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Wilsdruffer Tageblatt : 18.01.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192001188
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19200118
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19200118
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-01
- Tag 1920-01-18
-
Monat
1920-01
-
Jahr
1920
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 18.01.1920
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südlichen Beschädigung von Telegraphenanlagen überführt. Der Haupträdelssührer ist dem zuständigen Kriegsgericht übergeben. Weitere Ermittlungen sind im Gange. Das bevorstehende Erlöschen des Verkehrsstreiks scheint nur noch eine Frage von Stunden zu sein. Am Freitag verharrten im Westen eigentlich nur noch die Arbeiter der Eisenbahnwerkstätte Krefeld-Oppum vollständig im Ausstande. Da die Arbeiter einer Aufforderung der Eisenbahndirektion Köln, die Arbeit sofort wieder aufzu nehmen, nicht gefolgt sind, wird die Werkstätte auf unbe stimmte Zeit geschlossen. Die Telegraphenarbeiter der Ober- postdirektionen Münster, Dortmund und Düsseldorf be schlossen, Sonnabend die Arbeit wieder aufzunehmen, nach dem ihnen von der Regierung mit Wirkung vom 1. Dezember 1919 eine 25prozentige Zulage und mit Wirkung vom 1. Januar 1920 eine weitere 2öprozentige Zulage zugebilligt worden ist. In Oberschlesien wird nur noch auf einigen Stationen der Direktion Kattowitz gestreikt. Die in den einzelnen Eisenbahnwerkstätten Breslaus vorgenommene Abstimmung hatte folgendes Ergebnis: 4860 für die Aufnahme der Arbeit, 3657 für den Streik, 271 zersplittert. Die Arbeit wird also unter den vereinbarten Bedingungen und Zugeständnissen ausgenommen. In Sachsen dauert der Streik in den Chemnitzer Eisen bahnwerkstätten an. In Baden haben die Verhandlungen der Regierung mit den Beamten- und Eisenbahnorgani sationen über eine Erhöhung der Zulagen, Gehälter und Löhne zu einer vollen Einigung geführt. Eine Versammlung von Vertrauensmännern der km Deutschen Eisenbahnerverbande organisierten Eisenbahner im Direktionsbezirk Groß-Frankfurt sprach sich gegen den Streik als zurzeit unzweckmäßig und aussichtslos aus, beschloß aber, die Arbeit nach wie vor in beschränkter Form durch- zuführen, bis die Lohnforderungen erfüllt feien. Oie Wahrheit über -en 13. Januar. «Enthüllungen des Vorwärts. Der Berliner Vorwärts bringt weitere Einzelheiten über die blutigen Vorgänge. So wird dem Blatt von einem Augenzeugen noch berichtet: „Auffallend war es. daß stets nach einer der vielen Ansprachen, die gehalten wurden, Unruhe in die Masse kam und diese sich ruckweise vorwärts gegen das Reichstags gebäude bewegte. Leute, die auf erhöhtem Posten standen, winkten mit den Hüten oder den Händen nach dem Ge bäude zu, dann rückte stets die Menge nach. Von oben aus konnte man auch genau beobachten, wie in der vorderen Linie eine systematische Umgruppierung sich nach und nach vollzog. Besondere Trupps, die zunächst passiv im Hinter gründe standen, setzten sich nach vorn in Bewegung und drängten die zuerst dort Stehenden zurück. Die Provo kationen der Sicherheitsmannschaften setzten dann in ver schärfter Form ein, besonders dann, wenn ein Redner, meist sehr jugendlich, eine Ansprache gehasten hatte. Das Verhalten der Soldaten gegenüber der aufgeregten und von Minute zu Minute gewalttätiger werdenden Menge war geradezu bewundernswert, sie sind sichtlich bestrebt gewesen, jeden Zusammenstoß mit den Demonstranten zu vermeiden. Bemerkt sei