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WikdrufferZageblatt r-nchlr-ch« Wü-druff M. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend p-stscheür-at» Leibis 26611 vi^es Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen -er Amtshavptmannfchaft Meißen, -es Amtsgerichts Wilsdruff, -es Stadtrais zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharan-t WeeteOer «ns DrnUler: Arthur Asch,«»« tu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Herma»« Lässig, für de« Inseratenteil: Arth«r Zschunke, beide i« Wil»dr«K. Nr. 118. Dienstag den 24. Mai 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Bekanntmachung, betr. die Abgabe von Körperschaftssteuer- und Kapital ertragsteuer-Erklärungen. Die nach ß 1 des Körperschaftssteuergesetzes der Körperschaftssteuer unterliegenden Steuerpflichtigen haben die Steuererklärung für die Veranlagung zur Körperschaftssteuer in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Juli 1921 abzugeben, soweit jedoch am 31. März 1921 der Geschäftsabschluß durch die zuständigen Organe (Mitglieder, Gesellschafterversammlung) noch nicht festgestelll ist, binnen drei Monaten nach der Feststellung bei dem unterzeichneten Finanzamt schriftlich einzu reichen oder zu Protokoll im Dienfigebäude, Schloß Nossen, abzugeben. Die Er klärungen sind mit der Versicherung abzugeben, daß die darin enthaltenen Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht sind. Gleichzeitig mit der Körperschaftssteuererkläruug ist von 1. den Erwerbsgesellschaften (Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Kolonialgesellschaften, bergbautreibenden rechtsfähigen Vereinigungen und nicht rechtsfähigen Berggewerkschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sonstigen Personcnvereinigungen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetriebe, deren Zweck die Erzielung wirtschaftlicher Vorteile für sich oder ihre Mit glieder ist), 2. den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Versicherungsvereinen aus Gegen seitigkeit und den politischen Parteien und Vereinen mit eigenem Gewerbebetriebe, 3. sonstigen juristischen Personen des bürgerlichen Rechts, insbesondere einge tragenen Vereinen, rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen, 4. juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere kirchlichen Körper schaften, Anstalten und Stiftungen, die auf Grund der Verordnung vom 3. Juni 1920 über die Abgabe der Kapitalertrags- steuercrklärungen (Zentralblatt für das Deutschs Reich Seite 41) vorgeschriebene KapitalertragsteuererklSrung abzugeben. Vordrucke zu den Körperschafts- und Kapitalertragsteuererklärungen sind Vs« Ende Mai ab bei dem unterzeichneten Finanzamt zu erhalten. Daselbst werden auch Auskünfte über alle Fragen erteilt, welche die Ausfüllung einer Körperschaftssteuer- oder Kapital ertragsteuererklärung zum Gegenstände haben. Nossen, am 20. Mai 1921. E DaS Finanzamt. An Minderbemittelte, Kleinrentner usw. werden am 24. d. M. im Zimmer Nr. 2 kleine Restbestände von Haferflocken, Weizengrieß und Hafermehl zu verbilligten Preisen, soweit vorhanden, abgegeben. Wilsdruff, am 20. Mai 1921. «ws Der Stadtrat. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Reichskanzler Dr. Wirth verhandelt gegenwärtig über die Besetzung des Auswärtigen Amtes und wird in kurzer Zeit eine endgültige Entscheidung treffen. * Der preußische Staatsrat tritt zu seiner nächsten Tagung am 27. Mat zusammen. * In der deutschen Gesandtschaft in Warschau sind polniscye Agenten, die aus Veranlassung der polnischen Militärgeheim polizei in die Büroräume eingedrungen waren, verhaftet worden. * Der neue österreichische Staatshaushalt weist einen Fehl betrag von 5V Milliarden Kronen auf. * Der vormalige Kaiser Karl wird seinen künftigen Aufent halt voraussichtlich in Spanien nehmen. * Die nächste Ententekonferenz wird Mitte dieser Woche stattfinden. * In Kairo und Alexandria sind neue schwere Unruhen aus gebrochen, die bereits zahlreiche Todesopfer forderten. Redefluten. Ein merkwürdiges Schauspiel, diese Jnterpellations- debatte in der französischen Kammer. Ein Redner nach dem andern betritt die Tribüne und ergeht sich in stundenlangen Herzenserleichterungen über die Politik der Regierung, über das Londoner Abkommen, über Deutschland und Oberschlesien, über England und Amerika. Briand aber, den alle diese Dinge doch auch einigermaßen interessieren, läßt die Redeflut geduldigen Hauptes über sich ergehen, hört schweigend zu und wartet irgendwelcher Ereignisse, die da kommen sollen. Es gehört zu' den