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MMnOrNgeblaü Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 ?Üs UNd ÜMgegMd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. S. Mittwoch den 12. Januar 1921. 80. Jahrgang. Amtlicher Teil. Donnerstag den 13. Januar 1921 abends 7 Uhr öffentliche Sitzung der Stadtverordneten. Die Tagesordnung hängt im Verwaltungsgebäude aus. Wilsdruff, am 10. Januar 1921. 7754 Der Bürgermeister. an 12. Januar 9—11 und 1—4 Uhr neue Schule, lilaer NattvssktvktltUNf Warenbezugsschein Nr. 12 zr 10 Pfd., Preis das Pfb. 35 Pkg. Wilsdruff, am 11.Januar 1921. r?ss Der Stadtrat. — Kriegswirtschaftsstelle. Mr Mw WM, DzeW bis 10 Ihr mnnW achMöw. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Nach neueren Entscheidungen ist die für den 13. d. M. geplante Wiederaufnahme der Brüsseler Sachverständigen- kcnferenz bis nach der am 19. d. M. stattsindenden Zusammen kunft der Minister der Ententemächte vertagt worden. * Die Volksabstimmung in Bremen ergab eine starke bürgerliche Mehrheit. * Die italienische Regierung hat jetzt ebenfalls das be schlagnahmte deutsche Eigentum sreigegeben. * Die Senatswahlen in Frankreich sind günstig für den Ministerpräsidenten Lcygues ausgefallen. * Zum Vizekönig von Indien ernannte der König von England den Lord Reading. * Der kalifornische Senat faßte einen Beschluß gegen jede Erleichterung japanischer Einwanderung. Alarm! Während die deutsche Regierung sich abmüht, an den Entscheidungen des Obersten Rates für Oberschlesien wie an den Abstimmungsvorschriften der Interalliierten Kom mission in Oppeln wenigstens die allergröbsten Begünsti gungen der Poren nach Möglichkeit abzuschwächen, gehen die Polen offensichtlich darauf aus, hinter den Kulissen Tatsachen zu schaffen, mit denen sich ungleich mehr er reichen läßt, als mit Protesten und Stimmzetteln. Alle Nachrichten, die der deutschen Regierung in den letzten Tagen und Wochen zugekommen sind, bestätigen die Über führung starker Truppenkörper von der Bolschewistenfront im Osten an die polnische Westgrenze, wo sie zur unmittel baren Bedrohung Oberschlesiens aufgestellt werden. Noch vor drei Monaten war der ganze Grenzzug von Danzig hinunter bis Biala mit ganzen 7500 polnischen Grenz wachreitern besetzt, jetzt sind daraus allein an der ober schlesischen Grenze durch Aufbietung irregulärer Truppen körper 17 000 Mann geworden. Darüber hinaus aber ist in der Provinz Posen eine Neservc-Jnfanteriebrigade von drei Regimentern neu hinzugekommen, und dicht jenseits der oberschlesischen Grenze sind von der russischen Front zwei, ferner in Westpreußen anderthalb Divisionen fest- gestellt worden, so daß hier bereits eine Stärke von 100 000 Kämpfern erreicht ist. Rechnet man hinzu, was an , weiteren Truppen unterwegs ist, so muß mit einer Ge samtstärke von 170 000 Mann gerechnet werden. Damit hat Polen jederzeit die Macht, die deutsche Grenze zu überrennen, und daß es auch den Willen dazu hat, unterliegt nach gewissen Offiziersreden, über die in der Ententepresse kürzlich ganz offen berichtet wurde, nicht dem geringsten Zweifel. Ebenso müssen wir uns darauf gefaßt machen, daß mit diesen ziemlich offenen Kriegsvor bereitungen in Warschau gewisse geheirns Aufstandspläne der polnischen Kampfs rganisationen in Deutschland Hand in Hand gehen. Die Gefahren, die durch alle diese Maß nahmen heraufbeschworen wurden, werden von der deut schen Neaierung als so unmittelbar drohend empfunden, daß sie die fremden