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Wilsdruffer Tageblatt : 15.04.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-04-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192004151
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19200415
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19200415
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-04
- Tag 1920-04-15
-
Monat
1920-04
-
Jahr
1920
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 15.04.1920
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beziehung derjenigen rechtsrheinischen Gebiets ohne die er nicht lebensfähig sein würde. Frankfurt, Düffeldorf, das Ruhrgebiet müssen also los von Preußen und vom Reich. Sollen wir Köln und Koblenz in fünf Jahren, und später Mainz und die Pfalz räumen? Dann wäre Deutschland bald wieder obenauf. Also ist jede Verlegenheit Deutschlands zu benützen, um damit Vorteile für Frankreich zu erringen. England will ja möglichst nur an der Küste bleiben, Amerika und Japan haben anderweitig genug zu tun, also müssen wir, sagen die Offiziere, solange wir freie Hand haben, alles tun, um uns festzusetzen und unsere Alliierten vor vollendete Tatsachen zu stellen. Deutschland, so wie es ist, kann uns auch als geschlagener Staat nicht gefallen. Am besten, man macht aus ihm 5 bis 6 Bundesrepubliken: Len Süden, das Rheinland, die agrarische Wasserkante, Thüringen und Berlin mit Schlesien und der Mark als kleine Republik — in der Art wie Wien und Budapest. An sich eine schwierige Sache, aber laßt unS nur die inneren Schwierigkeiten der Koalitionsregierung klug benutzen, dann werden wir diesem Ziele schon näher kommen. Im Bunde mit Belgien können wir einmarschieren, wann und wo wir wollen, der herrliche Friedensoertrag gibt uns ja dazu alle Handhaben. Seien wir auch nicht spröde und interessieren wir die mittlere kapitalistische Richtung in Deutschland und die Unabhängigen für uns, als Bundesgenossen gegen die Berliner Regierung, machen wir ihnen immer nur weis, daß das ganze Elend in Deutschland ausschließlich von Berlin kommt, damit sie auf Berlin und auf Lie Koalitionsregierung marschieren und einhauen. Dann noch ein bißchen Unruhen im Ruhrgebiet, und wir können auch dort einmarschieren wie jetzt m Frankfurt. »Bis dahin ist der rechte Flügel" — also der Maingau — »befestigt und administrativ beruhigt." Kommt dann das Ruhrgebiet dazu, dann muß die Mitte, also das Land gegenüber dem englischen und amerikanischen Abschnitt, uns von selber zufallen, und damit wäre die rheinische Republik geschaffen, aber auf beiden Seiten des Rheins. General streik etwa zur Abwehr dieser Pläne? Aber Ler ist doch ohne die Unabhängigen nicht zu haben, besonders unter dem — französischen — Belagerungszustand. „Zielbewußte kluge Politik setzt uns in ein bis zwei Jahren in Besitz Lessen, was Foch will, nämlich der militärischen Rhein grenze mit starken Brückenköpfen, ohne ernstlichen Wider stand Deutschlands und unserer Alliierten." Was können solchen Plänen gegenüber Wortproteste helfen, auf die kein Mensch mehr hinhört, was vorwurfsvolle Mahnrufe an Frankreichs Verbündete, die doch auch nur in erster Reihe an sich denken können und müssen? Ach, wären wir doch endlich auch so weit, daß wir an uns und immer wieder an uns denken, statt in wesenlosen Weltbeglückungs- und Verbrüderungsplänen uns selbst zu verlieren. Dann braucht-n wir uns auch vor den schamlosesten »Richtlinien" nicht zu fürchten. Abrüstung und Dauer der Besetzung. Deutschlands Gesuch auf eine Verlängerung der Ab rüstungspflicht soll in San Remo an erster Stelle beraten werden. Es ist wahrscheinlich, daß die französische Regie rung sich bemühen wird, die Dauer der Besetzung zu be schränken und sich geneigt zeigen wird, ihre Truppen zurück zuziehen, sobald die Lage im Ruhrgebiet wieder normal sein wird. Als erste Wirkung der Einsprüche gegen die Be setzung ist die Verschiebung der