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Beilage zum Wilsdruffer Tageblatt/ Amtsbl. Nr. 15S. 78. Jahrgang. Sonntag den 13. Juli 1S1S. MWW sm de« 4. Somlag ich UMM. Von Pastor ZachariaS-Kesselsdorf. Jesaias SS,7: Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Uebel täter seine Gedanken und bekehre sich zum Herren, so wird er sich seiner erbarmen. Wie schlicht und verständlich ist doch dieses Propheten» wort! Gottlose und Uebeltäter, die sich vom Herren ge wendet, finden kein Erbarmen, Frommen aber und solchen, die dem Herrn dienen und die auf seine Worte achten, neigt er sich in Liebe zu, ihnen erweist er Beistand und Gnade. Sollen wir uns darüber wundern? Machen wir Menschen untereinander es nicht ebenso, daß wir für die nichts übrig haben, die von uns nichts wissen wollen? Dünkt unS solches Verhalten unsererseits nicht als unser gutes Recht? Wenn aber Gott einmal auf sein Recht pocht uns gegenüber, dann sind wir gar ungehalten, dann ist Gottgrausam und hart und lieblos. Daß er gerecht ist und uns nur zukommen läßt, was uns gebührt, das vergessen wir meist. Jetzt Hal Gott unser Volk gedemüligl und mit Schmach bedeckt. Wir haben darum vor 8 Tagen einen Trauergotlesdienst im Lande gehalten. Hat an diesem düsteren Tage unser Volk darüber getrauert, daß es zu einem großen Teil ein Volk von Gottlosen und Uebeltätern ist? Ist dieser Trauertag der große Wendepunkt gewesen für alle diejenigen, die mehr oder weniger ohne Gott dahin- ledlen? Wenn ja — dann Heil unserem Volke! Denn dann wird Gott sich unser erbarmen, dann wird er unS sein Antlitz wieder leuchten lassen. Darum weg mit jeglicher Gottlosig keit und Gottesfeindschaft! Statt dessen: sursum corda! — die Herzen in die Höhe! Die Herzen gewendet zum Herrn! Oie drohende Kohtenkaiastrophe. Bon Ludwig Eschwege. In der heißen Jahreszeit macht sich der gewöhnlich Burger keine Gedanken über die Kohlenfrane. Noch einig Monate weiter und sie wird für ihn aller Voraussicht naa eine Bedeutung gewinnen, die sogar die Lebensmittelfragi in den Schatten stellt. Im Reichwirtschaftsministeriuni wurde soeben bei einer Besprechung festgestellt, daß wir im Winter eine Kohlenknappheit zu erwarten haben, für di« «S bisher kein Beispiel gibt — auch im Kriege -nicht — und die geradezu katastrophal zu werden droht. — Hier ein paar Ziffern: Vor dem Kriege wurden in Deutschland rund 190 Millionen Tonnen Steinkohle ge fordert. Durch den Friedensschluß sind unS Gebiete mit rund SO Millionen Tonnen verloren gegangen. Von dem verbleibenden Rest müssen wir nach dem Friedensvertrag auf eine Reihe von Jahren 43 Millionen Tonnen jährlich an Frankreich liefern. Bleiben unS noch 67 Millionen.' Der Selbstoerbrauch der Werke, ferner die öffentlichen Anstalten, Eisenbuönen usw. erfordern nach Friedens begriffen 47 Millionen, sodaß für die gesamte verbrauchende Industrie nur noch rund 10 Millionen übrigbleiben. Die Rechnung enthält insofern eine unbekannte Größe, als wir nicht wiffen können, wie, weit etwa durch Streiks die Förderung zurückgebt. Es liegt klar auf der Hand, daß Frankreich unter allen Umständen auf der Lieferung der ihm vertraglich zustehenden Menge bestehen wird, sodaß jeder durch irgendwelche Umstände herbeigeführte Ausfall an Förderung nicht von ihm getragen, sondern zu Lasten Deutschlands gehen würde. Diese wenigen Angaben lassen den furchtbaren Ernst der Kohlenfrage erkennen. Die Steinkohle war bisher Fundament und Eckstein der deutschen Volkswirtschaft. Unsere Eisenerzeugung, die größte der Welt nach der amerikanischen, beruhte hierauf. Durch die Verwendung der Kohle im Hochofenprozeß gelangte die deutsche Land wirtschaft in