die oberschlesische Frage durch die Diktatur eines polnischen Insurgenten gelöst werden sollte. Von Eng land hörten wir das Wort, daß mit Deutschland ein ehr liches Spiel getrieben werden sollte. Das Wort nehmen wir auf. An unserem Teile ist es zu zeigen, daß wir ge willt sind, aufrichtig und ehrlich auf der vorgezeichneten Bahn Politik zu treiben. Die Beratungen über neue Bela st ungen sieht der Reichskanzler nahen, wenn in den nächsten Wochen der Reichstag zusammentritt. Alle Kreise werden Opfer bringen müssen. In diesem Zusammen hang spricht Dr. Wirth lebhafte Zweifel aus, ob alle -Utet Ile des-deutschen Volkes während und nach dem Kriege wrrrncy rupzer gebracht haben. Wenn man da und dort durch die deutschen Lande geht und den frechsten Luxus — es gibt keinen andern Ausdruck dafür — sich breitmachen sieht, dann darf man füglich verlangen, daß in der beginnenden Zeit der Arbeit, wo der Hammer ent scheidet, der auf den Amboß niederfällt, alle Kreise unseres Volkes sich, was die Lebenshaltung betrifft, in solchen Bahnen bewegen, daß es erträglich ist gegenüber den Leistungen, die alle auf sich nehmen müssen. In der Richtung einer solchen Haltung für die Zu kunft steht der Redner die Bahn, die zur Freiheit führt. Nicht über Schlachtfelder, nicht über Pläne zu neuen Krie gen geht der Weg, die Freiheit wird errungen durch Arbeit. Das ist der große Gedanke, wie man durch Arbeit zur Freiheit wieder kommen kann, zu diesem köstlichen Gut, das der Mensch hat. Nicht zum Schmieden neuer Waffen ruft der Kanzler aus, sondern zum Bekenntnis des Rechts und zum Bekenntnis einer freien und großen Arbeits leistung. Geld- und Sachleistungen werden von uns ver langt; durch Anspannen aller Produktionskräfte, die wir in den Dienst der Allgemeinheit stellen müssen, durch Ver ständigungspolitik auf allen Gebieten werden wir neue Werte schaffen können. Dabei brauchen wir uns nicht zu verlieren in kosmo politische Träumereien. Im Gegenteil, die Gedanken der Nation, ihrer Führer, ihrer Würde, sie sollen uns auch jetzt leiten, wenn wir durch Arbeit einer neuen Freiheit entgegengehen wollen. Alle, die guten Willens sind, ruft der oberste Beamte des Reiches zur Mitarbeit, zur Unter stützung der Negierung auf dem steinigen und dornen vollen Pfade der nächsten Zeit auf. Jeder sei willkommen, keiner ausgeschlossen, der an des Vaterlandes Freiheit durch Arbeit Mitwirken will. Aber, schloß der Redner, irgendwelche wilde Formen des Ausdrucks po litischer Betätigung außerhalb des Rahmens des Gesetzes gar, die außenpolitisch uns nur in Schwierigkei ten bringen, müssen wir unbedingt ablehnen. Auf dem Boden des Rechts, auf dem Boden der Arbeit vorwärts! Das sind ehrliche Worte eines ehrlichen Mannes, denen auch der politisch Andersdenkende, dem die Aufrich tung des deutschen Volkes eine ebenso heilige Sacke ist, die Achtung nicht versagen wird. Der Angelpunkt der Aus führungen Wirths, das mit der Bestimmtheit eines Sit tengesetzes auftretende Wort „Werde durch Arbeit frei" wird nirgendwo Widerspruch finden. * Dr. Wirth über Briand. In Freiburg i. B. hat ein Berliner Journalist eine Unterredung mit dem deutschen Reichskanzler über die auf Oberschlesien bezügliche Rede des französischen Mi nisterpräsidenten Briand gehabt. Dr. Wirth sagte dabei u. a.: „Ich erkenne gern an, daß die Rede des französischen Ministerpräsidenten ans einen maßvollen Ton abgestimmt ist. In der Sache aber geht Herr Briand bei der Begründung der polnischen von Frankreich unterstützten