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leistet sei, so daß, wenn nicht sofort nach dem Zustande kommen des Friedens zwischen den augenblicklichen Macht habern des Ruhrgebiets und der Reichsregierung eine große Menge von Lebensmitteln gebracht wird, mit einem Chaos gerechnet werden muß. Dr. Helm sagte: .Unter dem Ein druck dieser entsetzlichen Lage sind wir hierher gekommen, um die Hilfe der niederländischen Regierung anzurufen." * Eine ernste Mahnung Amerikas. Herr Dresel, der als Vertreter der Vereinigten Staaken in Berlin weilt, hat dem Reichsminister Müller folgende Er klärung seiner Regierung übermittelt: Die Regierung der Vereinigten Staaten verfolgt mit Sympathie die Bemühungen der deutschen Regierung tn der gleichzeitigen Bekämpfung der Gewalten der milita ristischen Reaktion und der Anarchie. Die Regierung der Bereinigten Staaten hat mit Befriedigung feststeUen können, -ast das deutsche Volk die Negierung in ihrem erfolgreichen Widerstand grgcn die Ungesetzlichkeit unterstützt hat und hofft nunmehr, das? die Anstrengungen, die Demokratie -rufrechtznerhalten und Ruhe und Ordnung gegen die dunkle» antidemokratischen Elemente, deren Obsiegen Deutschland iu Anarchie und Chaos stürzen würde, z» !chntzen, in gleicher Weise Erfolg haben werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten vertraut auf eine von dem gesunden Sinne diktierte Wiederaufnahme der Arbeit und des Handels in Deutschland und würde einen Umsturz der gewerblichen Ordnung, der die von Len Alliierten und Assoziierten Ländern in Aussicht genommenen Hilfsmaßregeln unmöglich machen würde, auf das Tiefste bedauern. Die für den Neuaufbau der deutschen Industrie notwendige Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen würde dadurch sehr erschwert, wenn nicht vorläufig unmöglich ge macht werden. Verschiedene Meldungen Kassel. Die Reichswehrbrigade 11 teilt über die Lage in Thüringen mit: Die Truppen des Generals Rumschöttel er reichten die Gegend Halbwegs Eisenach—Gotha. Der Vor marsch ging im allgemeinen ohne Störung vor sich. Patrouillen erhielten aus Mechterstedt Feuer. Einige Verluste nnd zu beklagen, über die Auslieferung der in Suhl zurzeit gefangenen Reichswehrieute schweben Verhandlungen. Erfurt. In Erfurt haben die Ereignisse der vergangenen Woüie 7 Tote und" 72 Verwundete gefordert. Die Reicks- wehrtruopen sind gestern nach kurzem Kampf in Sömmerda eingerückt, das seit Beginn der Unruhen in den Hänoen der Arpesterlchast war. PoMsche Mmöschau. Deutsches Mick. Zur Entrichtung der Einkommensteuer. In Lern am 1. April beginnenden neuen Rechnungsjahre ist die Ein kommensteuer zunächst wie bisher ratenweise mit dem in den ersten fünfzehn Tagen der Monate Mai, August, November und Februar jeweils fälligen Betrag durch die Steuer pflichtigen selbst zu entrichten. Sie ist auf Grund des für das Rechnungsjahr 1919 festgestellten Einkommens, aber nach den Steuersätzen und den sonstigen Bestimmungen des am 11. März endgültig verabschiedeten Einkommenssteuergesetzes zu zahlen. Der Steuerpflichtige hat, wenn ihm ein vor läufiger oder endgültiger Steuerbescheid nicht zugegangen in, zu den gesetzlichen Zahlungszeiten Teilzahlungen nach der ihm für das vorausgegangene Rechnungsjahr angesetzten Einkommensteuer vorläufig westerzuleisten. 4- Kein Haftbefehl gegen Ludendorff. Von Zuständiger Stelle wird erklärt: .Es ist unzutreffend, daß gegen den General Ludendorff bereits ein besonderer Haftbefehl er gangen ist. Dir Behörden sind jedoch nach der Erklärung der Regierung, all* Schuldigen am Putsch zur Bestrafung zu bringen, angewiesen, auch auf die Person des Generals Ludendorff, dessen Teilnahme und Unterstützung des Militär interims einwandfrei feststeht, ihr Augenmerk zu richten. Vie Doehler arr keimatlojen. 