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Wilsdruffer Tageblatt : 19.10.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191810193
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19181019
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19181019
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-10
- Tag 1918-10-19
-
Monat
1918-10
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 19.10.1918
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Kaiser Karl an ftme VMer» Wien, i7. Oktober. Eine Sonderausgabe der „Wiener Zeitung* veröffent- licht folgendes Allerhöchste Manifest: An meine getreuen österreichischen Völker! Seitdem ich den Thron bestiegen habe, ist es mein unentwegtes Bestreben, allen Meinen Völkern den ersehnten Frieden zu bringen, sowie den Völkern Österreichs die Bahnen zu weisen, auf denen sie die Kraft ihres Volkstums unbehindert durch Hemmnisse und Reibungen zur segensreichen Entfaltung bringen und für ihre geistige und wirt schaftliche Wohlfahrt erfolgreich verwerten können, das furchtbare Ringen des Weltkriege hat das Friedens werk bisher gehemmt. Heldenmut und Treue —, opfer williges Ertragen von Not und Entbehrungen haben in Lieser schweren Zeit das Vaterland ruhmvoll verteidigt. Die harten Opfer des Krieges müssen uns den ehren vollen Frieden sicher», an dessen Schwelle wie heute mit Gottes Hilfe stehen. Nunmehr muß ohne Säumnis der Neuaufbau des Vaterlandes auf seinen natürlichen und daher zuver lässigsten Grundlagen in Angriff genommen werden. Die Wünsche der österreichischen Völker sind hierbei sorgfältig miteinander in Einklang zu bringen und der Erfüllung zuzuführen. Ich bin ent- schlossen, dieses Werk unter freier Mitwirkung meiner Völker im Geiste jener Grundsätze durchzuführen, die sich die verbündeten Monarchen in ihrem Friedens angebot zu eigen gemacht haben. Österreich soll dem Willen seiner Völker gemäß zu einem Bundesstaat werden, in dem jeder Volksstamm auf seinem Siedelungs- gebiete sein eigenes staatliches Gemeinwesen bildet. Der Vereinigung der polnischen Gebiete Österreichs mit dem unabhängigen polnischen Staate wird hierdurch in keiner Weise vorgegriffen. Die Stadt Triest samt ihrem Gebiete erhält den Wünschen ihrer Bevölkerung entsprechend eine Sonderstellung. Diese Neugestaltung, durch die die Integrität der Länder der ungarischen heiligen Krone in keiner Weise berührt wird, soll jedem nationalen Einzel- -staate seine Selbständigkeit gewährleisten. Sie wird aber auch gemeinsame Interessen wirksam schützest -find überall dort zur Geltung bringen, wo die .Gemeinsamkeit ein Lebensbedürfnis der einzelnes Staatswesen ist. Insbesondere wird die Vereinigung aller Kräfte geboten sein, um die groben Aufgaben, die sich aus Ruckwirkungen des Krieges ergeben, nach Recht und Billig keit erfolgreich zu lösen. Bis diese Umgestaltung auf gesetzlichem Wege vollende« ist, bleiben die bestehenden Einrichtungen zur Wahrung der allgemeinen Interessen unverändert aufrecht. Meine Regierung ist beauftragt, zum Neuaufbaue Österreichs ohne Verzug alle Arbeiten vorzubereiten. An die Völker, aus deren Selbstbestimmung das neue Reich sich gründen wird, ergeht mein Ruf, an dem großen Werke durch Nationalraie mitznwirken, die — gebildet aus den Reichs- ratsabgeordneten jeder Nation - d-n Interessen der Volker zueinander sowie im Verkehr mit meiner Regierung zur Geltung bringen sollen. , unser Vaterland, gefestigt durch die Ein ¬ tracht der Nationen, die es umschließt, als Bund freier Volker aus den Stürmen des Krieges hervorgehen. Der Segen des Allmächtigen sei über unserer Arbeit, damit das große Friedenswerk, das wir errichten, Glück alle« meiner Völker bedeutet. Der Abtransport der französischen Bevölkerung. Da sich in der Gegend von Cambrai und Douai schon wochenlang schwere Kämpfe abspielen, hat sich die Heeres leitung verpflichtet gesehen, die Zivilbevölkerung rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Die