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WilsdnOrTageblati Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt fÜk Wilsdruff UNd LlwgegMd Postscheckkonto Leipzig 28644 Erscheint tätlich mit Ausnahme der Sonn- und Festtage nachmittags 5 llhr für den folgenden Tag. Bezugspreis bei Selbstabholung monatlich 4 M!., durch unsere Austräger zugelragen in der Stadt monatlich 4.40 Ml., auf dem Londe 4^0 Ml., durch die Post bezogen vierteljährlich 1Z.5V Ml. mit Zustellungsgebühr. Alle Postanstalten und Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Zm Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Erscheint Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrettlamts Tharandt Verleger «nd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthnr Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr 132 Donnerstag den 9. Juni 1921, 80 Jahrgang. Amtlicher Teil Grumbach. Bis 15. Juni 1921 sind d e Beiträge für die landwirtschaftliche Berufs- Genoffenschaft in den Vormittagsstunden an die hiesige Ortssteuer-Einnahme abzuführen. Nach Fristablauf erfolgi kostenpftichuge Zwangsbeilreibung. Wegen Massenschutt wird der Kommunikationsweg Niederwartha—Weistropp am 10. und 11. Juni kür den Fährverkehr gesperrt. Der Verkehr wird über Wildderg verwiesen. 434« Grumbach, am 8. Juni 1921. 4S4H Der Gemeindeoorstand. Niederwartha, am 7. Juni 1921. Der Gemeindeoorstand. LE Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die deutsche Regierung macht in London, Paris und Nom Vorstellungen wegen der Vorgänge in Oberschlesten. * Die Mitglieder der Mietervereinigung im Departement Du Nord haben in Lille eine Tagesordnung angenommen, in der der Abschluß einer Lieferung von 25 000 Holzhäusern mit Deutschland verlangt wird. * Der in London eingetroffene Vertreter Rußlands hat aus Grund des englisch-russischen Handelsvertrages in England große Bestellungen für Rußland gemacht. * Nach den letzten Nachrichten befinden sich die Telegraphen beamten und -Hilfsarbeiter in Italien im allgemeinen Aus stande. Der telegraphische Verkehr mit Italien ist vollständig unterbrochen. * Die ungarische Regierung ist davon verständigt worden, daß der Botschafterrat in seiner Sitzung am 27. April die süd slawische Regierung angewiesen habe, die besetzten ungarischen Gebiete nach Inkrafttreten des Friedensvertrages von Trianon zu räumen. * Die ungarische Regierung hat durch ihren Geschäftsträger in Berlin den förmlichen Antrag aus Zulassung zum Völker bund gestellt. Der Tob -er Entente. Hinter den Kulissen der britisch-französischen Politik muß mancherlei vorgehen, was sich bisher den Augen der Öffentlichkeit so ziemlich verschlossen hat. Wohl hörte man ab und zu von Bündnismöglichkeiten sprechen, ihre Vor züge, ihre Bedenklichkeiten behandeln, aber die Augenblicks- Ereignisse der europäischen Politik zogen die allgemeine Aufmerksamkeit so sehr auf sich, daß kein sonderliches In teresse für diese mehr der Zukunft geltenden Dinge übrig blieb. Seitdem jedoch in der oberschlesischen Frage der französisch-englische Gegensatz immer unversöhnlicher her vortritt, drängt sich das Gerede um einen formellen Bünd nisvertrag zwischen beiden Ländern immer mehr in den Vordergrund, und bald wird nun auch schon der Blinde es mit dem Stock fühlen können, daß alles auf eine Neu orientierung der Westmächte zustrebt. Dabei geben sich Franzosen wie Engländer den An schein, daß der Abschluß eines Bündnisses von der Gegen seite gewünscht werde, vom Standpunkt der eigenen Inter essen aber sehr sorgsam überlegt werden müsse. Der diplo matische Mitarbeiter der „Daily News" spricht es sogar rückhaltlos aus, daß die britische und die französische Poli tik heute gründlich von einander verschieden seien, daß es zwecklos sei zu behaupten, daß beide Länder dasselbe Ziel hätten, wenn es doch nicht der Fall sei. Ähnlich meini auch der Londoner Berichterstatter des „Manchester Guardian", daß zu viele unerledigte Fragen zwischen Frankreich und England bestünden, die gelöst werden müßten, grund legende Fragen, die das gesamte Feld der französisch-eng lischen Beziehungen berührten. Unmöglich würde es z. B. sein, ein Bündnis auf der Grundlage einer französischen Politik zu schließen, die auf Erdrosselung Deutschlands ge richtet sei. Aber die französische Regierung habe sich bisher standhaft geweigert, diese Frage auch nur in einer Vor konferenz zu erörtern. Der „Daily