Mächte bereits durch ihre Vertreter auf den Ernst der Lage aufmerksam machen ließ. Dieser Schritt war auch in der Tat um so notwendiger, als den 170 000 Polen ganze 10 000 Franzosen und 3000 Italiener gegenüberstehen, die Polen also im Ernstfälle von dieser Seite her keinen nennenswerten Widerstand finden wür den. Es kommt hinm, daß die Franzosen ja, wie bekannt, sich auch in Oberfchlesien als die intimsten Verbündeten der Polen fühlen und es deshalb sicherlich ablehnen wür den, gegen sw zu kämpfen. Die gewaltige „Streitmacht" der Italiener hat General Lerond aber vorsorglicherweise bereits auf das linke Oderufer hinübergeschoben, so daß sie erst dann in Aktion treten könnte, wenn auf dem rechten Ufer die Entscheidung längst gefallen wäre. Bei dieser Sachlage entsteht die gar nicht ernst genug zu nehmende Frage, wie die oberschlesischen Schutzmächte noch auf einen ruhigen Verlauf der Abstimmung rechnen können, wenn sie nicht vorher noch, und zwar mit aller Beschleunigung, für einen gründlichen Wandel der Ver hältnisse Sorge tragen. Die deutsche Regierung wird es an nachdrücklichen Aufforderungen dazu nicht fehlen lassen. Aber mit schönen Redensarten, wie wir sie kürzlich noch von Herrn Lerond zu hören bekamen, Wird es nicht mehr ge tan sein. Die Polen sind wohl auch in den Ländern der Entente dafür bekannt, daß sie es lieben, vollendete Tat sachen zu schaffen, wo andere Leute sich auf ihr Recht und nur auf ihr Recht verlassen zu können meinen. Sie leben des ungleich nahrhafteren Glaubens, daß Rechte auch durch rechtswidrige Tatsachen erzeugt werden können, daß, wenn und wo sie sich einmal, Zu Recht oder zu Unrecht, fest gesetzt haben, keine Gewalt der Erde sie wieder vertreiben werde, besonders wenn es in der Zwischenzeit ihrem k Staatspräsidenten Pilsudski bei feinem Pariser Besuch ge lingen sollte, Frankreichs Schicksal noch enger als bisher schon an das Schicksal des Volenreiches zu binden. Dann könnten England und Amerika noch so unwillig die Stirn runzeln, die Polen würden es schon verstehen, zu bleiben, wo sie sind oder zum mindesten einen Teil ihres gewaltsam „eroberten" Besitzes gegen andere ihnen gleichfalls nicht zustehende Wertobjekt einzutauschen. Und schlimmstenfalls, wenn sie ganz sicher gehen wollen, brauchte nur einer ihrer Generäle dazu bestimmt werden, in Oberschlesien die gleiche Rolle zu übernehmen, wie sie dem General Balachowicz im vorigen Jahre für Weiß- Rußland übertragen wurde — dann kann man in Warschau abermals seins Hände in Unschuld waschen und sich doch darauf verlassen, daß dieser d'Annunzis für Polen aus Oberschlesien alles nur irgendwie Erreichbare schon herausholen werd. Kurz, die Polen spielen auch jetzt wieder ein gewagtes Spiel, aber sie tun es nur im Ver trauen auf dis Nachricht, ja auf das stillschweigende Ein verständnis ihrer Freunde in der Entente, und wenn sie in dieser Beziehung nicht rechtzeitig von Paris oder doch wenigstens von London her eines Besseren belehrt werden, so kann die Katastrophe schon heute oder morgen über uns Hereinbrechen. Wer dazu beitragen kann, dieses neue Kriegsunglück von Europa abzuwenden, der soll es tun, ehe es zu spät wird. Die Folgen würden schlimmer sein, als Mcnschen- weisheit sich heute Wohl noch träumen läßt. psliiische Rundschau. Deutsches Reich. ! Der Kampf um die Dieselmotoren hat zu einer neuen deutschen Note an die Entente gesührt. Es heißt darin u. a.: „Die Botschafterkonferenz hat ihren Beschluß an zwei Bedingungen