23) Kriminalroman van A. Ostland. Sie blickte versonnen vor sich hin ins Leere. Da fühlte sie, daß jemand sie fest ansah. Und langsam, wie gezogen von einer unsichtbaren Macht, wendete sie den feinen Kopf. Walter von Richlings schöne, warme Augen leuch teten ihr entgegen durch das Dämmerlicht, welches in dem Zimmer herrschte. Der junge Mann war noch sehr schwach, die Wunde brannte stark. Aber das Bewußtsein war ganz klar seit einigen Stunden. Unverwandt sah er auf das rührend liebliche Bild: die Greisin, welche so müde und zusammengesunken in dem tiefen Lehnstuhl lag, und deren welke Hand noch immer zwischen de» feinen Fingern des jungen Mädchens lag, das still neben" ihr stand. Es gibt in jedem Menschenleben Augenblicke, die un vergeßlich sind und über ein Schicksal entscheiden, ohne daß man es vielleicht selbst ahnt. Die beiden jungen, schönen Menschen sahen sich über den Kopf der Greisin hinweg an. Es war ganz still im Zimmer. Vor den Fenstern rauschten die jungbelaubten Linden bäume auf im leichten Frühlingswind, der aus lichten Flügeln einen Rosenschimmer des verdämmernden Abend rotes hereintrug. Und zwei Augenpaare hafteten inein ander und sagten sich ohne Worte das Schönste, Süßeste, Heiligste, das man sich sagen kann, die Worte: Ich liebe dich. . . Aber sie wußten es beide nicht^daß in ihren Herzen eine feine, seltene Blume erblüht war. Sie fühlten bloß, daß es Glück war, beisammen zu sein, daß sie eines bei dem anderen Wärme fanden und Licht und Freude. Daß! das Leben erst jetzt reich war und lebenswert. Es war nur ein Augenblick. Aber einer jener Augen blicke des Glückes, die so selten sind und vielleicht ge rade deswegen so süß, so berauschend . . . Ueber die Richtburg zogen stille Frühlingstage, Tage voll heimlichen Glanzes, voll Seligkeit, die nie ausge sprochen wurde. Walter von Richting erholte sich lang sam. Er war nun schon außer Bett und faß stunden lang neben dem Fenster, lesend, zeichnend. Er entwarf Pläne für allerlei Neubauten, weiche der alte Freiherr ausführen lassen wollte. Und da zeigte es sich, daß Walter von Richting nicht nur vielleicht ein geschickter Ingenieur war, was er jetzt noch nicht beweisen konnte, sondern daß auch ein echter und rechter Künstler in ihm steckte. Olga saß jetzt oft neben ihm. Immer besser gefiel ihr das schöne, männliche Gesicht, der gütige und doch sehr kluge Ausdruck der tiefen Augen. Sie zwang sich oft mit aller Da aber Ludendorff nicht unmittelbar an der sogenannten Kapp-Regierung beteiligt war oder bei irgendwelchen Amts handlungen der Kapp-Lüitwitz hervortrat, glaubte die Regierung, bisher von einem besonderen Haftbefehl absehen zu müssen." 4- Die Kosten der Besatz«ngstrilpperr. Nach Mel dungen aus Paris betragen die Kosten für Lie Besatzungs- trnppen im Rheinland und in den der Volksabstimmung unterworfenen Gebieten für 1920 etwa 700 Millionen Frank. Davon entfallen auf die Besetzung der Rheinlands 568 Mil lionen Frank. Amerika. X Donderfriede mit Deutschland. Dem amerikanischen Repräsentantenhause ging ein Gesetzentwurf zu, der zu einem Sonderfrieden zwischen den Vereinigten Staaten und Deutsch land ermächtigt. Der Entwurf sieht die Schaffung eines Handelsrates vor, der so rasch als möglich dem Kongreß einen besonderen Entwurf für die Leistung von Krediten an Europa unterbreiten soll. Diese Kredite sollen so lange laufen, bis der Wechselkurs den Stand der Vorkriegszeit er reicht hat. Welt- und DMsWirischasi. Kber die Kohlenlagc wird amtlich mitgeteilt: In Westfalen wird voll gearbeitet. Es werden täglich ungefähr 16 000 Eisenbahnwagen (soviel wie zur Zeit, als die Auf nahme der Mehrarbeit