noch, daß Schreiber dieses gegen 1 Uhr mittags durch die Luisenstraße nach dem Reichstagsgebäude ging. Diesen Weg ging auch eine Gruppe von Demonstranten in der Stärke von zehn Mann. Einer derselben äußerte sich dabei laut und nach dem Reichstagsgebäude rufend: „Na, hoffentlich gelingt es heute, die Bude auszuräuchern!" Auch aus dieser Äußerung ist zu schließen, daß die Demonstration nicht dem Betriebsrätegesetz allein gast, vielmehr die Aus hebung der Nationalversammlung der eigentliche Zweck der .Wissenden" gewesen sein dürfte." Todesstrafe gegen Graf Arco beaniragi 8 München, 16. Jcnuar. Graf Arco-Valley, der wegen Ermordung des seiner zeitigen bayerischen Ministervräsidevten Kurt EiSner beute vor dem Volksgericht steht, ist ein auffallend kleiner, recht jugend licher Offizier, in dessen äußerer Erscheinung nichts am oie schweren Operationen, die er nach dem Attentat durchzumachen hatte, schließen läßt. Seine Vernehmung gestaltet er zu ichweren, leidenschaftlichen Anklagen gegen den ermordeten Eisner, den er als „Verräter seines Königs und seines Vater landes" von Herzen haßte und verachtete. Eisner, so meint er, habe dann aber auch das Volk und oie Republik verraten und das unglückliche Land dem Bolschewismus in die Arme treiben wollen. Das habe in ihm den Entschluß reisen lassem den gefährlichen Mann zu töten, und zwar aus dem Hinter halt, nicht im offenem Kampfe, weil Eisner ja ein hinter hältiger Feind gewesen sei, der keine ehrliche Kugel verdiente. Graf Arco wurde 1897 als Sohn eines bayerischen Offiziers geboren, machte im dritten Kriegsjahre sein Notabiturtum und trat dann sofort beim Militär ein. Er macht den Ein druck eines sehr intelligenten Mannes. Zum Schluß seimr Ausführungen, in der er seine Kriegserlebnisse und seins ml- tärtschen und volitischenAnlichten wiedergikt, sagte er, es Hal e wn eine wahntinntge Wut gepackt gegen Eisner, von er a r Führer des Bolschewismus ansah und von dem er an nahm, daß er den Freistaat Bayern an Spartakus verkaufen wolle, und so habe er die Tat auSgefüürt. Nach Schluff der Beweisaufnahme beantragte der Staatsanwalt gegen den Grafen Arco-Balley wcgcn Er- mordung des Miuisterpräsidcnten Eisner die Todesstrafe. Deutsche Naüouawerfammttmg. (138. Sitzung.) 0L Berlin, 16. Januar. Die Mehrheit wollte gestern die zweite Lesung des Be- lriebsrätegesetzes zu Ende führen. Die Verhandlungen wurden aber durch die von den Unabhängigen eingebrachten zahl reichen Abänderungsanträge upd die Reden, die von ihnen zur Begründung dieser Anträge gehalten wurden, derart ver zögert, daß man am Schluß der gestrigen Sitzung von den mehr als hundert Paragraphen der Vorlage erst neunzehn erledigt hatte. Die gestrige Sitzung dauerte bis gegen elf Uhr abends. Zuletzt waren nur noch fünf Abgeordnete an wesend. Seilens der Unabhängigen wurde die Beschluß fähigkeit des Hauses angezweifell und das führte zum Abbruch der Sitzung, die gegen zehn Uhr vormittags begonnen, und, die Mittagspause abgerechnet, an dreizehn Stunden gedauert batte. Gegen zehn Uhr abends hatten die Vertreter der Zeitungen auf der Pressetribüne den Dienst eingestellt. Die heutige Sitzung begann bereits um neun Uhr morgens. Bevor man sich aber dem Betriebsrätegesetz zuwenden konnte, mußten kleine Anfrage« erledigt werden. Ihre Zahl betrug nicht weniger als 54, vor, denen aber ein erheblicher Teil nicht an die Reihe kam, ein mal, weil die Abgeordneten, die die Anfragen gestellt hatten, nicht zugegen waren, zum anderen, weil die mit der Beant wortung betrauten