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Nr. 113. Mittwoch den 18. Mai 1921. 80. Jahrgang Amtlicher Teil die Wagschale wirst, daß Deutschland die Industriestädte gegeben werden, die nach der französischen These an Polen gegeben werden sollten. Amerika war bisher ein völlig unbeteiligter Faktor in diesem Streit. Die polnischen „Heldentaten". Nach einer Meldung aus Oppeln haben die alliierten Streitkräfte in Oberschlesien folgende Verluste zu ver zeichnen: Franzosen 2 Tote, 7 Verwundete, Italiener 20 Tote, darunter ein Offizier, und 40 Verwundete, dar unter 2 Offiziere. Ferner wurde ein englischer Polizei- sergcant getötet. Beständig liefen in den letzten Tagen Meldungen über Plünderungen und Raubzüge der Auf rührer ein. Aus Nikolai werden Plünderungen der Auf ständischen gemeldet, die sich nicht mehr in der Hand ihrer Führer befinden. Ernst war die Lage im Landkreis Glei- witz. Die Insurgenten requirierten größere Mengen an Schlachtvieh, sowie Pferden. Die Lebensmittelnot in den Jndustriekrciseu des Landkreises Gleiwitz wächst. In Hindenburg wurde das Flüchtlingslager von den Auf rührern geplündert; 30 Flüchtlinge wurden vertrieben. Im Kreise Groß-Strehlitz wurden den Aufständischen vier Maschinengewehre abgenommcu; ein Granatwerfer wurde zerstört. Gogolin mußte von den Polen geräumt werden. Aus Oberschlesien strömen die Flüchtlinge in immer größerer Zahl nach Niederschlesien. Die Flüchtlingsfür sorge, die vom Roten Kreuz eingerichtet worden ist, steht einer ungeheuer schwierigen Aufgabe gegenüber. So sind an einigen Tagen je 1500 Familien aus Oberschlcsi.cn nach Niederschlesien geflohen. Die niederschlesischrn Be hörden haben sich an die preußische Regierung in Berlin gewandt und gebeten, einen Teil der Flüchtlinge in andern Teilen Preußens und Deutschlands uuterzubriugen, da die Unterbringungsmöglichkeit in Niederschlcsien zum größer- Teil bereits erschöpft sei. densvertrag zu beschweren, denn es habe diesen Vertrag nicht gewinnen helfen. Die polnische Regierung habe die Verantwortung für den Aufstand in Oberschlesien abge lehnt; aber das habe sie in der litauischen Frage auch ge tan, und doch sei Mitau von regulären polnischen Trup pen besetzt worden, was eine Herausforderung der Alli ierten gewesen sei. Auch jetzt Mi es Tatsache, daß Waffen von Polen her eingeführt würden, daß Offiziere die Grenze überschritten — was habe unter diesen Umständen die Ablehnung der Verantwortung für einen Sinn? Als die italienische Regierung durch d'Annunzio in Fiume herausgefordert wurde, habe sie sogar mit Waffengewalt durchgegriffen, denn sie fühlte, daß die Ehre der Na tion engagiert war. Er halte Polen dieses schöne Bei spiel vor, damit es wisse, was es zu tun habe. Ein schönes Beispiel, ganz gewiß, und wir haben auch jetzt wieder in den Kämpfen in Oberschlesien gesehen, wie die Italiener die Ehre ihrer Nation hochzuhalten wissen. Im Gegensatz aber nicht nur zu den Polen, deren Haltung jeder Beschreibung spottet, sondern auch zu den Franzosen, die ihnen dabei jede offene und geheime Hilfe gewährt haben, deren es bedurfte, um Herrn Korfanty soweit zu bringen, wie er jetzt glücklich ist. Mittelbar also beziehen sich die schweren Vorwürfe Lloyd Georges auch gegen seine Bundesgenossen an der Seine, und es ist nicht zu er kennen, Wie er es bewirken will, seinen französischen Kol legen Briand zur Aufgabe der schon mehr als zweideuti gen Haltung zu bewegen, die Frankreich in der oberschlesi schen Frage von Anfang an beobachtet hat. Dieser Zwei deutigkeit ist es zu danken, daß nicht nur wir, sondern auch die Siegerstaaten jetzt von neuem vor schwere Konflikte gestellt sind. Wer Europa vor ihnen Rettung bringen will, wird sich nicht nur auf Worte, nicht nur auf ein drucksvolle Parlamentsreden beschränken dürfen . . Kleine Zeitung für eilige Leser. Die Reichsregierung hat, wie an zuständiger Stelle mit- geteilt