begann) gestellt. In Oberschlesien wird voll gearbeitet, doch gestattet die Verkehrslage nicht, Sie geförderte Menge aus dem Revier herauszuschaffen, da besonders der Umstelldahnhof Breslau-Brockau sehr stark verstopft ist. Im rheinischen Braunkohlenrevier, das im be setzten Gebiet liegt, hat die Arbeit während Ler kritischen Tage nie gestockt. Dagegen wird im mitteldeutschen Kohlen revier, im Halleschen Revier, im Bitterfelder Revier, im Zeitz-Weißenfelser Revier fast gar nicht gearbeitet. Ebenso wird in Sachsen zu einem großen Teil noch gestreikt. Im Altenburger Revier wird zwar gearbeitet, doch werden die geförderten Kohlen zum großen Teil für die Bedürfnisse des Altenburger Landes verwandt. Im Niederlausttzer Revier, besonders in Senftenberg und Umgebung, ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Arbeit wieder ausgenommen worden. Doch dürste die Kohlenversorgung solange zu wünschen übrig lassen, bis die durch den Eisenbahnerstreik hervorgerufene Verstopfung der Bahnhöfe beseitigt und da mit die Verkehrsnot behoben ist. Auch sine Zukunstsaufgabe. Von Dorothea Goebler. Die neue Zeit, die auf so vielen Gebieten einen nie geahnten Wandel geschaffen, bahnt auch im Verhältnis der Geschlechter zu einander allerhand Unvorhergesehenes, Neues an. Schon vor dem Kriege stand die Frau, die damals «die Frau von heute" war, dem Manne anders gegenüber als ihre Großmutter. Sie ging als Arbeitsgenosstn neben ihm her in Bureau und Werkstatt, lernte mit ihm zusammen im Atelier, auf der Universität, in den Geschäften. Ihr Verkehr war ein freier geworden. Unsere Großmütter waren wohl behütete Haustöchter gewesen. Sie lernten den Mann nur kennen unter dem Schutz von „Papa und Mama". Sie gingen nicht einmal mit dem verlobten Bräutigam aus ohne den Schutz der „Anstandsdame". Hielt es ein männliches Wesen für angebracht, einmal drei Worte mehr mit ihnen zu reden als mit einer andern jungen Dame, so spitzten sämtliche Tanten dis Ohren: „Was will der? Der hat doch ernste Absichten!" Ein Mann, Ler keine „ernsten Absichten" hatte, durfte überhaupt nicht in das Haus. Das war schon in den letzten Friedensjahren anders ge worden. Die Frau, die mit dem Manne arbeitete, wurde auch Kameradin in den Feierstunden. Sie ging mit ihm zu Spiel und Tanz. Solch ein freier kameradschaftlicher Ver kehr ist sehr etwas Schönes, er kann Lem jungen Manne wie dem Mädchen seelisch sekr viel neben. Trokdem mischten Mühe, ruhig, abwartend zu bleiben. Sie, die Kalte, stets Ueberlegende, verlor jetzt oft alle Geduld. Warum sah er sie immer so gleichmütig an? Sie hatte das be stimmte Gefühl, daß sie gegen irgend etwas Feindseliges in ihm anzukämpfen hatte. Aber was konnte das sein? War es ihr nicht stets gelungen, alle Männer für sich zu entflammen? Und dieser eine, dieser Mann, von dem nun die ganze Gestaltung ihrer Zukunft abhing, er sollte ihr widerstehen? Der Frühling brachte schwüle Tage, beiße Nächte. Olga von Halberg schlief kaum mehr. Irgend etwas trieb sie rastlos umher, ließ sie nicht ruhen. Das war wie ein Fieber in ihrem Blut. Alle ihre Nerven zitterten, und ihr Herz schlug stürmisch und verlangend dem Manne ent gegen, der sich immer gleich blieb in seiner kühlen Höf lichkeit. Sie vergaß alle ihre wohldurchdachten koketten Künste, die sie sonst so reichlich bei der Hand hätte, sie vergaß sogar, daß Walter der einstige Erbe der großen Güter sein sollte. Vielleicht hätte sie, auch wenn er arm gewesen wäre, jubelnd seine Hand ergriffen, falls sie sich ihr geboten hätte. Sie war sich kaum klar darüber. Nur eines wußte sie mit vollster Bestimmtheit: Diesen Mann wollte, mußte sie erobern. Ihre leidenschaftliche Natur zwang sie förmlich zu ihm hin . . . Aber Walter