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Wilsdruffer Tageblatt Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wl)chtNb^^ fÜs DWdkUsf Uttd ^MgegMd Postscheckkonto Leipzig 28644 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Eiadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Nr. 29. Freitag den 4. Februar 1921. 80. Jahrgang Verleger >md Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Amtlicher Teil. Montag den 7. Februar 1921 vormittags /,11 Uhr wird im Verhandlungssaale des amishaupimannschaftiichen Dienstgebäudos öffentliche Sitzung desDezirksausschuffes abgehalten werden. Die Tagesordnung hängt vom 3. Februar 1921 ab im Anmeldezimmer der Amts hauptmannschaft aus. Meißen, am 2. Februar 1921 Nr. 22 I 13. rn« Der Amtshauptmann. Lebensmittelverteilung im Kommunalverband Meitzen-Land. Zn der Woche vom 6. bis 12. Februar 1921 werden im Bezirke des Kommunal verbandes Meißen-Land folgende Lebensmittel verteilt: a) auf sämtliche Nahrmittettarten, Reihe IV, Abschnitt 7 2L0 Gramm Kochmehl Pfundpreis 5,20 Mk. 250 „ Teigwaren „ 8,— „ b) auf sämtliche Lebensmittelkarten, Reihe IV, Abschnitt 7 soweit Vorrat reicht 500 Gramm Reis Pfundpreis 3,50 Mk. 1 Dose kond. Milch mit Zucker Preis für die Dose 11,— „ oder 1 „ „ „ ohne „ „ „ . „ 8,50 „ c) auf graue und grüne Lebensmittelkarten, Abschnitt 7 1 Tüte je '/i Pfund bayr. Malz Preis für die Türe 2,5» Mk. Die Händler haben sich wegen des Bezuges der Waren unverzüglich mit ihren Handelsstellen in Verbindung zu setzen. Es wird darauf hingewieseu, daß nicht abbestellte Waren nicht zurückgeuammen werden. Ein Verkauf der Lebensmittel vor der angesetzteu Zeit darf nicht erfolgen. Meißen, den 2. Februar 1921. Nr. 33 k 11 r>«4 Die Amtshauptmaunschaft. Freitag den 4. Februar 1-4 Uhr in der neuen Schule Fortsetzung des Verkaufs von Vertragskartoffeln, Zentner 35 Mark. r>4e Wilsdruff, den 1. Februar 1921. Der Stadtrat. — KriegswirtschaftSabt. Freitag den 4. Februar vormittags 11—1 Uhr Ausgabe der Spiritusmarken. Beliefert werden sämtliche weißen Ausweise und die roten Ausweise auf Nr. 401—SSO. Wilsdruff, am 1. Februar 1921. rin Der Stadtrat. Grumbach. Bis 15. Februar 1921 sind die Staatsgrnndsteuer, die Landeskulturrats beiträge, das Lichtgeld und die Neichseinkommensteuer 4 Termin in den Vor mittagsstunden an d!e hiesige Ortssteuereinnahme abzuführen. Die Staatssteuerzettel auf 1920 sind zur Quittung vorzulegen. Nach Fristablauf erfolgt kostenpflichtige ZwangSbeitrribung. Grumbach, am 3. Februar 1821. risr Der Gemeindevorstaud. Gehen wir nach London? Wenn im deutschen Volke eine Urabstimmung über die Frage vorgenommen werden könnte, ob unsere Regierung der von der Entente angekündigtcn Einladung zur Ent sendung dazu geeigneter Sachverständiger nach London entsprechen soll, um dort über die Pariser Neparations beschlüsse ein Einvernehmen herbeiznsühren — ein großer Teil der Stimmberechtigten würde sich aller Wahrschein lichkeit nach für ein unzweideutiges Nein entscheiden. Als Staatsminister Dr. Hergt, der Vorsitzende der Deutschnationalen Volkspartei, am Abend nach der Ver öffentlichung der Pariser Beschlüsse in einer großen Wählerversammlung seiner Entrüstung über dieses neueste Machwerk der Entente-Weisheit Ausdruck gab und hinzu fügte, die einzige Antwort, die uns Wohlanstände nach allem, was geschehen, müßte lauten: wir gehen nicht nach London, wir gehen nicht nach Brüssel, fand er die stür mische Zustimmung der Zuhörer. Was ja immerhinnoch nicht viel besagen will. Aber selbst in stillen Einzelge sprächen unter ruhigen, durchaus nicht leichtfertig veran lagten Menschen kann man in diesen Tagen sehr oft die Überzeugung vertreten hören, daß es unter unserer Würde sei, diesen sogenannten Einladungen fernerhin noch Folge zu leisten. Und wer selbst imstande ist, diesen Gesichts punkt noch auszuschaltcn, weil es sich um das Wohl und Wehe eines ganzen großen Volkes handelt, der muß sich doch die Frage vorlegen, ob denn die Londoner Verhand lungen überhaupt noch irgendwelche Aussicht bieten, das