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Wilsdruffer Tageblatt : 27.01.1921
- Erscheinungsdatum
- 1921-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192101276
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19210127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19210127
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1921
-
Monat
1921-01
- Tag 1921-01-27
-
Monat
1921-01
-
Jahr
1921
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.01.1921
- Autor
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Zur Abstimmung in Oberfchlefien. Für die Nichtansässigen. Die Regierungskommission in Oppeln hat folgende für die Abstimmung wichtige Entscheidungen getroffen, sie den beiden Vertretern des deutschen und des polnischen Plebiszitkommissariats mitgeteilt und sie ermächtigt, die Bestimmungen zn veröffentlichen: 1. Alle Stimmberechtigten der Kategorie B (gebürtige aber nicht ansässige Personen) erhalten von dem paritäti schen Ausschuß eine Benachrichtigung, ob sie in die Stimm liste eingetragen sind oder nicht, und zwar durch die Post gegen Rückschein. 2. Für die Schreibweise der Namen wird am besten die auf der Geburtsurkunde gewählt. Im übrigen sollen die paritätischen Ausschüsse in dieser Frage nicht peinlich genau, sondern entgegenkommend sein. Es soll ausrcichen, wenn durch die Schreibweise der Klang des Namens wie- dergegebcn wird. 3. In dem Antrag auf Eintragung in die Stimmliste (Kategorie B, Anlage 1 der Borlistenvorschriftcn) ist unter Nr. 15 anzngebcu das Datum, an dem der Stimmberech tigte seinen Wohnort in Oberschlesien verließ. Eine unge fähre Angabe des Zeitpunktes genügt, wenn eine genauere Angabe nicht möalick ist. Endlich erklärt sich die Abstimmungskommission damit einverstanden, daß die Eintragungen der Abstimmungs gäste durch die Organisationen des deutschen und des pol nischen Plebiszitkommissariats den paritätischen Aus schüssen übermittelt werden. Vorbereitungen der Eisenbahn. Von zuständiger deutscher Seite wird erklärt, daß für die Beförderung der im Reiche wohnenden abstimmungs berechtigten Oberschlesier, von denen sich bisher 216 000 ge meldet haben, welche Zahl sich aber noch erheblich ver mehren dürfte, bereits die Vorbereitungen bis in alle Einzelheiten getroffen sind. Nieder- und Mittelschlesieu werden etwa zweihundert Sonderzüge für die Abstim mungsberechtigten in Schlesien stellen. Für jedes Bedürf nis, auch das der gebrechlichen Personen, ist gesorgt. Sämtliche schlesischen Eisenbahnstationen werden als Ver- sorgungs- und ärztliche Etappenorte eingerichtet. In Breslau, dem Hauptdurchgangsort für die Abstimmung, stehen sämtliche Schulen und Säle sowie jede verfügbare Gelegenheit zu Massenquartieren zur Verfügung. potiiische Rundschau. Deutsches Reich. Bürgerlicher Wahlsieg in Lippe. Bei den Wahlen zum Lippeschen Landtag wurden ab gegeben für die Deutschnationalen 17 600 Stimmen. (Bei den letzten Reichstagswahlen 18 000.) Für die Deutsche Volsspartei 15 200 (18 000), für die Demokraten 8800 (8600), für den Gewerkschaftsbund 4400, für die Mehr heitssozialdemokralen 25 400 (23 000), für die Unabhängi gen 2400 (6000), für die Kommunisten 3400. Nach diesem Ergebnis ist die bisher im Lippeschen Landtag bestehende sozialistische Mehrheit gebrochen. Von 21 Abgeordneten entfallen auf die Sozialdemokraten 7, die Demokraten 2, die Dcutschnationalen 5, die Volkspartei 4, die