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wie ben armen Schlucker, ber völlig unbeachtet seines Weges zieht, wir wären dann bald bei Wildwest-Zuständen angelangt, bei denen kein Mensch mehr seines Lebens sicher wäre. Verschlimmert wird die Lage noch durch die Tatsache, daß auch diesmal wieder, wie im Falle Arco-Eisner, ein kaum den Kinderschuhen entwachsener immer Mann ein Nücheramt auf sich nehmen zu dürfen glaubte, überdies in einem Augenblick, da die zuständigen Gerichte bereits mit einer pflichtgemäßen Nachprüfung aller der Anwürfe befaßt waren, die dem Reichsfinanzminister von seinen Gegnern seit Jahr und Tag in der Öffentlichkeit entgegengeschleudert wurden. Mag Erzberger und sein System noch so sehr an gefochten worden sein, den politischen Gegenpart kann man nur mit politischen Waffen, nicht mit einem Armeerevolver überwinden. Selbst wenn es Oltwig v. Hirschfeld gelungen wäre, sein Ziel zu erreichen, so hätte seine Tat nur um so sicherer Wirkungen anderer Art zur Folge gehabt, von denen das jugendliche Gemüt des Täters sich ganz gewiß keine ausreichende Vorstellung gebildet hat. Allerdings, Herr von Hirschfeld mag sich eine Mürtyrerkrone versprochen haben. Aber was würde er dazu sagen, wenn morgen irgendein junger Arbeiter seinen Revolver an Herrn Dr. Helfferich probierte ober an General Ludendorff? Eisners Ermordung hat in Bayern zunächst nur die Näteherrschaft zur Folge gehabt. Niemand kann voraussehen, was am Montag in Berlin geschehen wäre, wenn Erzberger nicht mit einer ver hältnismäßig ungefährlichen Verwundung davongekommen wäre. Nein, die Neichsregierung ist auf dem rechten Wege, wenn sie aus diesem Anlaß sich mit Worten des Schmerzes und der Empörung an die Öffentlichkeit wendet, um vor verbrecherischen Ausschreitungen des politischen Kampfes zu warnen. Wenn sie, ohne den Attentäter an die Rockschöße einer Partei zu hängen, doch auf die sinnlose und verant wortungslose Hetze hinweist, die seit Monaten gegen den Finanzminister im Gange war: wenn sie Klage führt über die geistige Verfassung, in der die schwerste Schicksalsprüfung unser Volk antrifft. Eine allgemeine Aufrüttelung der Geister erhofft sie von den Schüssen in Moabit, auf daß jedermann den Abgrund erkenne, vor dem wir stehen. Es tut wirklich not, daß wir einhalten auf dem Wege, auf den wir mehr und mehr geraten sind. Das Befinden des Relchsfinanzministers. Berlin, 27. Januar. Minister Erzberger hat die Nacht verhiiltntömaßig ruhtg verbracht. Die LSnnde verursacht ihm große Schmerzen und verhindert jede Bewegung de- Armee, nm so mehr, al» sich eine Blutgeschwulst gebildet hat. Heute früh wurde der Minister in das Röntgenlabora torium der Charit« gebracht und mit Röntgenbestrahlung untersucht. Das Bild ergab, daß die Kugel noch in der Schulter sitzt. An eine Entfernung des Geschosses kann zur zeit noch nicht gedacht werden, da der Patient durch den starken Bluterguß sehr mitgenommen ist. Vorläufig ist große Schonung erforderlich. Zu seiner Vertretung im Reichsfinanzministerium in den laufenden Geschäften ist von dem verwundeten Reichsfinanz minister Unterstaatssekretär Moesle bestellt worden. Bei dem Attentat näherte sich der jugendliche Angreifer, der den Minister unausgesetzt beobachtet hatte, dem harrenden Kraftwagen und drängte sich dicht heran. Vor dem Wagen stand der Rechtsbeistand Erzbergers, Dr. Eugen Friedländer. Der Attentäter drängte den Rechtsanwalt etwas zur Seite und fragte den Minister: .Sind Sie Herr Erzberger?" Der Minister befürchtete anscheinend sofort einen Überfall, sagte: .Gehen Sie doch fort!" und rief dem Anwalt zu: .Doktor, kommen Sie herein!' In diesem Augenblick zog v. Hirschfeld den Revolver und schoß, erst