wird, eine Antwortnote auf die Note Briands wegen Lberschlesien der Entente übermittelt. * Am 14. Mai waren alle deutschen Banken und Börsen ge schlossen. Es fanden keinerlei Notierungen statt. * Im braunschweigischen Versassungskonflikt ist von bür gerlicher Seite das Eingreifen der Reichsregierung erbeten worden. * Die Gemahlin des Generalseldmarschalls von Hindenburg ist nach längerem Leiden in Hannover gestorben. * Im englischen Unterhaus erklärte Lloyd George, Deutsch land habe das unbedingte Recht, die Polen mit Waffengewalt aus Oberschlcsien zu verjagen. * Der belgische Senat hat ebenfalls die Einführung des Achtstundentages genehmigt. * Die Zahl der Arbeitslosen in Schweden ist in den letzten Monaten bedeutend gestiegen und wird jetzt auf 60 000 ge schätzt. Reifung? Zu der auf,ehenerregenden Rede über Oberschlesten, die der englische Premierminister kurz vor den Feiertagen im englischen Unterhause hielt, äußerte sich einer unserer politischen Mitarbeiter folgendermaßen: Wieder einmal war es Lloyd George, der britische Ministerpräsident, der es verstanden hat, den schon fast bis zum Nullpunkt gesunkenen Mut des deutschen Volkes, so weit seine oberschlesischen Sorgen in Frage kommen, neu zu beleben. Wir wissen zwar alle, wie ost schon die Hoff nungen getrogen haben, zu denen uns unbedachte oder auch klug berechnete Äußerungen dieses Mannes verleite ten; aber wer ohnmächtig zusehen muß, wie grenzenloser Übermut seiner Feinde, wie unersättliche Raubgier seiner Nachbarn ein Stück deutschen Bodens nach dem andern in schmachvolle Knechtschaft zwingt, der greift, wie der Er trinkende nach jedem Strohhalm, nur zu gern nach Wor ten, die ihm Hilfe bringen, Gerechtigkeit zu verheißen schei- scheinen. Zumal wenn sie, wie cs diesmal der Fall ist, in ihrer fast brutal zu nennenden Rückhaltlosigkeit gar nicht mißverstanden werden können. Das englische Unterhaus blieb, im Gegensatz zur fran zösischen Kammer, die sich nach Festlegung des Londoner Ultimatums vertagt hatte, um die schönen Dinge, die da kommen sollten, in voller Ruhe genießen zu können, unent wegt, trotz der lockenden Frühlingstage im Westminster palais versammelt, und kein Tag verging, ohne daß die Regierung veranlaßt wurde, über die Vorgänge in Ober schlesien Rede und Antwort zu stehen. Bis dahin hatte Lloyd George diese Aufgabe zumeist seinen Untergebenen überlassen. Nachdem er sich wohl ein endgültiges Urteil über die Lage und über die Pflichten, die aus ihr erwach sen sind, gebildet hatte, schritt er selber auf die Redner tribüne, um einige Donnerkeile gegen Polen zu schleudern, von denen man sicher sein kann, daß sie eingeschlagen sind. Schon die erste Mitteilung, die er zu machen hatte, war eine Sensation ersten Ranges: das englische Kabinett habe beschlossen, den Deutschen in Oberschlesien freie Hand zu lassen. Es bestehe kein Grund dafür, daß die Alliierten sich widersetzen sollten, Deutschland zu gestatten, in seiner eigenen Provinz durch die Einsetzung von deutschen Streitkräften die Ordnung wiederherzustellen. Sie müßten darauf bestehen, daß der Friedensvertrag respektiert werde. Es sei unfair, zu behaupten, daß solche Truppen, wie sie Deutschland habe, zur Teilnahme an der Wiederherstellung der Ordnung nicht zugelassen werden dürften, und er hoffe, daß, obwohl es sich um Deutschland handle, die Englän der für ehrliches Spiel eintreten und ihre Autorität in Europa in immer steigendem Maße einsetzen würden. Daß den Polen gestattet sein sollte, in Verachtung des Frie densvertrages Oberschlesten wegzunehmen, und daß es den Deutschen nicht gestattet fein solle, sich in einer Pro vinz zu verteidigen, die ihnen 200 Jahre gehört habe — zweihundert Jahre ist etwas sehr knapp gerechnet, Mr. Lloyd George, cs sind schon rund tausend Jahre, daß Oberschlcsien zu Deutschland gehört! — und die 600 Jahre gewiß nicht polnisch war, das wäre entehrend