Chronicle", dem gute Beziehungen zum Premierminister nachgesagt werden, steht auch ein, daß es so wie bisher nicht weitergehen könne. Die Notwendigkeit eines fortgesetzten Zusamw.enarbeitens zwischen Großbritannien und Frankreich sei nicht zu leug nen. Es klinge ganz schön, daß man sich gegenseitig freie Hand lassen nnd alle paar Wochen eine Konferenz des Obersten Rates abhalten solle, um entstehende Schwierig keiten beizulegen. Aber in der Praxis führe dieses System nur zu gegenseitigen mehr oder weniger erbitterten Be schuldigungen. Und ein Fortschreiten auf dieser Bahn müsse unfehlbar zum Tode der Entente führen. Im Augen blick jedenfalls bleibe Oberschlesten das Hauptproblem, und die in dieser Frage beliebte Verschleppung ziehe ernste und nicht notwendige Gefahren nach sich. Der Pariser „Temps" hinwiederum stellt sich so, als hätte Frankreich bei einem Bündnis mit England durchaus nichts zu ge winnen. Er erinnert an die Besetzung Frankfurts, wie damals der Vertreter der englischen Regierung in Paris den Botschafterrat verlassen habe. An die Ankündigung Briands von dem beschlossenen Einmarsch ins Ruhrgebiet, wie Lloyd George sofort alles in Bewegung gesetzt habe, um dieser Drohung zuvorMkommen. Jetzt bemühe sich die neue deutsche Regi- rung, mit Frankreich in ein erträgliches Verhältnis zu kommen, und trotzdem spreche man von einer französisch-englischen Allianz. Man schade also den Be ziehungen zu England nicht, wenn man sich bemühe, mit Deutschland zu einer Verständigung zu gelangen. Würde nicht England, wenn es ein Bündnis mit Frankreich ab- schließe, dessen Politik in Europa und insbesondere in Deutschland immer mit beeinflussen wollen? Sei es nich! Vesser, zu umfangreichen Abmachungen lieber aus dem Wege zu gehen und denjenigen Engländern, die immer von ihren Sympathien für Frankreich sprechen, zu fagen, daß sie sich ihrer bei den kommenden Entscheidungen ihrer Regierung, beispielsweise in Oberschlesien und im Orient, erinnern möchten? , So geht das Geplänkel hinüber und herüber. Wer feiner hört, kann dabei manches unterirdische Grollen ver nehmen. Briand sucht sich, was Oberschlesien betrifst, durch seine bis jetzt glänzend bewährte Verschleppungspolitik zu helfen, und im Orient glaubt er sich wohl einstweilen aus den zu jedem Opfer bereiten Patriotismus der von Kemal Pascha geführten Teile des türkischen Volkes verlassen zu dürfen. Wo er jedoch eine unmittelbare Gefahr gegeben sieht, zögert er auch nicht, sofort Farbe zu bekennen. So hat er gegen einen Teil des britisch-russischen Abkommens in London einen energischen Protest überreicht, weil da nach den Bolschewisten gestattet werde, nach England nicht nur Geld, sondern auch Wertpapiere auszuführen, wovon er eine Benachteiligung französischer Wertpapierbesitzer be fürchtet. Den Wunsch nach Wiederaufnahme der wirt schaftlichen Beziehungen mit Rußland könne er wohl ver stehen. Zuvor aber müßten die früheren Schulden Ruß lands anerkannt und die räuberischen Gesetze der Räte republik für nichtig erklärt werden. Also müsse Frank reich sich die Rechte seiner Bürger auch der britischen Re gierung gegenüber in aller Form Vorbehalten. So pflegen Vorzeichen für Bündnisverträge nicht ge rade auszusehen. Eher schon könnte man in Mitteilungen dieser Art die Ankündigung einer Todesbotschaft um schlossen finden, von der die Welt vielleicht über kurz oder lang überrascht werden soll. Vor zwei Jahren, als die französische Regierung noch immer nicht daran glauben mochte, daß Deutschland zusammengebrochen sei, kannte sie kein sehnlicheres Ziel, als den Abschluß eines Garantie vertrages mit England und Amerika. Heute glaubt sie, eines solchen nicht mehr zu bedürsen, heute will sie es so gar darauf ankommen lassen, ihre europäische Politik auch im Gegensatz zu England durchzusetzen. Die Frage ist nur, ob England zu diesem Ausgang der gl—reichen Entente, wenn auck betrübten Herzens, Ja und Amen sagen würde. Trostlose Lage in Oberschlesten. Die Konferenzen wahrscheinlich aufgegeben. Le Nond hat es durch feinen passiven Widerstand er reicht, daß der Widerstand der Alliierten gebrochen ist. England und Italien sprechen schon nicht mehr mit. Lloyd George sollte erst „krank" sein. Heute heißt es, er fühle sich sehr „müde", werde eine ganze Woche auf dem Lande bleiben und sich sodann nach Wales begeben, um der Hoch zeit seines Sohnes beizuwohnen. Es ist nicht wahrschein