Los zu mildern, das in den Pariser Vorschlägen für uns beschlossen ist. Da kann man nur sagen: die Spuren schrecken. Als wir in Spa „gehört" wurden, geschah es aus Grund eines Diktats, über das die Sieger sich vorher in mühevollen Sitzungen geeinigt hatten. Was unsere Be vollmächtigten demgegenüber an Erleichterungen erreich ten, konnte, um es derb auszudrücken, eine Kuh auf dem Schwänze forttragen. Ob wir unterschrieben, ob wir nicht unterschrieben, es machte im Endergebnis nicht den geringsten Unterschied aus. Jetzt aber stehen wir vor der Tatsache, daß, trotzdem Herr Dr. Simons sich damals für die Unterschrift entschied, mit ihm verfahren wird wie mit einem Galeerensträfling, dem man gerade in dem Augenblick, wo er unter den ihm aufgebürdeten Lasten zu erliegen droht, neue schwere Gewichte aus den Nacken häuft, um ihm ja auch nur den letzten Funken aus dem Leibe zu treiben. Dr. Simons spricht von Gegenvor schlägen, die er ausarbeiten will, um sie in London auf den Verhandlungstisch niederzulegen. Jedem Deutschen muß die Röte der Scham ins Gesicht steigen, wenn er daran denkt, daß die Negierung seines Landes mit den Vätern dieser Pariser Beschlüsse sich an einen Tisch setzen soll. Mit Leuten, die uns heute feierlich zusagen, man würde uns binnen wenigen Wochen zu abschließenden Ver handlungen nach Genf bitten, und die uns statt dessen morgen nach London „laden", ohne ein Wort darüber zu verlieren, daß London für uns nicht ganz dasselbe ist und sein kann wie Genf. Mit Leuten, die soeben vor der ganzen Welt laut und vernehmlich erklärt haben, daß sie uns in ihren Völkerbund nicht aufnehmen wollen; mit Leuten, die überdies den uns abgepreßten Friedensvertrag überall da, wo es ihnen gefällt, wie Luft behandeln, um dafür in den Punkten, wo wir ibn verletzt haben sollen. Stracheslimmung aus Strajbesttmmung zu Hausen. Der deutsche Unterhändler, der trotz alledem sich dazu ent schließen kann, nach London zu gehen, verdient die Mär tyrerkrone — gleichviel wie es Lloyd George gefallen wird, ihn im Angesicht der halb höhnisch, halb mitleidig zuschauenden Völker zu behandeln. Uber was hilft das alles: Dr. Simons befragt nicht das deutsche Volk, sondern, an erster Stelle wenigstens, sein eigenes Gewissen, und daran tut er natürlich recht und abermals recht. Er darf, er muß die Empfindungen unter drücken, die mN allen Deutschen auch sein Herz in diesen Tagen erfüllen, er hat die Pflicht, lediglich den Einge bungen des Verstandes zu folgen, und selbst die allerletzten Möglichkeiten, unser Los wirklich noch etwas erträglicher gestalten zu können, nicht ungenutzt zu lassen. Freilich, würde nicht ein Aufschrei der Qual doch stärkeren Ein druck machen als das Feilschen um Fristen und Raten, in das die Londoner Verhandlungen doch schließlich aus laufen werden? Wäre es nicht besser, wäre es nicht mög licherweise sogar klüger, wir hörten endlich auf von Ver zweiflung zu reden, und gingen endlich auch zu Taten der Verzweiflung über? Überlegen Sie sich diese Frage noch einmal, Herr Dr. Simons, ehe Sie nach London gehen! Dr. Sy. Der Riß in der Entente. Furcht vor gänzlichem Zerfall. Der Pariser Vertreter der regierungsoffiziösen Lon doner „Westminster Gazette" veröffentlicht in diesem Blatt aufsehenerregende Erklärungen. Er sagt, die ganzen Möglichkeiten des Schadenersatzes seien eine große Lüge und Frankreich wiege sich in Illusionen. Weiter schreib! der offenbar bestens unterrichtete Korrespondent: Deshalb darf man der Bevölkerung Englands und Frankreichs nicht deutlich machen, daß die Zahlen, die not wendigerweise für den wirklichen Schadenersatz angegeben werden müssen, verhältnismäßig niedrig sein müssen Selbstverständlich wird die Bevölkerung in Frankreich wütend sein, wenn sie hört, daß man sie betrogen hat Aber diese Wut wird vorübergehen und das Ergebnis, daß man die Wahrheit in den Vordergrund gebracht hat. wird nur heilsam sein können. In England sangen schon viele Leute an, die Wahrheit zu ergründen. Aber man verfügt über ein erstaunliches Maß von