Gewerk schaften 1, die Kommunisten 1. Die Unabhängigen gehen ohne Mandat aus. Sie haben ihre Stimmen größtenteils an die Kommunisten verloren, 1 Mandat steht noch aus, bis die Ergebnisse der brieflichen Wahl, die zum ersten Mal in Deutschland durch Lippe eingeführt ist, belanntge- geben werden. Demokratie und Regierungsbildung. In einer demokratischen Wählervcrsammlung in Magdeburg hat der Vorsitzende der demokratischen Partei, Senator Dr. Petersen (Hamburg), folgende programma tische Erklärung abgegeben: „Sollte bei den Preußen wahlen von den gegnerischen Parteien der Wahlkampf wie der wie bei der letzten Neichstagswahl geführt werderr, so lehnt es die Demokratische Partei ab, sich a^ der Regie rungsbildung zu beteiligen. Die Demokraten werden dann vorziehen, sich von der Zuschauerloge aus die Tinge anzusehen." Franzosen auf der Waffensuche. In Königsberg i. Pr. kam es zu einein peinlichen Vor fall, der noch durch eine Untersuchung geklärt werden mnß. Der Ententekommission war mitgeteilt worden, daß in einem militärischen Gebäude der Festung Königsberg sich noch Waffen in grober Anzahl befänden die seinerzeit nicht ausgeliefert worden seien. englische und französische Offiziere begaben sich mit dem deutschen Verbindungs offizier nach dem Gebäude. Da der Schlüssel nicht zur Stelle war, schlugen die Franzosen trotz des Einspruchs des deutschen Offiziers das Tor mit der Axt ein, durch- fuchten die Räume, erklärten das vorgefundene Gerät für beschlagnahmepflichtig und kündigten eine Untersuchung an. Slmerika. X Kanonen als Freundschaftsgeschenk. Der amerika nische Abgeordnete Porter, Präsident des Komitees für auswärtige Angelegenheiten, brachte ein Gesetz ein, das den Präsidenten der Vereinigten Staaten ermächtigen soll, eine gewisse Menge von Kanonen und Munition der Re gierung von Portugal als weiteren Beweis von Freund- schasi zu überweisen. Dsuifcher Reichstag. (66. Sitzung.) LS. Berlin, 25. Januar. In der heutigen Sitzung, die wiederum nur von wenigen Abgeordneten besucht war, wurden zunächst eine Reihe klei ner Anfragen behandelt. U. a. fragte Abg. Frau Dr. Matz (Deutsche Vp.) nach der Herbeiführung gleicher Schul gattungen und gleicher Lehrkräfte in den einzelnen deutschen Ländern und gegenseitige Anerkennung der Zeugnisse. Von der Regierung wird geantwortet, das Reichsministerium des Innern sei für Herbeiführung der Vereinheitlichung, ebenso der Ausschuß des Reichsschulrats. Dieser Ausschuß werde sich demnächst mit der Angelegenheit beschäftigen. Die Strafverfolgung gegen den Abg. Erzberger. Nachdem das Haus die beantragte Erlaubnis zur Straf verfolgung gegen den Abg. Düwell (Komm.) verweigert hatte, erstattete Ahg. Dr. Kahl (Deutsche Volksp.) den Bericht des Ausschusses zur Frage der Aufhebung der Immunität bei dem Strafverfahren gegen den Abg. Erzberger. Der Aus schuß hat sich einstimmig für die Zulassung des Strafver fahrens ausgesprochen. Der Ausschuß war übereinstimmend der Ansicht, die Immunität dürfe nicht schablonenmäßig be handelt, sondern je nach dem einzelnen Fall behandelt werden. Die Immunität sei keine Angelegenheit des einzelnen Abge ordneten, das Haus an sich sei Träger der Immunität. Im Gerichtsverfahren gegen Dr. Helfferich seien füns Fülle wissent lichen oder fahrlässigen Meineids seitens Erzbergers behauptet worden. Die Würde und Ehre des Hauses ersordere die Auf klärung. Auch das Zentrum fei mit