von Richting merkte es kaum. Und wenn er es merkte, so berührte es ihn unangenehm. Immer stand neben der schönen, stolzen und jetzt doch ost so demütigen Olga das keusche, liebliche Bild Fees. Dieses Bild gab ihm Ruhe, Sicherheit und die Gelassenheit einer steten Abwehr. Olga sorgte schon dafür, daß er die Zieh- tochter des Freiherrn so wenig alH, nur möglich sah. Aber auch das machte ihm nichts. Er hatte ein so sicheres, stilles Glücksgefühl, wenn er an Fee dachte. Und er war so fest davon überzeugt, daß sie auch an ihn dachte, wenngleich sie ihn manchmal tagelang nicht sah . . Der Flieder war verblüht, und die Welt stand im Zenith ihrer Schönheit. Walter von Richting hatte in einem wissenschaftlichen Werke gelesen. Jetzt saß er, leicht ermüdet, auf einer Bank des weiiiäufigen Parkes und sann verträumt vor sich hin. Plötzlich ließ ein Geräusch ihn auffahren. Schluchzte da nicht jemand? Wild, leidenschaftlich klang es durch die sommerliche Abendstille. Vorsichtig er hob er sich und schritt dem Geräusche nach . . . Zwischen zwei uralten Bäumen stand ganz abseits vom Wege eine kleine Kapelle. Ein Marienbild hing dort von" altersher, um welches die Landbevölkerung manche Sage gesponnen hatte. Ein paar Stufen führten dazu empor. Von dort klang das yeftige Weinen, das sich bald sehr viel Schattenseiten in "das lichte Bild. In'dec .guten alten Zeit" sah man mit besonderer Verachtung auf das junge Mädchen, das sich von Herren freihalten ließ und von ihnen Geschenke annahm. Und nicht «an» ohne Be rechtigung. Als das junge Weib aus den Schranken LeS Hauses in den Daseinskampf hinaustrat, hörte sie draußen viel lockende SUmmen, die ihr gar lieblich in die Ohren klangen! Eine war es vor allen, die immer lauter und verführerischer sprach, die sagte: „Mit soviel altem Kram haben wir auf geräumt. jetzt wollen wir auch mal Schluß machen mit Ler alten überlebten Anschauung, daß dem Manne alles erlaubt ist, und die Frau als Blümchen Rührmichnichtan daneben stehen soll." Die Frauen haben genau dasselbe Recht: sie können ihre Jugend genießen. Also: nimm mit, was sich dir bietet, amüsiere dich! Und die jungen Dinger folgten oft genug ohne Bedenken dieser Parole, fühlten sich als „modernes Mädchen", waren erhaben über „alte Tanten moral". Das beißt immer nur gerade so lange, wie der Held ihres Romans treu blieb. Zog er eines Tages die Konse quenzen, nahm er die Freiheit für sich in Anspruch und ging davon, dann war das „moderne junge Mädchen" mit einem Male gar nicht mehr modern: dann schalt es über den Ver führer und Verräter, knallte wohl gar mit der Pistole oder goß dem Treulosen Lysol ins Gesicht. Oder aber es war wirklich „modern" und ging einfach hin und begann das gleiche Spiel mit einem andern. Es ist viel Unglück emporgewachsen auf diesem Boden, es ist manche Frauenseele auf ihm hineingeglitten in de« Sumpf. Heute liegen die Verhältnisse nun noch schlimmer. Der Krieg hat uns die jungen Männer genommen. Die Ehemöglichkeiten sind auf das äußerste beschränkt. Die Umwälzung hat das ihre getan, Herzen und Gemüter noch mehr abzuwenden von allem Brauch und Herkommen. Tausende von jungen Mädchen stehen vor der Aussicht von allem Glück ausgeschlossen zu sein, wenn sie es sich nicht auf illoyale Weise nehmen wollen. An sie heran tritt die Ver suchung in Gestalt des Mannes, der aus wirtschaftlichen Gründen erst in späten Lebensjahren heiraten kann und dann zumeist auch nur eine Frau mit Vermögen. Wie werden sie sich demgegenüber verhalten? Wie sollen wir andern, die wir doch nicht wollen, daß ganze Scharen unseres weiblichen Nachwuchses in den Sumpf geraten, uns ihnen gegenüberstellen? Das sind die Fragen, die heut laut werden und die uns alle