von der einen, dann von ber andern Sette des Wagens. Beim zweiten Schuß sank Erzberger in den Wagen zurück und rief: .Ich bin an der Schulter getroffen,'" Die andere Kugel prallte an der Ubrkette ab Anklage wegen Mordversuchs. Der Erste Staatsanwalt am Berliner Landgericht l, Oberstaatsanwalt Krause, teilt mit: Nachdem ich den Täter persönlich im Polizeigefängnis vernommen habe, sind mir letzt vle «Nen zugegangen. Gleichzeitig ist der Beschuldigte in das hiesige Untersuchungsgefängnis eingelirfert worden. Ich habe mit dem heutigen Tage gegen den Beschuldigten die gerichtliche Voruntersuchung wegen Mordversuches be antragt. Der Täter ist dem Untersuchungsrichter vorgeführt worden. Sorge vor dem deutschen Ban-roii. In Paris beginnt es zu dämmern! Die Pariser Blätter lassen sich von ihren Berliner Berichterstattern ausführliche Artikel über die wirtschaftliche und innerpolitische Lage Deutschlands senden. Besonders ernst beurteilt der Vertreter des .Echo de Paris" die Lage, und er weist darauf hin, daß die deutsche Schuld infolge dec Entwertung der Valuta 1200 Milliarden Mark betrage, während das deutsche Nationalvermögen höchstens 450 Mil liarden Mark ausmachen könne. Man müsse daraus folgern, daß Deutschland dem Bankrott entgegengehe. Wenn es seine Kriegsanleihen annulliere, so ent stehe in der deutschen Industrie ein Zusammenbruch, und das Elend werde so groß, daß ernsthafte Un ¬ ruhen befürchtet werden müßten. In dieser verzweifelten wirtschaftlichen Lage sehe sich auch die deutsche Regierung einer sehr schwierigen Lage gegenüber. Der Artikel weist dann darauf hin, daß durch die Auslieferung der Kriegs schuldigen die Lage des Kabinetts noch mehr erschwert werde, und kommt dann in ganz überraschender Weise zu der Folgerung, daß der Vertrag von Versailles revidiert werden müsse. Die im Vertrage vorgesehene Politik des Aussaugens Deutschlands auf Jah^ehnte hinaus sei schlimmer und gefährlicher, als wenn man Deutschland sofort zur Liquidierung des Krieges gezwungen hätte. Die Forde rungen, welche die Entente heute an Deutschland habe, könnten durch den Friedensoertrag nicht eingebracht werden. Die Besorgnis, die sich in der französischen öffentlichen Meinung gerade in den letzten Tagen wegen der Ent wicklung der wirtschaftlichen Lage bemerkbar macht, wird vor allem dadurch verschärft, daß auch der französische Wechselkurs, wenn auch langsam, so doch ständig im Sinken begriffen ist. An der Züricher Börse wird jetzt der Pariser Frank mit 44V. angeboten. Oie Abfindung der Hohenzollern. Gesamtvermögen von 1000 Millionen. Zu dem Gesetzentwurf über die Auseinandersetzung zwischen dem preußischen Staat und dem Eigentum der Krone wird bekanntgegeben: Grundsatz zur Beurteilung der Auseinandersetzung mußte der § 153 der Verfassung sein, der die Unverletzlichkeit des Privateigentums garantiert. Die größte Schwierigkeit zur Lösung der Frage, welche Güter, Liegenschaften und Mobilien zum Privatbesttz deS Königshauses gehörten oder dem Staat zukamen, bildeten die Tatsache, daß mit der Auflösung eines fett mehr als 600 Jahren vergrößerten Besitzes in kürzester Frist gerechnet werden mußte. Durch den Verzicht des Königshauses auf einen großen Teil di-c in den einzelnen Gebäuden usw. befindlichen Kunst- und Wertgegenstände wurde dieser Prozeß erleichtert: durch die Rechnungsschwierigketten und Übertragungen, z. B. der Subventionen der ehemals königlichen Theater auf die Staatskasse, waren Verzögerungen unvermeidlich. Trotzdem gelang es, den Entwurf soweit durchzuarbeiten, daß er um gehend der Landesversammlung vorgelegt werden kann. Eine völlige Trennung zwischen dem ehemaligen Kron- fideikommißbesitz und dem Privatvermöaen erwies