und unwert der Ehre jedes Landes. Er sei völlig gewiß, das; die Haltung der Alliierten nicht derartig sein werde. Im Namen seiner Regierung könne er jedenfalls sagen, daß, was auch immer sich ereignen möge, sie eine »verblendete Tatsache" nicht anerkennen werde. Ohne Gerechtigkeit sei Europa verloren, und Gerechtigkeit müsse walten ohne Rücksicht auf Zu- und Abneigung. Eng land müsse ehrenhaft und fest entscheiden in Übereinstim mung mit dem Vertrage, den es unterzeichnet habe. Polen kei das letzte Land, das ein Neckt habe, lick über den Fris- Donnerstag den 19. Mai 1921 abends 7 Uhr öffentliche Sitzung der Stadtverordneten Die Tagesordnung hängt im Verwaltungsgebäude aus. Wilsdruff, am 14. Mai 1921. ssss Der Stadtverordnetenvorsteher. potiü'sche Rundschau. Deutsches Reich. Reichskanzler Wirth über die ZahlungsmSglichkeiten. Der Berliner Korrespondent des „Newyork Herald" hatte eine Unterredung mit dem deutschen Reichskanzler Dr. Wirth, der ibm erklärte, daß die Zahlungen Deutsch lands mit der Lösung der oberschlesischen Frage im engsten Zusammenhänge ständen. Die Zahlungen seien nicht nur ein materielles, sondern auch ein psychologisches Problem. Wenn die deutsche Regierung die Unterstützung der Großindustrie erringen solle, um die Zahlungen durch zuführen, dann müsse zunächst eine Atmosphäre der Ruhe geschaffen werden. Die „Enthüllungen" der „Roten Fahne"l Das Reichswehrministerium teilt mit: „Die angeblichen Befehle des Reichswehrministeriums in der „Roten Fahne" vom 13. Mai morgens haben eine rasche und eigenartige Aufklärung erfahren! Wie der Untersuchungs richter des Reichsgerichts mitteilt, ist der Buchhalter Woz- nikowski, ein polnischer Agent, gegen den ein Verfahren wegen Landesverrats schwebt, geständig, diese und andere Befehle selbst hcrgestcllt, photographiert und die Photo graphien dieser Fälschungen als echte Beseble der polni schen Regierung übermittelt zu haben. Die Photographien befinden sich bei den Gerichtsakten." Französische Truppen aus deutschen Kolonien. Die französischen schwarzen Truppen, die in den letzten Tagen durch Kaiserslautern marschierten, stammten fast ausschließlich aus früheren deutschen Kolonien und sprachen größtenteils deutsch. Viele von ihnen sangen auch auf dem Durchmarsch deutsche Lieder. Belgien. X Einführung des Achtstundentages. Der belgische Senat nahm mit 83 gegen 5 Stimmen den Gesetzentwurf betr. den Achtstundentag und die 48-Stundenwoche mit dem Zusatz an, daß der König die Inkraftsetzung der an gegebenen oder vorgesehenen B > hränkungcn des vorlie genden Gesetzes im Falle eines Krieges oder im Falle von Ereignissen, die eine Gefahr für die nationale Sicherheit bedeuten, ausheben kann. Ungarn. X Czernins cntentesreundliche Politik. Die Verhand lung im Tisza-Prozeß brachte sensationelle Mitteilungen des Exministers Graf Batthyonyi aus den Tagen des Zu sammenbruches. Graf Batthyonyi erklärte, Karolyi habe ihm seinerzeit mitgeteilt, der damalige Minister des Äußern, Graf Czernin, habe ihn ausdrücklich darum er sucht, eine ententefreundlichs Rede zu halten. Auch die Erregung in Paris. Die Rede Lloyd Georges hat die französischen Chau vinisten hart getroffen. Die unentwegt gegen Deutschland hetzende Pariser Presse wütet, obwohl sie gegen die mit Friedensvertrag und moralischem Gefühl in Einklang stehenden Worte Lloyd Georges keinen einzigen stichhaltigen Einwand erheben kann. Das „Echo de Paris" greift Lloyd George heftig an und sagt: Frankreich billigt das Verfahren nicht und erwartet, daß seine Wortführer dies klar und deutlich ausfprechen. Frank reich wird nicht erlauben, daß ein Teil des oberschlesischen Jn- dustriebezirks feinen Alliierten im Osten genommen wird. Was für ein Augenblick für eine solche Rede! Es ist zu wün schen, daß der Oberste Rat angesichts der heftigen Gefühle, wie Lloyd George sie soeben zum Ausdruck gebracht hat und Ange sichts der