lich, daß er vor dem 17. Juni nach London zurückkehren wird. Man spricht vorläufig nicht mehr von der Einbe rufung der interalliierten Konferenz nach Boulogne oder London. Schiefe Ansichten in England. Im Londoner Unterhanse fragte Wedgwoov, ob die Pressemeldungen, wonach englische Truppen gebraucht würden, um die deutschen Streitkräfte in Oberschlesten in Ordnung zu halten, richtig seien. Chamberlain gab zur Antwort, die alliierten Truppen in Oberschlesten ständen unter dem Befehl des französischen Oberbefehlshabers, der seine Befehle von den interalliierten Kommissaren in Oberschlesten durch die Mi- litärabteilungen der Kommission erhalte. Es werde daher vorausgesetzt, daß die Aktion der italienischen, britischen und französischen Truppen in Oberschlesien in Übereinstimmung mit den Befehlen der Kommission erfolgen werde. Frage und Antwort beweisen, daß beide Herren nicht wissen, was in Oberschlesien vor sich geht, oder wenigstens so tun. Hoefer und Hennicker. Aus Oppeln wird gemeldet: General Hoefer, der Führer des deutschen Selbstschutzes, hatte eine Unter redung mit dem Oberkommandierenden der englischen Truppen, General Hennicker. General Hennicker erklärte, er fei ausführendes Organ der Interalliierten Kommis- sion und müsse dem deutschen Selbstschutz jedes weitere Vordringen untersagen. Ein gleiches Verbot habe er an die Führer der polnischen Insurgenten gerichtet. Sollten die Jnfurgenten trotz diefes Verbotes noch Angriffe unternehmen, fo würden an disser Stelle der Front eng lische Truppen eingesetzt werden. Die „Times" melden aus Oppeln, daß General Hoefer in einer Unterredung mit britischen Offizieren erklärte, er verpflichte sich, nicht vorzurüaen, solange die Polen sich nicht rührten. Der „Timss"-Berichterstatter sagt, das fei gerade die Schwierigkeit, denn niemand — und am wenigsten der Stab der Ausständischen — könnte garantie ren, daß sich die Ausständischen nicht rührten. Der Stab der polnischen Aufständischen bestehe zum größten Teil aus nicht-oberschlesischen Polen. Sie hätten das Ver trauen ihrer Leute und der örtlichen Befehlshaber ver loren, die alle Krieg auf eigene Rechnung führten. Deutsche Note. Der deutsche Bdtschafter in London, Dr. Sthamer, überreichte dem englischen Außenministerium eine Note der deutschen Regierung, die auf die Note der Interalli ierten Kommission vom 4. Juni an General Hoefer Bezug nimmt. In jener Note war unter Drohungen ein Zurück gehen des deutschen Selbstschutzes verlangt worden. Die deutsche Note erklärt, daß die Drohung der Alliierten weder von den Bewohnern Oberschlesiens noch von dem deutschen Volke überhaupt hingenommen werden könnte. Die Bevölkerung Oberschlesiens erwarte, daß die Ankunft der englischen Truppen sie von dem polni schen Terror befreien werde. Sollte sie sich in dieser Erwartung getäuscht sehen, so würde die Bevölke rung Akte der Verzweiflung begehen, die von schwersten Folgen begleitet wären. Bedingungen der Polen. Die polnischen Aufwiegler haben angcboten, sich 6 bis Ü 10 Kilometer zurüüzuziehen, aber unter folgenden Bedin- ! gungen: 1. Sofortige Einstellung des deutschen Vor- s rückens, 2. Zurückziehung der deutschen Truppen, 3. Auf- j Hebung der deutschen Posten in der neutralen Zone, die i unter der Kontrolle der Alliierten stehen müßte, 5. das ! Versprechen der Alliierten, die polnische Bevölkerung unter ihren Schutz zu nehmen. Das nennt der neue britische Kommissar „eine sichtliche Besserung in der Haltung der ! Insurgenten"! Nach Nachrichten aus dem Zentralrevier ist die Lage der Industrie trostlos. Die überfüllten Halden machen eine Förderung größeren Umfanges unmöglich. Wenn auch einzelne Hütten über genügende Kohlenmengen ver fügen, so ist doch infolge Rohstoffmangels in den nächsten Tagen die Stillegung großer Hüttenwerke zu erwarten. Vom Kriegsschauplatz«. Die Insurgenten haben den Bahnhof Katt o w i tz besetzt Der französische Oberst Ardisson erklärte die Insurgenten für „arbeitswillige polnische Eisenbahner", die den Bahnof besetzt Hanen, weil die deutschen Eisenbahner unfähig wären, den Verkehr aufzunehmcn. In Hindenburg haben bewaffnete Aufständische ge plündert, unter ihnen befanden sich auch polnische Stadtver ordnete von Hindenburg. Die bisherige französische Besatzung der Stadt Pleß ist abgernckt. Mgn besürchtet eine neue Besetzung der Stadt durch die Insurgenten. Die jetzige Front der Polen tu Oberschlesten.