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Wochenblatt für Wilsdruff und llmgegend Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadkrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger «nd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 18. Sonnabend den 22. Januar 1921. 8V. Jahrgang. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Nach einer Erklärung der Regierung liegt eine Gesetzes- Vorlage über Erhöhung der Post- und Telegraphengebühren zurzeit noch nicht vor. * Nachrichten von einer Verschwörung, an welcher der frühere deutsche Kaiser beteiligt sei, werden in Holland amtlich als erfunden bezeichnet. * Der neue französische Ministerpräsident Briand erklärt in seinem Regierungsprogramm, er werde auf der Ausführung j des Vertrages von Versailles bestehen, ohne die Zuflucht zu Gewaltmaßregeln zu nehmen, wenn Deutschland sich geneigt i zeige, seinen Verpflichtungen nachzukommen. * In Costarica ist das Abkommen über den Zentralamerika- s nlschen Bund durch die Bevollmächtigten von Costarica, Guate- j mala, Honduras, Nicaragua und San Salvador unterzeichnet worden. Hilss für unsere Getreideöcksr über die dringende Notwendigkeit, die Preise für Düngemittel zu verbilligen, wird uns aus volkswirt schaftlichen Kreisen geschrieben: Die Bedeutung der heimischen Erzeugung von Brot getreide ist heute für Deutschland vielleicht noch größer, als vor dem Weltkriege. Damals war der Bezug von Auslandsgetreide zu Mahl- und Futterzwecken für uns ein LuruS, der kostspielig sein mochte, den wir uns aber schließlich erlauben durften. Heute bildet die Einfuhr von Brotgetreide eine so schwere Belastung unserer Zahlungs bilanz, daß wir mit allen Mitteln danach streben müssen, sie zu verringern. Das wichtigste von diesen Mitteln aber ist naturgemäß die Steigerung der heimischen Erzeugung, die in den letzten Jahren ja auf einen ganz geringen Teil des Vorkriegsstandes gesunken ist, — nicht zum wenigsten infolge der unzureichenden Düngung unserer Äcker. Drei, oder wenn man will, vier Stoffe sind es, dis die Pflanze neben Sonne, Wasser usw. als Nahrung braucht: Gelegentlich Kalk (das hängt vom Boden ab), stets, aber Kali, Stickstoff und Phosphorsäure. Mit den beiden ersten Nährstoffen sind wir reichlich versehen, besaßen wir doch bis zum Verlust des Elsaß gerade ein Monopol für Kalisalze, das allerdings auch so kaum mehr sehr lange vorgehalten hätte: mindestens die spanischen Kaliläger wären binnen kurzem ernsthafte Wettbewerber geworden. Stickstoffdünger — am besten bekannt als Chilisalveter und schwefelsaures Ammoniak — stände uns aus den ge waltigen, im Kriege vergrößerten Anlagen in Mengen zur Verfügung, die über den Friedensverbrauch zu Dünge- und technischen Zwecken weit hinausgingen ... wenn diese Werke mit voller Kraft arbeiten könnten; aber daran hindert sie der Kohlentribut an Frankreich, der ibre Leistungen auf einen Bruchteil ihrer Leistungsfähigkeit hinunterdrückt. Die Hand Frankreichs finden wir übrigens in noch bemerkenswerterer Weise bei dem letzten der wich tigen Pflanzennährpoffe, der Phosphorsäure, für diese gab es im Frieden zwei Anwendungsformen. Die in den Vereinigten Staaten, auf einzelnen (auch früher deutsch) Südsee-Jnseln und in Französisch-Nordafrika vorkommen den Phosphate, aus denen unsere chemischen Fabriken Superphosphate herstellten sowie die Thomasschlacke, ein Erzeugnis unserer Hochofen-Industrie, von dem wir unseren Äckern alljährlich mehrere Millionen Sack zu- führten. Besonders angesichts der im Verhältnis zu Pfund und Dollar billigen französischen Währung hätte es natürlich nahe gelegen, die Thomasschlacke auch Weiler ihre alten Wege gehen zu lassen, — um so mehr, als, wie gesagt, Frankreich, dessen Bauern den vorzüg- lkchen Boden des Landes übrigens oft noch wenig sach