geknüpft. Sie verlangt erstens am 31. März 1921 einen Bericht über den Standort und Ver wendung aller Dieselmotoren, die am Tage des Waffen stillstandes U-Booten zugeteilt oder von der deutschen Negierung für U-Boote bestellt gewesen sind. Zweitens fordert sie, daß in der Zwischenzeit der Kontrollkommission die Kontrolle über die Verwendung der Motoren dieses Typs in jeder Weise erleichtert werde. Die deutsche Re gierung ist bereit, diese beiden Forderungen zu erfüllen, nicht weil sie eins Verpflichtung dazu anerkennen könnte, sondern, weil sie keinen Grund hat, die Art der Ver wendung dieser Maschinen geheimzuhalten, und weil sie den alliierten Mächten beweisen will, daß der deutsche Dieselmotor in der Tat ein Friedenswerkzeug ist/ Senator McCormick über Oberschlesien. Senator McCormick, der Freund des neuen amerikanischen Präsi denten, der kürzlich Deutschland bereiste, erklärte einem Pariser Journalisten, wenn die Volksabstimmung in Ober schlesien zugunsten Polens aussallen würde, so glaube er auf Grund der Besprechungen, die er in Berlin gehabt habe, daß Deutschland diese Entscheidung nur unter dem Druck der Gewalt annehmen werde. McCormick hat weiter gesagt, daß ein für Deutschland günstiges Ab stimmungsergebnis zweifellos die deutsche Produktions kraft beträchtlich erhöhen werde, und daß infolgedessen in diesem Fall die Gläubiger Deutschlands ein Recht hätten, höhere Forderungen auf dem Gebiete der Wiedergut machung zu stellen. Amnestierung des Oberleutnants Bogel. Oberleut nant Vogel, der im Zusammenhangs mit der Tötung von Liebknecht und Rosa Luxemburg im Mai 1919 vom Kriegs gericht zu zwei Jahren vier Monaten Gesängnis und Dienstentlassung verurteilt worden war, und der sich der Verbüßung der Freiheitsstrase durch die Flucht nach Holland entzogen hatte, ist jetzt aus Grund des Gesetzes vom 4. August 1920 über die Gewährung von Straffrei heit amnestiert worden. Den Antrag auf Amnestierung hatte der Verteidiger Vogels gestellt, die Strafkammer des Landgerichts 2 hat ihn durch Beschluß vom 28. De zember stattgegeben. Der Staatsanwalt hat gegen diesen Beschluß Beschwerde beim Kammergericht eingelegt. Eine Entscheidung auf diese Beschwerde ist noch nicht ergangen. Die Staatsanwaltschaft hat den Steckbrief noch nicht zu rückgezogen. Vogel, dessen Angehörige von dem Ver teidiger von dem Beschluß der Strafkammer unterrichtet worden sind, ist bereits nach Deutschland zurückgekehrt. Bürgerlicher Wahlsieg in Wremen. In Bremen fand anl Sonntag eme Volksabstimmung über dis Frage statt, ob dis Bremer Stadtwehr — eine Selbstschutz-Organi sation — beibehalten oder abgeschafft werden soll. Dis sozialistische Mehrheit hatte die Abschaffung beschlossen, der Senat, der eine bürgerliche Mehrheit hat, hat sich ge- ' weiaert. diesen Beschluß auszuführen. In der Stadt Bremen wurden 153 071 Stimmen abgegeben, davon mit Nein 87 610, mit Ja 65 461. In Bremen Land wurden 6206 Stimmen abgegeben, davon mit Nein 3200, mit Ja 2992. In Vegesack stimmten 1568 mit Nein und 818 mit Ja, in Bremerhaveri 6337 mit Nein und 4744 mit Ja. Das Gesamtergebnis ist eine sichere Mehrheit für dis Bei behaltung der Stadtwehr. In 45 Tagen mutz aus Grund dieser Abstimmung eine Neuwahl der BürgeJch-fft siatt- finden. Iiallsn. Freigabe deutschen Eigentums. Die italienische Re gierung hat eine Verfügung erlassen, derzufolge die italie nische Negierung die von der deutschen Negierung mit Be zug auf italienisches Eigentum ergriffenen Maßnahmen begrüßt