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Stadt übertönt von Zett zu Zeit sogar den Donner Ler Kanonen.' Am Eingang der Brücke auf dem linken Ufer halten Belgier die Wacht. Hauptmann Lorget, der Befehls haber des belgischen Postens, gibt Aufschluß über die Lage: „Die Roten hatten die Lippe überschritten und bedrängen die Stadt aus der Nähe. Die Regierungstruppen schießen von der Zitadelle aus, gegen diese haben die Spartakisten zwei Geschütze gerichtet. Die Reichswehrtruppen haben keine Schützengräben zu ihrer Verteidigung aufgeworfen. An der Lippe tobt der Kampf am heftigsten. Starke Explosionen von den Mörsern der Regierungstruppen sind vernehmbar. Auf dem belgischen Ufer kommen fortgesetzt Verwundete an, die gestärkt und dann auf das rechte Rheinufer abgeschoben werden." In Wesel herrscht Schrecken. Die Bevölkerung sitzt in den Kellern. Die Roten begehen Ausschreitungen. Die Flüchtlinge erzählen, daß die Kräfte der Reichswehr schwächer werden, weil des Nachts zahlreiche Soldaten desertieren. * Ermordung des Fliegerhauptmanns Berchthold. Das Detachement Berchthold sollte aufgelöst und aufs Land verteilt werden. Die Truppe, etwa 800 Mann stark, führte nur 122 Gewehre mit sich und war sonst waffenlos. Kurz vor Harburg wurde sie von Arbeitern angegriffen und zum Teil gefangengenommen. Auf Befehl seiner vorgesetzten militärischen Behörde mußte sich Hauptmann Berchthold er geben und den Rest seiner Waffen ausliefern. Die Ge fangenen wurden in zwei Harburger Lokalen untergebracht und von dort aus unter starker Bewachung nach der Kaserne transportiert. Der Führer Hauptmann Berchthold wurde aus einem Haufen herausgeholt und nach kurzem Verhör bestialisch mißhandelt und dann niedergeschossen. Auch zwei andere Offiziere wurden schwer mißhandelt, es gelang aber, sie vor dem Schicksal Berchtholds zu bewahren. Nach amt licher Feststellung find bisher 19 Tote festgestellt worden. Zwei Schwerverletzte dürften kaum noch am Leben erhalten werden können. Verwundet sind ungefähr 60 Personen, außer den Leichtverwundeten. Hauptmann Berchthold, der auf so tragische Weise ums Leben kommen mußte, war einer unserer bekanntesten Kampfflieger an der Westfront. Der Heeresbericht meldete von ihm nicht weniger als 44 Luft siege. Berchthold war einer der ersten, die sich den Orden t'our le merits verdienten. * Freigabe des besetzten Gebietes. Wie aus amerikanischer und englischer Quelle gemeldet wird, haben die Verbandsmächte beschlossen, der deutschen Regierung zu erlauben, 100000 Mann nach dem Ruhrgebiet zu entsenden, die, falls sie nicht genügen sollten, um die Ruhe wiederherzustellen, durch 80000 Mann belgischer, französischer und englischer Truppen verstärkt werden sollen. Fortsetzung der Kämpfe. Der Vollzugsrat in DUisburg veröffentlicht eine Be kanntmachung. derzufolge die roten Truppen stürmisch die Weiterführung des Kampfes fordern. Es wurde sofort ein Exekutivkomitee gebildet, dem die gesamte Gewalt übertragen ist. Die Kämpfe an der Front werden mit aller Energie weitergeführt. Sämtliche Bankdepots wurden als beschlag nahmt erklärt, ebenso werden alle nicht rationierten Lebens mittel beschlagnahmt. Die Polizei wird entlassen. Die Pressezensur bleibt vorläufig aufrechterhalten. Feuer Generalstreik geplant. Forderungen der Unabhängigen und Kommunisten. In einer Berliner Versammlung der unabhängigen und kommunistischen Betriebsräte wurde folgende Entschließung an die Regierung gefaßt: „Der vorzeitige Abbruch des Gene- ralstreiks vor Erreichung der notwendigen Garantien für die werktätige Bevölkerung hat die von der Zentralstreik- leitung vorausgesagte Wirkung gehabt, daß die konter- revolutionären Kräfte sich wieder sammeln und stärken. Die Atempause, die der Konterrevolution durch die Unterbrechung Les Generalstreiks geworden ist, wird dazu benützt, um die siegreiche Arbeiterschaft besonders in Rheinland-Westfalen durch die Soldateska niederzumetzeln. Die Vollver sammlung der Berliner Betriebsräte ruft angesichts dieser ungeheuerlichen Prellerei der gesamten Arbeiterklasse Deutschlands, angesichts der neuen drohenden Ge- Vie escblek cker veimsttsssn. 