Selbsttäuschung Falls der Lüge ein Ende gemacht wird, wird eine unver «leidliche Folge davon sein, daß die Entente auseinander fällt. Die Entente war bereits längere Zeit gefährdet und nichts hat sie so viel benachteiligt, wie die Frage des Scha densersatzes. Die englischen Vertreter würden die Kon ferenz gern einige Zeit verschoben haben, damit Briand Zeit bekommen haben würde, um sich einzuarbeiten und seine Auffassung in Übereinstimmung mit der seiner Minister zu bringen. Es waren die Franzosen, die mit aller Gewalt diese Konferenz abhalten wollten, die nichts anderes als einen unpraktischen und unbedeutenden Ver gleich zur Folge haben konnte. Es wird immer klarer, baß ver jetzige Weg eine großzügige Maskierung ist. Dies geht aus verschiedenen Erklärungen hervor, die mit gro ßer Freimütigkeit ausgesprochen werden. Wahrscheinlich wird Deutschland tn einiger Zett mit seinen Zahlungen in Rückstand bleiben und wahrscheinlich werden die Alliierten, die vor dem Kriege mehr als ein Drittel der gesamten Ausfuhr erhielten, unruhig werden wegen der überschwem mung der Märkte mit deutschen Waren. Der Korrespon Lent deckt dann einige Widersprüche der Beschlüsse aus und meint: Kurz, je mehr man die Übereinkunft dei Pariser Konferenz betrachtet, um so mehr ist man davon überzeugt, daß das System völlig ungesund ist und als ziemlich ungesund selbst von denjenigen betrachtet wird, die es ausgearbeitet haben. Auch Amerika protestiert! Nach einer Radiomeldung aus Washington scheint man in amerikanischen offiziellen Kreisen nur eine sehr bedingte Befriedigung über das Reparationsprogramm der Verbündeten zu empfinden. Man sage, daß die Aus führung der Bestimmung nicht nur vom guten Willen Deutschlands, sondern auch von seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abänge. Man erkenne an, daß Deutsch land den Grundsatz einer Zahlung von Annuitäten an nehmen müsse. Was aber die zwölf p^ozentige Export st euer anbetreffe, so werde ernstlicher Zweifel über die Weisheit und Zweckmäßigkeit ihres Grundsatzes laut. Man erwarte, daß die amerikanische Regierung den verbündeten Mächten eine offiziöse Mitteilung machen werde, daß die Vereinigten Staaten, obzwar sie nicht an der Konferenz von Paris teilgenommen hätten, Ein wendungen machen würden hinsichtlich des unprak tischen Charakters des tn Paris aufgestellten Reparations programms, das nicht nur bedeutende Folgen für die Handelsbeziehungen Amerikas zu Deutschland, sondern auch zu den Großmächten des Verbandes haben könne. Lieber in die Wüste Sahara. Das Kopenhagener sozialdemokratische Organ wendet sich in einem Leitartikel aufs schärfste gegen die Enteme- fordernugen an Deutschland und nennt sie, namentlich im Hinblick auf die zu erwartende Verelendung der deutschen Arbeiterklasse, scheußliche Roheit und unbarmherziges, grausames Todesurteil. Die Zeitung fährt fort: Wenn die Sieger das ganze deutsche Volk nach Afrika deportiert und in die Sahara gejagt hätten, so wäre das menschlicher gewesen. Wir betrachten es als sicher, daß die Arbeiter der ganzen Welt, auch die der siegreichen Länder, sich erheben und gegen diese Entscheidung protestieren werden. Denn ein Sklavenleben, wie es der deutschen Arbeiterklasse zu gedacht ist, wird selbstverständlich nur dazu beitragen, daß die Arbeiter auch in andern Ländern in das schwärzeste Elend geraten. Das deutsche Volk wird natürlich diese wahnsinnige Entschädigung nicht bezahlen, und Lie Sieger können den Betrag nicht eintreiben. Selbst die schwärzesten Soldaten werden auf die Dauer zu einem 42jährigen Plünderungszug in den, zum Tode verurteilten Lande un tauglich sein. Wechsel über 150 Milliarden. Die Franzosen glauben in ihrem Eiser, daß die ganze Sache mit den Pariser Beschlüssen schon erledigt sei. Einige Abgeordnete — anscheinend ganz „besondere Finanz künstler" — haben nämlich bereits in ver Kammer einen Gesetzentwurf eingebracht, zwecks unverzüglicher Mobil machung der französischen Schuldforderung an Deutsch land. Dieser Entwurf siebt die Ausaabe von Wechseln