Regierungsvertreter fehlten, und zum dritten, weil die eine Stunde Zeit, die für diese kleinen An fragen gesetzt ist. bald überschritten war. Über die Heim- besörderung der Gefangenen von Scapa Flow teilte ein Regierungsvertreter mit. daß sie, sofern sie sich keiner Kriegs verbrechen schuldig gemacht hätten, in kurzer Zeit heim befördert werden würden. Die Versenkung der deutschen Flotte in Scapa Flow wird auf der Gegenseite nicht als Kriegsverbrechen betrachtet. — Ferner wurde auf eine Anfrage erklärt, daß die Kadettenanstalten, ebenso wie die anderen Militärschulen lm Landes- dezw. Heimvolksbochschulen und Bildungseinrichtungen für Minderbemittelte Kinder Ver wendung finden würden. Die Weiterberatung des VeLriebsrategesetzes begann sodann und die Verhandlungen nahmen einen ganz ähnlichen Verlauf wie geüem. Es wurden eine Menge von Abänderungsanträgen gestellt. Diese Anträge wurden von der Mehrheit abgelehnt, und die einzelnen Paragraphen wurden nach uno nach angenommen. Gegen 2 Uhr war man auf diese Weise bei F 66 ange langt, der von den Aufgaben und Befugnissen der Betriebsräte handelt. Bei diesem ungemein wichtigen Punkte der Vorlage tam es zu besonders langen Auseinandersetzungen. Der Adg. Koenen lU. Soz.) begründete einen von seiner Partei ge- slelllen Äbänderungsantrag in mehrstündiger Rede. politische Rundschau. Deutsches Reich. 4- Lie Pariser Verhandlungen über Danzig. An den Pariser Verhandlungen über den Freistaat Danzig nahmen von deutscher Seite Regierungspräsident Förster und Oberbürgermeister Sahm teil, außerdem waren noch zwei Vertreter von Memel zugegen. Die alliierten und assoziierten Mächte hatten Sir Reginald Tower entsandt. Polnische Vertreter nahmen an den Besprechungen nicht teil. Man kam überein. Laß die Souveränität des Freistaates Danzig sofort mit Einreichung der Ratifikationsurkunden in Kraft tritt. Mit der Verwüstung des Freistaates wurde bis zur Übernahme durch die alliierten und assoziierten Mächte, die am 4. Februar erfolgen soll, Regierungspräsident Förster beauftragt, an welchem Tage die letzten deutschen Truppen Danzig verlassen und die englische Besatzung einrückt. Am genannten Tage wird auch Sir Reginald Tower als vor läufiger Verwaller hier eintreffen, der so lange auf seinem Posten verbleibt, bis nach Konstituierung des Völkerbundes der endgültige Kommissar ernannt ist. 4- Die Opposition in Bayern. Finanzminister Speck reichte sein Rücktrittsgesuch ein. Die Landtagsfraktion der Bayerischen Volkspartei verlangte seinen Rücktritt vom Finanzministerium, um einen entschiedeneren Gegner Erz bergers in den Ministerrat und den Reichsrat zu bringen, Specks Rücktritt vom Parteivorfitz soll gelegentlich folgen. 4- Die neue Einheitsgemeinde Berlin. Der Ausschuß der preußischen Landesversammlung genehmigte mit 14 gegen 13 Stimmen die künftige Einheitsgemeinde Berlin. Das neue Gemeinwesen soll nicht Groß-Berlin, sondern nur Berlin heißen. Auch die großen Waldungen des Zweck verbandes werden in die Einheitsgemeinde einbezogen. Holland- x Das Asyl von Amnwngen. Wie verlautet, hat die holländische Regierung die Vertretung,der Entente in Paris in steundschastNch« Art und inoffiziell Seua^richtigt, daß ihr eine Anfrage über ihren Standpunkt in der Kaiserfrage unangenehm wäre. Holland sehe in dem früheren Kaiser und seinem Sohn politische Flüchtlinge, denen es Asylrecht gewähren müsse. Dieser inoffizielle Schritt soll unternommen worden sein, um zu verhindern, daß Holland bei einer offiziellen Anfrage mit einer direkten Weigerung