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Wilsdruffer Tageblatt : 04.04.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192004042
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19200404
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19200404
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-04
- Tag 1920-04-04
-
Monat
1920-04
-
Jahr
1920
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 04.04.1920
- Autor
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uns Gott gibt, bestrahlt und durchglänzt sein von Gsterlicht, von Msterkraft, von Gsterfrieden und Gstertrost. Wollen wir also nicht der Mahnung des Apostels nachkommen? G, daß wir es tun möchten! Amen. Das Wunder. Ostererzählung von Reinhold Ortmann. Aus der alten Dorfkirche klang andächtiger Chorai- gesang in die festtägige Stille des sonnigen Frühlingstages hinaus, als ein einsamer Wanderer durch die weit geöffnete Pforte den im Schutz des Gotteshauses gelegenen Friedhof betrat. Er war mutterseelenallein auf dem ganz in goldenen Sonnenschein getauchten Gottesacker, denn was von den An gehörigen der Dorfgenieinde an diesem Morgen rüstig genug gewesen war, das Haus zu verlassen, das saß. jetzt da drinnen hinter den bröckeligen Mauern des ehrwürdigen Kirchleins. Nur ein paar gelbe Falter gaukelten in fröh lichem Liebesspiel über den noch unbegrünten Grabhügeln umher, und auf der mächtigen alten Trauerweide, die ihre knospenden Zweige über die hohen Marmortafeln des guts herrlichen Erbbegräbnisses an der Kirchhofsmauer herab- hängen ließ, zwitscherte ein lenzfrohes Vögelchen. „Grabstätte der Familie von Holmfeld" war da in den dunklen Marmor eingehauen, und darunter standen die Namen all der Holmfeld zu lesen, die während der letzten fünfzig Jahre als stille Schläfer in die gemauerte Gruft hinabgesenkt worden waren. Der einsame Mann schlug die Augen auf und ließ seinen Blick wie suchend über die ein gemeißelten Zeilen dahingleiten. Denn ein Holmfeld war auch er, ein Dietrich von Holmfeld, wie der Großvater und der Vater. Nur der Platz, an dem als letzter der Name seiner Mutter schimmerte, war noch leer gewesen, als er zum letzten Mal hier vor dieser Begräbnisstätte gestanden. Aber auch darauf war er vorbereitet gewesen, diesen ihm einst so teuren Namen hier zu finden, und nicht, um ihn zu suchen, war er über das Weltmeer gekommen. Da er sah, daß in diesen sieben Jahren seit der Bestattung der Freifrau keine neue Inschrift den früheren hinzugefügt worden war, spiegelte sich's wie Überraschung, fast wie Bestürzung auf seinem Gesicht. Nun öffneten sich auch schon die Türen des Gotteshauses, um die Männer und Frauen der Gemeinde ins Freie zu entlasten. Es war offenkundig, daß keiner ihn erkannte. Sie alle hatten neugierige Seitenblicke für den Fremden, aber sie schritten ohne Aufenthalt und ohne Gruß an ihm vorbei. Nach einem letzten, langen Blick auf die Grabtafel wollte er sich eben zum Gehen wenden, als er einen Mann durch die Frieühofspforte eintreten und raschen Schrittes auf sich zu kommen sah. Heiß schoß ihm eine Blutwelle ins Gesicht, und sein Blick irrte umher, als ob er eine Möglichkeit zur Flucht erspähen wollte. Aber da an ein Entrinnen nicht mehr zu denken war, warf er in trotziger Entschlossenheit den Kopf zurück und sah, ohne sich von der Stelle zu rühren, dem Ankömmling entgegen. Der war groß und schlank wie er, und die auffallende Familienähnlichkeit zwischen ihnen war nicht zu verkennen: nur daß der Gutsherr um vier oder fünf Jahre älter sein mochte als der heimgekehrte Bruder. Eine merkliche Befangenheit war in dem Blick des Älteren. Aber als sie sich nun gegenüberstanden, fanden sich doch ihre Hände. „Herzlich willkommen in der Heimat, mein, lieber Dietrich!" sagte mit einem Klang ehrlicher Wärme der Freiherr Kurt von Holmfeld. „Wie lange hast