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Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Leipzig LS «14 Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der AmtShauptmonnschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Uerleger »ad Drmüer: Arthur Zschunke iu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthnr Zschunke, beide tu Wilsdruff. Nr. 61. Sonntag den 13. März 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Auf Blatt 13l des hiesigen Handelsregisters ist heute die Firma Heinitze Lc Co f in Wilsdruff und als deren Jnhader sind die Kaufleute Walter Curt Heinitze und i Gustav Richard Bruno Rantzsch, beide in Wilsdruff, eingetragen worden. Angegebener Geschäftszweig: Betrieb einer Obst- und Beerenweinkelterei sowie Handel mir Wein und Branntwein. Amtsgericht Wilsdruff, am 2. März 1S2l. 2837 Auf den Abschnitt Q der Landeskettkärte und auf die Krankenbutterkarlen werden auf die Zeil vom 14. bis 20. März 1921 50 Gramm Butter ausgegeben. 28«? Meißen, am 11, März 1921. Nr. 266 II0. Kommuualverband Meißen-Laud. Dir Meii WW, DzeiW Kir 10 Ist mmiW ausMöen. Kleine Ieriung für eilige Leser. * Infolge der Auslösung der ReichskartosiclsteTe zum I.Iuli wird bereits von der Frühkartofselernte an die Zwangsbewirt- schastung aufgehoben. * Zum österreichischen Gesandten in Berlin ist Sektionschef Riedl ausersehen. Er bat sich Bedenkzeit aus. * Die Gemahlin des ermordeten spanischen Ministerpräsi denten Dato hat die Würde einer Herzogin erhalten. * über Helsingfors wird gemeldet, daß sich ganz Petersburg In de» Länden der Aufständischen befinden soll. Geht es zu Ende? Wie oft ist nicht schon den Führern der russischen Räterepublik das Ende ihrer Herrlichkeit prophezeit worden, und wie oft sind sie nicht aus den schwierigsten Lagen immer wieder als Lieger hcrvorgcgangeu! Alle Versuche der Entente, die Moskauer Sowjetgewalt mit bewaffneter Hand zu stürzen, sind, unter riesenhaften Opfern an Gut und Blut, gescheitert, die Sowjetregierung wußte sich der ganzen Kulturwelt zum Trotz zu behaupten, und selbst aus der Niederlage in Polen so ziemlich mit heilen Gliedern wieder herauszukommen. Nun ist der Winter, der vierte, den das russische Volk unter dem Banner der Lenin und Trotzki zu leben verurteilt war, fast überstanden — und plötzlich brechen in Moskau und Petersburg Arbeiter-. und Matrosenaufstände aus, die nicht kurzerhand zu unterdrücken sind. Wieder flutet eine Welle wildesten Bürgerkrieges durch das ganze Land. Auf beiden Seiten wird mit Aufbietung aller modernen Kampf mittel gerungen, und wenn auch nur die Hälfte der zu meist über Finnland verbreiteten Berichte vom Kriegs schauplatz der Wahrheit entspricht, dann darf man dies mal auf eine überlegene Führung im Lager der Aufständi schen schließen, die selbst der vjelgewandten Taktik und Strategie der Moskauer Herrschaften gefährlich werden könnte. Schon soll Petersburg von ihnen genommen sein, und die Sowjetleute sollen um Verhandlungen ge beten haben. Wer sich mit ihnen auf solches Parlamen- neren einlictz, hat bis jetzt allerdings stets den Kürzeren gezogen. Warten wir ab, ob auch General Koslowski, der militärische Leiter dieser neuesten Erhebung, ihnen den Gefallen tun wird. Männer wie Lfnin und Trotzki und Sinowjew über eine Revolution jammern zu hören, ist allerdings ein eigenartiger Genuß. Ihre Herrschaft ist auf Gewalt ge gründet und hat sich nur durch Gewalt diese vier Jahre hindurch zu behaupten vermocht. Was aus Rußland in zwischen geworden ist, haben sie trotz größter Anstrengun gen auf die Dauer nicht verheimlichen können. Woher trotz dem jetzt plötzlich