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Wilsdruffer Tageblatt : 10.10.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191810102
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19181010
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19181010
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-10
- Tag 1918-10-10
-
Monat
1918-10
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 10.10.1918
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wurde er in einer Nachwahl vom Siegkreise in den Reichs tag entsandt. Trimborn hat sich im Plenuni wie in ver schiedenen Kommissionen des Reichstags eifrig betätigt und erfreut sich auch außerhalb des Kreises seiner engeren Parteigenossen wegen seiner umfassenden Sachkenntnis und seines Humors allgemeiner Wertschätzung. Der schon vor einigen Tagen als bevorstehend ge meldete Rücktritt des Chefs des Geheimen Zivilkabinetts des Kaisers v. Berg wird jetzt amtlich bestätigt. Zu seinem Nachfolger soll eine mit den parlamentarischen Ver hältnissen und Gepflogenheiten vertraute Persönlichkeit be rufen werden. Württemberg und die neue Reichsregierung. Der »Staatsanzeiger" für Württemberg, das amtliche Organ der rvürttembergischen Regierung, schreibt über die Stellungnahme Württembergs zur Reichsregierung folgen des: „Wir begrüben die Regierung des Reichskanzlers Prinzen Max von Baden; das deutsche Volk erwartet von ihr vertrauensvoll den baldigen Abschluß des erwähnten Friedens und eine glückliche Überleitung in das neue Deutschland, wie es das Wohl des Vaterlandes erfordert. Sollten unsere Gegner die gebotene Hand zurückweisen und die Hoffnung auf den Sieg den Gedanken des Völker friedens zunichte machen, so blicken wir mit fester Zuversicht auf die unvergleichlichen Verteidiger unserer Heimat." * Die deutsche Regierung und Wilsons Programm. Die halbamtliche Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Die Kölnische Zeitung glaubt, zwischen dem Programm der Mehrbeitsparteien und dem Programm des Präsidenten Wilson gewisse Unterschiede zu erkennen. Dem gegenüber kann nicht bestimmt genug betont werden, daß die deutsche Regierung und die Mehrheit des Reichstags das ge samte Wilsonsche Programm ohne Ausnahme und Einschränkung als Grundlage für den Frieden an genommen haben. Ein deutscher Entwurf für den Völkerbund. Wie von zuständiger Seite verlautet, sind die mit der Gründung eines Völkerbundes zusammenhängenden Fragen seit längerer Zeit im Auswärtigen Amte unter Zuziehung von Parlamentariern und Völkerrechtslehrern eingehend erörtert worden. Diese Erörterungen haben bereits zur Aufstellung formulierter Vorschläge geführt, die im wesentlichen die in dem bekannten Programm der Mehr- beitsparteien als Grundlagen des Völkerbundes aufge führten Punkte betreffen. Zwecks Beratung dieser Vor schläge und Herstellung eines endgültigen deutschen Entwurfs wird vom Staatssekretär des Auswärtigen Amtes eine Kommission berufen, der neben den Vertretern der beteiligten Ressorts Parlamentarier und Völ'errechts- lebrer und außerdem Vertreter sonst beteiligter Kreise an- gehören werden. Zwischen Krieg und Frieden. Von einem militärischen Mitarbeiter. Wie unsere Oberste Heeresleitung vorausgesehen hat, seht Foch seine Anstrengungen fort, vor Beginn deS Winters und ehe die Kohlenknappheit sich immer fühl barer im Ententelager macht, unter Einsatz ungeheurer Masten von Menschen und Material die Westfront ein zudrücken. Amerikaner und Engländer sind ganz auf den Plan abgestimmt und nicht umsonst hat die Regierung der Ver einigten Staaten eingewilligt, daß alle amerikanischen Trup pen auf Frankreichs Erde dem französischen Generalissimus unterstellt werden. Aber die unvoreingenommene Kritik muß feststellen, daß Fochs Anstrengungen vergeblich, daß seine fürchterlichen Blutopfer umsonst sind. Er kann — jetzt zwischen Krieg und Frieden — die