Abbeförderung war eine sehr schwierige Sache, da vor allen Dingen die Ostausgänge der Stadt unter Feuer gehalten wurden. Man hatte der Bevölkerung durch öffentliche Anschläge mehrere Tage zuvor die Abbeförderung bekanntgegeben. Darauf erfolgte die persönliche Aufforderung an die Familien, Be sprechungen mit dem Bürgermeister, Ausgabe von Ein teilungskarten an Familien, Einteilung in Kolonnen und die Verpflegungsausgabe für mehrere Tage. Außerhalb des Ortes wurden Sammelplätze angelegt und von der Militärbehörde Pferde, Wagen und Eisenbahnzüge zur Verfügung gestellt, die für die Zeit und Dauer des Ab transportes der Bevölkerung für Militärzwecke gesperrt waren. Die Kolonnen wurden von Begleitmannschaften übernommen, die sie auf befohlenen Straßen nach Orten des Hintergeländes brachten, nach denen Quartiermacher oorausgeschickt waren. Auf den Wasserstraßen Nordfrank- ceichs transportierte man Greise, Kranke und Kinder, die den Anstrengungen des Fahrens aus den Landstraßen xncht gewachsen gewesen wären. So wurden sachgemäß auf Kähnen aus Douai 500 Kranke und Krüppelkinder und 250 kranke Frauen aus Hospitälern unter Aufsicht eines Arztes und mit Unterstützung von Sanitätspersonal vor den englischen Granaten in Sicherheit gebracht. Meine Kriegspost. Berlin, 17. Okt. Das Abschiedsgesuch des Generals v. Franyois ist nunmehr vom Kaiser genehmigt worden. Der verdiente Heerführer, der nicht weniger wie 91 Schlachten und Gefechte geführt hat, ist unter Belassung s Is suUs des Königin-^ Elisabetb-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 3 sowie unter Ver leihung des Großkreuzes des Roten Adler-Ordens mit Eichen laub und Schwertern mit der gesetzlichen Pension zur DiS< vaütivn aeltellt worden. Politische Rundschau. Deutsches Reich. ; * Die Frage der Besetzung des Staatssekretariats des Kriegsernährungsamtes scheint noch nicht gelöst zu sein. Bekanntlich hat der Staatssekretär v. Waldow sein Rücktrittsgesuch eingereicht. Während es zunächst hieß, daß er im Amte bleiben werde, verlautete dann, daß er doch gehen würde, und Oberpräsident v. Batocki wurde als sein Nachfolger genannt. Jetzt aber wird bekannt, daß Herr v. Batocki es abgllehnt habe, nochmals die Leitung des Kriegsernährungsamtes zu übernehmen, und daß er in Ostpreußen zu bleiben gedenke. * Die Fragen der Demobilisierung der Arbeiter schaft werden in einer besonderen Kommission des Reichs wirtschaftsamtes lebhaft erörtert. Der Kommission ge hören Mitglieder sämtlicher Reichsresiorts, der militärischen Behörden und der bundesstaatlichen Behörden sowie einige Vertreter der Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Die Aufgabe dieser Kommission ist, den Staatssekretär des Reichswirtschaftsamtes in den einschlägigen Fragen zu beraten und alle langwierigen Verhandlungen zwischen den verschiedenen Reichs- und Staatsbehörden auszu schließen. ES soll von dieser Kommission auch festgestellt werden, in welcher Reihenfolge die Entlassungen aus dem Heere zu erfolgen haben unter Berücksichtigung der Be völkerungsverteilung, der Wohnungsgelegenheiten und der Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten. Großbritannien. X Der Wiederzusammentritt des englischen Unter hauses stand im Zeichen des Waffenstillstandsangebots. Es wurden viele Fragen über die schlechte Behandlung kritischer Kriegsgefangenen durch die Deutschen und über Vergeltungsmaßregeln gestellt. Ein Mitglied erklärte mter dem Beifall des Hauses, was die Türkei betreffe, so sei die bedingungslose Auslieferung der britischen Kriegsgefangenen die Voraussetzung für jeden Waffenstill- tand. Was die Mittelmächte betreffe, so sei es nicht er- vünscht, die Bedingungen, unter denen allein einem Waffenstillstand zugestimmt werden könnte, einzeln zur Sprache zu bringen. Bonar Law sagte in Beantwortung sicherer Fragen, es sei nicht erwünscht, im jetzigen Augen- klicke irgendeine Erklärung über die militärischen