die Kraft zum Widerstand gekommen ist scheint vorläufig ein Rätsel. Selbst wenn man annimmt daß auch diesmal wieder ausländische Hilse sich eingestell: hat, um in Verbindung mit heimischen Gegenrevolutio nären einen neuen Stoß gegen Moskau zu wagen, so muß doch die Hauptarbeit bei diesem Unternehmen von russi schen Kräften geleistet werden, zumal es sich durchaus nicht um wenige zentrale Vorstöße von Kronstadt oder Peters burg oder Moskau aus handelt, sondern die Antibolsche- wisten sich fasft wie aus ein Signal hin zugleich im Osten und Westen, im Norden und Süden des gewaltigen Rei ches erhoben haben. Soweit man bis jetzt im Ausland unterrichtet ist, kann nur die ungeheure Verschärfung dei Lebens-mittelkrisis den Anstoß zu dieser Bewegung gegeben haben. Denn sie zwang die Rätediktatoren zu Maßnah men, die nun auch die bis dahin nach Möglichkeit geschon ten Industriearbeiter rebellisch machten, sie nötigte sie zu gewalttätigen Anschlägen gegen die Bauern, die auch das Laud unruhig machten, und sie führte zu Kontrollvor- jchriften im Güter- und Personenverkehr, die mit wüten- der Auflehnung der Beamtenschaft beantwortet wurden So mögen nun wohl auch die geduldigsten Teile des russ:- ichen Volkes eingeschen haben, daß diese Negierung mit ihrem Latein völlig zu Ende ist. Kein Friede nach außen, und Hunger und Elend ohnegleichen im Innern! Da rafft man die letzte Kraft zusammen — und siehe da, es kehr, weil auch die Rote Armee vor der überwältigenden '^acht der Tatsachen den Dienst versagt. Wieder soll Trotzki die Situation retten. Er wird zum Diktator ge macht und läßt seine Kanonen aufsabren wie einst. Aber Kin Name scheint die frühere Zug/rast verloren zu haben. Ihm bliebe wohl nnr der eine Ausweg, rasch irgendwo eine „nationale" Gefahr hcraufzubeschwören, etwa an der Polnischen oder an der rumänischen Grenze, um die In stinkte der Masse von den inneren Verhältnissen abzu lenken. Die nötige Verwegenheit dazu wäre ihm gewiß ohne weiteres zuzutrauen. und in der Tat wird ia schon aus Riga gemeldet, daß die Friedensveryandlungen mir den Polen, an denen man sich dort schon viele, viele Mo nate lang abquält, von russischer Seite abgebrochen worden seien. Aber reicht es Wohl n>;ch zu einem neuen Feldzug gegen gutgerüstete Feinde? Würde das Verhängnis dann nicht vielleicht noch rascher über Sowjetrußland hcrein- brechen? Guter Rat ist teuer, diesmal auch für den roten Zaren in Moskau. Deutschland kann diesen Vorgängen nur mit ziem lich unbeteiligtem Mienenspiel zuschauen. Wird das Sow- jetrcgimcnt gestürzt, so stehen die Netter Rußlands na'ür- lich schon vor der Tür: England und Frankreich und Ame rika. Sie werden dann endlich auch im Osten die Well ganz und gar unter sich teilen, selbstverständlich nickt au- purem Eigennutz, sondern um ihr herrliches Friedenswerl zu vollenden. Welche Nolle dabei dem von Rußland künstlich abgeschnürten deutschen Volke, seiner Arbeit, sei nem Handel zugewiesen werden wird, davon kann man sich ja nach den neuesten Gewaltmaßnahmen im Westen Wohl ein ungefähres Bild machen. Dann erst würden die Menschheitsbeglücker der Entente völlig freie Bahn für ihr prachtvolles Liebeswerk in Europa haben, und die Russen werden sich bei ihnen noch dafür bedanken müssen, daß nun auch sie der Ausnahme in den Völkerbund und sonsti ger himmlischer Wohltaten aus dem Füllhorn der Briand und Lloyd George teilhaftig werden sollen. Dr. Sv. Eingreifen der französischen Flotte. Besetzung von Reval. Wie über Kopenhagen gemeldet wird, greifen anschei nend jetzt die Franzosen mit Waffengewalt in den rufst schen Bürgerkrieg ein. Es sind nämlich