Abreise des belgischen Unter stützungsbataillons anzusehen. — Der englische Botschafter in Paris hat wiederholt versichert, daß die Städte Darmstadt und Frankfurt zu gleicher Zeit mit den Städten Hanau, Dieburg und Homburg geräumt würden und nicht etwa staffelweise. Des ferneren habe sich Lord Derby bestätigen lassen, daß die Räumung erfolgt, sobald die über das Augustabkommen hinaus in das Ruhrgebiet einmarschierten Truppen die neutrale Zone verlassen haben. Verständigung zwischen Italien und Österreich, Alle Streitfragen sind begraben. Der Ministerpräsident Nitti und der österreichische Kanzler stellten bet Besprechung der politischen Lage in Rom in ihren Unterredunaen fest, daß sich eine Uberein- Ulmmung der Interessen zwischen Italien und Öster reich gebildet hätte. Die italienische Regierung hat Len Wunsch, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln am Wiederaufbau der Republik mitzuarbeiten und schnellstens die wirtschaftlichen Beziehungen wieder auf zunehmen. Zu diesem Zwecke haben mehrere Zusammen künfte zwischen den Ministern für öffentliche Arbeiten und für Handel unter Mitwirkung von technischen Sach verständigen beider Länder stattgefunden, die zu einem Über einkommen in Len wichtigsten Punkten geführt haben. Die italienische Regierung mißt dem Besuche des Kanzlers eine hohe moralische Bedeutung bei, da er den Beginn einer neuen Phase von freundschaftlichen und gut nachbarlichen Beziehungen zum österreichischen Volk darstelle. Renner er klärte: Ich reise ab mit dem Empfinden, daß eine Periode neuer Auffassungen und neuer Tätigkeit begonnen habe. Die alten Streitfragen existieren nicht mehr. Alle, von Eurem König bis zum letzten Mann, haben mich in der Über zeugung bestärkt, daß wir gemeinsam einer Hellen Zukunft entgegensetzen dürfen. Die teure Relchsersenbahn. 8 Milliarden Defizit! In einer verkehrspolitischen Arbeitsgemeinschaft hielt Verkehrsminister Dr. Bell eine beachtenswerte Rede über die künftige Reichseisenbahn. Danach rechnet unter Zugrunde legung der gegenwärtigen Tarife das Verkehrsministertum im ersten Betriebsjahre der Reichseisendahnen mit einem Defizit von 8 Milliarden Mark. Es entstehe dadurch. Laß fett 1914 Lie Ausgaben um 614 N, dagegen die Ein nahmen nur um 381"/« gestiegen seien. Angesichts dieses wirtschaftlichen und technischen Notstandes Ler deutschen Eisenbahnen müsse, sagte der Minister ferner, die Übernahme der Eisenbahnen durch das Reich von der Durch führung eines großzügigen Reformprogramms begleitet sein. Seine Hauptpunkte könnten folgendermaßen zusammengefaßt werden: Hebung der Leistungen des Personals, Hebung der Leistungsfähigkeit des Apparates und Regelung der Finanzen. Zur Erfüllung des ersten Programmpunktes sei Herstellung eines dauernden Vertrauensverhältnisses zwischen Verwaltung und Personal und die Selbstreinigung des Personals von unsozialen Elementen erforderlich. Es sei ein Lohnsystem einzuführen, das die Hebung der Leistung fördert. Deutsche Nationalversammlung. l160. Sitzung.) Berlin, 13. April. Der heutige Tag war der Besprechung der gestrigen Reichskanzlerreöe gewidmet. Bevor aber diese Besprechung begann, mutzte eine große Anzahl kleiner Anfragen, von denen viele schon verattet waren, erledigt werden. Nur wenige dieser Anfragen waren von allgemeiner Bedeutung. Hervorzuheben ist die des Abg. Winnefeld von der deutschen Volkspartei, in der darauf hingewtejen wurde, daß die Polen in Posen und Westpreuben gegen die Deutschen ein wahres Schreckensregiment ausüben. In ihrer Ant wort betonte die Regierung, daß sie gegen diese Übergriffe Ler Polen dauemd Einspruch erhebe. Sie wird alle geeigneten Schritte tun. Zur Unterbringung Ler die Provinz Posen verlassenden deutschen Beamten sollen Lie Gemeinden das Erforderliche veranlassen. Zum Schube der völkischen und religiösen Interessen der deutschen Minder heiten in dem annektierten Westpreußen werde die Regierung oei oer poumchen