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S-raft»r<cher Wils-raß Nr. 6 Wochenblütk fÜk WWdmff UNd ^lMgegMd postscheckkost» Leipzig LS 614 Viesen Matt eachält die amttichen Dekanntmachungea der Amtshavptmanaschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, -es Stadirats M Wilsdruff, des Forstrentamts Tharaadt «x» Dritter: Arthur Asch«,»« ix WUxdrxff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermaxn Lässig, für »ex Inseratenteil: Arthur Zschxxke, beide ix Wilrdrxff. r. 110. Freitag den 13. Mai 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Keffelsdorf. ! aa« » G»h?bm im „Wilsdruffer Tage- Freitag den 13. Mai vormittags von 10—12 Uhr Ausgabe der neuen Landes- M I M L »S N blatt", das einen weitver sperrkarten für Magermilch im Gemeindeamt. . zweigten u. kaufkräftigen Leser- Kesselsdorf, am 12. Mai 1921. s»l, Der Gemeindevorstand. «dH Ast kreis besitzt, große Wirkung. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Reichspräsident hat dem bisherigen Reichskanzler Fehrenbach ein Dankschreiben übersandt. * Der Reichstag hat das Ultimatum der Entente mit 221 gegen 175 Stimmen angenommen. * Infolge der Annahme des Ententeultimatums ist die deutsche Mark an den Börsen etwas gestiegen. * Die Düsseldorfer Stadtverwaltung teilt mit, daß die Kosten für die französische Besatzung sich auf 30 Millionen innerhalb zweier Monate belaufen. * Briand erklärte Pressevertretern, daß er starke Angriffe seitens der Kammer erwarte und die Vertrauensfrage stellen wolle. Vor neuen Aufgaben. Um die mitternächtige Stunde, genau eine Tages- spanne vor Ablauf des. fürchterlichsten Ultimatums, das einem großen Volke von verblendeten Siegern jemals ge stellt worden ist, hat der Deutsche Reichstag die kurz zuvor in aller Eile zusammengesteüte neue Negierung zur An nahme der feindlichen Forderungen ermächtigt. Ohne Vor behalte und Bedingungen — ganz wie der Oberste Rat es vorgeschrieben hat, ohne Abzug und ohne Verzug, mit allen Klauseln und allen Blankovollmachten. Nicht mit verbundenen Augen hat die Reichstagsmehr heit diesen Sprung gewagt: Herr Dr. Wirth, der neue Reichskanzler, hat es wohl mit vollem Bedacht ausge sprochen, daß die Fraktionen sich in eindringlichsten Be ratungen Rechenschaft abgelegt hätten über das, wozu sie sich entschlossen hatten. Die Jasager ebenso sehr wie die Neinsager. Man würde diesen, also beiden Rechtspar teien und der Bayerischen Volkspariei — von den Kommunisten braucht in diesem Zusammenhänge nicht gesprochen werden — sicher Unrecht tun, wenn man be haupten wollte, sie hätten sich den Luxus der Überlegung nur geleistet, weil sie wußten, daß eine Mehrheit für das Ultimatum auch ohne ihre Stimmen gesichert war. Den Deutschnationalen war es mit ihrer unbedingten Verwer fung der Forderungen, die sie als Preisgabe unserer Ehre und unserer Unabhängigkeit bezeichneten, zweifelsohne Ernst, nicht minder der Bayerischen Volkspartei, der ja die ungesäumte Entwaffnung und Auflösung der Einwohner wehren noch einen ganz besonderen Grund zur Opposi tionsstellung darbot. Und die Deutsche Volkspartei? In chrer Mitte hat es in diesen verhängnisvollen sechs Über legungstagen die schwersten Kämpfe gegeben. Zweifellos hat dabei auch die Frage des Verharrens oder des Rück zugs aus der Regierungskoalition eine bedeutende Rolle gespielt, aber die Einmütigkeit, mit der die Fraktion sich schließlich zur Ablehnung des Ultimatums durchgerungcn hat, spricht dafür, daß auch sie sich letzten Endes lediglich von rein sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Von den Parteien auf der Gegenseite scheiden die De mokraten aus, da sie zur Hälfte für, zur Hälfte gegen das Ultimatum gestimmt haben. Das Zentrum? Es