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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt/ Amtsbl. Nr. 283. 78. Jahrgang. Sonntag den 7. Dezember 1919 MWmg sik dm r. Amt Von Pfarrer Heber, Kesselsdorf. Jes. 40, 1: Tröstet, tröstet mein Volk! Israel saß in der babylonischen Gefangenschaft. Was sein Gott ihm so manches Mal angrdroht, war geschehen. Das heilige Land war verwüstet, das Volk in die Fremde geführt und Jahrzehnte lang der Willkür und dem Spott unbarmherziger Feinde preiSg,geben. Welche erschütternden Wehklagen stiegen doch da zum Himmel empor! „An den Wassern zu Babel saßen wir und weineten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hingen wir an die Weiden, die drinnen sind. Denn daselbst hießen uns fingen, die uns gefangen hielten, und in unserm Heulen fröhlich sein: Singet uns ein Lied von Zion!' (Ps. 13, 7). Solcher Jammer, der be, vielen zugleich zu innerer Umkehr führte, blieb vor dem nicht verborgen, der heimsucht, nicht um zu verderben, sondern um zu retten. Darum andte er voll väterlichen Erbarmen« seine Boten au«, eilends, dringend: »Tröstet, tröstet mein Volk! Redet mit Jerusalem freundlich und prediget ihr, daß ihr» Ritterschaft, ihr Elend, ein Ende hat, denn ihre Missetat ist vergeben.' Und schon hört das prophetische Ohr, wie man dem Herrn in der syrischen Wüste den Weg bereitet, daß er selbst sein Volk mit großer Herrlichkeit aus der Fremde durch dieselbe in da« gelobte Land zurückführt«, und vernimmt e« dann zugleich eine Mahnung zu bußfertiger Bereitung der einer Wüste gleichenden Herzen. Jede neue AdvenlSzeit läßt die Erinnerung an jenen bedeutsamen Wendepunkt in der Geschichte Israels in uns lebendig werden und legt un« die Frage nahe, ob nicht vieles davon uns zur Lehre, zur Mahnung und zum Trost geschrieben ist. Sind wir nicht auch Gefangene, weggeführt gleichsam aus einem Lande, da Milch und Honig floß, um nun auf unabsehbare Zeiten hinaus das dürftige Brot des Elends und der Knechtschaft zu essen? Unser schöne« deutsches Reich ist zerstört. Wer möchte wohl noch wie ehedem in Heller Begeisterung sein Lied singen! Fremde herrschen über un« und spotten unser, nicht bloß die, welche UnS den ElendSfrieden diktiert, sondern Juden und Atheisten, Wucherer und Schieber, Aemterjäger und Gewalttätige, deren Zeit mit dem Zusammenbruch gekommen war, und die nicht daran denken, je wieder von uns abzulassen. Ob's wohl von ohngefähr so gekommen ist? Nein, «S hat sich auch an uns ein Gericht vollzogen, das wir selbst heraufbeschworen. Wir hatten Golt verlassen und darum hat Gott uns verlassen. Nicht daß unsere Feinde Anlaß hätten, hochmütig auf uns heradzusehen, weil sie uns bezwungen, oder daß wir uns gar vor ihnen schuldig geben mußten. Die Babylonier find Heiden gewesen, religiös und sittlich tief -auch noch unter dem gefallenen Israel stehend. Babel noch heut« der Inbegriff aller Sünde und Schande! Aber schuldig vor Gott sind wir. Ist unsere Missetat vergeben, hat unsere „Ritterschaft" ein Ende? Sollen wir nun bald wieder getröstet werden? Das wird ganz davon abhängen, ob unser Volk als Ge samtheit gewillt ist, in sich zu schlagen und umzukehren, ob e« wieder Gottes Volk werden will. Vorläufig fleht r« kaum