Grundrechten, oder richtiger gesagt, zu den tief eingewurzelten Überlieferungen der französischen Republik, daß jeder wichtige Schritt, den die Regierung tun will oder getan hat, von großen Kam merinterpellationen begleitet wird. Gehen sie von den Freunden der Regierung aus, so soll deren Politik durch dieses parlamentarische Kampfmittel vor dem Lande oder, je nachdem, vor der ganzen Welt unterstrichen und geför dert werden; werden sie von den Gegnern der Regierung veranlaßt, so stellen sie in der Regel einen Kampf um die Macht dar, der sich in mehr oder weniger dramatischen Formen zu vollziehen pflegt. Man darf, nach ihrem Ab schluß, von Sieg oder Niederlage sprechen, und nicht selten bedeutete der Ausgang solcher Kammerdebatten für das immer noch sehr wankelmütige Volk der Gallier den An bruch einer neuen Zeit. Diesmal macht es fast den Eindruck, als wollte Briand sich nicht zum Kampfe stellen. Der Donnerstag, der Freitag ging vorüber, und er hat die Interpellanten reden lassen, so viel sie wollten, ohne sich zu rühren. Herrn Lau ch eur, feinen Wiederausbauminister, hat er schließlich oorgeschickt, um ihn einige Zahlen über die geforderten und bewilligten Entschädigungssummen aussagen zu las sen, einer seiner „Fachmänner" also, den die Politik als solche, die große Politik nichts angeht. Danach vertagte man sich auf den kommenden Dienstag, und der Minister präsident kann sich wieder ganz ungeteilt dem Noten- und Redewechsel mit seinem britischen Bundesgenossen hingeben. Damit ist wieder etwas Zeit gewonnen. Ob es zunächst zu einer persönlichen Begegnung der beiden Män ner in Boulogne oder sonstwo kommt, oder ob auch sie „eingetretener Hindernisse wegen" unterbleiben muß, ob und wann der Oberste Rat zusammenberufcn werden wird, um sich mit den ungemein stachligen Fragen des Augen blicks zu befassen, weiß niemand zu sagen; offensichtlich ist nur die ungewöhnlich vorsichtige Zurückhaltung Briands auf der einen, das lebhafte Bemühen Lloyd Georges aus der anderen Seite, zur Entscheidung zu drängen. Und die französische Kammer wird es an Verständnis für die tak tisch-politischen Erfordernisse des Augenblicks gewiß nicht fehlen lassen. So ließ sie am Freitag zunächst den SozialistenM ar - cel Cachin ruhig reden, wie ihm der Schnabel gewach sen war. Er setzte sich für Rußland ein, für die Sowjet republik, und kein Laut kehrte sich gegen ihn. Er sprach von der Krisis in der Allianz, von den kapitalistischen Interessen der Schwerindustrie an den Kohlenschätzen Oberschlesiens, und alles blieb ruhig. Er forderte von Briand den endgültigen Verzicht auf die Besetzung des Ruhrgebietes, und kein Mensch unterbrach ihn; er pro testierte sogar mit aller Leidenschaft gegen die Mobil machung des Jahrgangs 1919, und konnte trotzdem in un getrübter Ordnung zu Ende kommen. Nichts von Auf wallung der Gemüter, nichts von patriotischer Erhitzung. Ein anderer Redner, Forgeot mit Ramen, löste ihn ab und jonglierte zur Abwechslung mit französischen und deut schen Milliarden, mit Ausfuhr- und Einfuhrberechnunaen, mit Steuer- und Zollabgaben, daß jedem Nichtsachmann darob der Verstand stillstehen konnte. Alles natürlich, um zu beweisen, daß Frankreich, das arme Frankreich bei dem Kriegs- und Entschädigungsgeschäft viel zu viel zusetze. Warum lasse man Deutschland, nach Ablieferung seiner Rohmaterialien für den Wiederaufbau und seiner Kohlen, nicht noch eine Handelsflotte für Frankreich bauen? Und warum solle England aus seine Kosten kommen, Frankreich aber verhindert werden, Nutzen aus dem deutschen Außen handel zu ziehen? Und wenn das französische Parla ment das Londoner Abkommen ablehne, sei diese Tatsache schlimmer als die Weigerung des amerikanischen Senats, den Friedensvertrag von Versailles zu ratifizieren, schlim mer als die Aushebung des englisch-amerikanischen Schutz vertrages, schlimmer als die letzten Worte Lloyd Georges über Oberschlesien? Durch das Abkommen von London könne die französische Demokratie sich nicht binden, denn es müsse zum Ruin des siegreichen Frankreich führen gegen über einem Deutschland, das den Kopf wieder erhebe. Auch dieser Redner, der mit einem leidenschaftlichen „Nein!" gegenüber Briand und den Bedingungen des Ultimatums schloß, wurde lautlos, fast wollte es scheinen teilnahmslos angehört, während Herr Loucheur, der aus dem Londoner Abkommen soviel wie möglich für sich und seine Regierung herauszuschlagen suchte, lebhaften Beifall auf allen Bän ken des Hauses fand. Aber Briand, wie gesagt, blieb stumm wie ein Fisch. Will er auch am Dienstag schweigen