tut üch, und das mit vollem Recht, viel darauf zugute, daß es sich niemals von Prinzipienreiterei leiten lasse. Das Zen- irum hat diesmal die Rechtsparteien, die in früherer lang jähriger Arbeitsgemeinschaft die Zentrumsfraktion auf ihrer Seite zu finden gewohnt waren, allein gelassen. Statt dessen hat es diesmal, als die Sozialdemokraten sich für Annahme des Ultimatums ausgesprochen hatten, an deren Spitze Ausstellung genommen und damit den Kern der Ja-Mehrheit geschaffen, die die bisherige Regierungsmehr heit zu ersetzen bestimmt war. Selbst wenn politisch-tak tische Erwägungen dabei mitgewirkt haben sollten, so würde das nicht den mindesten Vorwurf der jetzigen Gegner gegen das Zentrum begründen, denn es ist zuzugeben, daß eine reine Linksregierung wahrscheinlich gewesen wäre, — wenn sie überhaupt zustande gekommen wäre. Die Sozialdemokraten hatten sich zu ihrer Bildung den Unab hängigen gegenüber wohl angeboten, aber eine Reichs tagsmehrheit wäre unter dieser Voraussetzung nicht auf zutreiben gewesen, und so konnte nur eine gemischte Re gierung in Frage kommen. Der Frontwechsel der Mehr- beitssozialistcn, die noch vor wenigen Tagen die ganze Verantwortung den Bürgerlichen überlassen wollten, ist der Öffentlichkeit ziemlich überraschend gekommen, und man ist geneigt, ihn auf neuerwachte Herrschaftsgelüste für das Reich nicht nur, sondern auch für Preußen — zurückzu- sühren. Sie selber bezeichnen umgekehrt ihren Entschluß ols ein schweres Opfer, das sie im Interesse des deutschen Volkes auf sich nehmen; und wenn sie infolge davon dann auch die entsprechenden Machtpositionen mit Beschlag be legten, so leitet sie dabei, wie sie versichern, ausschließlich die Erkeuntnis, daß sie nur unter dieser Voraussetzung in der Lage wären, die mit der Unterzeichnung des Ultima tums der Entente wie dem eigenen Volke gegenüber zu gesagten Verpflichtungen sinn- und wortgemäß zu erfüllen. Ein Grund, in dessen Ernstlichkeit grundsätzliche Gegner wohl Zweifel setzen mögen, dessen innere Berechtigung aber ehrlicherweise gar nicht bestritten werden kann. Ver antwortung muß sich, wenn sie mehr als ein Papierdasein führen soll, mit Machtbefugnissen verbinden. Das ist selbstverständliche Grundlage jeder realen Politik, deren wir heute weniger als je entraten können. Anders die Unabhängigen, die, wie ihre Brüder von der Mehrheits partei, die Unterzeichnung des Ultimatums forderten, aber um deswillen aus ihrer bisherigen Oppositionsstellung nicht heraustreten wollen. Eine Auffassung, über die sich mit ihnen kaum streiten läßt. Jedenfalls: Das Ultimatum ist angenommen, und da mit in der Außen- wie in der Innenpolitik für das Deut sche Reich eine völlig neue Lage entstanden. Wer sich den Blick durch noch so heftige Gemütserregungen nicht trüben läßt, wird die neue Regierung trotz aller parteipolitischer Gegensätzlichkeit in ihrem Bestreben, die augenblicklichen Vorteile der Unterzeichnung des Ultimatums dem deut schen Volke so lange wie irgend möglich zu sichern, unter allen Umständen unterstützen. Wollte man statt dessen Herrn Dr. Wirth und seine Amtskollcgen von vornherein auf Schritt und Tritt zu behindern suchen, so wäre das ungeheuerliche Opfer des Reichstagsbeschlusses umsonst gebracht — und das Schicksal des deutschen Voltes wäre unweigerlich besiegelt. Oie Note an die Alliierten. Berlin, 11. Mai. Der deutschen Botschaft in London ist in der vergan genen Nacht folgende Note zur Übermittlung an Lüchd George telegraphisch übersandt worden: „Auf Grund des Beschlusses des Reichstags bin ich beauftragt, mit Beziehung auf die Entschließung der alli ierte» Mächte vom 5. 5. 