dem Verfahren einver standen. Abg. Geyer-Leipzig (Komm.) bezeichnete den Vorschlag als ein infernalisches Produkt der Hetze durch die sogenannten nationalen'Parteien gegen den Abg. Erzberger und erklärte sich gegen die Zustimmung. Abg. Ledebour (U. Soz.) schließt sich dieser Erklärung an und ist ebenfalls gegen die Zulassung der Strafverfolgung. Abg. Dr. Düringer (Deutschnat.) wendet sich gegen den Vorwurf der Hetze durch die Rechtsparteien. Die Hetze werde vielmehr von Links betrieben. Auf der Rechten müsse man jeden Augenblick aus Attentate gefaßt sein. Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) stellt fest, daß das Zentrum den Abg. Erzberger nicht etwa fallen lassen wolle. Abg. Erz berger habe die Untersuchung selbst gewünscht im Interesse seiner selbst wie im Interesse seiner Fraktion, damit bald Klärung geschaffen werde. , Abg. Dr. Boy (Komm.) führt aus, wenn Abg. Erzberger den behaupteten Meineid zugunsten der Rechten geleistet, wür den die Rechtsparteien Widerspruch gegen die Strafverfolgung erhoben haben. Abg. Waldstein (Dem.) teilt die Ansicht des Abg. Dr. Boy nicht. Im übrigen habe die Mehrheit nicht den geringsten Grund, sich für den Abg. Dr. Helfferich einzusetzen. Im Schlußwort betonte der Abg. Dr. Kahl (D. Volksp.), daß Von den Steuerangclegenheiten des Abg. Erzberger im Ausschuß nicht im geringsten die Rede gewesen sei. Der Aus schuß war sich aber klar, daß über den ganzen Zusammenhang im Interesse unseres öffentlichen Lebens Klarheit notwen dig sei. Das HauS genehmigte nunmehr mit allen Stimmen gegen die der Kommunisten und Unabhängigen die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Abg. Erzberger. Die Genehmigung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Abg. Bruhn (Deutschnat.) wird abgelehnt. Der Gesetzentwurf über die wettere vorläufige Regelung des ReichShaushalts von 1920 und der Ergänzung hierzu wurde ohne Auseinandersetzung an den Ausschuß verwiesen. Sodann kam man zu der weiteren Beratung des Haushalts des R e i chs j ust i zm i nisteriums und der damit verbundenen von den Unabhängigen und Kommunisten eingebrachten Interpellation wegen des Amnestie-Erlasses. Rcichsjustizminister Dr. Heinze erklärte sich zu einer ausführ lichen Beantwortung der gestrigen Ausführungen des Abg. Remmele (Komm.) bereit, der die jetzige Strafrechtspflege scharf angegriffen hatte. Der Neuaufbau unseres Landes be dingt, so führte der Reichsjustizminister aus, in erster Linie den Wiederaufbau der Rechtspflege. Wie wir nach außen den Kampf um unser Recht führen, so müssen wir auch im Innern das Vertrauen zum deutschen Rechte wieder. verstellen. Das ReLch^usiizministerium mutz im Mittelpunkte der deutschen Rechtspflege stehen. Die Kriminalistik ist gewachsen, und das Volk hat sich dem Rechtsbewußtsein entzogen, weil wir Wäh rend des Krieges eine Überproduktion an Gesetzen hatten, und die einzelnen Bestimmungen dem Volke entfremdet wurden. Die Gesetzgebung muß weniger verwickelt gestaltet werden, sie mutz zum Teil völlig abgebaut werden. Es gilt die Moral zu heben, das Rechtsbewußtsein i?uß dem Volke wieder in Fleisch und Blut übergehen. Die Justizgesetze müssen aber mit dem Rechtsbewußtsein übereinstimmen. Ein Zuviel der Gesetze muß vermieden werden. Die Angriffe gegen die Praxis der Gerichte richten sich kaum gegen die Zivillustiz, das haben wir bei der gestrigen Interpellation gesehen. Der Fall