den Besitz der wichtigsten Düngemittel, nämlich deS Thomasmehls, sowie der Phosphorsäure. Bei der Umwandlung der Steinkohle in Koks gewannen wir den Teer mit seinen zahlreichen Untererzeugnissen, auf deren Verwendung wiederum die chemische Industrie, der Stolz Deutschlands, beruht. Aus die Verwendung der Steinkohle sind die Kellelanlagen fast der gesamten Industrie eingerichtet. Aus ihr gewinnen wir das Gas für Küche und Beleuchtung, sowie die motorische Kraft zur Erzeugung der Elektrizität in den großen Licht- und Krastzentralen. Alles dies erschöpft aber die Verwendungs arten der Steinkohle nicht. Ein ganzes Buch würde nicht ausreichen, um die volle Bedeutung der Steinkohle für die deutsche Volkswirtschaft erkennen au lallen. Was haben wir nun in die Wagschale zu werfen, um die ungeheuerliche Einbuße an Steinkohle auszugleichen? Mit einer wesentlichen Steigerung der Bergarbeiter- leistungen ist leider nicht zu rechnen. Es bildet eine der einschneidensten Folgen dieses Krieges, daß die Menschen nicht mehr so bereitwillig wie früher tausend Meter tief in die Berge fahren, um für die übrige Menschheit das Leben im Sonnenlicht freundlicher zu gestalten. Neben dem Einfluß der revolutionären Umwälzungen muß die Schuld hieran zum Teil auch den Zechenbesitzern bei gemessen werden. Sie haben es jahrzehntelang vor dem Kriege für richtig gehalten, die abgehärtete heimische Bergarbeiterbevölterung mehr ' und mehr durch die billigeren Kräfte slawischer, polnischer, ungarischer und italienischer Herkunft zu ersetzen. Man kann vielleicht auch umgekehrt sagen: Mit der zunehmenden Tiefe der Bergwerke wurde die Arbeit darin so schwer, daß sie nur noch von bedürfnislosen, an schlechtere Lebensführung ge wöhnten Menschen geleistet werden konnte, wie ja auch die Arbeit des Heizers in der Hölle des Kesselraumes eines Ozeandampfers, besonders bei Fahrten in der heißen Zone, nur von Chinesen geleistet werden kann. Der Krieg hat nun mit unserer bodenständigen Bergarbeiterbevölkerung weiter aufgeräumt und anderseits ein Zurückfluten der fremdländischen Arbeiter herbeigeführt. Ersatz aus deutschen Elementen ist nach Lage der Dinge kaum zu erwarten, und so werden wir genötigt sein, nach anderen Energie quellen zu suchen, welche den Ausfall ersetzen können. Einen kleinen Ersatz kann die Braunkohle bieten, von denen wir in Deutschland zuletzt etwa 87 Millionen Tonnen gleich einem Heizwert von etwa 43 Millionen Tonnen Steinkohle gefördert haben. Doch entzieht sich die Braunkohle wegen ihres relativ hohen Gewichts der Versendung auf weite Strecken. Es müssen erst neue Methoden erfunden werden, um die ihr innewohnend« Energie am Fundort der Braunkohle selbst zu gewinnen, um sie von dort auS an den Ort des Verbrauchs zu be fördern. Aussichtsreiche Versuche und praktische Lösungen dieser Art sind bereits vorhanden und weiter entwicklungs fähig. Eine ungeheuer große Bedeutung als Energiequelle wird voraussichtlich in den nächsten Jahrzehnten auch die „weiße Kohle* erhalten. Es sind das die Wasserkräfte, von denen Deutschland in den oberbayerische« Alpen große Mengen besitzt, die zum großen Teil bisher un ausgenützt geblieben sind. EH kann deshalb sehr wohl sein, daß Bayern einmal ein wichtiges Ausfuhrland sür elektrische Kraft werden wird. Auch die Schweiz und Norwegen können für uns auf diesem Gebiet von Be deutung werden. Schließlich werden auch die Erzeugnisse deS Petroleums, von dessen Vorkommen Deutschland aller dings nur wenig besitzt, gesteigerte Anwendung sür di« Gewinnung motorischer Kraft finden, wie dies schon jetzt bei den Kraftwagen der Fall ist. Alle diese Wege macheu aber gewaltige technische Veränderungen erforderlich. Ehe diese nicht durchgeführt sind, werden wir noch furchtbar schwere Zeiten durchzumachen haben. Schon im kommenden Winter werden wir einen Vorgeschmack davon erhalten. Alsdann werden die Bewohner der Großstädte, soweit sie auf Zentralheizung angewiesen sind, wohl den größeren Teil ihres Tages an dem mit Holzscheiten geheizten Küchenherd zubringen müssen. Und das dürste noch eine der erträglichsten Folgen der kommenden Koblennot sein. Oeuische Trationawersammtung (54. Sitzung.) 