ersehnte Ernte nicht mehr in die Scheuern bringen. Mit jeoem Tage treten Lie deutschen Abwehrerfolge deutlicher in die Erscheinung und wenn auch noch mit weiteren starken Angriffen zu rechnen ist, so steht doch heute schon fest, daß das Ziel der Generaloffensive deS Verbundes, die Durchbrechung und Aufrollung unserer französisch-belgischen Front für dieses Jahr nicht mehr erreicht werden kann. Die Entente sieht nun zwei Wege vor sich, um sich für den ausgebliebenen Erfolg zu entschädigen. Zunächst treibt sie wieder eine großzügige Propaganda, um durch über triebene Meldungen über deutsche Verluste die Stimmung Ler eigenen Truppen zu heben ünd die Moral der deutschen Soldaten zu zermürben. Für uns genügt dem gegenüber die einfache amtliche Feststellung, daß die Ententemeldungen über deutsche Verluste an Vermißten und Gefangenen die Wirklichkeit um ein Vielfaches übertreffen. Die letzten Tage aber haben unseren Feinden noch «inen zweiten, nach ihrer Meinung sichereren Weg eröffnet, daS Ziel zu er reichen. Die französische Presse gibt der Welt davon Rare Rolen. Roman von H. CsurthS-Mahler. 104) Und gehen mußte sie, ohne ihn noch einmal zu sehen. Sie hätte nicht noch einmal vor seinen Augen stehen können, mit dem Bewußtsein, ihm lästig gewesen zu sein. Nein — nein — ihn nur nicht Wiedersehen! — Das ging über ihre Kraft! Und mühsam immer wieder abschweifend in ihren Gedan ken, legte sie sich einen Plan zurecht, wie sie sich von Ramberg entfernen konnte. Zum Souper ließ sie sich entschuldigen mit Kopf. Weh. Auch die beiden Brüder kamen nicht zu Tisch So saß Gräfin Gerlinde allein in dem großen Speise saal hinter dem Vorhang, der die Nische abschloß, Die Unruhe hatte sie herüber getrieben. Ohne jemand gesehen zu haben, kehrte sie nach Tisch in das Wit wenhaus zurück. Sie nahm aber die Ueberzeugung mit sich, daß die Entscheidung bereits gefallen sein mußte. Erst als im Schlosse scheinbar schon alles zur Ruhe gegangen war, klingelte Josta ihrer Zofe. Sie gebot ihr, einen kleinen Handkoffer mit dem Nit tigsten für einige Tage zu packen. j ,Zch reise morgen früh mit dem ersten. Zuge nach Waldow. Meine Anwesenheit dort ist jetzt schon nötig. Sie begleiten mich," sagte sie. Die Zofe wunderte sich nur, daß die Frau Grä fin den ersten Zug benutzen wollte, der schon gegen fünf Uhr ging. Sonst erschien ihr nichts auffallend, denn die Reise nach Waldow war oft genug besprochen worden, und die Zofe wußte, daß ihre Herrin dort allerlei zu ordnen hatte. Ehe sich Josta für einige Stunden niederlegte, schrieb sie einen Brief an ihren Gatten, den ließ sie auf ihrem Schreibtisch liegen. Am nächsten Morgen ließ sie sich den kleinen Schlitten anspannen. Gefolgt von ihrer Zofe, durch, schritt sie das Schloß. „Zum letzten Male!" dachte sie, und eS war aller tot und still in ihr. Kunde, indem sie die Meinung vertritt, daß mit Deutsch land und seinen Verbündeten nicht verhandelt werden dürfe, solange das französische und belgische Gebiet nicht geräumt sei, mit andern Worten, die Vorbedingung für einen Waffenstillstand müsse die Zurückziehung unserer Truppen bis zur deutschen Grenze sein. Daß eine solche Forderung unannehmbar für uns wäre, weil sie den Weg zur Selbstoernichtung bedeutet, scheint man in Frankreich gar nicht in Erwägung zu ziehen. Die Sachlage ist doch die: Unsere Heere stehen noch immer unbesiegt auf feindlichem Boden und die Fortsetzung der von Foch eingeleiteten Kampfmethode würde die Ver wüstung des besetzten Gebietes in demselben Maße be deuten, wie sie über jene Landesteile hereingebrochen ist, in denen bisher der Kampf getobt hat. Die feindliche Heeresleitung muß sich sagen, daß der Verdrängung unserer Truppen aus Nordfrankreich und Belgien, wenn sie über haupt denkbar ist, die Vernichtung der blühendsten Städte, wie Lille, Roubaix, Gent, Brügge, Brüssel, Namur und Lüttich vorausgehen müßte, ähnlich