mehrere im Baltischen Meer kreuzende französische Torpedoboote und mehrere Kreuzer plötzlich mit unbekanntem Ziel abgedampft. Wie aus französische!. Kreisen mitgeteilt wird, haben sic Befehl erhalten, svfor Kronstadt anzulaufen, um dort gemeinsam mit den aus rührerischcn Matrosen, die in Gegenrevolution gegen Petersburg und Moskau stehen, zu operieren. Wie aus Reval gemeldet wird, sind leichte französisch Seekräfte im Hafen eingelaufen, haben mehrere Abtei lungen an Land gesetzt und von Reval Besitz ergriffen Unermeßliche Vorräte, die für die Bolschewisten bestimm: und zum Abtransport dort eingelagert waren, sind be schlagnahmt worden. Auch Narva soll besetzt sein. Oie Gewattmaßnahmen der Alliierten Heftige Kritik an Lloyd George. Trotz seiner selbstbewußten Haltung mußte der eng lische Premierminister scharfe Angriffe in der letzten Sitzung des Unterhauses über sich ergehen lassen, denen er kaum etwas Stichhaltiges entgegenzusetzen hatte. Die Kritik an der Politik gegen Deutschland ging von der A r - beiterpartei aus. Ihr Führer Clynes sagte, wäh rend alle Welt ein Übereinkommen mit Deutschland er wartete, sei unvermutet zu rüden Gewaltmaßnahmcn ge griffen, deren Ende nicht abzusehen sei. Die Ansicht der Arbeiterpartei sei, daß keineswegs alle Mittel erschöpft wurden, um eine Lösung auf vem Wege eines überein kommens zu erreichen. Die Arbeiterschaft sei der Ansicht, daß die Anwendung von Sanktionen wahrscheinlich die furchtbaren wirtschaftlichen Schwierigkeiten Englands nur noch erhöhen werde. Die bisher angewandten Maßnah men machten Deutschland unfähig, zu zahlen, und durch die in der Reparationsfrage von den Alliierten befolgte Po litik werde dem Empfänger größerer Schaden zugefügt, alS dem zahlenden Teil. Unter dem Beifall der Opposition fragte Clynes, wieviel von diesen letzten Beschlüssen aus Rechnung Frankreichs und wie wenig davon auf Rechnung Englands komme. Niemals könne von Deutschland etwas durch militärische Maßnahmen eingetrieben werden, nur den Ruin Europas bereite man auf diesem Wege vor. Lloyd George verteidigte sich schwächlich, leugnete das Vorwiegen des französischen Einflusses und wußte keinen stärkeren Trumpf auszuspielen als denjenigen, die Rede Clynes werde Deutschland in seinem Widerstand bestärken. Deutschland könne seinen Export nicht einstellen, da es sonst von einer furchtbaren Arbeitslosigkeit heimgesucht werde. Redezweikampf Stinnes-Simons. Aussprache im Auswärtigen Ausschuß Im Neichstagsgebände zu Berlin wurde die Aus sprache des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten über die Londoner Konferenz fortgesetzt. Der volkspartcilichc Abgeordnete Hugo StiuneS übte Kritik an der Haltuna des Dr. Simons in London uno an oer gciamrcn auswarngen Politik der Regierung. Es sei keine führende Idee, keine Planmäßigkeit zu er kennen. Kennzeichnend dafür sei die Ratlosigkeit inner- halb des Kabinetts unmittelbar vor Ser Konferenz, die Tatsache, daß man zu so wichtigen Verhandlungen einen Delegierten entsende, ohne ihm genau formulierte Vor schläge mitzugcben. Die ganze Art, wie von der Dele gation in London verhandelt worden sei, lasse einen leiten den Gedanken vermissen. Dr. Simons erwiderte u. a., er nehme gern- von Herrn Stinnes Ratschläge entgegen, müsse diesen aber darauf Hinweisen, daß er, Dr. Simons, nicht „der junge Mann" des Herrn Stinnes sei. Ferner kamen noch zu Wort Graf Westarp von den Dcutschnationalen, der Herrn Stinnes beisiimmte, und Dr. Breitscheid von den Unabhängigen, der ebenfalls die mangelhafte Vorbereitung für die Londoner Konferenz kritisierte. Der demokratische Abg. Haußmann stellte