fick durch VaS VaterlanS über Sie Partei! Hilf üeutsches LonS erhallen I Gib Seine «Ärms-Gpen-e für Lie Volksabstimmungen auf Postscheckkonto Vertin 71774 oöer aus Seine Sank! Veutscher Schutzbund, Vertin NM5L oie vorgenommenen vrrvameuoauten uns «Magen, Die in der Zwischenzeit entstanden sind, als unmöglich. Man kam dahin überein, dem Königthause die bereits seit über hundert Jahren als Privatrente zustehenden 2^ Millionen Taler, gleich 7^ Millionen Mark, weiterhin zuzubilligen, während die sogenannte Krondotation in Höhe von 10 Millionen Mark jährlich nach dem Thronverzicht ohne weiteres in Fortfall kommt, im übrigen aber eine einmalige Entschädigung in Höhe von 100 Millionen Mark dem Künigshause zur Ab lösung des festen Besitzes nicht in Form direkter Zahlungen, sondern in Ablösung der Reichs- und Staatssteuern zu ge währen. Das Gesamtobjekt, um das es sich bei dieser Aus einandersetzung handelt, dürfte mit 800 bis 1000 Millionen Mark nicht zu hoch geschätzt sein. Der Vergleich regelt weiter die Rechte an Schlössern und Gebäuden. So übernimmt der Staat u. a. die meisten Schlösser in Berlin (Schloß, Marstall, Monbijou, Kronprinzenpalais, Schloß Niederschönhausen, Schloß Charlottenburg), daS Potsdamer Stadtschloß, Sanssouci, Cäcilienhof und Marmorpalais in Potsdam, die Schlösser in den Residenzstädten, eine Reihe von Jagdschlössern. Dem Königshaus« verbleiben das Palais des allen Kaisers in Berlin, Bellevue, Babelsberg, Sakrow, Burg Hohenzollern, Jagdschlösser Grimnitzsee und Hubertusstock, Schloß Stolzen fels am Rhein und eine Reihe von Grundstücken in Berlin, Potsdam, Plön, Kiel, Villa Tagenheim in Potsdam, Villa Liegnitz in Potsdam, Nikolskoe und alle anderen Besitzungen von Mitgliedern des Königshauses lKadinen, Rominten, Erweiler, Achilleion, Ols usw.). Dem König wird Schloß Homburg, dem Kronprinzen Schloß Cäcilienhof auf Lebenszeit zur Verfügung gestellt. Die Kroninstgnien gehen in den Besitz des Staates über, die Kronjuwelen bleiben Eigentum des Königshauses, über den beweglichen Besitz deS Schlosses sind Sonderbestimmungen getroffen. Das Hohenzollernmuseum verwaltet der Staat. Auf Sonderrechte, die dem Königshause zustanden, wird Verzicht geleistet, der Staat übernimmt dafür alle bisher aus der Kronkasse zu tragenden Lasten der Hofbeamten und der Gebäudeunterhaltung. Die übrigen Bestimmungen ent behren deS allgemeinen Interesses. Neueste Meldungen. Der Gastwirte-Pr-teststretk, . Berlin. Die Weigerung des Reichswirtschaftsministers, die Abordnung der Gastwirte zu empfangen, bat in den Kreisen große Erbitterung hervorgerufen. Die Stimmung ist jetzt im ganzen Reiche sehr für einen unbefristeten Protest streik, falls die Regierung ihre Stellung m den Bestimmungen des Wuchergesetzes nicht einer Revision zu unterriehen ge- willt.ist. Drohender Gisenvahnerstreik in Baden. M«u«hei»t Die badischen Eizenbakner fordern in Form eines Ultimatums eine sofort!-« Lohnerhöhung von «SON. Jim-Falle einer SSetgeruntz der Regierung soll der «Srneralstrelk proklamiert wer!>>e»/ Anslieferung von 34 U-Boot-Kommandanten. /Varis. Auf der Vuteute-BuSlieferungSliste sollen an geblich auch »4 deutsche U-Voot-Kommanda«te» stehe«. Ferner verlangt Serbien die Auslieferung deS in Deutsch land befindliche« König- Ferdinand von Bulgarien. Ports. Der Kammer üt eine Vorlage der Regierung zusegangen, welche die Erhöhung des Mannschafts. Bestandes der französischen Armee um ein Dritte! gegen über dem Friedensstand von 1914 versteht. Letzte Drahtberrchte des »Wilsdruffer Tageblattes". Verhandlung Nordamerikas mit Brasilien über den Ankauf dentscher Schiffe. Rotterdam, 28. Januar, stu.) Aus Bio de Janeiro wird gemeldet, daß amerikanische Bankier» für den An kauf der 2S deutschen Schiffe mit der brafiliauischen Regierung verhandeln. Sie wollen die Summe von 36 Millionen Dollar aufbringen. Eine deutsche Note an die Entente. Paris, 28. Januar. <tu.)Derfranzösischen Regierung ist eine deutsche Rote übergeben worden, in der die Vas Lulenhaus. 