und warten? Und wird Lloyd George reden und handeln? * Lloyd George will keine Verschleppung. Das Organ Llovd Georges, der „Daily Chronicle" wendet sich in einem offenbar von dem englischen Premier minister beeinflußten Artikel nochmals entschieden gegen die französischen Verschleppungsgelüste in der oberschlesi- schen Frage. In dem Artikel heißt es: Ohne Briand eine absichtliche Verzögerung vorwerfen zu wollen, dürfen wir vielleicht daran erinnern, daß er gegenüber seinen Verbündeten eine gewisse Pflicht hat, so weit er kann, in anderem Sinne als bisher zu handeln. Die Situation, die ihm und uns in Oberschlesien vvrliegt, ist doch die, daß eine der Parteien sich durch Gewalt eine vorteilhafte Stellung geschaffen hat. Wenn wir die Zeit unbenutzt verstreichen lassen, begünstigen wie die eine Par tei und benachteiligen die andere. Darum ist eine gerechte Entscheidung fettens der Alliierten notwendig. Wie ist die Lage entstanden? In erster Linie durch das Vorgehen der Polen in Oberschlesien, aber zweitens und sehr wesent licherweise durchdasVorgehenderFranzosen selb st. Sie sind es, die für die Ordnung und für das lui- in der umstrittenen Provinz verantwortlich find. und sie haben diese Pficht nicht erfüllt, sonder« die Ordnung ist völlig umgestürzt worden, und sie haben keinen Versuch gemacht, sie zu bewahren. Nachdem sie so sich selbst ins Unrecht gesetzt haben, hätte man erwarten können, daß die Franzosen die erste Gelegenheit benutzen würden, um durch eine internationale Konferenz ihr Un recht wieder gut zu machen. Aber das tun sie nicht, son dern vertuschen die Tatsachen, und sie schassen dadurch die Gefahr, daß Deutschland den polnischen Streich mit Gegenstreichen beantwortet. Ein Teil der öffentlichen Meinung in Frankreich würde ein solches Vorgehen Deutschlands sogar willkommen heißen, als Entschul digung für eine Erneuerung des Vormarsches gegen das Ruhrgebiet. Als Gegenzug gegen einen deutschen Angriff könnte die Erneuerung des Vormarsches gerecht fertigt erscheinen, aber nicht als Antwort auf einen deut schen Ausbruch berechtigter Leidenschaft. Die schon be stehenden ernsten Differenzen zwischen den Alliierten würden durch eine solche Politik in unab sehbarer Weise vergrößert werden. Die Konferenz von Boulogne. Briand hat aus die englische Note geantwortet, er sei mit der Konferenz in Boulogne einverstanden, könne aber den Tag erst nach Abschluß der Kammerdebatte bestimmen. Uber die Ruhrbesetzung müsse Frankreich sich Handlungs freiheit Vorbehalten. In jedem Fall ist nunmehr die Zu sammenkunft des Obersten Nates zwar grundsätzlich ver abredet, aber der Tag über die Beratung ist noch nicht festgesetzt worden. Briand soll tatsächlich die Vorberei tung eines direkten Schiedsspruches durch ein Gutachten von Juristen und Sachverständigen vorgeschlagen haben. Die Knegsgreuel -er Entente. Deutschlands Gegenliste. Die bevorstehenden Verhandlungen gegen deutsche Kriegsvergehen in Leipzig, die Annahme des Ultimatums, vie Risse im Entente-Turm scheinen auch die Lippen der Reichsregierung lösen zu wollen. Wie verlautet, ist das Material über völkerwidrige Handlungen unserer Gegner im Kriege nochmals durchgearbeitet worden und alle zweifellos festgestellten Fälle von Rechtsverletzungen sind in einer Liste festgelegt worden. Die Liste besteht aus drei Teilen, von denen ein Teil die unseren Gefangenen zuge fügten Grausamkeiten enthält. In der Liste sind Tatbe stand und Beweismaterial aufgeführt. Die Liste soll in den nächsten Tagen den Ententemächten zugestellt werden und wird in Deutschland und im neutralen Auslande ver öffentlicht werden. Alle Verletzungen gegen die Genfer Konvention sind besonders gesammelt worden und werden der demnächst zusammentretenden neutralen Roten-Kreuz- Untersuchungskommission unterbreitet werden. Vom moralischen Niedergange des deutschen Volkes liegen neue Beweise vor, die sogar die Verachtung der Entenicmissionen finden, denen sonst alle Mittel zur Be kämpfung des Deutschtums recht sind. Wie mitgeteilt wird, lausen täglich bei den überwachungsstellen der Missionen Anzeigen Deutscher gegen Deutsche ein, die Vergehen gegen den Friedensvertrag feststellen und Belohnungen erheischen. Auch die Mitteilungen von der geplanten An werbung deutscher Freikorps für Oberschlesien zum Schutze deutscher bedrängter Volksgenossen sind der Entente von Deutschen unter Beifügung von Material gemacht worden. Nirgendwo wäre so etwas möglich, man denke an Belgien und den Osten, wo sich im Kriege kaum Verräter an der eigenen Volkssache gefunden haben.