Ansprüche von Vor aussetzungen aus. denen die Tatsachen teilweise widersprechen. Ein historischer Anspruch der Polen aus Oberschlesien besteht nicht. Wenn die Polen, wie Herr Briand weiter behauptet, zur Zeit der Pariser Verhandlungen von 1919 starke Gründe für den Glauben hatten, daß die Abstimmung zu ihren Gunsten aussaken würde, so süßten diese Gründe weder aus der frühe ren mittelalterlichen Vergangenheit, noch auf der jüngsten Ver gangenheit, denn bei den letzten Reichslagswahlen vor dem Kriege hatten die Polen in Oberschlesien kaum 30 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten, die Deutschen 70 Prozent. Vielleicht haben die Polen aus diesem Grunde bei den Ver handlungen von 1919 ausdrücklich das Abstimmungsrecht der Emigranten verlangt, weil sie hofften, dadurch die Stimmen mehrheit zu erlangen. Wenn sie sich in dieser Rechnung ge täuscht haben und wenn die auswärtigen Stimmberechtigten in ihrer Mehrzahl für Deutschland eingetreten sind, so kann nur der geringen Voraussicht der Polen, nicht aber den Deut- scken ein Vorwurs daraus gemacht werden. Im übrigen ist cs selbstverständlich nicht zutreffend, wenn Herr Briand alle über haupt von Emigranten abgegebenen Stimmen den Deutschen zuzählt. Denn unter jenen befanden sich selbstverständlich auch eine große Anzahl von Ausgewanderten, die für Polen ge stimmt haben. Die Polen haben historisch keinen Anspruch auf Ober- schlesicn; sie haben nach dem Abstimmungsergebnisse keinen Anspruch auf Oberschlesien, denn die deutsche Mehrheit von fast 1t Million Stimmen läßt sich i,cht fortdisputicren; sie haben moralisch keinen Anspruch, da sie mit dem Aufstand die Gewalt an die Stelle des Rechts zu fetzen gesucht haben; und sie haben wirtschaftlich keinen Anspruch, weil die oberschlesische Industrie von den Deutschen geschaffen ist und weil nach dem Urteil der berufensten nichtdeutschen Fachmänner die Polen diese blühende Industrie nicht zu erhalten, geschweige denn weitcrzuentwickeln vermöchten. In dem Wunsche finde ich mich aber mit dem franzö sischen Ministerpräsidenten zusammen, daß die Gerech tigkeit siegen muß. Die deutsche Regierung, welche sich so außerordentliche Zurückhaltung in dieser Frage auf erlegt und so erhebliche Opfer gebracht hat, darf auch darauf rechnen, daß die endgültige Regelung der oberscklesischen Frage in objektiver und gerechter Weise erfolgen wird. Etwas anderes als dies verlangt sie nicht." Wiederaushau der zerstörten Gebiete« Heranziehung deutscher Arbeitskräfte. In Paris empfing Ministerpräsident Briand die Mit glieder des Bureaus des Aktionsausschusses für die zer störten Gebiete, denen sich mehrere Parlamentarier ange- schlosscn hatten. Der Präsident des Ausschusses, der seiner zeit anläßlich des von der C. G. T. organisierten Kon gresses gebildet worden ist, aber eine durchaus selbständige Körperschaft darstellt, wies auf die traurige Lage der ge schädigten Bewohner hin, die sich mit Besprechungen nicht mehr begnügen wollten, sondern von der Regierung einen Gesamtplan für den Wiederaufbau verlangten. Der Sekretär des Ausschusses Doucedame erinnerte an die auf dem erwähnten Kongreß gefaßten Resolutionen und verlangte, daß sobald als möglich in den besonders schwer verwüsteten Gebieten, der sogenannten „roten Zone", ein Versuch mit der deutschen Teilnahme am Wie deraufbau durch Lieferung von Materialien und Arbeits kräften gemacht werde. Der Senator Carpentier und der Deputierte Deguise erklärten, ein großzügiger Wiederaus