du uns vergebens auf dich oder auch nur auf eine Kunde von dir warten lassen !" „Ich denke, du wirst unter der Fruchtlosigkeit des Wartens nicht allzu schmerzlich gelitten haben," kam nach einem kleinen Zaudern die Erwiderung. „Und außer dir gibt es hier doch ivohl vollends niemand mehr, der sich für mich oder mein Ergehen interessiert hätte." „Du tust nicht recht daran, so zu sprechen. Daß du so ganz verschollen bliebst, hat mir und — und anderen manche schmerzliche Stunde bereitet. Wir wollen uns einbilden, diese acht Jahre und das, was ihnen voraufging, seien nichts anderes gewesen als ein böser Traum." Um die Lippen des anderen zuckte es. „Es mag für dich freilich nicht schwer sein, sie aus deiner Erinnerung zu löschen. Ich aber befinde mich leider in einer weniger glück lichen Lage. Denn du bist ohne Schuld: ich aber -" - „Wenn es unsere Heimgegangene Mutter ist, an die du denkst, Dietrich, so laß dir gesagt sein, daß während ihrer letzten Krankheit und in der Stunde ihres Hinscheidens in ihrem Herzen nichts anderes gewesen ist als die innigste und zärtlichste Liebe für dich. Der Gedanke an sie braucht dein Gewissen also nicht zu belasten. Nichts von bitterer Reue braucht sich in deine liebevolle Trauer um die Ver storbene zu mischen." Dietrich hatte die ermutigende Hand des Bruders auf seiner Schulter geduldet, aber sein Kopf war nur tiefer herabgesunken. „Ich wußte, daß sie mir vergeben würde", sagte er halblaut, „denn die Liebe einer Mutter ist unendlich und unerschöpflich. Das andere aber, was ich gesündigt und was ich durch keine Reue sühnen kann — es wird als ein zermalmender Druck auf meiner Seele liegen bis an das Ende meines Lebens. Denn einen Ostertag der Auferstehung gibt es wohl für einen Gott, doch nicht für arme Sterbliche, deren junges Leben ein schmählicher, treuloser Verrat vor der Zeit vermehret." Die Augen des Gutsherrn öffneten sich weit wie in grenzenlosem Erstaunen. „Wer ist es, von dem du da sprichst?" fragte er mit seltsam bebender Stimme. „Weshalb begehrst du zu hören, was du doch gut genug weißt? Unsere Kusine Herta war meine Verlobte. In meinem frevelhaften Leichtsinn meinte ich, sie würde sich bald genug trösten. Und seitdem ich weiß, daß der Gram scher meine schändliche Handlungsweise sie getötet hat, bin ich ein fertiger, ei. gebrochener Mensch. Ich habe drüben in Amerika Weib mch Kind, aber ich habe mich von Weib und Kind losgeriffen, weil es mir keine Ruhe ließ, bis ich an Hertas Grabe gestanden und die Verzeihung der Toten erfleht hätte für das, was ich der Lebenden nicht mehr ab bitten kann." Kurt von Holmfeld hatte die Selbstanklage des Bruders nicht unterbrochen. Nun aber erfaßte er, während in seinem Gesicht ein seltsames Leuchten aufging, mit fast ungestümem Griff seinen Arm. „Komm!" sagte er. „Nicht hier wollen wir weiter von diesen Dingen sprechen, sondern unter dem Dache unseres Elternhauses, das heute an diesem gesegneten Ostertag ein Haus der Freude und Fröhlichkeit sein soll um deiner Heim kehr willen." „Niemals!" rief Dietrich mit einem Versuch, sich zu be freien. „Ich habe mir geschworen, meinen Fuß nie wieder über die Schwelle zu setzen, über die man den Sarg der jenigen getragen, die ich getötet." Er hatte sich losgemacht und schritt eilend wie ein Fliehender dem Ausgang des Friedhofes zu. Der andere folgte ihm, und das Leuchten auf seinem Gesicht war zu einem sonnigen, strahlenden Lächeln geworden. Er bemühte sich garnicht, den Eilenden zu halten. Er sah ja, daß Dietrich geradenwegs auf die kleine Gruppe zu ging, die am Rande Ler Dorfstraße stand, da, wo sich der Weg nach dem Herrenhause abzweigte. Und erst als Dietrich dieser aus einer schönen jungen Frau und zwei blondlockigen Kindern bestehenden Gruppe ganz nahe ge kommen war, rief er mit Heller, froher, weithin klingender Stimme: „Laß ihn