antworten müsse. Neueste Meldungen. Entcutenote an Holland. Die ententistischen Regierungschefs genehmigten am Donnerstag in Paris den Wortlaut der Note, die im Namm des Obersten Rates an die holländische Regierung gerichtet wird und die das Begehren auf Auslieferung des Kaisers Wilhelm II. enthält. Die Note bezieht sich auf Artikel 227 des Versailler Vertrages, der die Versetzung des früheren Kaisers von Deutschland in Anklagezustand vorsieht. Die Alliierten laden Holland ein, sich an der Erfüllung dieses Werkes der Gerechtigkeit zu beteiligen. Die Note ist in freundschaftlichem Tone gehalten. Demzufolge hat die holländische Mitteilung in Paris, daß der holländischen Regierung das Auslieferungsbegehren sehr unangenehm sein würde, weil Holland das Asylrecht für politische Flüchtlinge nicht verletzen möchte, nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Ob die Auslieferung des Kaisers tatsächlich stattfindet, ist natürlich keineswegs sicher. Es wäre denkbar, daß Holland im freundschaftlichen Tone die Auslieferung ablehnt. Letzte Drahtbertchte des »Wilsdruffer Tageblattes". Die zweiteLesuug des Betriebsrätegefetzes beendet. Berlin, 17. Januar, (tu.) DieNationalverfammlung beendete am Freitag nach mehr als 13 stündiger Sitzung gegen » «11 Uhr nachts die zweite Lesung des Betriebs rätegesetzes. Die einzelnen Paragraphen wurden im wesentlichen nach den Beschlüssen des Ausschusses gegen die Stimmen der Rechten und der Unabhängigen an genommen. Clemenceau hat seine Kandidatur als Präsident zurückgezogen. Paris, 17.Januar, (tu.) Die Mitglieder des Senats und der Kammer traten zu einer Vollsitzung zusammen, um ihre Stellung zur Kandidaturifür die Präsidentschaft zu bezeichnen. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Deschanel 408, Clemenceau 389, Poincaree 16, Ionnard 8, Leon Bourgeois 5 und Foch 1 Stimme. Clemenceau zog daraufhin seine Kandidatur für den Präsidentenposten zurück. Ausstand der Beamte« des Wolss'schen Telegraphenbureaus. Berlin, 17. Januar, (tu.) Wie dem Berliner Tageblatt aus Düsseldorf gedrahtet wird, find die Beamten der Zweigstellen des Wolff Telegraphenbureaus in ganz Westdeutschland, sowie in Hamburg und Frankfurt a. M. wegen Nichtbewilligung ihrer Lohnforderungen in den Ausstand getreten. rWM M lm r. ÄMMl» kWmg. Von Dr. Wahl, Grumbach. Der 139. Psalm handell von der Allgegenwart und Allwissenheit Gottes, der Psalmist betet: „Herr, du verstehest meine Gedanken von ferne, du stehest alle meine Wege, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht alles wissest." Der Inhalt des Psalms ist, daß wir Gott nicht entrinnen, entfliehen, entgehen können. DaS ist für die sündigen Menschen ein erschreckender Gedanke, daß Gott alles weiß, steht, hört. Der Mensch möchte oft genug Vielem, was in ihm ist, aus dem Wege gehen, zudecken, sich darüber selbst betrügen, aber er kann es nicht, das Ge wissen läßt es nicht zu, die Stimmen, die sich in ihm an klagen und entschuldigen, das Gericht, das jeder in sich selber trägt, wieviel weniger können wir Gott entgehen, dessen Auge das Verborgene steht, dessen Blick in die tiefste Tiefe dringt. ES ist aber auch tröstlich dies zu wissen für den Christen, dem die grenzenlose Liebe Gottes in Christo offenbar geworden ist, daß er nicht bloß ein zorniger, eifriger Gott ist, sondern ein gnädiger, barmherziger Gott, der nicht will des Sünders Tod, sondern daß er sich bekehre und lebe. Freilich, was sind das für Gedanken, die in unsrem Herzen oft aus- und eingehend Selbstsucht, Unglaube, Zweifel, Lieblosigkeit, Begehren, böse Lust bis zur Wollust, sie begleiten uns durchs ganze Leben bis ins Alter hinein, bis ans Grab, daneben aber auch mancherlei gute Gedanken, Verlangen nach Gott, Liebe zu Gott und Menschen, Sehn- Vas kulenhaus. 