Negierung eintceten. Eine weitere An frage betraf die große Verteuerung der Nähgarne, die nach der erteilten Antwort auf die Verteuerung Ler Roh baumwolle auf dem Weltmarkt zurückzuführen ist. Um einer wucherischen Ausbeutung der Verbraucher zu begegnen, würden die Preise im Kleinhandel überwacht werden. Besprechung der Kanzlerrede. Abg. v. Payer (Dem.) gab im Namen seiner Partei eine kurze Erklärung ab. Die deutsche demokratische Fraktion, hieß es darin, kann sich mit den Ausführungen des Herrn Reichs kanzlers im wesentlichen einverstanden erklären. Wir schließe» uns der tief empfundenen Empörung und dem schärfsten Protest wegen der Vergewaltigung des Maingaues durch Frankreich an, das freventlich den Frieden gebrochen und neues Blutvergießen über eine unschuldige Bevölkerung ge bracht hat. Wir verstehen, daß die Regierung, ehe die Truppe» in den Einmarschaebieteu waren, alles versucht bat, um den Kampf Deutscher'gegen Deutsche zu verhindern. Wirdedauern die Mannschaften und Offiziere, die als Opfer idrer Pflicht treue gefallen sind. Wir pflichten dem Reichskanzler Lari» bet, daß jede Art der Nebenregierung zurückzuweisen ist. Der Reichskanzler hat mit seinen Ausführungen selbst die Grenze festgesetzt, die zu überschreiten die demokratische Fraktion keiner Regierung, der sie angehören wird, je gestalten wird. Abg. Hue (Soz.) begann unter dem lebhaften Widerspruch Ler Rechten seine Ausführungen mit den Worten: Die Red« des Reichskanzlers entspricht im wesentlichen den Wünschen des arbeitenden Volkes, weil sie bei der Erörterung dieser schrecklichen Wochen hervorhebt, daß das ganze Elend di« Schuld von Kapp und seinen Genossen wäre. Der Redner ging dann sehr ausführlich auf die Verhältnisse im Ruh» gebiet ein. Weiter spricht der Redner gegen den französische» Militarismus, wobei er bemerkt: Wenn wir vor Wochen und Monaten noch befürchteten, daß iu Oberschlesien eine deutsch feindliche Stimmung die Oberhand gewinnen könnte, fv können wir heute sagen, das volksfeindliche Vorgehen LeS Ententemilttärs hat dafür gesorgt, daß Sie obcrschlrsische Bevölkerung deutsch bleiben wird. Infolge des brutalen Vorgehens der Ententetruppen müssen wir in Oberschlesien jeden Tag mit dem Ausbruch eines allgemeinen Generalstreiks rechnen. Diese An kündigung wurde mit lebhaftem Hört! Hört! ausgenommen. Zum Schluß wiederholte der Redner, daß seine Partei im allgemeinen mit den gestrigen Erklärungen des Reichskanzlers einverstanden sei. Abg. Trimdorn (Ztr.) erklärte sich ebenfalls im große« und ganzen mit den Darlegungen des Reichskanzlers einver standen, bemerkte aber, daß seine Partei, was die Beurteilung der Vorgänge im Ruhrgebiet anlange, mancherlei an dem Verhalten der Regierung auszusetzen habe. Die sich darauf beziehenden Mitteilungen und Erklärungen des Redners führten zu lebhaften Kundgebungen der Sozialdemokraten Im weiteren Verlauf seiner Rede führte der Abg. Trimbor» bittere Beschwerde über den Vertreter der Regierung int Ruhrreoier, den preutzifchen Minister Severing, der sich mit sozialdemokratischen Kommissaren umgebe und daher die Äi- eignisse einseitig beurteile. Der Redner forderte das weitere Verbleiben der Reichswehrtruppen im Ruhrrevier. Weiter orderte er strenge Bestrafung bcr Übeltäter. Nach dem Abg. Trimborn s»rach Ler Reichskanzler, der sich in eingehender Weise bemühte, die Beschwerden des Vorredners zu entkräften. Der Reichskanzler verteidigte die Maßnahmen der Regierung und verteidigte auch das Verhalten des Regierungsvertreters Severin g. Der Abgeordnete Trimborn halte auch verlangt, die Reichs wehr in das Gebiet südlich der Ruhr einrücken zu lassen. In dieser Beziehung wies der Reichskanzler darauf hin, daß vier auch nationale Bedenken zu berücksichtigen seien, ferner darauf, daß auch von feiten der Industrie und von feiten der Orts« Verwaltungen dringend darum ersucht worden sei, allen Ein marsch südlich der Ruhr zu unterlassen. Auf den Reichskanzler folgte der Abg. Lattman» (Deutschnat. Vp), der sich nachdrücklich gegen die Regierung wandte, weil sie sich nicht über die Parteien stelle, sondern «inseitig zugunsten einer Partei bandele. Weiter verteidigte der Redner die Haltung seiner Parier gegenüber dem Kappschen Unternehme». Die Sitzung zog sich noch eine geraume Weile hin. Die Ausdehnung der Krankenverflcherung. Bis zu 20 000 Mark Lohn. Die Verordnung über Heraufsetzung des Grundlohnes und Ausdebnuna der Versscberunasvssickt in der Kranke»- Vie Lochier äer Heimatlosen. 