1921 namens der neuen deutschen Negierung folgendes, wie verlangt, zu erklären: Die deutsche Regierung ist entschlossen: 1. ohne Vor behalt oder Bedingung ihre Verpflichtungen, wie sie von der Reparationskommission festgestellt sind, zu erfüllen; 2. ohne Vorbehalt oder Bedingung die von der Repara- tionskommission hinsichtlich dieser Verpflichtungen vorge schricbenen Garantiemaßnahmen anzunehmen und zu ver wirklichen; 3. ohne Vorbehalt oder Verzug die Maßnah men zur Abrüstung zu Land, zu Wasser und in der Lust auszuführen, die ihr in der Note der alliierten Mächte vom 29. Mai 1921 notifiziert worden sind, wobei die rückstän digen sofort und die übrigen zu den vorgeschriebenen Zei ten auszuführen sind; 4. ohne Vorbehalt oder Verzug die Aburteilung der Kriegsbeschuldigten durchzuführcn und die übrigen unerfüllten, im ersten Teile der Note der alli ierten Regierungen vom 5. Mai erwähnten Vertragsbe stimmungen auszuführen. Ich bitte, die alliierten Mächte von dieser Erklärung unverzüglich in Kenntnis zu setzen. gez. Wirth. Dieselbe Note ist nach Paris, Rom, Brüssel und Tokio gesandt worden. Das „La" des Michsiages. Stimmungsbild eines parlamentarischen Mitarbeiters. Berlin, 11. Mai. Genau wie in den Weimarer Schiüsalstagen vor zwei Jahren, die jedem, der sie miterlebte, schwer in der Er innerung lasten, war der jetzige folgenschwere Entschluß zur Annahme des Entente-Ultimatums mit einem Regie rungswechsel verbunden. Genau wie damals gingen tage lang Verhandlungen hinter den verschlossenen Türen der Fraktionszimmer voraus. Von hin und herschwankenden Erwägungen und Stimmungen getrieben, hielt man bald eine zustimmende, bald eine ablehnende Antwort für wahr scheinlich. Auch diesmal bestand die Gefahr, daß die ge stellte Frist verstreichen würde, bevor der Reichstag zu einem endgültigen Beschluß kam. Je näher die Entschei dungsstunde heranrückte, um so unentwirrbarer wurde die Fülle der einander jagenden neuen Kombinationen und Versuche, eine Regierung zu bilden, die, nachdem bereits seit Sonnabend feststand, daß sich eine Mehrheit für die Annahme des Ultimatums finden würde, nicht nur bereit wäre, diesen Entschluß durchzuführen, sondern die auch über die nötige parlamentarische Grundlage verfügte, um ein politisch tragfähiges Kabinett zu bilden. In den gestri gen Nachmittagsstunden endlich führten die Beratungen des Reichspräsidenten Ebert mit den Vertretern des Zentrums und der Sozialdemokratie zur Einigung auf einer neuen Regierungsgrundlage. Es kamen jedoch die Abendstunden heran, ehe man auch die Demokraten zur Teilnahme an der neuen Koalition bewogen hatte und ehe die auch jetzt noch unvollständige Ministerliste in aller Eile soweit zusammengestellt w'ar, daß der neue Reichskanzler mit seinem Ministerium und seinem Programm vor den Reichstag treten konnte. Von den Vormittagsstunden an herrschte im Reichs tag ein aufgeregtes Hin- und Herhasten der Parlamen tarier und der Regierungsmänner, der Parteiunterhänd ler und der Journalisten, wie man es trotz unserer doch wahrlich nicht ruhigen Zeiten seit langem nicht mehr er lebt hat. Das Stimmengewirr in der großen Wandel halle steigerte sich von Stunde zu Stunde, während der auf 7 Uhr angesetzte Beginn der Sitzung wegen der ersten vorläufigen Beratungen des neuen Kabinetts immer wei ter hinausgeschoben werden mußte. Endlich gegen 9 Uhr riefen die Glockensignale die Abgeordneten in den Saal. Auf der Negicrungsbank hatte der neue Reichskanzler mit den Mitgliedern seines Ministeriums Platz genommen, während die zurückgetretenen Minister, wie es nach dem parlamentarischen System üblich ist, wieder ihre Plätze in den Reihen ihrer Fraktionen eingenommen hatten. Ob wohl jedermann wußte, was von dieser Stunde zu er warten war, so lag doch eine atembeklemmende Span nung