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Wilsdruffer Tageblatt : 15.05.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-05-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192105152
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210515
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210515
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-05
- Tag 1921-05-15
-
Monat
1921-05
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.05.1921
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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt. Nr. 112. Sonntag den 15. Mai 1921. 80. Jahrgang plingstlreuae. Nun schmückt das Haus mit maiensrischem Grün, Pfingstrosen laßt durch Eure Räume glühen, Und auch den Duft von Flieder und Jasmin Laßt lebensvoll ins offne Fenster ziehen! Wenn Wintersorge Dir das Herz beschwert. Halt nieder sie in dieser Festesstunde — Der junge Lenz, der durch die Lande sährt, Alljedem bringt er heute frohe Kunde. Das ist des Jahres allerschönste Zeit, Wenn blütenschwer sich Baum und Sträucher neigen, Wenn still die Tage voller Müdigkeit Ins dustgekühte Tal der Träume steigen, Wenn Lerchenjubel füllt die Morgenluft, Drin Sonnenfunken wie Demanten blitzen, Wenn Dich der Kuckuck aus dem Tannicht ruft, Das bräutlich steht voll maiengrüner Spitzen. . In hehrem Glanz strahlt jeder neue Tag. Der Frohsinn jauchzt auf moosgen Wanderpfaden. Aus Waldesgrund schwatzt fröhlich sich der Bach Zu fernen wellenspielenden Gestaden. Ein Vogelsingen liegt auf jedem Zweig. Ein jedes Wesen atmet fröhliche Gebärde. Wie bist du, Wett, an holden Wundern reich, Wie bist du schön, du weite Gotteserde! Dräun überm Vaterland auch Wolken schwer, Nagt auch am einzelnen der Zahn der Zeilen — Wenn auch das Herz vergrämt und freudeleer: Laßt hoffend uns ins junge Morgen schreiten! Der Pfingstgeist, der aus neuem Werden spricht, Ihn laßt uns tief in unsre Herzen senken, Das; er aus Finsternis empor zum Licht Mag unser leidgeprüftes Deutschland lenken ... „Es muß uns doch gelingen." Von Pastor Hermann Pankow. »Der Mensch ist ein Produkt seiner Verhältnisse, also setzt all euer Streben daran, die Verhältnisse zu bessern, so werden die Menschen von selbst besser und das Glück ist da!" Wie hat man uns diese „einfache Wahrheit" ge priesen und alles, was aus ihr folgt: erobert die Welt, beutet sie aus, sammelt und genießt ihre Schätze, so seid ihr die Herren der Erde; und wie hat man sich berauscht an unserer Menschenherrlichkeit: es gab ja bald nichts mehr, was wir nicht hatten, was wir nicht konnten! Aber seltsam, indem man so glaubte, die Verhältnisse zu beherr schen, deren Produkt man doch wiederum bloß sein wollte, zeigte sich, daß die Verhältnisse wirklich stärker waren als die, die in dieser äußerlichen, materialistischen Hingebung an die Welt sich als ihre Herren vorkamen; immer unauf haltsamer wurden die Völker von den Verhältnissen ge drängt und geschoben, bis endlich das Verhängnis im Krieg sich ungeheuerlich vollzog. Und nun geht es, wie in der Geschichte vom Sündensall erzählt wird: Die Schlange betrog mich. Betrogen sind wir um die Schätze der Erde, denen alles Jagen galt, Not und Armut ist unser Teil; betrogen sind wir aber noch viel schlimmer: um unser bestes Menschentum, um Glauben und Lieben und Hoffen: wir haben keine „Menschen" mehr! Das ist eine furchtbare Erkenntnis. Aber sie ist erfreu lich. Es liegt in ihr der Anfang der Umkehr, der Besse rung. Wenn sie ihren Weg geht, so wird das schließlich alle Not der Zeit aufwiegen. Wenn . . . darauf kommt es nun an. Denn noch ist es nur ein Anfang. Nicht bloß darum, weil es doch erst ein geringer Teil ist, der diese Er kenntnis hat, sondern noch mehr deshalb, weil es auch für uns, die wir sie haben, schwer ist, ganz aus und nach ihr zu leben. Wie tief liegt es auch den Besten unserer Zeit im Blut, daß sie das Heil doch noch von anderen Dingen erwarten: von der wirtschaftlichen Arbeit die einen, andere von politischen oder wirtschaftlichen Umwälzungen, andere vom Gedanken der Rache an den Feinden usw. In allen diesen Gedanken ist, gröber oder feiner, der alte Materia lismus am Werk, der ja sagt: Besserung der äußeren Ver hältnisse ist das, was zumeist zu betreiben ist. Und das wäre der alte Betrug. Es hilft uns nichts, aber auch gar nichts als die Einsicht: so geht es nicht. Das alles, so wichtig und willkommen es scheinen mag, ist Nebensache, vollständig Nebensache! Nicht auf die Verhältnisse, son dern auf die Menschen kommt es an. Neue Menschen — neue Zukunft; bessere Menschen, bessere Welt! Daß diese Erkenntnis jetzt so mächtig wächst: wir brauchen einen neuen Geist, um wieder wirklich Menschen, um wirklich wieder Meister unseres Schicksals zu werden — das ist erfreulich. Denn wir sehen daraus, daß alles hindrängt auf eine Wiedergeburt, aus neue Pfingsten. Ja, ein neues Pfingsten kommt, oder besser: ist schon da. Es vollzieht sich nicht äußerlich in den gleichen For men, wie einst in Jerusalem, aber es ist, auf den Kern ge sehen, derselbe Vorgang. Auch damals überall die Ein sicht: es geht so nicht weiter; auch damals die Sehnsucht: es muß von Grund aus anders werden; auch damals die wachsende Gleichgültigkeit der Besten gegen die politischen und wirtschaftlichen Versuche: die können nur das Alte umschichten, daß das Elend mal auf die andere Schulter kommt und ein bißchen anders aussieht; auch damals die wachsende Erwartung: ein neuer Geist muß es sein — auch damals das Rufen und Bitten: der Geist Jesu Christi muß kommen, er allein kann retten — und dann damals die hei lige Freude und die sturmfrohe Begeisterung: was Politik, was Wirtschaft — wir schaffen die Welt um von der andern Seite her, der inneren, unsichtbaren, mit unserm Geist voll Glauben an Gottes Herrschaft, mit unserer Liebe aus diesem Glauben! Um von den vielen Irrtümern und Fehlern früherer Zeit freizuwerden, darum haben wir uns die Pfingsten einmal hineingestellt in den ungeheuren, lange noch nicht ausgekämpften Kampf, der von Anfang an das Grund thema der Menschengeschichte gewesen ist und es bis an ihr schließliches Ende bleiben wird: in den Kampf zwischen dem Materialismus, für den das Äußere an der Welt das Wichtigste ist, und zwischen dem Jdealis- wus, für den Ausgang und Ziel alles Lebens der Geist ist. In diesem Kampf der Brennpunkt ist die Gestalt Jesu; der sichtliche Anfang des Sieges ist Pfingsten. Denn: hat uns die Geschichte der materialistischen Welle gezeigt, daß zle den vermeintlichen Herrn zum Knecht der Verhältnisse Macht, so zeigt uns die Geschichte der christlichen Pfing sten, wie die, denen die äußeren Dinge der Welt gleich gültig waren, gerade