so aus. Und doch solls Advent auch bei uns werden! Und doch will der Herr auch zu un« kommen, wenigsten» zu den geängsteten, zerschlagenen, zerissenen und zerquälten Herzen, zu den Armen und Elenden und Verlassenen und Betrübten, zu den Verlorenen und den Verirrten, die sich nach ihm zurücksehnen, zu den Sündern und zu den Ge fallenen und Verstoßenen, die um Vergebung flehen, zu den Kranken und zu den Sterbenden. Zu ihnen allen sendet der Herr auf« neue sein« Boten aus: „Tröstet, tröstet mein Volk! Sagt ihnen, der Retter ist vor der Tür, der Heiland, der euch frei und stark und selig machen will.' Auf ihr betrübten Herzen, Der König ist gar nah, Hinweg all Angst und Schmerzen, Der Helfer ist schon da! Amen. Lic. Pfarrer Rump im Marlohprozeß. Die Augenzeuge». tDritter Tag.) SL. Berit«, b. Dezember. AIS erster Zeuge wird beute der Lic. Plärrer Dr. Rump vernommen, der seine Aussagen »um Test in iel» aufgeregter und verklausulierter Weise macht. Marlob ist der Neffe de« Schwager Rumps. Er bat im Mär» einen Brief an Mariod geschrieben und ibn eingeladen, ihn zu besuchen, um Rädere« über die Vorgänge in der Französischen Straße »u erfahren. Marloh war nicht in Berlin und Leutnant Wehmeyer rief Rump telephonisch an. Rump berichtet: Ich Nagte Leutnant Wehmeyer, wohin sich Marloh begeben habe, woraus ich die Antwort erbtest: Das dürfe er nicht sagen. Ich Nagte Weh- mever dann, ob Marloh denn etwas Unrechtes begangen habe. Die Antwort lautete: I wo. er bat nur auf Befehl gehandelt. Ich selbst habe ihm de« Befehl überbracht. Ich sagte: Warum wird denn daS nicht veröffentlicht? Wehmeyer erklärte mir darauf, daS sei »ur»eit unpraktisch, da die Unab hängigen Noske und Oberst Reinhard stürzen wollten. Wehmeyer kam dann ru Rump, der weiter aussagt: Bei diesem Besuch leiste mir Wehmeyer di« Vorgänge in allen Einzelbesten mst und wiederholte mir wörtlich den Befehl, den er im Auftrage des Oberst Reinhard Marlob überbracht hatte. Iw habe mst Liesen Befehl bet Tisch schriftlich fixiert, da er mich interessierte. Der Befehl lautete nach den Angaben Wehmeyer« wie folgt: LHerst Reinhard ist wütend, daß Marlob gegen die MV Gefangenen zu schlapp vorgegangen sei. Er solle erschießen, was er erschießen könne, i und wenn es auch löv Mann, seien. Webmeoer erzählte mst I auch, daß Marwo unter ylnzuzieoung oes sraalsanwait« Zumbroich einen Tatbericht aufgesetzt bade. Marlob ist nicht nur wahrheitsliebend, sondern ein WahrbrttSfanatiker. Wenn er zweimal von der Wahrheit abgewichen ist, so bat er es nur »nler de» Druck seiner Bergesetzle« -> getan. Pfarrer Rump gebt noch weiter auf die Berichte ein und bestätigt die schon in den Vortagen mehrfach ausgerollte Geschichte ihrer Entstehung. Er gerät dabei mehrfach in große Erregung, bittet vergeblich, die Öffentlichkeit auszuschsteken und betont, er möchte nicht die Geschäfte der Unabhängigen besorgen, müsse aber trotzdem erklären, daß ihm die An fertigung der dreimal geänderten und frisierten Berichte un glaublich erscheine. Er bat zu Marloh gesagt: »Da« verstehe ich nicht. Sie haben unter Befehl tu der grauenhaftesten Weis« 82 blühend« Menschen nieder geknallt und da sagt Ihnen der Oberst, daß das eine Sache ohne Bedeutung sei. Und Eie geben