Ope rationen oder über Friedensmöglichkeiten abzugeben. Finnland. X Die Möglichkeit der Räumung der östlichen Gebiete durch die deutschen Truppen wird von einem Teil der finnischen Zeitungen mit großer Sorge besprochen. Man neint, im Interesse der von Rußland befreiten Völker sei ks notwendig, daß die führenden Weltmächte sich trotz aller Meinungsverschiedenheiten über Maßnahmen verständigen, rm die Randstaaten vor der drohenden bolschewistischen Uefahr zu schützen. Das sei nicht nur um dieser Völker Villen notwendig, sondern im Interesse ganz Westeuropas md seiner Kultur. Der Kampf gegen eine allgemeine Weltanarchie sei ein Kampf der Kultur gegen die Barbarei, Ün Kampf wahrer Demokratie gegen den Terror der Rechtesten Elemente der Gesellschaft. Finnland, die Ost- eeprovinzen, Litauen, Polen und die Ukraine seien Europas Vorposten gegen den Äolschewismus und bedürfen inter- lationaler Unterstützung. Sie dürfen um keinen Preis ihrem Schicksal überlassen werden. v Aus Zn- uno Ausland. Berlin, 17. Okt. Wie die hiesige russische Botschaft mft- ieilt, ist das Gerücht, daß auf Lenin ein Anschlag verübt worden ist, unzutreffend. Berlin, 17. Okt. Der Reichstag wird der D. T- Ztg. zufolge wahrscheinlich erst am Montag zusammentreten. Berlin, 17. Okt- Der deutsche Arbeitrrkongreß wendet sich in einem Aufruf an die Streiter an der Front wie in der Heimat, im letzten Entscheidungskampfe auszubarren. Rote Rosen. Roman von H. Courths-Mahler. 112) O — sein ich froh und voll Dankbarkeit gewesen für Mr. Dunby! Leiste Söhne haben mich nehmen wollen die Dollars, trotzdem sie haben jeder zehnmal so vier als ich. Aber mein Maggie ist gelaufen bei das Notar und ich mit, und es hat nicht geholfen Mr. Dunbys Söhnen, sie haben mich lassen müssen mein Geld. Mein Mamy haben gesagt, als sie krank war: „Wenn ich tot bin, gehst du nach Deutschland, meine kleine Gladhs, da hast du einen Onkel und eine Schwester/' Und hat mich gegeben meine Papiere und mich schon früher immer erzählt von Deutschland, was mich gemacht hat voll Sehnsucht. So bin ich dann, wie alles ist gewesen in Ordnung mit meine Geld, mit Maggie nach Deutschland gereist. In Berlin Haber ich mich gewestdet an das Konsulat, um nach meines Naters Bruder zu forschen. Daß er dich genommen in sein Haus als sein Tochter, hat Mamy mir gesagt Und der Konsul haben mich gesagt, alles, was rH tun soll, und wo du lebst, und daß du geworden iw zwischen Gräfin Namberg. Ehe ich dies alles gewußt hat mich Graf Henning gesehen in Berlin und yüi gerufen: „Josta, liebe Josta!" ^ch l oben gewußt, daß mein Schwester Josta heißt so oeireuen Am liebsten bätte ick> aleick mit ihm gesprochen von dir. Aber das darf nicht sein. Und dann bin ich gekommen vor das Haus des Ministers von Waldow und habe ihm sagen wollen guten Tag, und ich bin Gladys von Waldow. Da sein er gewesen tot. O — wir war ich da voll Be trübnis! Und mußte wieder gehen, ohne dich zu sehen und zu sprechen. Aber auf das Friedhof bin ich ge gangen und habe dich gesehen und bin gewesen so glücklich und haben dich immerfort nur angesehen. Aber ich konnte doch nicht stören dein Trauer und bin wieder gereist nach Berlin. Jetzt habe ich aber nicht länger können warten und reiste nach Ramberg, um dich, zu sprechen. Wie ich kommen mit mein Schlitten an vas -siarktor von Ramberg, da stehen Graf Henning und sieht mich an mit so großen Augen und sagt mich gleich, ich bin dein Schwester und du weißt von mich und haben nach mich gesucht. O wie bin ich da gesprungen vor Glück aus das Schlitten! Gras Henning hat mich geführt zu deine liebe Mann, uno er haben gesagt, ja, ich muß zu dir gehen nach Waldow und bei dir bleiben, du sollst nicht so allein sein. Und so traurig war deine Mann, daß ich gemeint, du bist krank. So, mein liebes Schwester, und hier bin ich nun und könnte so glücklich sein — wenn du nicht machst so traurige Augen, wie dein Mann. Ich glaube doch, du hast gemacht