wie Amiens, Soissons, Cambrai, St. Quentin und andere vernichtet worden sind. Man muß sich also auf Seiten unserer Gegner und besonders im französischen Lager die Frage vorlegen, ob die Vorteile, die eine Fortsetzung des Kampfes bringen kann, die Opfer wert sind, die sie notwendigerweise erfordern würde. In eine Räumung des besetzten Gebietes als Vorbedingung des Waffenstill standes kann Deutschland aus Selbsterhaltungstrieb nicht willigen. Wenn nämlich in den etwaigen Verhandlungen, uns Friedensbedingungen angesonnen werden sollten, die unserer Ehre und Würde widersprächen, wenn wir dann gezwungen wären, den Kampf um Leben und Tod fortzu setzen, so wäre die Voraussetzung für das entscheidende letzte Ringen für uns ungleich ungünstiger als jetzt. Das Schicksal, das unter Umständen die französischen und belgischen Städte bedroht, würde unser Industriegebiet heimsuchen: Aachen, Trier, Köln, Karlsruhe, Mannheim und viele andere blühende Städte wären verloren, ganz abgesehen davon, daß wir strategisch und kriegswirt schaftlich in einer Lage wären, die kaum Aussicht auf siegreiche Selbstbehauptung böte. Kein Deutscher will den Waffenstillstand um den Preis unserer Wehrlosigkeit, kein Deutscher den Frieden um den Preis unserer Erniedrigung, Entwürdigung und Vernichtung. Unsere Westfront ist intakt. Sie steht fest in Er wartung des Friedens, zu dem Deutschland die Hand geboren hat, aber auch entschloßen und bereit, den Kampl fortzusetzen, wenn Freiheit und Ehre es gebieten. Deutsches Heldentum iu Macedonien. In einem Tagesbefehl an die Heeresgruppe o. Scholtz heißt es u. a.: Seit Wochen stehen die deutschen Truppen der Heeresgruppe in schwersten Kämpfen. In kleinen Güwpen weiträumig auf die bulgarischen Streitkräfte oer- leui, oft ganz auf sich selbst gestellt, haben sie bei Beginn des feindlichen Angriffs in aufopferungsvollster Weise ver sucht, die wankende Front des einstmals tapfer kämpfenden Bundesgenossen zu stützen und ihm die Früchte gemein samer Siege zu erhalten. Der Verbindungen und der Nachschübe beraubt, haben auch die deutschen Truppen schließlich der erdrückenden Übermacht weichen müssen, nie aber hat ihr soldatischer Geist versagt! In zähem Widerstand, hinter Abschnitten und auf Höhen sich^ festklammernd, haben sie dem Feinde den leichten Erlöst verwehrt. Oft ohne alle Nachrichten, in Unkenntnis der Lage, im schwierigsten, unwegsamen Gelände haben Führer und Truppe gezeigt, daß deutsche Soldaten auch in der verzweifelsten Lage nicht mutlos werden, daß das Vertrauen zwischen Führer und Truppe nicht zu umergraben, deutsche Disziplin nicht zu erschüttern ist! Allen, die in diesen letzten Wochen gekämpft und geblutet, gehungert und gedurstet und doch in unerschütterttcber Treue ihre Pflicht getan haben, spreche ich meinen wärmsten Dank und meine vollste Anerkennung aus. kleine kriegspoN. Genf, 8. Okt. Wie die Agence HavaS meldet, ist der französische Flieger Garras, der kürzlich aus Deutschland gestoben war, von einem Erkundungsfluge nicht zurückgekehrt. Washington, 8. Okt. Einer Reutermeldung zufolge bat gestern morgen der schwedische Gesandte die Note Burians, der schweizerische Gesandte die deutsche Note Lansing über reicht. Der Schweizer Gesandte überreichte Wilson persönlich eine Abschrift der deutschen Note. Lugano, 8. Okt. Lloyd George erklärte gegenüber der ArbMcrvertreter, daß er völlig aus dem Boden der 14 Wil- sonictzen Friedensvunkte siebe. Luxemburg, 8. Okt Der Hosbericht gibt die Verlobung der Prinzessin Charlotte von Luxemburg, der ältesten Schwester der Grotzherzogin, mit dem Prinzen Felix von Bourbon- Varma. der Bruder der Kaiserin von Österreich, bekannt. Oer Kaiser über den Ernst der Stunde. Saarbrücken, 8. Oktober. Auf ein Telegramm der südwestdeutschen Industrie vereinigung und der Handelskammer Saarbrücken and wortete Kaiser Wilhelm: Herzlichen Dank für