Marlow ist aus ein Kricgsgerichtsurteil zurückzuführen. Gegen den General Ludendorff hat sich nichts Bestimmtes er geben. Gegen den Leutnant Vogel usw. ist auf Grundlage der neuen Aussagen des Jägers Runge ein neues Verfahren ein geleitet worden. Das Kammergericht hat die Amnestie gegen den Leutnant Vogel für unzulässig erklärt. Die Gerichte müssen umgebaut werden, damit sie in eine enge Verbindung mit dem Volksempfinden kommen. Einer völligen Neuausrich tung unseres Gerichtswesens kann ich aber nicht das Wort reden. Volksrichter halte ich nicht für geeignet. Denn ein Rich ter muß doch das Gesetz kennen. Außerdem muß er kühl und unvoreingenommen jeder Sache gegenüber stehen. Das kann nur der geschulte Richter. Die Tätigkeit des Reichsjustizministe riums erstreckt sich auf alle Gebiete der Rechtspflege, besonders auch auf den Entwurf zur Ausgestaltung der Strafrechtspflege, auch aus den Entwurf eines neuen Reichsstrafvollzugsgesetzes. DaS Bürgerliche Gesetzbuch wird einschneidende Änderungen erfahren. Vereinsrecht, Mietsrecht, Dienstvertrag, Mobiliar, Hypotheken erheischen baldige Umgestaltung. Die Gesetze über die Unter haltung der unehelichen Kinder, über die Vorlegung der Bilanz an die Betriebsräte und über die Vertretung der Be triebsräte in den Aufsichtsräten werden dem Hause demnächst zugehen. Im Strafprozeß muß unter Zugrundelegung der bestehenden Gesetze etwas Neues ausgebaut werden. Es muß mit dem Grundsatz der Sondergerichte gebrochen werden. Ich warne vor der Anregung, für die Arbeiterschaft Sondergerichte zu schaffen. Zwischen Prozeß und Rechtsstrettigkeiten muß ein Unterschied gemacht werden. Für minderwertige Ange legenheiten dars nicht der ganze große Jnstanzenzug zur An wendung kommen. Daher muß das Einzelrichtertum mehr ausgebildet werden und von allen Nebenarbeiten entlastet Werden, die der Gerichtsschreiber machen kann. Auch das Rechtsmittel der Revision muß umgestaltet werden. Auch bei der Zivilrechtspflege wollen wir gewisse Änderungen treffen. Eingehende Vorarbeiten sind im Gange. Da die Gerichte aber nicht bis zu jener großen Justizresorm warten können, werden wir dem Hause zunächst erst eine Entlastungsreform wegen der Überlastung der Gerichte vorlegen, was bis übermorgen der Fall sein wird. Ich bitte, diesem Entwurf ohne Parteirück sichten zuzustimmen. Desqleichen wird ein Gesetz über Jugend pflege dem Hause zugeheu. Der Reichsjustizminister besprach sodann die Tätigkeit de« Wuchergerichte und wies den Vorwurf zurück, daß die Amnestie die Linke benachteilige. Weiter erörterte der Reichsjustiz- mimster die Auslieserungsverttäge usw. Was die Kriegsverbrecher anlangt, so handelt es sich jetzt nur noch um 45 Personen auf der dritten Liste. Diese Fälle sollen ganz genau untersucht werden, wie es in Spa vereinbart wurde. In 32 Fällen sind bereits im August Ersuchen um Belastungsmaterial an die fremden Regierungen ergangen. Jetzt, wo Jahre verstriche« sind, ist es schwer, Klarheit zu schaffen, zumal die Zeugen fast alle rm Auslande wohnen. Dann aber, sobald die Aussagen vorliegen, werden erst neue Schwierigkeiten erwachsen, die wir fetzt noch gar nicht übersehen können. Nur England hat bis- her seine Fälle erledigt. Die englischen Zeugenaussagen sind aber nicht so abgesaßt, daß sie gerichtlich verwendet werde» können. Wir haben uns deshalb bereit erklärt, eine» Ver treter des Reichsanwalts ins Ausland zu senden, um