nicht entwischen, Herta — den törichten Mann! Und bitte ihn um Verzeihung dafür, daß du nicht aus Gram um ihn gestorben, sondern seines glücklichen Bruders Weib geworden bist." „Willkommen in der Heimat, Dietrich!" sagte sie, und nichts als die reinste, liebenswürdigste Freude war auf ihrem Gesicht. Der Angeredete aber starrte sie zuerst wortlos und fassungslos an wie eine übernatürliche Erscheinung: „Auf erstanden!" stammelte er. „So ist denn auch mir mein Osterwunder beschieden gewesen. Und nun gibt es auf dieser ganzen gesegneten Gotteswelt keinen glücklicheren Menschen als mich." Unsere WWMlMungMIc. Vortrag des Herrn Schuldirektor Thomas im Elternabend am 15. März 1920. IV. (Schluß). Als ein zweites selbständiges Unterrichtsfach ter M.-F.-Sch. haben wir oben »as Deutsch bezeichnet. Die allgemeine. müntliche unt schriftliche Sprachpflege erfolgt im gesamten Unterricht. In ter Lebenskunte insbesontere Vie Tochter cter veimatlolen. 28) Kriminalroman von A. Ostland. Die Unbekannte blickte, wie scharf nachdenkend, in die Höhe. Ein verirrter, letzter Lichtstrahl fiel auf ihre Züge. Die Baronin erschrak beinahe. Da war doch eine Aehnlichkeit — ein dumpfes Erinnern, das in ihr wach wurde. Sie suchte umsonst ihre Gedanken zu fassen; sie zerflatterten in dem Aufruhr, welcher ihre Seele durchbebte. „Richting? Richting?" wiederholte die fremde Frau sinnend. „Oh — ich weiß nicht, ob er so geheißen hat l Aber Felix — ja — das weiß ich! So habe ich ibn immer gerufen. Sckwn damals, da wir als Kinder spielten aut der blumigen Wiese — ja und dann — als er kam und mich küßte und mir sagte, daß er mich liebhabe — lieb! lieb! Die kleine Kirche war so dunkel, und die Orgel klang! Das ist alles so lange her! Ach, so lange! Er ist fort, und das kleine, blonde Mädchen ist fort! Mein Kind! Mein liebes, süßes Kind! Alles weg! Er hat es geholt, und ich soll sie nun suchen, beide; im gelben, heißen Wüstensand. Suchen, immer suchen —" Die Freifrau schauerte zusammen. „Wie hieß denn das kleine Mädchen?" fragte sie zaghaft. „Felicitas — Felicitas — das Glück", murmelte die Frau. „Felicitas? Draußen auf dem Korridor wurden Stimmen laut. Man vernahm den Baß des Freiherrn, dazwischen Olgas dunkles Organ. Der Diener glitt zur Türe und öffnete sie. Ein Strom van Helle quoll aus dem Treppenhause herein, und mitten darinnen stand Fees zierliche Gestalt. Eine Sekunde lang trafen ihre Blicke das Antlitz der Fremden. Aber diese schien plötzlich scheu zu werden. Sie drückte sich beiseite. „Wer ist das?" fragte Olga erregt. Da hastete jemand die Stiege empor. Ein kleiner, schwächlicher, alter Mann tauchte auf. „Mariel" rief er, als er die seltsame Frau erblickt, „gottlob, da bist du! Weshalb läufst du denn weg! Ich hab' dich überall gesucht. Und solche Angst hab' ich ge habt! Komin doch! Komm!" Er hatte »ach der Hand der Frau gegriffen. Nun wandte er sich noch an die übrigen. „Die Herrschaften verzeihen! Eine arme Irrsinnige. Aber sie ist ganz brav und sanft. Und singt so schön! Ich spiel' dazu" — er wies auf eine Geige, die er im Arme dielt. ..Ja — mit Verlaub, drunten im Hof musizieren wir! Und die Marie hätt' sollen bitten um eine kleine, milde Gabe." Sie standen bereits auf der Treppe. Die Irre sah mit traurigen Augen zurück. Und leise begann sie zu singen r . „Wir ziehen und wandern, Ohn' Rast, ohne Ruh' — Von einem Ort zum andern, Immerzu — immerzu l Auf staubigen Straßen, Ueber Felsen und Moos — Im Leben verlassen Und heimatlos!" Der kleine, behende Alte hatte den Bogen angesetzt und begleitete den sonderbaren Gesang mit ein paar Strichen. Merkwürdig dumpf hallte die tiefe Frauenstimme zwischen den starken Mauern des uralten Hauses. „Heimatlos!" Das Wort traf Fee ins Herz. Ein unsägliches Mitleid ergriff sie mit dieser Frau, welche da vor ihr stand auf der Stiege und dieses