24) Kriminalroman von A. Ostland. Beinahe erschütternd klangen diese Worte aus dem Munde des Mädchens, das sonst so herb war, so abweisend. Und vielleicht hätten sie auch an Walters Herz gerührt, wenn dieses noch frei gewesen wäre. Aber klarer als je spürte er es in dieser Sekunde : Ich liebe Fee. Hatte er diese Worte laut gesagt? Oder oerstand das schöne Mädchen die stumme Sprache seiner Züge so ge nau? Plötzlich stand sie dicht vor ihm, wie hingeweht von dem Sturm, der jählings aufbrauste. „Du — du liebst die Kleine? Das Zirkusmädel?" fragte sie, zitternd in einer ungeheuren Aufregung, „die ziehst du mir vor? diese?" „Schmähe sie nicht I" rief er aufflammend, „das dulde ich nicht. Ja. Ich habe sie lieb. Bisher wußte ich es vielleicht kaum. Aber jetzt, da du es sagst, jetzt ist mir's klar geworden." Lin gellendes Lachen klang auf, dann ein Rauschen im Gebüsch. Ein Blitz zuckte über den Himmel, dem ein dröhnender Donner folgte. Dieser Donner verschlang das Geräusch der enteilenden Schritte, und die jäh einbrechende Dunkelheit nahm die.hohe, schlanke Gestalt des Mädchens in sich auf Unwillkürlich hatte Walter die Hand eine Sekunde lang vor die Augen gelegt. Als er sie sinken ließ, war der Platz vor dem Altäre leer. Hatte er geträumt? Hatte ihm eine erregte Phantasie ein Spukbild gezeigt? Fast konnte er es glauben, als er an diesem Abende beim gemeinsamen Nachtessen dem schönen Mädchen gegenübersaß. So steinern ruhig war ihr blasses Gesicht, so beherrscht und heiter der Ausdruck ihrer Augen. Sie beachtete weder ihn noch Fee. Alle ihre Aufmerksamkeit wendete sich Doktor Huber zu, den sie in diesen letzten Wochen stark vernachlässigt hatte. Und plötz lick brachte sie das Gespräch auf den noch immer unauf geklärten Tod Martin Großmanns. „Weißt du, Onkel," sagte sie, „was ich heute im Dorfe hörte? Daß der alte Großmann jede Geldnote, welche er einnahm oder behob, sofort zeichnete. Er machte auf der Rückseite des Scheines ein winziges Kreuzchen unten in der linken Ecke." „So?" fragte Huber. „Oh, das würde die Nach forschungen sehr erleichtern. Könnte ich nicht einen solchen Schein sehen?" Fee ging und brachte das von Großmann ererbte Geld. Und ricktia: jeder Sckein war deutlich ae.reicknet. fahren oas Proletariat auf, sich für eine neue Kraftanstrengung bereit zu machen. Die Vollversammlung beauftragt den Aktionsausschuß, sofort alle Maßnahmen für einen neuen Generalstreik zu treffen. Der Generalstreik muß geführt werden, bis die Durchführung folgender Forde rungen gelungen ist: 1. Sofortige Entwaffnung und Auf lösung der konterrevolutionären Truppen, d. h. der Truppen, die gegen die Arbeiter gekämpft haben und kämpfen. 2. Verhaftung der Offiziere und ihre Aburteilung durch ein Arbeitergericht. 3. Sofortige Beschlagnahme aller Waffen der Bourgeosie und Übergabe der Waffen an die Arbeiter räte. 4. Betriebsweise Ausgabe von Waffen an organisierte Arbeiter, Angestellte und Beamte. 6. Bildung von Arbeiter wehren unter zentraler Leitung der Arbeiterräte. 6. Schleunige Einberufung eines Reichs-Rätekongresses. 