da- Gelöbnis zuversichtlichen Ver trauens. Die Stunde ist ernst. Wie kiimpfen für die Zu kunft deS Vaterlandes und den Schutz der Heimaterde; Dazu brauchen wir die geschlossene Waffenwirkung der geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte Deutschland-, auf denen die Zuversicht unserer Unüberwindltchkett beruht. Der Verteidigung-Wille mutz alle lockeren Anschauungen und Sonderwünsche zu einer grotzen Einheit der Anffaffun- verschmelzen. Gott schenke uns etwas vom Geiste der Fred heitskriege. Neueste Meldungen. Staatssekretär deS Innern Trimborn. Berlin, 8. Oktober. Außer den schon bekannten Ernen nungen wird im „Reichsanzeiger" die Berufung des Geheimer Justizrats Trimborn in das Staatsfekietariat des Inner» bekanntgegeben. Der Reichskanzler an Polen. Berlin, 8. Oktober. An den polnischen Regentschaftsrai bat der Reichskanzler einen Erlaß gerichtet, in dem es heißt . er habe den festen Entschluß, das Verhältnis des Deutscher Reiches zu dem neu entstandenen Königreich Polen im Geist» der Gerechtigkeit und des Verständnisses der beiderseitige« Lebensinteressen zu gestalten. Der Reichskanzler will sich ua die möglichst schnelle Beseitigung der noch bestehenden Laste- der Okkupation bemühen. Der Eindruck der KriedcnSnote in Pari». Haag, 8. Oktober. Nach dem „Nieuve Rotterdamschl Courau? wurde das Waffenstillstandsangebot der, Mittel machte am Sonnabend Abend in Paris bekannt. Die Kund, verbreitete sich wie ein Lauffeuer, überall auf den Straßei blieben die Leute stehen und bildeten debattierende Gruppen Theater, Varrelees und Kino« brachen die Vorstellungen ab von den Bühnen verlasen die Regisseure die Botschaften unte dem Jubel der Zuhörer. Frankreichs Sozialisten wollen prüfen. Genf, 8. Oktober. In der Landeskonferenz der Sozialistischei Partei Frankreichs führte Cach in aus, der Augenblick sei gs kommen, in dem die Partei sich mit den Angeboten dq Mittelmächte zu beschäftigen habe. Eine achtgliedrige Kom Mission wurde eingesetzt, um die Vorschläge der Friedens noten zu prüfen. Ungeheure Verluste der Lntente. Vaag, 8. Okt. Londoner Berichte lassen erkennen, bas? man dort besorgt ist, weil General Foch mit den eng lischen und amerikanischen Truppen so schrecklichen Raubba« treibt. Die englischen Truppen haben seit Beginn de, franko-englisch-amerikanischcn Offensive zwischen Vt.Quenti» und Cambrai 150000 Mann an Toten und Schwer- verwundeten verloren, die Australier 60 000 Mann, dit Kanadier 30°/° ihrer Stärke, die übrigen HilfSvölke, 45 °/°. Die Gesamiovfer der Amerikaner schätzt mau seit ihrem Eintreten an der Marne ans rund eine halb» Million. I Bulgariens vorbereiteter Abfall. Bern, 6. Okt. Wie der Berner Bund mitteilt, bestätig «S sich, daß zwischen Bulgarien und der Entente oder zutz mindesten einzelnen Ententemächten schon vor längerer Zei Besprechungen über Eonderfriedensverhandlungen geführ wurden. ES scheint festzusteben, daß damals Bulgarien vei sprachen wurde, daß sein Besitzstand von 1S1S auf jeden Fai wieüerhergestellt werde. j Die «holerafalle in Berlin. Berlin, 8. Oktober. In Berlin sind bis heute Morgel 17 Fälle von Cholera amtlich gemeldet worden. Von dielet sind 1ö auf die Roßschlächterei in der Linienstraße zurückzu führen. Bei zweien von den 17 Personen, welche in derselbe» Gegend wohnen, konnte der Genuß von Roßfleisch nicht siche nachgewiesen werden. Von den 17 Kranken sind bisher 1i «gestorben. Außer diesen sind zwei Fälle von Cholera vor gekommen auf einem Schiff auf dem Kaiser Wilhelm-Kana bei Marienwerder im Kreise Niederbarnim. Die Erkrankte, und die gesamte Besatzung sind dem Krankenhaus« zugesüh- worden. Bon den beiden Erkrankten ist eine Frau gs storben. Letzte Vrahtberichte „Wilsbr-ufstne Tageblatt«»". Die niichste Reichstagsfitzuug. Berlin, S. Oktober, (tu.) Der Präsident Fehrenbach hat die »ächste Reichstagssitzung auf Sonnabend den 12 Oktober Auch im