Lied, sang nach einer eintönigen, schwermütigen Melodie. Sie wendete sich rasch um und neigte sich zu der Fremden. Dabei schlüpfte die halbe Goldmünze, welche ihr der alte Clown als von ihrer Mutter ererbt umgeyangen hatte, und die sie immer an einer feinen Kette um den Hals trug, aus den Falten der Jacke. Die Irre sah die Münze und schrie auf. Mit beiden Händen wollte sie danach greifen. Aber ihr Begleiter zog sie mit Gewalt hinweg unter vielen unbeholfenen Entschuldigungen. Und eine Minute später schon traten die beiden, sonderbaren Gestalten, der alte verkümmerte Mann und die blasse Frau mit den flackernden Augen und dem silbernen Haar, wieder hinaus auf die regennasse Straße, um im Dunst und Nebel des einbrechenden Abends unterzutauchen, zu ver schwinden, als wären sie nie gewesen. Nur daß mit dem Lärm der Straße von fern noch ein Klang bis herein wehte in das alte Haus, ein verlorener Ton: „Heimatlos — heimatlos!" Fee stand noch immer über die Brüstung gebeugt und horchte. Aber nun hörte man nichts mehr. Nur der Regen schlug an die Scheiben, und der Wind sang sein Lied . . . Der Freiherr hatte der ganzen Szene wenig Aufmerk samkeit geschenkt. Mit seinen schwachen Augen hatte er auch nicht einmal die Umrisse der beiden Gestalten erfaßt. Was ging ihn das Musikantenvolk an? Er war aufs tieisre erreat über den Ausaana des Prozesses. findet sich vor allem reichlich Gelegenheit, die Formen des geschäftlichen Verkehrs zu- üben, und die Sprache dient hier -er Verarbeitung des Unterrichtsstoffes, dckmit er eigenes Gut wird. Eine besondere Unterrichtsstunde für Deutsch wäre somit nach dieser Richtung hin nicht nötig. Die vornehmste Aufgabe der Ul -F.-Sch besteht aber darin, die der Sprache innewohnenden gemüts- und charakter bildenden Kunst« durch Einführung der Schülerinnen in das Verständnis und die Schönheit der deutschen voiksliteratur zu wecken und zu pflegen. Natürlich dürfen es nicht nur einzelne verstreute Proben des deutschen Schrifttums sein, sondern es sind vor allem zusammenhängende Prosa- und poetische Stoffe für die Blassen- und Hauslektüre aus dem Vorräte einer reichhaltigen Schul- und Iugendbibliothek zur Verfügung zu stellen. So wird die M.-F.-Sch. im stande sein, dem Geistesleben der Mädchen einen edlen und wert ollen Inhalt zu geben und sie bewahren können vor einem sehnsüchtigen yaschen nach minderwertiger Literatur und deren oftmals verhängnisvollen Folgen. Nicht zuletzt sollen auch die Mädchen befähigt werden, anschaulich, packend, lebenswahr und kindertümlich zu erzählen, damit sie später als Gattin und Mutter ihren Familien ein geistiger Mittelpunkt sein können. Aus alledem erscheint es notwendig, dem Deutschunterrichte durch alle drei Jahre hindurch eine besondere Mkchenslunde zuzuweisen. Und mit ihr soll verbunden werden die pflege des Gesanges. In der Heranwachsenden weiblichen Jugend Liebe und Verständnis für das edle, Herz und Gemüt erhebende deutsch« Volkslied zu erwecken, ist auch Aufgabe der M.-F.-Sch. „Mo man singt, da laß dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder!" Darin liegt aus- gedrückt di« hohe Bedeutung des Gesanges für Herzens bildung: Leider ist der Gesang der Mädels und der Burschen am Brunnen vor dem Tore unter der alten Dorfiinde, in Feld und Miese, Flur und Hain verstummt. Ihn wieder aufleben zu lassen, wäre eine herrliche Auf gabe der Heranwachsenden weiblichen Jugend. Und unsere Binder singen gern. Schon die Blemsten mühen sich, es den größeren nachzu'un. Diese Liebe zum Gesänge, in der zugleich schon etwas liegt von der Innerlichkeit des deutschen Gemüts, muß die Mutter von Jugend auf pflegen und deshalb imstande sein, die schönsten Volks- und Binderlieder ihren Bindern vorzusingen und sie mit ihnen singend einzuüben. In der pflege »es Gesanges liegt auch ein Tei! der weiblichen