angehen, besonders aber die Mütter. Es ist nicht immer bloß Leichtfertigkeit und Liederliche keit, die das junge Mädchen straucheln lassen. Wenn man all die oben angeführten sozialen Verhältnisse aneinander reiht, wird man sehr viel Verstehen finden für das junge Müdchen, das heute andere Wege geht, als ihre Urgroß mutter sie allein für ehrbar hielt. Wenn schließlich der anfängliche Rausch beim anderen Teile verfliegt, steht Lie Frau einsam und unglücklich da, immer mit dem Stachel im Herzen: So war ich ihm gut genug, zur Frau nicht. Das sind furchtbar bittere Gefühle. Und wie hart, wie schwer wird in der Regel einem so ent täuschten Mädchen noch immer der Daseinskampf, wie drohen um sie Krankheit, Elend, Siechtum. Das alles wollen wir den Mädchen sagen und ihnen klarmachen ohne Beschönigung richtig und mit eindringlichstem Ernst. Es werden trotzdem und trotz aller guten Lehren, die ihnen Vater und Mutter mit in das Leben hinausgaben, doch noch viele, viele Hunderte den lockenden Stimmen folgen. Und denen gegenüber werden wir andern dann viel ver stehende Liebe brauchen, damit sie nicht ganz und gar ver sinken im Sumpf der Leichtfertigkeit und des Schmutzes. Sehr ernste Aufgaben treten gerade auf diesem Gebiet heute vor uns alle hin, es liegt im Interesse unseres ganzen Volkes und seiner Zukunft, daß wir sie mit versöhnender Güte und mit Würde zu lösen suchen. Schluchzen. Walter von Richting bog die Zweige ei« wenig auseinander. Da sah er, daß vor dem kleinen Altar eine weibliche Gestalt auf den Knien lag. Sie hatte die gerungenen Hände zu dem Gnadenbilde erhoben und die Stirne auf den kalten Stein gelegt. Wirr siel Las prachtvolle, schwarze Haar um das geneigte Gesicht. „Olga!" Ohne es zu wollen, hatte Walter den Namen hervor- gestoßen. Einem Wunsche seines Onkels entsprechend, nannte er die Cousins „Du". Aber er vermied die vertrauliche Anrede, so gut es nur ging. Jetzt aber riß das Erstaunen ihm das Wort vom Munde . . . Das junge Mädchen schnellte empor. Hochaufgerichtet stand sie da, das schöne Gesicht von Tränen überflutet. Ern leidenschaftlicher Blick traf den jungen Mann. Gerne hätte er sich zurückgezogen. Aber konnte, durfte er das? Sie hatte geweint, sie war unglücklich! Sie, die immer so kühl schien, so stolz und unnahbar... „Was ist mit dir, Olga?" fragte er teilnehmend, ,d« weinst? Hast du einen Kummer? Kann ich dir irgend- wie helfen?" Eine kurze Sekunde stand sie ganz still. Man hört» nichts, als das mühsame Atmen ihrer Brust. Und dann plötzlich einen Ausschrei, ein Stöhnen fast: „Helfen? Ja, du kannst mir Helsen. Du allein!" Verständnislos sah er sie an. Aber mit fliegendem Atem fuhr sie fort: „Ich kann nicht leben, Walter, wenn du nicht bei Mir bist! Ich habe ja noch nie gelebt! Erst jetzt weiß ich es, was das heißt — denn ich — ich liebe." Er hatte rasch einen Schritt vorgetan und hob, wie ab wehrend, die Hand: „Sprich nicht weiter!" ries er, „erlaß das dir und mir! Ich will alles nicht gehört haben, ich will nichts wissen! Denn ich — ich —" Sie mar zurückgetaumelt, blaß bis in die Lippen. Ihr Antlitz verzerrte sich. Krampfhaft tasteten ihre Finger nach der Stütze des Gebetschemels. Durch das fahle Zwie licht, welches durch jäh aufziehende Gewitterwolken her vorgerufen wurde, sahen zwei flammende Augen in da» Gesicht des jungen Mannes. Augen, welche eine heiße, verzehrende Sprache redeten. Aber kein Ton gab aus seinem Herzen Antwort darauf. Und plötzlich wußte es Olga von Halberg: Sie hatte verspielt. Dieser Mann liebte sie nicht. Würde sie nie lieben. Ein zweites Ma! würde das Schicksal sie enttäuschen, das Glück an ihr vor übergehen... . „Walter!" sagte sie mit verlöschender Stimme, „stoße mick nickt fort!"