49) Roman von E. Marli tt. „Willst du plaudern? Soll ich dir das Kopfkissen zurecht- legen?" „Gib mir die Hand, Klaub ine; war ich sehr unleidlich heute?" „.Ach, Elisabeth, das bannst du gar nicht sein!" rief das Mädchen und kniete neben ihr. „Doch, doch! Ich fühle «S. Aber dann — dann ist mein Herz krank und du mußt verzeihen." „Sag, Elisabeth, geschah dir ein Weh?" „Nein; ich dachte nur ans Sterben, Klandine." „O, denke daS doch nicht!" „Du weißt ja, Klandine, daß wider die Liebe und den Tod kein Kraut gewachsen ist! Ich glaube, ich fürchte auch nicht Len Tod, ich habe eher Angst vor dem Weitevleben." „Du bist überaus angegriffen, Elisabeth." „Ja, ja; and ich bin so müde. Du sollst auch schläfert, es ist besser, ich bleibe allein; bitte, geh! Die Kammerfrau wacht nebenan; geh! Ich muß dich immer ansehen, wenn du hier sitzest." Klandine beugte sich betrübt über die fieberheiße Hand und zog sich zurück. Gegen Mitternacht schlich sie sich im Nachtkleide nach dem Krankenzimmer und lauschte hinter dem roten seidenen Vorhang, ob die Herzogin wohl schlafe. Es war alles still; aber als durch ihre Bewegung -die Falten leise rauschten, wandten sich langsam die großen dunklen Augen der Kranken mit dem nämlichen starren fragenden Ausdruck wie vorhin zu ihr herüber. „Was willst du?" fragte sie. Klandine trat vor. „Ich ängstige mich um dich," sagte sie, „verzeihe!" ,^Sag-e mir," sprach die Herzogin völlig unvermittelt, „warum wolltest du anfänglich nicht nach Neuhaus?" Klandine war betroffen. Sie trat näher. „Warum ich nicht nach Neuhaus wollte?" wiederholte sie erglühend. Dann schwieg sie. Es war ihr nicht möglich zu sagen: weil ich Lothar liebe, und weil er mich kränkt, wo er mich sieht — weil er mir mißtraut, weil — Tie Herzogin wandte sich plötzlich um. „Laß, laß, ich will keine Antwort. -Geh, geh!" Ratlos wandte fick das Mädchen der Dar Zu. „Klaudine! Klaudine!" schrie es hinter ihr, herzzer reißend und bang. Die Kranke saß im Bette hoch und breitete die Arine nach ihr; angstvoll hingen die flehenden Augen an den ihren. Sie kam zurück, setzte sich auf das Bett und nahm die zarte bebende Gestalt in die Arme. „Elilabetü." saote sie Innin. .laß mich bei dir bleiben!" „Verzeihe mir, ach, verzeihe!" jchtuchzte die Herzogin, vas Mädchen küssend, ihr Kleid, das lange blonde Haar, das lose auf dem Rücken herniederfiel, und ihre Augen. „Sage mir," flüsterte sie, „sage eS ganz laut, daß du mich lieb hast!" „Ich habe dich sehr lieb, Elisabeth," sprach Klaudine und trocknete Lie großen Tropfen, Vie über das heiße erregte Gesicht der Kranken liefen, wie eine Mutter ihrem Kinde tut. „Du weißt überhaupt nicht, wie sehr, Elisabeth." Erschöpft sank die Herzogin zurück. „Ich danke dir — ich bin so müde!" Klaudine saß noch ein Weilchen; dann, als sie glaubte, die Kranke schlafe, wand sie leise ihre Hand aus der ber Freundin und verließ aus den Zehen das Gemach. Ein seltsames Grauen schlich ihr nach. Was war es mit der Herzogin? Dieses Anstarren, diese Kälte, diese leidenschaft liche Zärtlichkeit? „Sie ist krank!" sagte sie sich. Sie staivd vor dem Spiegel, um das gelöste Haar zu be festigen — ein mißtrauischer Gedanke kam ihr; die Hand welche die Schildpattnadel hielt, sank herunter. Dann schüttelte sie stolz die goldene Flut in den Nacken zurück. Weder sie noch die Herzogin waren kleinlich genug, an Klatsch zu glauben. Einer >ener ahnungsvollen unbegreiflichen