Jugendpflege, di« außer halb des Rahmens der Schul«, aber mit ihr verbunden, einzurichten ist und über die später einmal in einem be sonderen Referate zu sprechen sein wird. Als drittes selbständiges Fach gelten die Leibes übungen. Gerade für den weiblichen Börper ist es be sonders nötig, ihn durch zweckentsprechende Leibesübungen zu festigen und zu stärken und ihn für den Beruf des Meibes tüchtig, geschickt und widerstandsfähig zu machen. Man wende nicht ein, daß die häusliche Tätigkeit der Mädchen ihnen Bewegung gerade im Uebermaß bringe. Gewiß, einer Frau, die ihre Hauswirtschaft selbst versieht, fehlt es an körperlicher Ausarbeitung keineswegs. Aber gerade in der wichtigen Zeit der Entwicklung des weib lichen Körpers ist derselbe durch planmäßige Leibesübungen auf Grund genauer Kenntnis seines anatomischen Auf baues und der Bedeutung der einzelnen Vcgane für seine natürliche Aufgabe gründlich durch- und auszubilden. Es ist ein Verdienst der Turnverein«, auch der hiesigen, daß sie schon seit einer Reihe von Jahren auch dem Mädchen turnen ihre Aufmerksamkeit zugewendet haben. Menn nun auch die M.-F.-Sch. auf das Mädchenturnen zu kommt, so will sie- den Turnvereinen durchaus keinen Ab bruch machen. Es ist vielmehr ein verständnisvolles Mit einanderarbeiten anzubahnen, und es ist sogar nicht un möglich, daß die Turnvereine diesen Teil der Schularbeit Übernehmen, allerdings unter Aufsicht der Schule und nur „Wegen Mangels an Beweisen freigesprochen!" schrie er außer sich. „Hörst du's, Anna? Wegen Mangels an Beweisen! Nicht, weil die ^Richter überzeugt waren von seiner Unschuld! Und das ist der letzte Richting! Der einzige Träger unseres alten Namens!" Eben chetrat er, auf den Arm seiner Frau gestützt, das Zimmer. Olga war ihnen schon vorausgegangen. Sie hatte den großen Brief auf denk Tischchen entdeckt. Gedankenlos griff sie nach ihm. Auch ihr war ja alles gleichgültig Alles! Zum erstenmal war der Sturm einer echten, großen Leidenschaft über sie hingebraust. Aber dieser Sturm hatte sie nicht zerbrochen, kaum gebeugt. Nur noch willensstärker hatte er sie gemacht, noch trotziger, noch härter... Olga von Halberg drückte auf den Knopf der elek trischen Leitung. Das Licht flammte auf. Glänzend spielte es hin über das weiße, große Kuvert, über die Reihe fremdländischer Marken. Deutlich sah man den Stempel „Tanger". Olga las den Namen laut. Sie dachte kaum etwas dabei. Aber noch während ihre Lippen das Wort formten, wurde sie plötzlich sehr bleich, und ihre Knie zitterten. Gewaltsam beherrschte sie sich. Ihr Blick ging forschend hin über die Gesichter der beiden alten Leute. Gott! Hatten denn diese nicht aufgehorcht bei der Nennung der Stadt, welche einst so unzähligemal genannt worden war zwischen ihnen? Nach Tanger hatte einst Felix von Richting sich eingeschifft, das Konsulat in Tanger über mittelte später seine wenigen Briefe an die Eltern. Von eben diesem Konsulat kam die erste Nachricht, daß man mit einem Unglücksfall rechnen müsse, welcher den jungen Freiherrn betroffen haben könne . . . Und nun lag da in ihrer Hand ein großer Brief aus der gleichen Stadt, von demselben Konsulat. Der Absen der war vermerkt. . . „Onkel, Tante," sagte Olga mit unsicherer Stimme, „hört doch, um Gottes willen I Nachricht vom Konsulat in Tanger." Sie konnte nicht weiter, denn plötzlich war die alte Frau schon dicht neben ihr, während der Freiherr, nach einem Halte suchend, mit den Armen durch die Luft fuhr. Kaum konnte Felicitas ihn noch rasch genug stützend umfassen. „Was ist? Was?" — Die Freifrau schrie die Frage dem Mädchen entgegen. Im nächsten Augenblick hatte sie ihr auch schon den Bries entrissen. Das Kuvert fiel in Fetzen zu Boden. „Ich kann nicht lesen!" stöhnte die Freifrau. „Die Buchstaben tanzen vor meinen Augen."
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