6L. Weimar, 11. Jull. Zunächst werden einige kleine Anfragen erledigt. Unter anderem wiederholt der Wg. Veidt (Dn. Bp.) seine Anfrage über den Überfall deS KapitänleutnanLS v. Mücke während eines Schülervortrages in Frankfurt a. M. Re» gierungsoertreler Freiherr v. Welser bestätigt die in der Anfrage mitgeteilten Tatsachen. Die Preußische Regierung soll ersucht werden, für bessere Sicherheitsverhältniss« in Frankfurt a. M. Sorge zu tragen. Eine Anfrage des Abg. Dr. Becker (Deutsche Vv.) lenkt die Aufmerksamkeit auf die Notlage der in den infolge de» Friedensoertrages von Deutschland abgetrennten Gebieten stellungslos werdenden Reichsbeamten. Regierungsvertreter Freiherr v. Welser sagt zu, daß Lie Regierung nicht nur der vorübergehenden Not steuern, sondern den betreffenden Reichsbeamten auch wieder Stellungen verschaffen wird. Aba. Delius (Dem.) fordert im Hinblick aut die Hunger- mächtig geworden, dass äie Markgrafen mit den Meissner Lischölen über di» kirchlichen Steuern äer „Neubruchhufen" in äieser Gegenä verhanäetten. Reinsberg, Neukirchen, Lanneberg, Llankenstein, Schmieäe- wsläe, Lurkharätswaläe, Seeiigstaät, Laubenheim, Ollendorf, Kirmsdorf, Reichenbach, Haustaät, Röhrsäorf, Zachsäorf, Kaul bach, Steinbach, Kesselsdork, Hermsdorf und alle von ihnen ein-- geschlossenen fluren sinä unbezweifelbar deutsche Gründungen. Von Saalhausen bisLatzdork, von Kleinschönberg bisKothschön- berg, dis Elgersdorf und Hirschfeld ist äeutsches Sieälungsgebiet; ist äeutsches Kodeland äes 12., äes ia. unä zum Leil späterer Jahrhunderte. In äieser Gegen ä Kat sich äer erstehen äe äeutsche Staat äer Meissner Markgrafen gewissermassen sein Herzstück geschaffen, äie Markgrafschaft, wie sie verjüngt äurch äie Kolonisation äes susgehenäen Mittelalters heran wuchs, fand in ihrem deutschesten Wesen hier ihren Mittelpunkt, ihre un entbehrlichsten Verbinäungen. Oer Deutsche, äer äiese mittelste Scholle äes jetzigen Königreichs Sachsen betritt, äsrf sagen: hier ist ursprünglichster deutscher Loden. Oer Minnesang, äer um äie Teit, als äie Milsäruffer Gegenä urbar wurde, in den Landen rauschte, ist verschollen, die öauern- srbeit aber, die diesen Loden rodete, liegt heute noch fruchtbar unter äen füssen äer Dachkammer». Milten in äieser Gegenä liegt Milsdruff. Denn eine Heimatkunde von Milsdruff unä seiner Umgebung ge schrieben weräen soll, so muss sie vor allem von äer Teil des 12. Jahr hunderts ausgehen. Mo wie hier Grosses in stiller, unermüdlicher Arbeit für das eigene Volk erreicht worden ist, wo ein ganzes Land in Mühe und Geduld gewonnen worden ist, da darf und muss die Wissenschaft das 6rbe mit besonderer Liebe pflegen. Wahrscheinlich ist Milsdruff vor 1170, vielleicht vor nbz gegründet worden. Vie Gründung von Luttendorf, Lertkelsäork usw. ist vor »70 erfolgt, dieselbe Teil kann such für Laubenheim, Sora und die umliegen den Orte angenommen werden. Oas Ereignis der Gründung selbst war schnell vergessen. Oer Mensch des Mittelalters kannte nicht das festhalten von Jahren und Lagen, nur die Kirche pflegte solche Oeberliekerung. Von flurslücken in Kaulbach bei Mlsdruff heisst es kaum