gemäß düngen und bearbeiten; er hat es auch nicht fo nötig — über andere Phosphorquellen in seinen nord- afrikanischen Phosphaten verfügt. Tatsächlich aber hat seit zwei Jahren kaum ein Waggon Thomasmehl aus Frankreich und auch aus dem ja völlig von Frankreich abhängigen Luxemburg den Weg nach Deutschland ge funden, obgleich man annehmen sollte, daß die Läger der Werke die Thomasschlacke nicht aufzunehmen vermöchten; beinahe könnte man auf den Gedanken kommen, daß auch dieses Mittel benutzt werden sollte, um den von Clemen ceau so gefürchteten „20 Millionen überflüssigen Deutschen" den Lebensfaden nach Möglichkeit zu kürzen. Aber, wie dem auch sei: der Landwirt erhält zwar für seine Erzeugnisse durchschnittlich das 10 fache, wie im Frieden, — er ist aber nach Aussage der landwirtschaft lichen Vertretungen trotzdem nicht in der Lage, die zum . Teil noch stärker gestiegenen Düngemittelpreise zu 8 zahlen. Angesichts der vielen Milliarden Mark aber, die das Reich bei der Einfuhr von Brotgetreide zuzahlen muß, um den Brotpreis nicht ins Ungemessene anschwellen zu lassen, wurde seit langem schon der Gedanke erörtert, ob es nicht viel praktischer sei, einen— zweifellos verhält nismäßig kleinen — Teil dieser Summen zur Verbilligung der Düngemittel zu verwenden und so den Versuch einer raschen Steigerung unserer eigenen Erzeugung zu machen. Gerade in der letzten Zeit beginnen sich nun, wie es steint, diese Gedanken in die Tat umzusetzen. Beim Stickstoff haben sich die verschiedenen Erzeugergruppen in einer großen „Stickstoff Kredit G. m. b. H." zusammen- ! gesunden, die durch langfristige Stundung u. a. m. dem ! Landwirt den Bezug von Stickstoff-Dünger erleick^' will. Für Phosphorsäure ist aber eine Reichsaktion im ' Gange, die, wie es heißt, darauf hinausläust, den Super- j phosphatwerken für ihre Einkäufe im Ausland einen be- ! sonders niedrigen Dollarkurs zu gewährleisten und ihnen so Lieferungen zu erheblich billigeren Preisen zu ermög lichen, als sie stellen müßten, wenn sie den heutigen Kurs zahlten. Hoffentlich hat dieses Vorgehen der Reichsregie rung die erwünschte Wirkung für die Landwirtschaft, — sie wird aber leider schon jetzt zu einem Teil dadurch aufge hoben, daß gerade in diesem Augenblick die Kaliwerke eine große Preiserhöhung fordern; es ist allerdings nicht anzunehmen, daß sie ihnen auch nur entfernt in dem geforderten Umfang bewilligt wird. Denn was wir jetzt auf allen Gebieten brauchen, — Das ist Preisabbau, aber nicht neue Steigerungen der Preise. L. H. Die Forderungen der Enienie. Drohungen aus London. Während Lloyd George an den französischen Minister präsidenten Briand auf sein Begrüßungsielegramm in nicht mißzuverstehender Weise antwortet, die in nächster Zeit zu treffenden Entscheidungen gälten nicht allein für ihre beiden Länder, sondern es hänge auch in ausgedehntem Maßstabe das Schicksal ganz Europas davon ab, fühlt man sich in London veranlaßt, einen Drohbrief an Deutschland zu richten. Das Bureau Reuter will erfahren haben, in eng lischen Kreisen werde die Absicht ausgesprochen, die Deut schen müßten sich darüber Rechenschaft ablegen, daß die Pariser Konferenz ihnen eine letzte Gelegenheft bietet, in der Reparationsfrage entsprechende Vorschläge zu machen. ES wird hervorgehobcn, daß die Forderungen der Alliier ten sehr vernünftig seien, und daß zahlreiche Zugeständ nisse gemacht worden seien, und man sagt, daß, wenn die Deutschen keine greifbaren Vorschläge beibringen, die Alli ierten wahrscheinlich ohne die Beihilfe der deutschen Sachverständigen handeln werden. Man braucht diese etwas fabriziert aussehende Stim mungsmache wohl nicht allzu tragisch aufzunehmen, da selbst in Paris sich die Zeichen mehren, in friedlicher Aus einandersetzung mit den Deutschen auszukommen. Dafür spricht