durch diese großartige Gleichgültigkeit die wahren Herren, d. h. die Umgestalter, die Neugestalter wurden. Das ist auch kein Wunder, denn nur wer frei den Dingen gegenübertritt, kann sie meistern; nicht, wer sich selbst zu ihrem Produkt erniedrigt. Wir haben Glück, wir Menschen unserer Zeit, daß wir dies neue Aufwachen des Pfingstgeistes mit erleben, daß wir seine Streiter stegesfroh sein dürfen. Noch erkennen wir uns gegenseitig vielfach nicht als Brüder desselben Geistes. Wie damals in Jerusalem ist es ein Gewirr von Sprachen; nicht nach Ländern, sondern nach den Lebens kreisen, aus denen wir stammen, ist die Ausdrucksweise verschieden, die des Werkmenschen anders als die des Wissenschaftlichen oder Künstlers, die des Rechtspolitischen anders als die des Linkspolitischen. Aber wer genauer hinhorcht, merkt schon, wie sie alle in ihren Sprachen Zeu gen desselben Geistes sind und das gewaltige Wirken Gottes verkündigen. Alle, die dies erkennen: so geht es nicht weiter; alle, die schmerzlich sich sehnen danach, daß der reine Geist Christi in ihnen und überall wieder die Grundkrast des Lebens werde, und die den Ernst und den Mut aufbringen, aus dieser Einsicht die Ereignisse zu beurteilen und aus diesem Geist das Leben zu gestalten: die werden es sein, die eine Erneuerung, eine Verbesserung bringen. Wohl werden wir den alten Feind nicht endgültig überwinden, dazu ist er zu zählebig; von Menschenalter zu Menschen alter wird der Kampf hin und herschwanken; aber in die sem scheinbar unentschiedenen Hin und Her zeichnet sich wieder einmal deutlich ab, wie es im ganzen vorwärts geht, und das Wort der ersten Pfingstpredigt damals klingt uns heute stärkend und beglückend: „euer und eurer Kinder ist diese Verheißung!" Aber auch die alte Bitte des ersten Pfingstpredigers gilt uns: „Laßt euch erretten aus diesem verkehrten Geschlecht!" Zu neuem Kampfe ruft die Zeit; aber der Pfingstgeist lehrt uns sprechen: es muß uns doch gelingen! Darum: Fröhliche Pfingsten! Ein Fest der Freude. Von D. Rhenanus. Pfingsten, das eigentlich ein rein aus christlicher Anschau ung hervorgegangenes kirchliches Fest ist, müssen wir dennoch als die deutsche Maifeier betrachten. Am Pfingstfeste erinnern die grünen, duftigen Maien an den Wald und seine Poesie, für die der Germane sich so ungemein empfänglich zeigte. Ver richtete er doch seinen Gottesdienst in heiligen Hainen, im Dunkel uralter Eichen und Buchen, deren Stämme in den Säu len, deren Aste in den Gewölberippen unserer gotischen Dome Wiederkehren. Selbst die Menschen stammen, einem uralten deutschen Volksglauben zufolge, von Bäumen oder aus Quel len unter ihnen. Frau Holda, die germanische Kindermutter, wohnt nicht bloß in Quellen, sondern auch in Bäumen, und Frau Erka wurde auf einer Linde wohnend gedacht, die über haupt im deutschen Volksglauben eine so wichtige Rolle spielt. Die Freude am Walde ist den Deutschen von jeher eigentümlich gewesen. Heitere Waldfahrten gehörten zu ihren angenehmsten Erholungen, und die mittelalterliche wie die neuere Poesie be weist, welche Wichtige Stelle der Wald im Jdeenkreise der Deut schen einnimmt. Es sind Märchen aus der Kinderzeit des deutschen Volkes, die uns aus einer Betrachtung der Pfingstgebräuche entgegen treten. Das Christentum nahm den Deutschen seine liebgewor denen Sitten und Bräuche