sich dazu her, einen dreifachen Tatbericht zu machen. Wenn meine vorgesetzte Dienststelle Las von mst vedanFt hätte, ich hätte mst lieber die Fioger abdacken Rump erklärt, al« sein Antrag »um Ausschluß der Öffent lichkeit abgrlehnt ist: Dann! muß ich also auslagenl Marlob leiste mst mit. daß Wihmeyer von Oberst Reinhard gehör« hade, Hi»de»durg hätte gesagt, daß durch die Erfchteßuug »er »atrosen Vertin vor große« UnheU --wahrt «eblirb-n sei. Reinhard hat ferner ul Marlob gesagt: .Ich stete selou- ständlich für meine Offiziere ein. Sie dürfen mich aber nicht als ihre Befehlsstelle binstelleu. Die Sache muß geschickt dreht toerdeu." Marlob und Wehmeyer wurden abermals von Numv »ingeladen. Er bat beide Serre« wiederholt e^Kst. nur m agen, wa« ihnen als absolute Gewißheit im Dedäcktni« war. Sch habe auch immer wieder um Aufklärung des Falle« beten, sagt er. Marloh/und Wehmeyer baden fick. waS ich «Mellen möchte, niemals widersprochen. Ich muckte nun die beiden B-f-ble wiederholen, die Marlob erdalten hat. Der rrste Besebl Reinhard—Schröter: . .Oberst Reinhard ist sehr ausgebracht. Lich Sie so schlapp voroehen. Sie sollen ausgiebig von der Waffe Gebrauch machen und möglichst viele Matrosen ericmehen. In Moabit ist für so viele Gefangene noch keine Unter- bringung vorhanden.' . Der letzte Satz steht bestimmt sest. ES ist Oberleutnant Marlob erst später zum Bewußtsein gekommen, daß dieser Befehl inhaltlich schärfer war al« der ihm von Wehmeyer überbrachte, der folgendermaßen lautete: .Oberst Reinhard ist sehr wütend auf Dich, Du tollst erschießen, was Du kannst, und wenn es 180 Mann waren. Oberst Reinhard weiß auch nicht, wo er mit den ganzen Leuten bin soll.' , In dem kritischen Augenblick stand vor der Seele Marl ohS wie ein rotes Feuer eine Verfügung der Garde-Kavallerie- Schühendivision, die her Zeuge aus dem Gedächtnis wie folat zitiert: .Gegen feden Führer eines Unternehmens, der nicht mit aller Schärte vorgebt, wird kriegsgerichtlich em- gefchritten werden.' Als nun Wehmeyer ihm die Äußerungen Reinhards über- mitielte, schritt er zur Erschießung. Ich habe es niemals ver standen, sagt der Zeuge, daß Marlob sich zur Lüge verleiten ließ: ich weiß, daß er darunter seelisch ungeheuer gelitten bat. Ich habe ihm übrigens nickt rur Fluckt verhalfen, denn es In 11, >4 äes Lehnbuches lautet äie form ähnlich: Item kricrko äs larandia stabst srikko von ühsrandt Hst ein Vor- attodium in Kudixisdorti st 12 werk in Lohrsdorf unä 12 Groschen Grossos reddituum. Einkünfte. In U. 36 werden Liczko von Kisicz 2 Wark Einkünfte in Kudigers- äorf zugestsnden. Huf äie Aufzeichnung im Kegistrum marchionum von 1378 soll erst später eingegangen werden. Allmählich wurde äer Dame nach einigen Twischen- lormen in Kuägersdorf (1334), Kursdorf (igio, 1512) zu Lohrsdorf (1653). keilrag zur Milsäruffer Eisen bakn geschickte, von p. Rehme, Freiberg. In unserer Heimatstadt Wilsdruff hat man sich schon frühzeitig bemüht, Anschluss an eine äer wichtigen, grossen Eisenbahnlinien zu erhalten. Schon beim Lau äer Dresden —freiberg—Ehemnitzer Strecke wurde äer plan erwogen, äie Linie über Wilsdruff zu führen. Im Auf trage äes Kgl. Finanzministeriums arbeitete Oberingenieur Krausch äas Projekt einer