Jdeenvevbin- düngen ließ blitzgleich die Erinnerung an das verschwundene Brieschen auftauchen. Ein dumpfes, ängstliches Herzklopfen überfiel sie im Augenblick. Dann lächelte sie — wer konnte wissen, in welchem Waldeckschen es vermodert im Regen und Tau? Sie nahm das kleine Gebetbuch, aus dem ihre Mutter schon allabendlich ihr Sprüchlein gelesen, und schlug irgend eine Seite auf: „Behüte mich, Herr, vor böser Nachrede und wehre meinen Feinden! Laß kein Uebel mir und den Meinen begegnen und keine Plage unserer Wohnung sich nahen —" las sie und ihre Gedanken flogen nach dem friedlichen Hause, aus dessen Turmgemach die Stndier- lampe des Bruders in Len Wald hinausschimmerte. Und von dort wanderten sie an das Bettchen des mutterlosen Kindes in Neuhaus. „Beschirme es auch ferner, lieber Gott, wie du es gestern behütet hast!" flüsterte sie und senkte die Augen wieder auf das Buch. „Erbarme Lich der Kranken, die schlaflos auf ihrem Lager nach Linderung schmachten," las sie weiter, „und aller Sterbenden, denen diese Nacht die letzte sein soll." Das Buch entglitt ihren Händen, eine eiskalte Furcht erfaßte sie — das entstellte Antlitz der Herzogin schaute sie plötzlich an. Sie barg den Kopf in die Kissen — wie kam sie auf so Schreckliches? — Erst nach einer langen Weile richtete ste sich aus un» hüllte sich fröstelnd in die Decken. Und ste ließ die Lampe brennen auf dem Tischchen, sie mochte nicht im Dunkel« bleiben. 23. Kapitel. Der andere Morgen war so golden, so klar, von so löst- sicher Friscke. Die Sonne funkelte in Millionen Tau tropfen auf den weiten Rasenflächen des Altensteiner Parkes, wo eine Schar Arbeiter die Vorbereitungen zu einem Feste traf; wie lustig und bunt das alles erschien! Eine Stange hatten ste errichtet mit einem buntgemalten Vogel daran, ein Karussel aufgestellt, dessen Pferdchen pupurrote Decken trugen, ein Kasperletheater und ein rot und weiß gestreiftes Zelt, von dessen Dache lustig eine Menge Purpurfähnchen und Wimpel wehten. Im Schatten der Bäume befand sich ein Aufbau für die Musikanten und ein gedielter Platz zum Tanz, alles für kleine Leute berechnet. Der Erbprinz feierte heute seinen Geburtstag, und dies war die Ueberraschung seiner Großmama väterlicherseits, außer dem reizenden kleinen Schimmel, der gestern abend heimlich in den Pferdestall geführt wurde und sich dort an der Krippe wohl sein ließ, obwohl er kaum recht hinauf reichen konnte. Die Herzoginmutter wurde gegen Mittag erwartet laut einer Depesche, die in aller Morgenfrühe eingetroffen war. Um zwei Uhr sollte die Familientafel stattfinden, und zum Nachmittag, war eine Menge Einladungen er gangen, besonders Kindereinladungen. Selbst die kleine Elisabeth aus dem Eulenhauss und Leonie, Baronesse von Gerold, waren mittels großer feierlicher Karten be sohlen. Das Unwohlsein der Herzogin, dazu das gestrige Un wetter, hatte mancherlei Bedenken erregt. Würde das Fest stattfinden können? Aber, Gott sei Dank, die gefürchtete Absage war nicht erfolgt, Ihr Hoheit befanden sich Wohler, und Las Wetter war unvergleichlich. Man durfte ungetrübt sich auf den interessanten Nachmittag freuen als aus eine Fortsetzung von neulich. Es sei ja da in Neuhaus einfach „göttlich" gewesen, äußerte Exezellenz Plasten zur Gräfin Lilienstein, als sie ihre Morgenpromenade im Walde machten, und dann wisperten sie sich geheimnisvoll in die Ohren und Ihre Exzellenz verdrehte die Augen. „Wenn sie nur schlau genug ist, heiratet er sie auch noch einmal, die Nachfolge ist ja gesichert," meinte die Dame endlich. „Keine Sorge, meine liebe Gräfin, die Gerolds verstehen alle ihren Vorteil. Der Baron bekommt auch noch die »weite Prinzessin — er tut zwar gewaltig jpröde —"