unerschütterlichen Opposition der französischen Re gierung sich in allernächster Zeit mit dem oberschlesischen Problem noch nicht beschäftigen wird. „Petit Parisien" nennt die Rede Lloyd Georges gefährlich und wendet sich insbesondere gegen die Auffassung, daß kein Grund vorliegc, Deutschland nicht zu erlauben, seine eigenen Truppen zu verwenden, um die Ordnung in einer eigenen Provinz wiederherzustellen. Ohne Zweifel hat Lloyd George bei diesen Worten nicht den verheerenden Eindruck in Frank reich in Rechnung gestellt, den ein derartiger, Deutschland ge gebener Rat Hervorrufen würde. Bemerkenswert ist, daß von den Pariser Blättern kein einziges den Mut findet, das französische Volk auch nur einigermaßen über den wirklichen Stand der Dinge in Oberschlesien aufzuklären. Auch heute noch halten die von jeder Sachkenntnis weitentfernten Artikelschreiber — von Gerechtigkeitsempfinden schon gar nicht zu reden — daran fest, die Wirren seien von deutscher Seite hervorgerufen worden. Ihr blinder Eifer läßt sie nicht einmal erkennen, daß Lloyd George Deutschland gar kein anderes Recht zu gestand, als das, was ihm durch Brief und Siegel zusteht, in Paris, in London, bei allen Verhandlungen gar nicht in Zweifel gezogen wurde. Aber was schiert die wild ge wordenen Profitmacher und Deutschenfresser in Paris die Wahrheit. „Nieder mit Deutschland" ist ihre einzige, bis zur Verblödung wiederholte Parole. Amerika fordert Aufschlüsse. Des amerikanischen Vertreters erste Tat, nachdem er seinen Sitz im Obersten Rat wieder eingenommen hatte, war, im Namen seiner Regierung alle auf die oberschle sische Frage bezüglichen Dokumente zu erbitten. Sie sind ihm übergeben worden und nach Washington gesandt worden. Die Bitte verursachte beträchtliche Überraschung in Diplomatenkreisen, da sie anscheinend eine größere Weite der amerikanischen Teilnahme anzeigt, als man ihr erst zugcstehcn wollte. Sie weckte viele Vermutungen dar über, wieweit die Vereinigten Staaten sich in die offenen Geschäfte einzumischen gedächten. Die Franzosen scheinen zu befürchten, daß Amerika unter dem Eindruck der deut schen Annahme der Londoner Beschlüsse seinen Einfluß in Kesselsdorf. In den nächsten Tagen ist ein Waggon Briketts zu crwartefi. Bestellungen sind sofort bei der Firma P. Heinzmann zu bewirken. ns» Kesselsdorf, am 14. Mai 1921. Der Gemeiudevorstand. Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Wilsdruff Ar. S Postscheckkonto Leipzig 2S6H4 Aisertionshrrts 1 MI. für Hf, «gefpattene «orpnsjeik »der Here« Raum, Lokachreie pfg„ Refismen Ml. DU Wiederholung und Zahresauftrag evishrcchender preisnachlaft. iSekanndnachungen dn amMchea Teil hmr du» Behörde») SU rgeshalien« Aorpuszei!« Z MI. Aachweisungo-Srbiibr ZS Pis. Anzeigenannahme bis dormUtaG« 1V Uhr. Ane die RichiigleU der durch Fernruf üdermittelien Antigen übernehmen wir keine k^aranit«. Zeder KabatU enjhruch criistht, wenn der Deirag durch Ainge -in-ezagen «erde« nm- »der ter Anstrag-eder in -koaknrs geräi. «S-chaiM «glich uM Ausuahw« »er Sen»- und AM-d- »«chmttlags 5 Wk für d« fügenden Tag. A-zugspreis bei MMAabchuIuu, menaiftch 4 Mk„ durch unser« Austräger »ugestagen in »er «kadi »»najüch L« Mt., «uf dem Lande «E »L, durch di« Pa- bezogen oierieijLhrlich 1ZLS Mi. Mi! AusteNrmgsgebähr. AS« postanstaiien und Postboten sowie idOw« Uneiräger und «eschästtstelle nehme, jeder»«« Desteklung« entgegen. Im Zelle Häberer Gewalt, «lieg oder -»»Mier »eirtedästäeun^» Hai »er Lepehee sei»«« Aut-ruch auf Lieser»«, der Aeitrwg oder «trznn, des Sezugsrretses. Erscheint seit dem Iahre 1S44 Vtrfes Blatt enthält -ie amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, -es Amtsgerichts Wilsdruff, -es Stadtrats zu Wilsdruff, -es Forstrentamts Tharandt »»» Drmder: «rth»r Jsch«»»e i» Wilsdruff. Bera«tmortlicher Schriftleiter: Herma«» Lässig, für de» Juserateuteil: «rttz»r Zsch«»ke. beide i» Wil«dr»ft.