7. Vervollständi gung der Wahlen der revolutionären Betriebsräte." Letzte Drahtberichte des „Wilsdruffer Tageblattes". Forderung der Reichsregierung an die Aufständische« im Ruhrgebiet. Berlin, 28. März. Die Reichsregierung hat au die Aufständischen im rheinisch-westfälischen Kohlenrevier folgende Forderungen gestellt: Die Regierung hat durch - die Bielefelder Verhandlungen versucht, ohne Anwendung ! von Gewalt Ruhe und Ordnung im Ruhrgebiet wieder herzustellen. Der Versuch ist gescheitert. Die Gefangenen wurden nicht freigegeben, die Abgabe der Waffen wurde nicht durchgeführt» Die Verhältnisse haben sich im Gegenteil noch verschlimmert. Zahlreiche Notschreie aus allen Kreisen der Bevölkerung berichten über Verbrechen und Gewalt tätigkeiten, die von den Roten Truppen begangen werden. Das zwingt die Regierung zum energischen Handeln, um möglichst bald wieder geordnete Verhältnisse in diesem Gebiete herzustellen und die Bevölkerung vor Willkür akten zu schützen. Um aber allen Bersührten nochmals Gelegenheit zu geben, zur Vernunft zurückzukehren, will die Regierung noch eine letzte Frist gewähren, ehe sie mit Waffengewalt einschreitet. Sie fordert daher bis zum 38. März 12 Uhr mittags ausreichende Sicherheit für den Militärbefehlshaber des Wehrkreises 6 Generalleutnant v. Walter in Münster für die Annahme und Durchführung folgender Bedingungen: 1) Uneingeschränkte Anerkennung der verfassungsmäßigen Staatsautorität, 2) Wiederein setzung Verstaatlichen Verwaltungs- und Sicherheitsorgane, soweit sie nicht durch Eintreten für die Kapp-LLttwitz- Regierung belastet find, 3) sofortige Auflösung der Roten Armee, 4) völlige Entwaffnung der gesamten Bevölkerung einschließlich Einwohnerwehr unter Aufsicht der recht mäßigen Staatsorgane. Die Art und Zeit der Durch führung der Entwaffnung wird durch den Inhaber der vollziehenden Gewalt näher bestimmt. 5) Sofortige Frei gabe der Gefangenen. Falls diese Bedingungen ange nommen werde», wird die Reichsregierung von einem Angriff absehen, andernfalls erhält der Inhaber der voll ziehenden Gewalt Freiheit des Handelns zur völligen Wiederherstellung der gesetzmäßigen Zustände. Berlin, den 28. März 1920. Die Reichsregierung: Müller. Der Reichswehrminister: Geßler. Aus Stadt und Land. Wilsdruff, den 29. März >920. — Zugverkehr. Am Aarfreitag den 2. April und am Ostermontag den 5. April verkehren auf den Linien der sächsischen Staatsbahnen die Schnell- und Personenzüge im allgemeinen wie an Werktagen. Es fallen nur die vor wiegend dem Berufs- und Arbeiterverkehr dienenden Züge aus, die wegen Schließung der Geschäfte und Betriebe entbehrlich sind. Diese Züge werden auf den Stationen durch Schalteranschlag bekannt gemacht. Am Vstersonntag verkehren dagegen nur die wenigen Züge im Vorort- und Nahverkehr wie an gewöhnlichen Sonntagen. — Ab Mon tag den 29- März wird auf den bayrischen Haupt- und Nebeneisenbahnen der vor der Sperre bis lH. März gültige Personen- und Schnellzugsfahrplan, wie er im bayrischen Aushangfahrplan vorgesehen ist, wieder eingeführt. Die Nachtschnellzüge zwischen Dresden und München (ab Dresden Hbf, 10.53 Uhr nachmittags) werden bereits in der Nacht vom Sonntag zum Montag durchgeführt. — Die Damenriege des Turnvereins (D T.) wiederholte am Sonnabend abend im „Löwen" die vor acht Tagen mit großem Beifall aufgenommenen Reigen und turnerischen Vorführungen, die an dieser Stelle schon gebührende Würdigung fanden. Außerdem bot die Bor turneischaft des Vereins Uebungen am Barren, die an tadelloser Ausführung und Exaktheit nichts zu wünschen übrig ließen. Der Vorsitzende, Herr Stadtv. Seidel, begrüßte die nicht allzuzahlreich Erschienenen und forderte besonders die anwesenden Eltern der schulentlassenen Jugend auf, ihre Kinder zur Pflege von Körper und Gesundheit zum Eintritt in den Verein anzuhalten. Lg. — Oeffentlicher Untcrhaltungsabeud des Allge meinen Turnvereins. Gin recht abwechslungsreiches Programm brachte gestern Sonntag abend im Schützenhaus« der Allgemeine Turnverein zur Durchführung, von gut zu Gehör gebrachten Gesängen des M.