auch die Senatserklärung Briands. Anbahnung einer Verständigung. In einer Übersicht des „Petit Parisien" über den Stand der Verhandlungen heißt es: Die Anwesenheit der Hauptsachverständigen in Paris, und zwar sowohl der alli ierten wie auch der deutschen, und die Verhandlungen, dis seit Montag mit großer Lebhaftigkeit geführt werden, zei gen, daß man fieberhaft nach einer praktischen Lösung sucht. Zum mindesten möchte man sich der endgültigen Phase nähern, damit die Chefs der alliierten Regierungen ihre definitiven Schlußfolgerungen daraus ziehen können. Nach unserer Information sollen die Verhandlungen tatsächlich schon weit vorgeschritten sein, so daß der Oberste Rat sich einem Reparationsplane gegenüber befindet, dessen Richt linien wenigstens vorgezeichnet sind. Gegenüber den französischen Blätterstftnmen, die sich absprechend über die vom deutschen Staatssekretär Berg man» nach Paris mitgebrachten Vorschläge äußern, wird von deutscher Seite halbamtlich erklärt, die Pariser seien anscheinend nicht genügend unterrichtet. * Schrecken ohne Ende! Botschafter Dr. Mayer und Briand. Dieser Tage hat der neue französische Ministerpräsi dent Briand den deutschen Botschafter in Paris, Dr. Mayer, aufgesucht und mit ihm die Frage der Beziehun gen Frankreichs zu Deutschland und die der Reparation besprochen. Der Botschafter hat bei dieser Gelegenheit ausgeführt, daß Deutschland bisher immer daran festge halten habe, daß seine Gesamtschuld festgesetzt werden müsse. Dies hätte auch für Frankreich den Vorteil gehabt, daß man auf der Grundlage einer Regelung des ganzen Reparationsproblems leichter zu einer internationalen An leihe gelangen könne. Wenn man eine Lösung nur für etwa fünf Jahr treffe, so sei dies insofern mißlich, als das deutsche Volk dann noch immer kein Ende absehe und fürchten werde, um so mehr zahlen zu müssen, je mehr es arbeite. Trotzdem habe die deutsche Regierung sich auf Wunsch der Gegenseite unter gewissen Voraussetzungen, die in Brüssel zur Kenntnis der Alliierten gebracht worden sind, bereit erklärt, über eine Lösung des Problems zu nächst nur auf einer Reihe von Jahren zu verhandeln. Der Botschafter betonte, daß Deutschland nach seiner An sicht nicht imstande sein werde, in den nächsten Jahren einschließlich der Kohlenlieferungen mehr als einen Teil der von uns verlangten Summe und anders als in Na tura zu leisten. Ministerpräsident Briand gab darauf seiner Hoffnung Ausdruck, in der Reparationsfrage bald eine Verständigung zu finden. Ein Programm 0er Mäßigung. Ohne Gewaltanwendung. Zu der bevorstehenden Regierungserklärung des neuen französischen Kabinetts erklärt die Havas-Agentur: Die Erkläruna wird darleaen. auf welcher Grund lage und zu welchem genauen Zweck das Kabinett gebildet wurde, das sich stützen wird auf eine breite republikanische Mehrheit, die festhält an den Verfaffungseinrichtungen und entschlossen ist, die bezüglichen Gesetze zur Geltung zu bringen. Ein Abschnitt der Regierungserklärung befaßt sich mit dem militärischen Problem. Die vom vorigenKa- binett im vollen Einvernehmen mit den hohen militäri schen Stellen des Landes unterbreiteten Vorschläge sehen die Bedingungen vor, unter welchen besonderen Garantien an eine Herabminderung der Dienstzeit herangeangen werden könnte. Die Regierung werde sich für ihre Ver wirklichung einsetzen. Es müsse ein umfangreiches Wirt schafts- und Sanierungsprogramm ausgeführt und An strengungen gemacht werden, um die Ausgaben den Ein nahmen des Budgets anzupassen. Andererseits werde die Regierung, die die Wiederher stellung der verwüsteten Gebiete zu beschleunigen trachte, sich dafür einsetzen, von Deutschland dieAussührung des Friedensvertrages zu verlangen, ohne auf die Gewalt zurückzugreifen, wenn Deutschland sich geneigt zeige, seine Verpflichtungen