34) Kriminalroman von A. Ostland. ' Von drinnen klangen Schritte, die Türe wurde ge öffnet. Aschfahl war Felix von Richtings Gesicht. „Scheren Sie sich zum Teufel!" sagte er wütend. „Und merken Sie sich genau meine Bedingungen! Sonst. . ." Wie spielend hob er den Revolver. Da duckte sich die hohe Gestalt des andern, und er zog ehrerbietig die Kappe. »Ich Lank' schön, Herr Baron." „Schon gut — Sie finden wohl allein hinab." Eine Sekunde später hörte man das Türchen unten ein- kllnken. Felix von Richting lehnte noch eine Minute lang am Türpfosten, wie horchend. „Verflucht!" sagte er laut vor sich hin. Dann wandte er sich und ging zurück nach seinem Zimmer. Die beiden Mädchen eilten aus ihrem Versteck und glitten lautlos den Gang entlang. Bor Olgas Zimmer blieben sie stehen. Fee sah beklommen zu der hohen Gestalt empor. „Was soll das bedeuten?" fragte sie unsicher. „Es ist bä doch viel Sonderbares, Rätselhaftes —" „Ich rate dir: Zerbrich dir nicht den Kopf!" sagte Olga finster. „Und: Schweige! Es ist das Einzige, was du tun kannst, wenn du überhaupt hier bleiben willst. Daß mit Felix von Richting nicht zu spaßen ist, das hast du gesehen. Sie blieb wie unschlüssig noch eine Sekunde lang stehen, es war, al« schüttle sie ein Schauer. „Wir sehen Gespenster", sagte sie dann jäh abbrechend unk trat über die Schwelle ihres Zimmers. Fee war allein. Sie schlich gedrückt nach ihrem eigenen Zimmerchen, und dort saß sie dann, zitternd in einer Be klommenheit und Unruhe, welche sie selbst kaum hätte er klären können. Als der Tag graute, saß sie noch ange zogen auf ihrem Bett« und iah mit starren Augen ins Leere. 12. Kavitei Auf der Spur. In der alten Grundmühle hatte sich seit dem Tode Großmanns so manches verändert. Wohl klapperten noch immer die Räder fleißig fort und erfüllten die Stille mit ihrem eigenartig gleichförmigen Geräusch, aber das Türchen, welches von dem Mühlen- und Wirtschaftshofe nach dem Vorgarten führte, der das Wohnhaus begrenzte, war jetzt immer geschlossen. Dort drüben hauste der neue Herr. Hier herüben aber waltete die träumerische Ruhe der Ver lassenheit. Seit dem Begräbnis der Freifrau von Richting waren Wochen vergangen, und neue Ereignisse hatten schon wie der die Erinnerung an Vas, was gewissen, veinaye ver drängt. Ein neuer Wille war da, mit dem man rechnen mußte, eine bisher unbekannte Macht, Lerman sich unwill kürlich beugte, wenn auch widerwillig. Der neue Ma joratsherr führte ein scharfes Regiment und räumte nach» sichtslos mit allem auf, was er nicht für gut fand. Die Pacht für die Schloßmühle war bedeutend erhöht worden, und manche andere Aenderung lastete schwer auf den Dorfbewohnern. Man raunte sich allerlei zu und flüsterte hinter dem jungen Freiherrn her, wenn man ihn einmal selbst sah, was übrigens sehr selten der Fall war. Wenn Felix von Richting auch noch immer sehr krank zu sein schien und sich nur in Ausnahmefällen zeigte, so verspürte man seinen unbeugsamen Willen doch überall. Und dieser Wille schien bloß ein Ziel zu haben: Geld wollte dieser junge, neue Herr des alten Besitzes zu sammenraffen! Geld und wieder Geld! Er schien ganz unersättlich, und er hatte keinen Respekt vor Dingen, an welche der alte Freiherr nie zu rühren gewagt hätte. Antiquitätenhändler gingen im Schlosse aus und ein und zahlten schweres Getd für alte Erbstücke, welche dem neuen Besitzer nur im Wege