die dortigen Regierungen über die Erfordernisse ihrer Prozeß- fuhrung aufzuklären. Nach England reist ein Vertreter bereits in den nächsten Tagen ab. Wir haben also alles getan, um die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Der Vorwurf der Verschleppung trifft uns also nicht. Neger als Richter über Deutsche! Hierauf sprach der Abg. Radbruch (Mehrheitssoz.). Er übte in längeren Ausführungen an der Strafrechtspflege scharf« Kritik. Für das Zentrum sprach der Abgeordnete Dr. Bell. Er behandelte zunächst eine Reihe von Fragen aus dem Gebiete des Patentrechtes und kam dann auf die Art der Recht sprechung, wie sie von den Besatzungstruppen im besetzte« Rheinland ausgeübt wird. Er schilderte einen besonder- krassen Fall, wonach in einem dortigen Polizeigericht sogar ei« Schwarzer sitzt. Es sei Tatsache, daß dort ein Neger über Deutsche urteilt. Hiergegen müsse die Reichsregierung mit aller Entschiedenheit protestieren. Nah und Kern. O Eine Wendung im Streit um die Bismarck-Erinne rungen. Wie man aus Stuttgart meldet, soll in den Ver handlungen des Cottaschen Verlages mit den Bismarck- scken Erben eine Wendung im Sinne einer bevorstehenden Gräfin Pia. Roman von H. Courths-Mahler. 47. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) „Nein, nein — um Gotteswillen nicht — es muß genau so werden, wie es war/ eiferte Komteßchen, denn sie war in großer Sorge, daß sich das Haar sonst löste und ruschelig wurde. Als Pia Schuhe und Strümpfe wechselte, genierte sie sich ein wenig. Ihre Chaussure wirkte recht plump gegen Rosas zierliche elegante Schühchen. Es war nur gut, daß Frau Hornemann für seidene Strümpfe gesorgt hatte. Die konnten sich wenigstens sehen lassen. Komteßchen fing schon an, auf Aeußerlichkeiten zu achten. Es schien, als ob das hier in der Luft läge. Gräfin Eckhoff hatte inzwischen mit verschiedenen Mode magazinen telephonische Gespräch« geführt und allerlei Be stellungen gemacht, denn es war ihrer Ansicht nach eilig nötig, Pia in andere Kleider zu bringen. Was di« Gräfin wohl gesagt hätte, wenn sie Pia in ihrem Bubianzug oder in ihren alten, vertragenen Kleidern gesehen hätte? Als Pia dann bei ihr eintrat in dem recht schlecht fitzen- Ven Tuchkleid, das schon längst nicht mehr modern, war, und mit der unmöglichen Frisur, da ruhten die Augen der Gräfin Mitleidig auf dem jungen Mädchen. Aber sie sagte kein Wort darüber, sondern plauderte ün ihrer anmutigen, freundlichen Weise mit Pia, bis die beiden Herren wiederkamen. Pia sprang dem Vater entgegen und hing sich fest an seinen Hals. Am liebsten hätte sie gebeten: „Nimm mich wieder mit nach Buchenau, hier gehöre ich nicht her." Aber Da sah sie in Hans von Rieds Gesicht. Er blickte ihr lächelnd und bittend in die Auge«. Da löste sich der Druck? der auf ihrer jungen Seele lag. Sie trat an seine Seite und schob ihre Hand in die seine, mit einem leuchtenden Blick und vertrauender Gebärde. Die Gräfin beobachtete diese kleine Szene, und ihre er fahrenen Augen erkannten sofort, daß dies junge Geschöpf mit einer großen Liebe an Hans hing. „Nun weiß ich schon, wie ich alks bei ihr erreichen kann. Hans zuliebe wird sie sich in alles schicken. Sie liebt ihn viel mehr, als er sie, aber diese Liebe ist ihr noch nicht zum Bewußtsein gekommen." dachte die kluge Frau, Der einzige Diener der Gräfin — ihre Dienerschaft be stand aus der Zofe, der Köchin und diesem Diener — rollte einen zierlichen englischen Teewagen herein, und die Gräfin füllte selbst die Tassen, nachdem sie dem Diener einen Wink gegeben hatte, sich zu entfernen. Pia sah fast andächtig zu, wie die noch sehr schönen Hände der Gräfin so graziös am Teetisch walteten. Man besprach noch allerlei, was klarg«legt werden mußte. Pia fragte, ob ihr der Vater wohl ihr Reitpferd schicken dürfe, und die Gräfin meinte, man könne es gut in einem der Ställe einstellen, in denen bei den großen Rennen die Rennpferde untergebracht würden. Da war Pia froh. Auf ihre frischfrohen Ritte hätte sie ungern so lange ver zichtet. Nach eingenommenem Tee trat Graf Buchenau an das Fenster und sah auf die hell erleuchtete Straße hinab. Pia trat neben ihn und schmiegte sich an ihn. So standen sie eine ganze Weile, die beiden Welt flüchtigen, und fühlten, wie eng sie einander verbunden waren gerade durch die lange Weltabgeschiedenheit. Gräfin Eckhoff sagte inzwischen leise zu ihrem Neffen: „Du kannst beruhigt wieder abreisen, Hans. Und wenn ich dir raten soll — besuche Pia nicht vor Ablauf eines halben Jahres. Es ist besser, sie bleibt mir jetzt ganz allein überlassen. Dann sollst du auch ganz mit mir zufrieden sein." Er küßte ihr die^Hand in schweigender Zustimmung. Schon am nächsten Tags reisten die beiden Herren wieder ab. Pia weinte nach ihrem Abschied von Hans und dem Vater, wie sie in ihrem Leben noch nicht geweint hatte, i Die Gräfin ließ sie eine Weile rubia ««währen. Dann nahm sie das Mädchen liebevoll in ihre Arme, streichelte ihre Wangen und sagte lächelnd: „Jetzt denkst du nun gar nicht mehr an den Abschied,, sondern an das Wiedersehen. Sollst sehen, wie schnell di« Zeit der Trennung vergeht. Wir haben jetzt gar keine Zeit mehr, traurig zu sein, denn jetzt wird gleich die Modistin kommen, und da gibt es viel Arbeit für uns." Das war eine wunderliche Zeit für Pia. Mit große« erstaunten Augen sah sie sich das neue Leben an. Manch mal flüchtete sie ganz erschrocken in die Arme der Gräfin Eckhoff, wenn etwas gar zu überraschend auf sie einstürmte. Und immer fand sie das gütigste Verständnis bei dieser klugen, erfahrenen Frau. In den ersten Tagen ihres Aufenthalts in Baden- Baden gab es zunächst endlose Sitzungen und Konferenzen mit den Modistinnen und in den verschiedenen Mode-Ateliers. Pia wurde vom Kopf bis zu den Füßen neu ausgestattet. Des Staunens und Wunderns war kein Ende, als Kleid um Kleid anprobiert wurde. Aber die goldig schimmernden Sonnenaugen sahen doch recht wohlgefällig auf die feinen, zarten Stoffe, und die kleinen Hände strichen schmeichelnd und wohlig darüber hin. Es war ein so angenehmes Ge fühl, wenn sie sich um den Körper schmiegten. Und obwohl sie sich zuweilen so glatt wie die Haut selbst um die Glieder legten, so beengten sie doch in keiner Weise. Pia lernte zum ersten Mal die Wohltat einer tadel los sitzenden Kostümierung kennen. Die Gräfin ließ sie absichtlich immer zuerst ihre Wayl treffen und griff nur belehrend ein, wenn Pia falsch wählte. Aber sonderbarerweise traf die junge Dame meist wie instinktiv das Richtige. Sie hatte entschieden einen an geborenen guten Geschmack, und nun sie lernte, Wert daraus zu legen, was sie anziehen sollte, fiel es ihr gar nickt schwer, das Schönste zu treffen, wenn sie vor die Wahl - -' schön und häßlich gestellt wurde. (Fortsetzung folgt.)
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