hundert Jahre nach der Entstehung des Ortes, sie seien im Lesit; von Lauern über Menschen gedenken hinaus'. So kann es nicht wundernekmen, äass äss Jahr, in welchem äie flur Mlsäruff gemeinsam mit äen umliegenäen entstanä, ver gessen ist. Oen Mitlebenäen erschien äss Ereignis unscheinbar. Meister äes Sanges unä äes Morles rillen äamals am Hoke äes Markgrafen von Meissen ein unä aus: Heinrich von Morungen, Malther von der Vogel- weide und andere mehr, keiner aber hat des neuen Lebens gedacht. Malther ist zu Leginn des ir. Jahrhunderts im Vienste Dietrichs von Weissen ge wesen, er hat das Land gekannt, er ist in den Gründungen der Tisterzi- enser zu Gast gewesen", er hat das Koden und Lauen bei Weissen gesehen. In seinen Dichtungen findet sich kein Dachhall davon; sein Sinn war anderem zugewandt als dem mühsamen Schaffen der Dienstmannen und Siedler in der Mark. <Fortsetzung in nächster Nummer.) 1 n I, seplem 1NKN8O8, possessos ll. ILVLI.8 Ll) eo tempore, HUO von exstat memoriL 2 O. E. Schmidt: Aursächsische Streifznge, 2. Vaud (Dvlnilugk). ächriftl.ituntz Verein für Ncnur> und Heimatkunde durch Gberlebrer Nülme, Wilsdruff Druck' und Verlag: Arthur Zschunke, Wilsdruff. Dr. 1Z ir. Juli 19:9 8. Jahrgang Vie Vesiecilung äer Milsäruffer Gegenä unä äie Milsäruffer Strasse zu vresäen mit zwei Karten von V. Trautmann, Dresden. (Fortsetzung.) Keine Andeutung aber findet sich in äen Grenzurkunäen äes Klosters Telia, äass vor äer deutschen Lesiedlung schon Mege durch das nachmalige Gebiet des Klosters, etwa von freiberg nach der Gegend von Milsdruff geführt hatten'. Wit Hille äer neuen Mege wurde nun Koäung um Koäung in äen Aalä zwischen äer Dossener Gegenä unä äem Elbtal geschlagen. Oie Urbarmachung äer Milsäruffer Gegenä erfolgte aller Wahr scheinlichkeit nach gleichzeitig mit äer Koäung des Kloster- gebiets. Vas Gebiet lag vor äen Loren Weiöens, äie Warkgrafen selbst hatten schon vor äer Midmung an äas Kloster Tella, ä. h. vor äem Jahre nb2, die Kodung von Maldland begonnen". In die Läler, in denen vordem nur wandernde Jäger oder Teidler ihr Gewerbe getrieben hatten, zog ein neues Leben ein. Menn äas Mild abends zur Lränke schritt, leuchteten ihm aus den, Mside Lichtungen ent gegen, Gehöfte wuchsen auf, und an den Hängen dampfte es von versengtem Luschwerk. Oer Dame des Dorfes Sora bei Milsdruff wird als Lranästatt, ' Ts ließe sich eiuweuden, daß zurzeit der zweiten Urkunde, ((85, verkehrsreiche Wege das Gebiet bereits gekreuzt haben müssen, da ein Vrt wie Freiberg Verbindung nach Msten nötig hatte. Bhne Zweifel hält die Urkunde von ((85 aber nur die E)rte fest, die schon (>S2 zur Bestimmung des Gebiets gedient haben. Um dieselbe Zeit, um i (b2, urkundet ein Bischof zu Fulda, daß er ermittelt und zurückgefordert habe „durch den Umgang der Gemeinde, welcher Landleite genannt wird, viele Busen, Aecker, Wiesen, Waidmarken, Triften und Grenzzeichen, auch Fischteiche und Gewässer und den Wasserlauf, der widerrechtlich vom alten Bett abgeleitet war". (Die Urkunde erwähnt Freytag: Bilder aus der deutschen Vergangenheit I, Seite H2y.) Um die „Landleite", wie sie in Bessen geübt wurde, die immer wiederholte Begehung von Grenzzeichen zu Grenzzeichen (wie sie (Iü2 errichte» worden waren), von Ulalhaufen zu Walhausen, handelt es sich auch bei der Urkunde von ((85; die Wege, die nach ((ü2 entstanden sind, berührt die Urkunde nicht; vor (iü2 aber gab es keine in dem Gebiet. - Vergleiche die Worte der Urkunde von ((52: Gtto schenkt dem Kloster i. I. ((<°2 mansos, d. h. Busen, „guos etium ipse suis sumptibus exstirpari teoit et In oulturam rettest'. Vergleiche auch Loci. II, (2 S. XVI (vor n?o).