und auf das Italien nach dem Vertrage von Ver sailles zustehende Recht der Beschlagnahme deutschen Eigentums verzichtet, soweit dessen nach der gegen- wärügen Marktlage Zu bemessender Wert die Summe von 50 000 Lire nicht übersteigt. Die Bewertung umfaßt ledig lich das Eigentum deutscher Staatsangehöriger in Italien und den Kolonien; salls jedoch die deutschen Staatsange hörigen über größeres Eigentum im Auslande verfügen, so soll ihr in Italien befindlicher Kleinbesitz nicht sreige- geben werden. Rußland. Kronstadt gegen Moskau. Die Räteregierung hat eine in Moskau eingetroffene Abordnung von Matrofen aus Kronstadt verhaftet, die mit der Negierung über die Regelung der Proviantzusührung für die Garnison in Kronstadt und die Flotte verhandeln wollte. Zwischen den Bolschewisten in Kronstadt und der Näteregierung in Moskau scheint ein sehr gespanntes Verhältnis zu bestehen. Oberschlesiens «Schicksal. „Besser in deutschen als in polnischen Händen." ... /Die Londoner Wochenschrift „New Statesman" tritt dafür ein, daß Oberfchlesien, vom unparteiischen Stand punkt aus betrachtet, besser in deutschen Händen bleibe, als in polnische übergehe. Am durchschlagendsten seien die von Deutschland sür das Verbleiben Oberschlesiens beim Reiche vorgebrachten wirtschaftlichen Gesichtspunkte. Aus dem polnischen Argument, daß Deutschland aus Grund des Friedensvertrages ein obligatorisches Recht auf den Kohlenbezug aus Schlesien habe, könne Deutschland wenig Trost herleiten, da Polen erklären würde, daß es keine Kohlen zur Ausfuhr habe. „New Stalsman" ist der Meinung, daß Deutschland Oberschlesien viel dringender braucht als Polen, schon um die Verpflichtungen aus dem Friedcnsvertrage zu erfüllen. Oberfchlesien als Teil Deutschlands stehe wirtschaftlich und kulturell auf viel höherer Stufe, als dies der Fall wäre, wenn es ein Teil Polens wäre. Mit Rücksicht auf die Zustände in Polen fei die Zukunft eines polnischen Oberschlesiens wenig aus sichtsreich. Die vom deutschen Reichstags gewährte Auto nomie werde auch die Mehrheit schlesischer Polen be friedigen. „New Statesman" verurteilt sodann den in OLerschlesten ausgeüüten Terror, der nach verschiedenen Nachrichten von französischen Behörden unterstützt würde und deutet an, daß die Ausweisung von Mrs. Buxton beweise, daß die Franzosen dort etwas verheimlichen wollten. „Oüserver" tritt ebenfalls nachdrücklichst für ein deutsches OberMesien ein, das niemals zum polnischen Nationslsyflem gehört habe. Außerdem sei Deutschland auf die oberfchlesischen Bodenschätze angewiesen. „Ob- server" bedauert die von den Alliierten angeordneten mehrfachen Abstimmungstermine, die die Polen be günstigten. Dis Losreißung Oberschlesiens von Deutsch land würde ein Unglück für Europa sein. Österreich vor Sem Hungeriod! Nahrungsmittel nur noch sür einige Tage. Nach einer Meldung ans Wien hat jetzt die öster reichische Regierung die französische amtliche benachrich tigt, daß sie vom 15. Januar an nicht mehr in der Lage sei, die Ernährung der Bevölkerung zu-sichern. Die fran zösische Regierung sandte einen Beamten zur Unter suchung und schleunigen Berichterstattung nach Wien. Nach den letzten in Paris eingetrosfenen Nachrichten ist die Lage Wiens so ernst, daß die österreichische Regierung den Gedanken erwägt, ihre Macht an die Verbündeten abzutrcten, damit diese sie durch die Wiederherstellungs- kommission ausübsn lasse. Man befürchtet in Frankreich, daß Österreich in feiner Verzweiflung den letzten