sich dagegen an die Seite des Außenministers. Man hält die Stellung Dr. Simons trotz der gegen ihn erhobenen Angriffe keineswegs für erschüttert. Die Behauptung der englischen Presse, der Reichsminister des Auswärtigen hätte bei seiner Abreise aus London einem Pressevertreter gegenüber geäußert, er hoffe, bald wicdcr- zulommen, wird amtlich als erfunden bezeichnet. Zweifelhafte Haltung Amerikas. Bei den Alliierten weiß man nicht recht,,was man aus der Haltung Amerikas machen soll. Es steht nicht sest, ob die anscheinend in der Koblenzer Zone verbleibenden amerikanischen Truppen die geplanten Zollabspcrrungen dulden werden. Aus Koblenz wird dem „New Aork Herald" in Paris gemeldet die Rheinland Oberkommission sei zu dem Be schluß gekommen, daß in der Errichtung der Zollgrenze gegen das rechtsrheinische Deutschland nichts ohne die Mit arbeit oder wenigstens das Einverständnis der amerika nischen Truppen unternommen werden könne. General Allen, der amerikanische Befehlshaber, habe nc Instruk tion über diese Angelegenheit aus Washington erhalten. Man erwarte, daß die Alliierten mit der amerikanischen Negierung verhandel» werden, aber inzwischen herrsche Verwirrung. Ter Präsident des Finanzausschusses des amerikani schen Senates erklärte, der Ausschuß wcr^e sich bemühen. Feststellungen über die inLondon getrofsenenBeschlüsse, die Reparationsfragen betreffend, vorzunchmen und die mög lichen Wirkungen dieser Beschlüsse auf die amerikanischen Interessen eingehend studieren. Es handle sich darum, Ge wißheit über die Frage zu erlangen, ob die verlangten Re parationen ausführbar seien oder nicht und ob die Ein führung eines Exportzolles von 1214 Prozent zum Schaden der Vereinigten Staaten ausschlagen werde Neue Anordnungen. In bezug auf die Durchführung der Zwangsmaß regeln meldet Havas aus Neuß, daß die militärischen Operationen auf dem rechtsrheinischen Ufer abgeschlossen sind und daß der General Degoutte nach Mainz zurück kehrte. Für die Erhebung der neuen Ein- und Ausfuhr zölle am Rhein arbeiten die Sachverständigen einen Spc- zialtarif aus, der nur auf den Warenaustausch zwischen dem besetzten und unbesetzten Gebiet Anwendung finden soll. In Düsseldorf wurde eine Verordnung der Besatzungs behörde angeschlagen, wonach jeder Person, die öffentlich etwas seil bietet, verboten wird, den Besatzungsbchörden Waren zu einem höheren Preise zu verkaufen, als ihnen Einheimische zu bezahlen haben. Alle Personen, deren Worte oder Verhalten einen beleidigenden Charakter gegenüber den Mitgliedern der alliierten Bcsatzungsarmce oder auch Fahnen zeigen, würden bestraft werden. Unter sagt wird, auf öffentlichen oder privaten Gebäuden oder an öffentlichen Orten nationale Fahnen oder andere Fahnen zu hissen oder nationale Farben zu zeigen. Sympathiekundgebung aus Lsterrcich. Im Nationalrat hielt der Präsident Dr. Wcißkirc^stcr eine Rede über die Vergewaltigung Deutschlands, die stehend angehört wurde. Er sagte u. a.: Es ist ein Ver hängnis und ein Unglück nicht nur für Deutschland, son dern für die ganze Welt, daß der gute Wille des deutschen Volkes in London nicht erkannt und daß Mißtrauen und Vorurteil dort noch nicht überwunden worden sind. Deutkcke Städte müssen als Pfänder einer Gewaltpolitik dienen, welche zur tiefsten Trauer aller wirklichen Frie densfreunde den Feie x ag der großen Völkerversöhnung wieder in unabsehba r Ferne rückt. Noch tiefer aber müssen notwendigerweise wir durch das, was unsern Brüdern im Reiche in diesen Tagen geschieht, uns schmerz lich getroffen fühlen. Mit der Kundgebung brüderlicher Teilnabme kür unsere schweraevrüften V»l>öa«»»L«