-G.-v. „Brubergruß' umrahmt, zeigten Zöglinge am Ltützbarren, Mitglieder an Pferd und Hochbarren mit Freiübungen und Gruppen stellungen und endlich die Turnerinnen mit Aeulenübungen, daß die Aunst Altvater Zahns in dem Verein eine echte und rechte Pflegstätte besitzt. Einen besonderen Genuß bereiteten «ine Dame und fünf Herren mit Vorträgen auf der Zither. Bei sauberem Anschlag brachte besonders Herr- Schneider in seinem Solo Alangschönheit und -Fülle des Znstrumtntrs zur Geltung. Alle Darbietungen wurden mit > rauschendem Beifall von den zahlreichen Anwesenden belohnt. > Der Vorsitzende, Herr Stativ. Zähne, dankte am Schluffe allen Mitwirkenden sür ihre Mühen und richtete «inen warmtn Appell an alle noch Fernstehenden, dem Verein beizutreten. Lg. — Aenderung des Feld- und Forststrafgesetzes Die sächsisch« Rtgierung wird der Volkskammer den Ent wurf eines Gesetzes, Aenderung des Forst- und Feldstraf gesetzes vom 26. Februar IZ09 betr«ff«nd, zugehen lassen. Wie verlautet ist m dem neuen Lniwurs im besonderen den veränderten Geldwertverhältnissen Rechnung getragen worden, insofern, als man die Strafdarkeitsgrenze bei Forst- und Felddiebstählen entsprechend heraufsetzte. — Die Wahlen für die XI ordentliche Landes synode. Das svangelisch-lulhcrische Landeskonststorium hm auf Grund des Kirchengesetzes vom 2ö. Januar 1920 die Wahlen für die XI. ordentliche Landessynode auf Dienstag den I. Juni 1920 anberaumt und für die 23 Wahlbezirke Wshlkommissare ernannt. — Zugverkehr in Bayern. Ab Montag den 2». März wird in Bayern der vor der Sperre bis 14. März gültig gewesene Personen- und Schnsllzugssahrplan wiedereingeführt. — 75. Geburtstag. Am 27. März feierte ein großer Entdecker, der zugleich ein Wohltäter der Menschheit ge worden ist, seinen 75 Geburtstag, nämlich Wilhelm Aonrad Röntgen, der 18H5 in Lennep geboren ist. Seine Ent deckung der X-Strahlen erfolgte im Winter I895 und sie wurde zuerst veröffentlicht in den Sitzungsberichten der phyfikal.- medizinischen Gesellschaft der Universität Würzburg. Die nach dem Entdecker genannten Röntgenstrahlen haben der Wissenschaft einen Einblick ermöglicht m das Znnere des menschlichen Aörpers »nd damit der Heilkunde eine ganz unermeßliche Förderung gebracht. An solchen wissenschaft lichen Größen prallt der Welthaß ab, der seit fünf Zähren über Deutschland sich ergießt, denn die ganze Welt ist dem deutschen Gelehrten Röntgen Dank schuldig, und wir Deutschen richten unsIan der Größe solcher Landsleute auf aus unserem Elend. stZ — Genehmigte Lotterie. Das Ministerium d«s Znnern hat dem Verein zur Bekämpfung der Schwind sucht in Lhemnitz di« Genehmigung zu einer Geldlotterie Olga betrachtete jede der Geldnoten genau. Plötzlich'hob sie, wie nachdenkend, den Kopf: „Ich habe aber vor kurzem auch auf einem anderen Geldschein ein solches Zeichen gesehen. Ganz zufällig entdeckte ich es. Aber wo war das und wann?" Sie zog die dunklen Brauen wie in starkem Nachsinnen zusammen. Doktor Huber sah sie interessiert an. „Baronesse, denken Sie nach l" sagte er energisch. „Hier im Hause?" „Das ist unmöglich," sagte der Freiherr rasch. „Denn lch erinnere mich jetzt genau, daß mir Großmann selbst einmal erzählte, er zeichne seine Scheine. Aber nur die jenigen, welche er zum Aufheben bestimmt. Das Geld für die laufenden Zahlungen dürfte er nicht gezeichnet haben." Olga entgegnete nichts. Plötzlich durchzuckte es sie, wie ein elektrischer Schlag. Ihr Gesicht wurde noch blässer. Beinahe unheimlich