über dem ganzen bis auf den letzten Platz der Tri bünen besetzten Hause, als Präsident Loebe die Sitzung eröffnete. Man muß es dem neuen Reichskanzler Dr. Wirth zugestehen, daß er sich seiner gewiß nicht beneidenswerten Aufgabe, dem Reichstage im Namen der neuen Regierung die Annahme des Ultimatums zu empfehlen, in jenem würdigen Tone der Entschiedenheit und Festigkeit ent ledigte, die dem Ernste der Stunde angemessen war. Er ließ keinen Zweifel darüber, daß diese Zustimmung dis Übernahme ungeheurer finanzieller Lasten auf lange Zeit hinaus in sich schließt, nach seiner Auffassung und nach der Ansicht der Mehrheit stellt das aber das kleinere Übel dar, gegenüber der Zwangsvollstreckung, welche die Gegner im Falle einer Ablehnung unter der Drohung feindlicher Bajonette und der Zerreißung des geschwächten deutschen Wirtschaftskörpers über uns verhängen würden. Ebenso bestimmt betonte er aber, daß die selbstverständliche Vor aussetzung, daß nunmehr die angedrohte» Zwangsmaß nahme» nicht durchgcsührt werden dürfen, die Grundlage Ler deutschen Zustimmung bilden muß. Gefchäftsordnungsmäßig folgte zunächst die Aus sprache der Parteien, ehe zur Abstimmung geschritten wer den konnte. In dieser Debatte wurde der sachliche Ton der Regierungserklärung nicht von allen Rednern inne- gchalten. Der Vertreter der Mehrheitssozialdemokratie, der Abg. Wels, knüpfte an die Erklärung seiner Partei, welche für die Annahme eintrat, scharfe Angriffe auf die beiden Rechtsparteien, denen er den Vorwurf machte, daß sie sich der Verantwortung für die Konsequenzen einer Situation entzogen hätten, an deren Entstehung nach sei ner Auffassung ausschließlich eben diese bürgerlichen Par teien die Schuld tragen sollen. Das blieb nicht ohne Ab wehr von rechts. Zunächst sprachen jedoch die Abgeord neten Trimborn und Dr. Stresemann für das Zentrum und die Deutsche Volkspartei in kurzen formulierten Er klärungen, wobei der Zentrumsabgeordnete den Stand punkt vertrat, daß bas deutsche Volk bei Annahme des Londoner Ultimatums weniger Gefahr laufe als bei der Ablehnung, während der Sprecher der Deutschen Volks partei die ablehnende Haltung seiner Freunde damit be gründete, daß ihrer Auffassung nach die von uns gefor derten Leistungen ohne den Zusammenbruch unseres Wirt schaftslebens nicht erfüllt werden könnten. Besonderen Wert legte er darauf, festzustellen, daß die einzige Garan tie, die einen Teil seiner Freunde zur Annahme der For derungen hätte bewegen können, die Sicherung Ober schlesiens, von der Entente nicht gegeben sei und daß iu- solgcdcsseu auch die letzte Voraussetzung für eine Zustim mung hinfällig wurde. Die oberschlesische Frage stand auch im Mittelpunkt der längeren Rede des deutschnaiio- »alen Abg. Hergt, der dem Standpunkte seiner Partei entsprechend das Ultimatum restlos ablehnte. Seine Worte über die moralische Bedeutung der Entscheidung, die Ausführungen über Ehre und Würde des Volkes blieben nicht ohne lauten Widerspruch auf der Sinken des Hauses. Hergts Darlegungen gaben auch dem unabhängige» Red ner, dem Abg. Ledebour sowie dem Demokraten Haas Veranlassung, an ihre im Auftrage der Fraktionen verlesenen Erklärungen noch weitere Erörterungen partei- polemischer Natur anzuschließen. Während der Rede des Kommunisten Koenen, die wieder auf die Note „Welt- rcvolution" abgcstimmt war, verließen sehr viele Abge ordnete den Saal, fanden sich jedoch sofort wieder zu sammen, als am Schluffe der Führer der Bayerischen Bauernpartei, Dr. Heim, nochmals seine Gesichtspunkte gegen die Annahme des Ultimatums geltend machte, da bei aber in bemerkenswerte Weise die Hoffnung aussprach, daß an einen Abbau der Selbstschutzorganisationen nun mehr, gedacht werden könne.