Schloß regte sich noch wenig Leben um diese Zeit. Nur ein Diener stand am Portal. Er hatte den Koffer zu dem Schlitten getragen, half nun der jungen Gebieterin beim Einsteigen und breitete die Pelzoecke sorglich über sie. Dabei schalt er jedoch im stillen über die „ver rückte Idee" der Frau Gräfin, die ihn zur ungewohn- ten Zeit aus seinem warmen Bette getrieben hatte Niemand merkte etwas von dieser plötzlichen Ab reise der jungen Gräfin. Wohl hatte Graf Raine, die ganze Nacht durchwacht, und aus seinem Arbeits zimmer sah man noch jetzt das Licht leuchten. Abe, die Fenster lagen stach hinten heraus, und er war sc tu seinen Schmerz vertieft, daß er nicht das leis, Klingen der Schellen hörte, als der Schlitten vor- fuhr. Ehe derselbe jetzt mit Josta und ihrer Zofe da von fuhr, sagte sie zu dem Diener: „Wenn der Herr Graf zum Frühstück erscheint melden Sie ihm, daß ich schon den Frühzug benutz, habe, um nach Waldow zu fahren, und daß im Bou doir auf meinem Schreibtisch ein Brief für ihn liegt/ Ter Diener verneigte sich und trat zurück. Gleich darauf fuhr der Schlitten davon. Mit einem letzten Blick umfaßte Josta das im posante Gebäude, das ihr hatte eine Heimat werden sollen für alle Zeit, und daß sie nun heimlich, wü ein Flüchtling, verließ, um nie mehr znrückzukeh- ren. Sie schauerte zusammen und zog ihren Pelz- mantel fester um sich. Die Zähne schlugen ihr im Frost aufeinander. Die Zofe, die ihr gegenüber saß, wunderte sich daß ihre junge Herrin in dem dicken Pelzmantel sc sror. Es war doch nicht so kalt. Und wie starr unk bleich sie nur aussah! Diese plötzliche Abreise erschien ihr nun doch ei» wenig seltsam, weil sich der Herr Graf gar nicht Haiti sehen lassen, und weil die Frau Gräfin einen Brie, hinterlassen hatte, statt dem Grafen zu sagen, wat sie auf dem Herzen hatte. Und dann war doch auck der junge Herr Graf auf Besuch da? War es nicht som derbar, daß die Frau Gräfin gerade jetzt abreistei Gestern war doch noch gar keine Rede davon gewesen zumal doch die Frau Gräfin den ganzen Nachmittag Kopfweh gehabt hatte. Aber was sollte sie sich de» Kopf darüber zerbrechen?! Sie hatte nichts zu tu» als das, was ihr die Herrin befahl- Auch Graf Henning hatte eine schlaflose Nacht hinter sich. Nicht die Sehnsucht nach Josta hatte ihm den Schlaf ferngehalten, sondern der quälende Gedanke, was er seinem Bruder zufügen mußte, um sich selbst ein Glück zu erringen. Es erschien ihm fast unmög lich, Rainers Opfer anzunehmen. Seine heiße, sehn süchtige Liebe zu Josta war merkwürdig still geworden ist dieser Nacht. Er fühlte ganz deutlich, daß er an ihrer Seite nicht glücklich sein konnte, wenn er zuvor Rainer um sein Glück bringen mußte. Immer würde der Vorwurf in seiner Brust brennen, daß er dem Bruder die geliebte Gattin genommen hatte. Denn er konnte nicht daran glauben, daß Rainers Liebe zu Josta so väterlich ruhig war. Rainer hatte ihm das nur vorgetäuscht, um sein Opfer nicht so groß erscheinen zu lassen. Aber wie nun die Entscheidung auch fallen würde, er mußte sie jetzt hinnehmen aus Jostas und Rainers Hand. Seit er die Herrschaft über sich selbst verloren und seiner Liebe Worte gegeben, hatte er sich des Rechts begeben, in dieser Sache selbst zu entscheiden. Von Unruhe getrieben, ging er in seinem Zimmer auf und ab, nachdem er sich von seinem Lager erhoben hatte, ohne Ruhe gefunden zu haben. Er harrte nun in nervöser Erregung der Dinge, die da kommen sollten. Es war bald nach acht Uhr, da wurde plötzlich seine Tür aufgerissen, und auf der Schwelle stand Rainer mit aschfahlem, verfallenem Geficht, einen Brief in der Hand. Graf Henning zuckte zusammen und sah ihn erschrocken an. „Mein Gott! Rainer — was ist geschehen?" Graf Rainer fiel kraftlos in einen Sessel. ,Zosta! Sie ist fort," stöhnte er. Sein Bruder kaü ibn mit brennenden Armen am
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