sah es aus. Aber dann sagte sie laut und fest: „Ich weiß es jetzt, w 0 ich einen solchen Schein sah. Lei dir, Walter!" „Bei mir?" Ein unverhohlenes Erstaunen lag in seinen Worten. Er hob befremdet den schöneckMopf. „Ick habe mir mein Geld an der österreichischen Grenze eingewechselt", sagte er, „und seitdem nur noch wenig davon verausgabt. Eingenommen habe ich gar keines, wie ihr ja alle wißt." „Olga wird sich irren", sagte der Freiherr. Ihm schien plötzlich die Luft in dem Raum so drückend. Irgend etwas bereitete sich vor. Zog auch an seinem Lebenshimmel ein Gewitter auf? „Ich irre mich nicht", entgegnete Olga. Ihr war es selbst, als sollte sie nicht weitersprechen, als schnüre ihr etwas die Kehle zusammen. Aber sie überwand^ diese Schwäche. Und noch einmal jagte lie laut und be stimmt : „Ich irre mich nicht." Doktor Huber erhob sich. „Vielleicht ist der Beweis das richtigste", sagte er. „Wollen Sie uns nicht die Scheine zeigen, Herr von Richling?" Auch Fee hatte sich erhoben. Jetzt stand sie dicht neben Walter, der blaß und verstört um sich sah. „Ich löste mir an dem einzigen Tag meines Aufent haltes in Wien ein Sparkassenbuch", sagte er zögernd. „Dort legte ich hundert Kronen ein. Weitere zweihundert Kronen nahm ich mit mir. Mehr nicht. Ich — besitze überhaupt nicht mehr Geld als dieses", fügte er noch hinzu. — „Und diese Scheine habe ick ioaar bei mir." Seine Hand fuhr nach seiner Brieftasche. Im nächste» Augenblick lagen eine Hundertkronen-Note und vier Noten zu je 20 Kronen auf dem Tisch. Doktor Huber zog sie zu sich heran, wendete sie um. „Herr von Richting", sagte er nach einer Pause, welche unendlich lang erschien. „Diese Noten sind alle ge zeichnet. Und sie sind vollständig gleichmäßig gezeichnet mit denen, welche Fräulein Felicitas besitzt." Doktor Huber sprach anscheinend ganz ruhig. Aberdas leichte Zittern in seiner Stimme, die große Erregung, welche auch ihn gepackt hatte, konnte er doch nicht be herrschen. Der Freiherr fuhr auf. „Was wollen Sie damit sagen, Herr Doktor?" „Nichts", entgegnete der Jurist. „Ich konstatiere bloß eine Tatsache." Wieder folgte eine Pause. Dann trat Walter 00« Richting einen Schritt vor. „Die Noten gehören mir", sagte er laut und fest. „Ich weiß nicht, wie ich dazu gekommen bin. Jedenfalls aber bitte ich Sie, Herr Doktor: Ziehen Sie einstweilen keine Schlüsse daraus. Ich bin ein vollständig unschul diger Mensch." Huber sah ihn ernst an und zog dann seine Uhr. „Wenn der Wagen rasch bereit sein könnte, so wäre es uns noch möglich, den Wiener Zug zu erreichen", sagte er gelassen. „Ich möchte Sie ersuchen, Herr von Richting, mich ruhig zu begleiten. Mein Diener Merheim wird auch mitfahren. Wir besuchen noch heute den Polizeidirektor und tragen ihm den Fall vor." Walter von Richting war ganz fahl geworden. „Das heißt mit anderen Worten: Sie erklären mich für verhaftet, mein Herr?" rief er außer sich. „Ich bat Sie bloß um Ihre freiwillige Begleitung', sagte Huber sehr artig. „Alles Weitere findet sich. Und ich ersuche Sie dringendst: Erschweren Sie mir nicht mein Amt. Ich möchte gern alles Aufsehen vermeiden, und das andere überlassen wir den kompetenten Behörden." Sie waren alle aufgestanden. Sonderbar blaß und oerzerrt sahen die Gesichter aus, welche sich nun in dem Schein der Gaslampe drängten. Aber niemand sprach ein Wort. Wie ein Bann lag es auf allen. „Onkel!" rief Walter in einer Empörung, die ihn bei nahe übermannte, „was denkt ihr eigentlich alle? Um Himmels willen: So sprich doch I Haltet ihr mich denn sür einen Schuldigen? Was soll ick begangen haben?" Niemand sprach. Drückender wurde Idas Schweigen. Aber da stand' plötzlich wieder Fee neben dem jungen Mann.