zu sein schienen. Der alte Freiherr merkte kaum etwas von dem neuen Kurs. Er saß, träumend sinnend, in seinem Zimmer, ließ sich von Fee vorlesen und pflegen, plauderte ein wenig mtt Olga, die täglich für kurze Zeit hereinkam, mehr um einer Pflicht, als um einem Gefühl zu genügen, und im übrigen ließ er den heimgekehrten Sohn jchalten, wie er wollte. Oft dachte Fee, wie unendlich wenig Berührungspunkte doch diese beiden Richtings hatten. Vater und Sohn kamen nicht über einige konventionelle Worte hinaus. Ueber seine Studien, über die Jahre seiner Gefangenschaft, die Strapazen seiner Flucht sprach Felix nie. Und wenn eine Frage eines dieser Gebiete streifte, so lenkte er sofort ab. Sein Erinnerungsvermögen schien wirklich stark ge litten zu haben. Dagegen erinnerte er sich genau an Details aus seinen Jugendjahren und brachte manchmal Längstvergessenes zur Sprache. Aber immer in abgerissener, unzusammenhängender Form. Ja — er war ein selt samer Mensch, dieser neue Majoratsherr! Fee dachte diesen Gedanken, während sie ordnend Lurch die Stuben der alten Mühle schritt. Sie tat dies oft und gern, und immer wieder freute sie sich an Lem schönen Hausrat, an ihrem Eigentum. Ja! Hier war sie daheim! Droben im Schlosse war sie nur noch eine Geduldete, eine Fremde. Kein Zweifel! Felix von Rich ting hatte eine ausgesprochene Abneigung gegen sie. Er wollte sie aus dem Hause haben, und sie wäre ja auch am liebsten gegangen. Aber der alte Freiherr klammerte sich förmlich an sie. Ihn durfte sie nicht verlassen. Ein Zimmer des geräumigen Hauses hatte sie Doktor Huber, überlassen. Sie waren im Laufe der " gujss Freunde geworden, der scharfsinnige Polizeiveamte und das stille, blonde Mädchen. Er schien ihr wie ein An haltspunkt in ihrer innerlichen Einsamkeit, und ihm war sie das einzige Bindeglied, welches ihn noch mit dem Schlösse verband. Er hatte sonderbarerweise um einen weiteren Urlaub angesucht und schien sich hier für länger häuslich einrichten zu wollen. Er freundete sich mit allerlei Leuten an. Am beste» war er mit dem jungen Lorenz Wegner, dem Sohne des neuen Schloßmüllers. Auch heute saß der bei itzm. Al- Fee eintrat, waren sie so im eifrigen Gespräch, daß sie kaum auf sie achteten. „So", sagte Doktor Huber eben. „Hm! Das ist doch merkwürdig! Sie haben also den Baron schon mehr mals spät abends auf dem Waldwege angetroffen, welcher zur Hütte des Hans Lechner führt? Aber Sie sahen nie^ daß der Baron hineingeht." Lorenz Wegner dachte nach. „Nein", sagte er. „Er ging bestimmt nie hinein. Ich weiß es bestimmt, denn — denn ich folgte ihm. Ich kann ihn nicht leiden," fuhr er heftig fort, „gar nicht! Er ist kein guter Mensch! Und er ist schlecht gege» Felicitas I" Der seltene Name kam ganz geläufig von den Lippe« des jungen Müllers. Und Doktor Huber dachte: Der spricht dieses schwierige Wort oft aus, wenn auch nur in Ge danken! Laut sagte er: „Ja — was macht nun aber der Baron dort in der Einsamkeit?" Lorenz Wegner zauderte. „Er — er zielt", sagte er dannl „Er zielt?" „Ja. Er hat einen Posten bei der großen Eiche, rechts vom Haus. Dort steht er und hebt die Flinte, so wie probeweise, gegen die Türe des Waldtzüterhauses. Aber er drückt nicht tos." Doktor Huber schüttelte den Kopf. „Sonderbares Vergnügen für den Majoratsherrn der Richtings l Na jaI Große Herren haben Marotten! Na — und was tut er dann?" „Er geht wieder heim. Wenigstens vorgestern wat'» so-* -Hm." „Da muffen Sie sich irren, Lorenz", sagte Fee htm zutretend. „Vorgestern war Baron Felix überhaupt nicht fort! Er zog sich gleich nach dem Abendessen zurück, weil er sich unwohl fühlte." . „Aber um elf Uhr war er droben bei der Wald hütte. Ich bin lang hinter ihm gestanden, ohne daß er's gemerkt hat. Ich hab' dort Schlingen gelegt für einen setenen Waldvogel. Das dürft' er nicht wissen. Deshalb bin ich ganz ruhig geblieben." (Fortsetzung folgt.)
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