sowohl hinsichtlich der Entwaffnung, wie hinsichtlich der Bezah lung der von ihm tatsächlich verursachten Schäden innezu halten. Deutschland gegenüber empfehle sich die Beibe haltung der auf den Schlachtfeldern gefestigten Allianzen. Dies sei ebenso nötig, um die Beständigkeit der auswärti gen Politik zu sichern. Im Orient werde sich Frankreich einsetzen für die Aufrechterhaltung und Festigung seiner erworbenen Rechte gemäß den jahrhundertelangen Tradi tionen. Bezüglich Rußlands werde das neue Parlament dem Volke weitere Handelsfreiheit geben, aber nicht die politischen Beziehungen mit der Sowjetregierung anfneh- men, solange diese nicht Garantien dafür gegeben habe, daß sie entschlossen sei, den frei ausgedrückten Willen des russischen Volkes zu achten und gleichzeitig die internatio nalen Verpflichtungen, die von der früheren russischen Ne- gierung eingegangen worden seien, zu erfüllen. Politische Runcilch-o. Tie Schiffsablieferungen Deutschlands. Bis zum 31. Dezember 1920 sind nach Havas der Ne parationskommission von Deutschland insgesamt geliefert worden: 2 054 729 Brutto-Negister-Tonnen Schiffe, davon 2 019 655 Tonnem Dampfer, 9750 Tonnen Schlepper und 25 329 Tonnen Segler. Deutschland hat noch etwa 500 000 Tonnen Schiffsraum zu liefern. Von dem abgelicferten Schiffsraum sind bisher 1814173 Tonnen folgendermaßen verkeilt worden: an England 1477 939, an Frankreich 166 924, an Italien 124 901, an Japan 28 678 und an Vel gen 15 831 Tonnen. Der Dampfer „Tirpitz" mit 20 000 Tonnen ist eben fertiggestellt und wird im Lause des Januar abgeliefert. Reichsregierung und Beamtenzulagen. Zu der Frage der Teuerungszulagen für die Be amten erklärte Reichsfinanzminister Dr. Wirth im Haupt ausschuß des Reichstages, die Reichsregierung sei nicht in der Lage, der vom Reichsrat beschlossenen Änderung des Entwurfs zuzustimmen. Der Reichsrat hat dem Gesetz entwurf eine Bestimmung hinzugefügt, wonach den Län dern an neu einzuführenden Steuern Anteil zur Bestrei tung der Mehrkosten zu gewähren seien, die ihnen und ihren Gemeinden dadurch erwachsen, so daß sie die Teue- rungszuschäge für ihre Beamten usw. erhöhen müssen. Die Neichsregierung hat einen neuen Entwurf formuliert, der dem Reichstage zugegangen ist. Französische Drangsalierungen im Elsaß In Elsaß-Lothringen ist die im Versailler Vertrage festgesetzte Frist für die Naturalisation der im Lande ge borenen oder ansässigen Reichsdeutschen am 15. Januar abgclausc-n. Der Präfekt von Metz hat angeordnct, daß nunmehr alle in seinem Verwaltungsbezirk ansässigen Ausländer eine neue Aufenthaltserklärung avzugeben haben. Wie der Lyoner „Nouvcllist" hinzusügt, hat die Auszählung aller Ausländer den Zweck, die nicht naturali sierten Reichsdeutschen unter Polizeiaussicht zu stellen, um sie, falls sie sich der deutschen Gesinnung verdächtig machen, auszuweiscn. Deutsch-Ost erreich. X Tiroler Sehnsucht nach Anschluß an das Deutsche Reich. Der Vorstand der Deutsch-demokratischen Gesin- nungsgemeinschaft in Tirol fordert in einer Kundgebung unter Hinweis auf die verzweifelte Lage, in der sich dieser Staat befindet, im Namen von 200 000 Tirolern und Tirolerinnen, die sich im Frühjahr vorigen Jahres für den Anschluß an Deutschland ausgesprochen haben, daß in der Tiroler Landesregierung und im Tiroler Landtag eine Erklärung zugunsten des baldigsten Anschlusses an Deutschland erlassen werde, die der tatsächlichen Durch führung des Anschlusses gleichkomme. Frankreich. X Das Programm des neuen Ministerpräsidenten Briand, das er dem Senat vorleate. befaat. das Kabinett werde sich auf die große republikanische Mehrheit stützen. Die Regierung drückt ihre Absicht aus, die Frage der Herabsetzung der Militärdienstzeit zu erledigen. Weiter will das Kabinett alle die Fragen in Bearbeituna nehmen.