nicht. Es legte ihnen nur christliche Begriffe unter und ehrte die Gefühle der Neubekehrten, die so allmählich aus dem Heidentum ins Christentum hinübergeleitet wurden. Wie der in vielen Teilen Deutschlands, besonders im Rheinland, am 1. Mai gesetzte Maibaum mit einer Krone von Rauschgold und ausgeblasenen Eiern an die Esche Jgg- drasil erinnert, die ja auch in den Jrminssäulen und Rolands säulen sich fortsetzt, so war der Pfingstbaum nichts weiter als der Kinderstamm, aus dem das Menschengeschlecht hervorge gangen, gewissermaßen ein Symbol des Stammvaters Irmin. Das feierliche Einholen des Pfingstbaumes aus dem srisch- duftenden, grünen Walde bildete ursprünglich einen Haupt bestandteil des Festes, wobei das Umhauen des Baumes, sein Schmücken mit bunten Bändern und Blumen, die Hcimführung ins Dorf, das Aussichten und Umtanzen und so weiter nnr ver schiedene Abteilungen des Festes bildeten, die heute zusammen gestellt werden müssen, wenn wir dieses in seiner Gesamtbedeu tung erkennen wollen. Für den Pfingstbaum gilt ebenfalls, was Mannhardt von dem ihm gleichbedeutenden Maibaum sagt: „Der aus dem er grünenden Walde feierlich eingeholte Maibaum stellt den Genius der im Frühling erwachenden Vegetation überhaupt dar, als solcher ist er unter anderem mit Eiern behangen, den Sinnbildern des keimenden, sich entwickelnden Lebens; er hat gewissermaßen einen allgemeinen Charakter, deshalb eignet er sich sowohl zum Repräsentanten des Lebensbaumes der ganzen Dorfschaft, als einzelner Personen. Allein man begnügte sich nicht damit, den Baum als Symbol des in ihm enthaltenen Menschenlebens, als den Stammbaum der Gemeinde umherzu führen und etwa am Gemeindebrunnen aufzurichten, man stellte auch das Götterpaar, das in ihm wohnend gedacht wurde, persönlich dar und führte dieses im Zuge umher." Wie in einzelnen Gegenden Deutschlands ein Maikönig und eine Maikönigin austreten, so finden wir in anderen einen Pfingst könig und eine Pfingstkönigin. In Schwaben war der „Pfingst lümmel" oder „Pfingstbutz" ganz mit Blumen oder grünen Zweigen umwunden, zur Erinnerung an seinen Ursprung aus dem Walde. In Österreich wurde der Pfingstlümmel in grüne Zweige gehüllt, ins Wasser geworfen, was an das Todaus treiben anderer Gegenden erinnert. Sehen wir nun, daß in Bayern dem „Pfingstl" und in Schwaben dem Pfingstbutz der Kopf abgeschlagen wurde, so werden wir zur Überzeugung ge langen müssen, daß bei den altgermanischen Festen im Walde, besonders um Psingsten, ein Kampf vorgestellt wurde, dessen heute noch allgemein üblicher Nachhall die Schützenfeste sind, bei denen ein Vogel von der Stange geschossen, aber auch ein Schützenkönig und eine Schützenkönigin gewählt wird. Der Kampf zwischen Sommer und Winter, der vielfach in deutschen Gauen dargestellt wurde, schloß sich an eine Maifeier im Walde, an einen Mairitt an, der im schwäbischen Pfingstritt eine Analogie findet. Die Schnadezüge westfälischer Städte und Dörfer sind aus alten Watdzügen und Waldfahrten her vorgegangen und bedeuten nur die Sicherung der Gemeinde grenze nach Herkommen und Recht. Aber die früher in Köln übliche Holzfahrt, bei der ein Ritter vom Kopf bis zum Fuße gewappnet erschien, deutete durch diesen schon aus einen Kampf, zumal da ihm nach der Heimkehr ein Kranz aufgesetzt wurde, der doch nur dem Sieger gebührte. Was im Walde