Lahn von Dresden über Wilsdruff nach Freiberg aus. In den boer Jahren, als äer plan aultsuchte, eine Lahn von Leipzig über Döbeln nach Oresäen zu bauen, rührten sich nun äie Wilsdruffer selbst recht sehr, um Anschluss an äiese wichtige Linie zu erhalten. Ihr Wühen unä Arbeiten für äiesen plan wirä uns äeuttich klar aus einem Aktenstück, äas ich im Auszug« hier wieäergeben will. Gerichtsamtmann Leonharäi war einrr ä«r «ängsten Kämpfer Wilsdruffs kür äieses Projekt, unä wahrlich, äie Mlsärufter Haben s an Mitarbeit unä Unterstützung nicht fehlen lassen. Ond äoch ist auch äirser plan, äiese tzoffnung für unsere tzeimat- staät zunichte geworäen. Wan überlege nur, zu welch grossem Vorteil für äie Entwicklung unserer Stadt äer Anschluss an eine Grossbahn geworäen wäre! In Wilsdruff eine sufblühenäe Inäustrie unä keine unmittelbare Lahnverbinäung mit äen Grossstädten vorhanäen. Twar ist äoch äer plan einer, wenn auch nur mittelbaren, Lahnverbinäung Oresäen — Wilsdruff— Oossen später verwirklicht woräen in unserer Kleinbahnlinie Potschappel—Wilsdruff—Oossen. Von grossem Oachteil für äen Güter verkehr (nach Wilsdruff für äie Wöbelinäustrie: Kohlen, Holz; von Wilsdruff äie Inäustrierzeugnisse: Wobei) ist äie Omladenotwendigkeit in Potschappel bzw. auch Oossen. Oer rege Letrieb, äer sich besonäers auf äer Kleinbahnstrecke Potschappel—Wilsdruff entwickelt hat, lehrt, wie notwenäig unä segensreich für unsere Heimatstadt Wilsdruff eine unmittel bare Grossbahnverdinäung, besonäers mit Oresäen, gewesen wäre. Lei jeäem Lahnbsuprojekt war's anäers gekommen, als man in Wilsdruff erhoffte; so such in äen boer Jahren. (Fortsetzung in nächster Nummer.) Schriftlrit»ng: vstrein für Natur- und Heimatkunde durch Dberlehrer Kühne, Wilsdruff. vru«k und Verla-: Arthur Aschunke, Wilsdruff. Dr. zb 6. Dezember 1919 8. Jahrgang Miisäruff und seine Umgebung im Lekn- buck frieclricks cies Strengen §349/90. Von Dr. Herbert L. Schönebaum-Leipzig. (Schluß ans voriger Nummer.) Wan vergleiche äsmit H. ZI. A. Lop. 25 f. 17 einen Leibgeäingsbrief kür Katherins, Gattin äes Oresäner Lürgermeisters Johannes von Wilsdruff: . . . Latkerina, oontkorasts lexi- rima cstsoreti Iostannis cle ^ilanttis- tork, ma^istri civium in Oresäen littest» nostri ttilecti. . . . astottiny; in Oroinr necnon 5 marea» rettiturun enm ttimittia in vista >4arottilstors äistrictns Dresdens!« enm omnibus ntisttatibu», stonoridu» et attinelücii» universis. Datum Dresden anno D in die eonversionis »ancti kaust. . .. Katherina, Gattin Johannes von Wilsdruff, unsers geliebten tteuen Lürgermeisters zu Dresden. Das Allod Prohlis unä Z>/z Wark Einkünfte im Dorf Warsäorf mit Outzungen, Würden und Tugehö- rungen. Dresden, 25. Januar 1350. Friedrich von Luben haben . . . . in Grumbach 1 Schock» Einkünfte, 6 Scheffel Korn und ebensoviel Hafer. In IX, , Districlus Garant: Item Kriäericu» Ze Duden« et sui Iratre» stabent ... in Grundacst I sexaxenLM rettdituum, 6 modios sistxini» et totittem avene. Aus beiden Zeugnissen ist der Lesitz der Familie von Wilsdruff zu ersehen. Vermutlich ist sie selbst ansässig gewesen auf dem Allod Wilsdruff, das aber im Lehnbuch nicht erwähnt wird. Über Grumbach erfahren wir mehr. »44 > Schocke Eroschen. '4'