bauplan ohne Mitarbeit aller Völker, insbesondere des deutschen, sei unmöglich. Ministerpräsident Briand erwiderte, er sei ohne Vor behalt für die Verwendung deutschen Materials und eben so für die Hinzuziehung deutscher Arbeitskräfte, unter der Voraussetzung, daß es sich um gelernte Arbeiter handele, und daß die Einwohnerschaft der fraglichen Gebiete damit einverstanden sei. Die deutsche Mitarbeit in naturo., die unter der vorigen „alldeutschen" Regierung nicht in Frage gekommen sei, scheine jetzt verwirklicht werden zu können. Er glaube tatsächlich an die Aufrichtigkeit der neuen deut schen Regierung, die anerkannt Anstrengungen mache, um ihre Verpflichtungen innehalten zu können. Briand sagte, er stehe einem sofortigen Versuch der Verwendung deut scher Arbeitskräfte in der „rötest Zone" günstig gegenüber. Er schloß mit der Bemerkung, er wünsche mit dem Aus schuß in Fühlung zu bleiben und würde nichts unterlassen, ihm die Beschlüsse der Regierung mitzuteilen Briands Programm. Deutschland unter dem Damoklesschwert. Im Verlauf der weiteren Pariser Kammerdebatte nahm Ministerpräsident Briand erneut das Wort und gab folgende Erklärung ab, die man wohl als fein Programm für die nächste Zukunft ansehen darf: In London haben wir eine Erklärung abgegeben, die Deutschland mitgetcilt werden mußte, und die alle Verfehlun gen des Schuldners feststellt. Es war genau bestimmt wor den, daß Deutschland mit einem Ja oder einem Nein ant worten müsse, und wenn eine der Bedingungen zurückgewie sen würde, würden die Alliierten alle ihre militärischen und maritimen Mittel bercitstcllcn, um Genugtuung zu erlangen. Jetzt frage man, was geschehen werde, wenn Deutschland noch einmal seine Verpflichtungen nicht erfülle. Man frage, ob eine neue Zusammenkunft des Obersten Rates nötig sei, bevor man die Sanktionen ausführe. Wenn es sich um eine Verfehlung handle, von der in der Erklärung von London nicht die Rede sei, dann ja. Denn das sei eine Notwendigkeit des Ver trages. Wenn der Botschastcrrat nicht zu einem Beschluß kom men könne, dann müsse der Oberste Rat die Entscheidung tref fen. Aber wenn es sich um Tatsachen handle, die in der Er klärung bezeichnet seien, hinsichtlich deren Deutschland Be weise der Nichterfüllung zeigte, dann müsse Frankreich wie die anderen Alliierten diese Verfehlung feststellen, und dann be stehe sür jeden von ihnen das Recht, zur Ausführung der Sanktionen zu schreiten. Wenn also die deutsche Verfehlung an der Erklärung von London ieftgestellt sei, dann würde die französische Regierung an die englische und belgische Regie rung telegraphieren und ihrer Willen zum Handeln aus- sprechen und sie ersuchen, das gleiche zu tun. Durch dieses Telegramm würden die Verbündeten in den Stand gesetzt, mit Frankreich zu handeln. Ich will nicht einmal annehmcn, daß auch ein einziger von ihnen sich der vorgesehenen Sanktionen entziehen will. Wenn wir gestern infolge einer Verfehlung Deutschlands eine Sanktion ins Ange hätten fassen müssen und die Städte Ruhrort, Düsseldorf und Dnisburg besetzten, hätten die englische und belgische Regierung lohal den Befehl erteilt, daß ihre Truppen sich den französischen anschlössen. Er habe nicht das Recht, daran zu zweifeln, daß das morgen nicht ebenso sein werde (Beifall). Sie haben nicht das Recht, einen Beweis systematischen Argwohns zu geben, und ich habe nicht das Recht, in Zweifel zu ziehen, daß unsere Alliierten, selbst wenn efn.e besondere.Situation, ihnen die vorgeschlaaene Ove-