geschah, entzieht sich unserer Kenntnis. Ursprünglich muß aber dort der Mai- oder Pfingstbaum gefällt worden sein, der im Kampse zwischen Sommer und Winter nachlebt. Dafür spricht der ge- waffnete Ritter, der den Kamps symbolisch aussocht, nnd die Überreichung des Kranzes, und wenn beim schwäbischen Pstngstritte gesungen wurde: Den Maien führ' ich in meiner Hand. Den Degen an der Seiten: Mit den Türken muß ich streiten, fo ist der Türke, der auch Mohrenkönig genannt wurde, der Winter, mit dem der Sommer streitet und ihn besiegt. Die feierliche Heimkehr, Einholung und Begrüßung des Siegers boi dann Anlaß zu mannigfachen heiteren Festlichkeiten. Aber der sröhlichen Fesisahrt ging ein Kamps zwischen dem neuen und dem alten Lichtgotte, zwischen Sommer und Winter, Tod und Leben voraus, und zwar sand dieser Kamps im Walde statt. An ihn erinnern die Schwerttänze, die in Köln von Schmieden an Fastnacht ausgeführt wurden und auch ander wärts sich nachweisen lassen. In Conz an der Mosel wurde am Johannistage ein bren nendes Rad vom Berge gerollt. Im Saartale war, mit diesem Brauche das Mailehen verbunden, darin bestehend, daß die jungen Mädchen der Gemeinde von den Burschen am Mattage im Wirtshaus ausgeboten wurden. Das dadurch erlöste Geld wurde gemeinsam verzehrt, und wer sich eine Maifrau erstei gert hatte, besaß das Recht, den ganzen Maimonat mit dieser zu tanzen. Nach dem Hochamte zogen die Maijungen und Mai- frauen, festlich geputzt, unter dem Voranttitt der Musik zum Maibaum und dann ins Wirtshaus, wo abends der Tanz, die sogenannte „Musik" stattfand. Das vornehmste und schönste Paar im Dorfe wurde Maikönig und Maikönigin. Und so ent spricht der Mairitt auch dem Psingstritt, wie die Maitänze den Pfingsttänzen begegnen, die alle der Freude über die Wieder kehr der schönen Jahreszeit entspringen und von arm und reich, jung und all mit Freude begangen werden. Das Frühkonzeri. Pfingsthumoreske von H. Abt. „Na, und wie ist's mit demPfingstprogramm? Treffen wir uns morgen zum Frühkonzert?" — „Frühkonzert?" Fast mitleidig sah der Ingenieur Thinius den Frager an. „Ich will Gott danken, wenn mir mal meine Maschinen nicht das Frühkonzert hämmern und rattern. Ausschlafen, ausschlafen und nochmal ausschlafen — das ist mein Pfingstprogramm!" Er erhob sich, schüttelte dem Stamm tischgenossen die Hand, verließ die gastliche Stätte und suchte seine Wohnung auf. Voll tiefen Behagens blickt er sich in seinem Zimmer um, geht von der Wohn- in die Schlafstube und beäugt wonnesam das Bett. Extra lang und extra breit, so wie sich's für seine Hünengestalt gehört, und wie er's vordem nie gefunden in den möblierten Zimmern. Er ist kein Mann der wilden Leidenschaften, ganz im Gegenteil, aber eine Leidenschaft hat er, und das ist eine ungestörte, aus giebige Nacht- und Morgenruhe. Zu der bereitet er sich nun vor, weist seinen Gliedern endgültig das richtige Lager an, neigt das Haupt zur Seite und murmelt schön halb im Traume: „Frühkonzert — um fünfe zum Frühkonzert — na so dumm —" dann verkünden regelmäßige Atemzüge, daß der Ingenieur der großen Maschinenfabrik, Herr Bernhard Thinius, mit seinem Pfingstprogramm begonnen hat. Voll hohen Festcsglanzes tritt die Sonne hervor, sen det ihre Strahlen über die grüne Erde, sendet einen gol denen Strahl durch den Vorhangspalt hinein in des In