ein großes Dummheit." > Aufatmend schwieg Gladhs still und mußte nun erst noch einmal die Schwester Herzen und küssen. Und dann richtete sie aus, was ihr die beiden Brüder für Josta aufgetragen hatten und mußte ihr noch genau von allem berichten, was sie in Ramberg gehört und gesehen hatte. Es war dunkel geworden, und die beiden Schwestern saßen noch immer dicht aneinander geschmiegt und plau derten. Dann kam die Zofe und zündete Licht an. Sie fragte, ob sie den Tee bringen sollte und wundert« sich sehr, als sie ihre Herrin mit der jungen Dame so vertraulich beisammen sitzen sah. „Das ist meine Schwester, Anna", sagte Josta lächelnd. „Bringen Sie uns den Tee und schickest Sie Maggie herein." Und Maggie kam und freute sich sehr, daß sie Gladhs in den Armen ihrer Schwester fand. Josta sprach freundlich mit ihr in englischer Sprache, worüber sich Maggie sehr freute. Gladhs sagte Maggie, daß sie bei ihrer Schwester bleiben würde. Maggie solle nach Berlin zurückfahrest in der Pension alles regeln und mit dem gesamten Gepäck so bald als möglich wieder nach Waldow kommen. Die beiden Schwestern hatten sich schnell in inniger jLiebe gesunden und verstanden einander sehr gut ,Gladys heiterte ihre Schwester nach Kräften auf und wartete, daß diese ihr anvertrauen sollte, was eigent- Berlin, 17. Okt. Vor dem Reichstagsaebäude veranstaltete die Unabh. Sozialdemokratie eine Kundyebnnü, in deren Verlauf es zu einem Zusammenstoß mtt der Polizei kam, die von der blanken Waffe Gebrauck machen mußte. Drei Personen wurden verbnftet. Verkäufer einst und jetzt. Von Friedrich Hutb. Während vor dem Kriege der deutsche Kaufmann in der ganzen Welt zu den höflichsten Menschen zählte, und gerade wegen seiner übertriebenen Ergebenheit den Kunden gegenüber häufig die Spottlust herausforderte, wird jetzt allgemein über die Unhöflichkeit der Kaufleute, insbesondere Ler Ladeninhaber und ihrer Angestellten, Klage geführt. Verschwunden ist der typische Kaufmann, der den Kunden nach Erledigung des Einkaufs öder auch nach langer fruchtloser Besichtigung der Ware bis an die Ladentür brachte, um ihn hier mit einem Bückling und der Bitte zu entlassen, ihn bald wieder mit einem Besuche beehren zu wollen. Mit solchen patriarchalischen Verhältnissen rechnen wir schon gar nicht mehr; wir sind schon zufrieden, wenn wir mit einer durch den Verkehr gebotenen Rücksicht be handelt und nicht schroff abgefertigt werden. Wir wissen heut: die Höflichkeit des Verkäufers war nicht echt — es war eine Tünche; die scharfen Regenschauer des Krieges haben sie heruntergewaschen. Wir müssen uns klar machen, daß die Höflichkeit des Kaufmanns nichts anderes war als das Propagandamittel, dessen es heut nicht mehr be darf. Infolge der großen Überproduktion von Waren jeder Art und des hierdurch hervorgerufenen Wettbewerbs der Kaufleute war das kaufende Publikum eine Macht, um dessen Gunst der Kaufmann, wenn er im Konkurrenzkämpfe nicht unterliegen wollte, mit allen verfügbaren Mitteln werben mußte. Die Höf lichkeit war ein Werbemittel, das nichts kostete und viel einbrachte; aber es war doch sauer, vor jeder alten Spinat wachtel zu katzbuckeln, die keinen Meter Band, keine Nacht mütze kaufen konnte, ohne etwas abzuhanöeln. Wie ost mag der Kaufmann da die Faust in der Tasche geballt haben — bis schließlich die Zeit der Vergeltung kam. ' An die Stelle des Waren-Überflusses ist der Waren mangel getreten; nun hat es kein Verkäufer mehr nötig, um die Gunst des Publikums zu werben. Es fehlt ja nicht an Käufern; im Gegenteil — nicht den zehnten oder zwanzigsten Teil ihrer Wünsche vermag man zu be friedigen. Jetzt muß umgekehrt der Käufer um die Gunst des Verkäufers werben, der mit seinem Rücken die auf gestapelten Schübe deckt. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft." Dies Wort ist nicht etwa in dieser fett losen Zeit von einem Butterfräulein geprägt worden, nein, es hatte schon vor dem Kriege Geltung. Der Kaufmann suchte sich seine Kunden durch Zugaben und „Prämien" warm zu halten. Es war eine tief eingewurzelte Sitte der deutschen Kaufleute (es klingt heut fast märchenhaft) den Hausfrauen, Dienstmädchen und Kindern bei ihren Einkäufen eine Zu gabe in Gestalt einer Tafel Schokolade, einer Schachtel Seife oder einer Tüte Bonbons zu geben — heute lauter Wertobjekte! und namentlich gegen Weihnachten waren sie besonders freigebig. Aus dieser alten Sitte hatte sich aber lll oen lepien sauren vor oem Kriege ver grobe Unfug; entwickelt, jedem Käufer beim Einkauf bestimmter Waren' „hochwertige" Geschenke oder „Prämien" zu verleihen, und! zwar zunächst in Gestalt von Gutscheinen, die den mannig fachen Büchsen, Päckchen usw. beigelegt waren. Die Packungen enthielten auch illustrierte Verzeichnisse, in denen die wertvollen Geschenke aufgeführt waren, die man für 100 oder 500 oder 5000 Gutscheine erlangen konnte. Ein „Palm- butter"-Fabrikant lieferte z. B. für 100 Gutscheine, die man durch den Einkauf von 100 Pfund Palmbutter er- langen konnte, eine Damenhalskette, eine Uhrkette oder ein halbes Dutzend Kaffeelöffel. Der Fabrikant eines Butter- Ersatzstoffes veranstaltete zur Einführung seines Fabrikats ein großes Pfannkuchenbacken. Es wurden nicht nur tausend Pfannkuchen gratis in den betreffenden Laden geschäften an anwesende Kunden verteilt, sondern jeder derselben erhielt auch noch beim Einkauf von nur einem Pfund Konfitüren, Schmucksachen, aber auch bar Geld wurde als etwas Selbstverständliches hingenommen. Waren, die völlig vom Erdboden verschwunden sind, feiern bei Anwendung dieser Zauber- und Schmiermittel eine fröhliche Auferstehung. Auch zahlreiche Ladeninhaber sind freundlichen Gaben nicht abhold. Sie sind durch Zahlung von Überpreisen wie durch Beschaffung von Naturalien zu gewinnen. Apfel werden gegen Fleisch, Wurst und Speck — Gemüse gegen Backwaren — Tabakwaren gegen Spirituosen eingetauscht usw. Kein Wunder also,, daß der Kaufmann seine Waren lich zwischen ihr und ihrem Gatten geschehen war. Aber sie fragte nicht mehr, weil Josta in Tränest ausbrach, sobald Gladhs von Rainer sprach. Silvester und Neujahr verlebten die Schwesterst ganz allein. Am Neujahrstag kam Maggie von Berlin zurück. Sie umsorgte nun die beiden Schwestern, wie sie sonst nur ihr Mißchen umsorgt hatte. Gräfin Josta gehörte nun in Maggies Herzen mit zu Gladys. ES wollte der alten treuen Dienerin gar nicht gefallen, daß die junge Gräfin so traurig war. Sie können mir glauben, Mißchen, da ist etwas nicht in Ordnung. Sie müßten alles tun, um Gräfin Josta zu bewegen, wieder nach Ramberg zurückzu kehren. So eine junge Frau gehört zu ihrem Manne" sagte sie. Gladys schüttelte den Kopf. „Ich darf gar nicht mtt Josta über ihren Mann sprechen, meine gute Maggie. Sie sagt mir, sie ist für immer von ihm fort. Wahrscheinlich haben sie sich erzürnt. Wenn ich nur wüßte, warum, damit ich sie versöhnen könnte. Am Tage nach meiner Ankunft Hal sie einen Bries von ihrem Mann bekommen und sehr darüber geweint." Maggie machte ein ganz bekümmertes Gesicht. — Der Brief, den Josta von Rainer erhalten hatten lautete: Meine liebe teure Josta! Erlaß es mir, Dir zu schildern, wie Dein Forb- gehen auf mich gewirkt hat. Von mir will ich übex-, Haupt nicht sprechen, sondern nur von Dir. Ich habe Dir nichts zu verzeihen, mein geliebtes Kind, und ich weiß, Du hast nur getan, was Du tun mußtest. Weil Du es nicht wünschest, will ich jetzt nicht nach Waldom kommen. Werde erst ruhig, und wenn Du es über Dich! gewinnen kannst, mich zu sehen, dann rufe mich, damit wir alles weitere besprechen können. 'Solange Lassen wtr die Leute in der Meinung, daß Du in Waldow bist, um den Nachlaß Deines Vaters zu ordnen. Ich bin so froh, daß Du nun wenigstens Deine Schwester bei Dir hast. Der Gedanke, daß Du allein warst, erschien mir unerträglich. - i ortletzong folgt.'
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