genieurs Schlafgemach und kitzelt lächelnd des Schlummern den Nasenspitze. Es stört ihn nicht. Friedlich liegt er da uni» läßt Sonne Sonne sein. Doch plötzlich wird er un ruhig, mechanisch tastet die Hand zur Seite, wo auf dem Nachttischchen die Uhr liegt — war's denn schon Aus stehenszeit? Ein paarmal ertönten wieder die regelmäßigen Atem züge, dann gibt es einen wilden Ruck, und aufrecht in seinem Bett sitzt der Ingenieur. Zum Donnerwetter noch mal, was war denn das und — wo war denn das? Mit rollenden Augen starrt der Ingenieur zur Decke empor, durch die das Gebrüll herabzudringen scheint. Nur eine Witwe mit ihrer erwachsenen Tochter wohnte angeb lich dort oben, wo aber kam auf einmal das schreiende Kind her? Er hatte Ruhe zu fordern — oder er ging zum Wirt. Der Wirt — ja so — der war ja mit seiner Familie auf einer Pfingsttour, den konnte er sich also nicht zur Hilfe rufen. „Ah — äh — äh — Sh — äh " brüllte es über ihm, als ob eins am Spieß steckte. Eins?? Nein, zehn, zwanzig, ein ganzes Hundert dieser Höllenbraten! Seine schöne Morgenruhe, aus die er sich so gefreut! Jetzt reißt er die Uhr empor und sieht nach der Zeit. Fünf, auf die Minute. Sie fingen jetzt mit dem Frühkonzert an. — „Ruhe!" donnerte er zur Decke empor. „Ruhe!" Ein Stiesel, von seiner Hand geschleudert, fliegt gegen die Decke und nimmt im Wiederabwärtsfliegen ein schöngeschliffenes Mundglas von der Waschtoilette mit. Das schlägt dem Faß den Boden aus. Rock und Hose reißt der Ingenieur an sich, macht eine sehr beeilte Toilette, stürzt hinaus, stürmt die Treppe hinan und zieht an der Tür, daran der Name Gebhard steht, die Klingel. Drinnen schreit und brüllt das Baby, als werde ihm mindestens lebendig die Haut abgezogen, und dazwischen klingt in den höchsten Tönen eine singende Stimme: „Schlaf, Herzenskindchen, mein Liebling bist du —" Und wie sich jetzt die Korridortür vor ihm austut, schleudert er ihr, die singeud vor ihm steht, aus ihren Armen das brüllende Kind schaukelnd, entgegen: „Das ist ja nicht zum Aushalten! Bringen Sie endlich Ihren Bengel zur Ruhe." Aus einem jungen, rosigen Gesicht blitzten zwei braune Augen den Ingenieur entrüstet an. — „Meiner?! Erlauben Sie mal —" — „Da ist nichts zu er lauben. Ich verlange augenblicklich Ruhe!" „Ja, was soll ich denn tun? Ich kann ihn doch nicht zum Fenster rauswerfen, bloß damit Sie Ihre augenblick liche Ruhe haben. Ich hab' ja schon alles versucht, ihn stille zu kriegen. Aber es Hilst nichts. Sonst ist er ein so ruhiges Kind, aber von früh um fünf his gegen neun, da schreit er eben." Ein gellendes Hohngelächter klingt auf. „Von früh um fünf bis gegen neun, da schreit er eben! Hahaha, das, das ist ja reizend, ist ausgerechnet das, was ich mir als Pfingstvergnügen gewünscht hatte." „Denken Sie etwa, mir macht's Spaß? Ich will auch Gott danken, wenn die drei Tage erst vorüber sind. Meine Schwester macht mit ihrem Manne eine Pfingsttour, da haben wir das Baby so lange zu uns genommen. Ich säße jetzt auch lieber beim Frühkonzert, darum brauchen Sie nicht grob zu werden." Dabei sieht sie den Ingenieur mit einem Blick an, der deutlich fragt: Was willst du überhaupt noch hier? Was er noch will? Sie vielleicht noch ein bißchen länger be trachten, die da zum Anbeißen niedlich in dem netten roka
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