41) Roman von E. Marlitt. Und wenn er dann Arm, würden sich Bruder und Schwester in die Augen sehen und finden, daß sie gealtert; der eine in der schwülen, sengenden Hosluft, die andere in der Einsamkeit und in der Sehnsucht noch eigenem Mück. Sie erschrak selbst über den schluchzenden Ton, der sich ihr wider Willen entrungen; sie biß Ne Zähne zusammen und schloß mit umflorten Angen die Truhe auf, die ihr zunächst stand, und raffte eilig Teppiche und bunte gewirkte Decken ^heraus. Es waren köstliche Sachen; sie wollte damit die Halle schmücken lassen. Joachim hatte sie auf seinen Reisen Zesumm-elt, diese Smyrnagewebe und türkischen Stoffe, und bei der Versteigerung hatte sie es erstanden mit ihren eigenen Mitteln, lind während sie die stimmungsvolle Farbenpracht der wundervollen Gewebe betrachtete, rollten ihr die Tränen unaufhaltsam über das stille Gesicht. Was war ihr nur eigentlich? Sie kannte sich gar nicht so! — Mit einer energischen Bewegung wischte sie die Trapsen ab und zwang sich, an Kotillonsträußchen und Schleifen, an unzählige Porzellanteller und Tassen, an eine Friseurin an Eis, Mandelmilch und Gott weiß an was zu denken, und zuletzt an diese unglückliche Idee der kleinen Prinzeß, ein Kostümfest mit Tanz aus dem einfachen Kaffee machen zu wollen. Sie eilte die Treppen wieder hinunter, gab Befehle, schickte Boten fort, sprach mit Gärtner und Mamsell, und mitten in diesen Trubel kam die Absage von Klaudine und Joachim. Auf letzteren hatte man ja kaum gerechnet; aber Klaudine? Beate suchte eilenden Schrittes ihren Bruder aus. Sie fand ihn im Garten; er stand neben Prinzeß Helene und der Komtesse auf dem Tanzboden, der unter dm Linden hergerichtet war. Die Zimmerleute waren eben fertig geworden und ein paar Gärtnerburschen bekleideten die arob behauenen Pfahle der Einfriedigung mit Taninengrün und zogen Blumengewinde von Pfeiler zu Pfeiler. „Lothar," begann sie, „Klaudine sagt «ab; willst du nicht selbst hinüber und sie bitten, dennoch zu kommen?" Er sah -in diesem Augenblick noch bleicher aus. „Nein!" erwiderte er kurz. In Prinzeß Helenes Augen blitzte es aus; sie hatte dies Blaßwerden bemerkt. „Dann werde i ch hinflchren, wenn du es erlaubst," sprach Beate. „So wirst du deine Schritte nach Altenstem lenken müssen. Im Eulenhause triffst du sie schwerlich." „Heute abend, wenn sie zurückgekehrt ist," erwiderte Beate. „Ich komme nicht ohne ihre Zusage wieder." „Sie scheinen Unglück zu haben, Baron," sagte die Prin zessin mit unheimlich flackernden Augen; „wie Mama mir imtteilte, wird auch der Herzog höchstwahrscheinlich dem Feste seine Gegenwart versagen. Ihre Hoheit, die soeben wegen einer kleinen Toilettesrage schrieb, teilte es Mama tiefbetrübt mit." Aus der Stirn des Barons schwoll eine Ader; sonst ver änderte sich kein Zug seines Gesichtes; er sah gespannt den Gärtnern zu,' welche rot-weiße Fähnchen auf den Säulen be festigten. „Es sieht gut aus," bemerkte er gelassen, „meinen Durchlaucht nicht -mich?" Die kleine Durchlaucht nickte. „Warum nicht auch die Farben Ihres Hauses?" fragte sie bezaubernd liebenswürdig. „Wwechs-Änd das Gelb und Blau mit dem Purpur und Weiß." „Ich liebe diese Zusammenstellung Nicht," erwiderte er. „Es sind gesuchte Kontraste." Beate, die sich eben zurückziehen wollte, wandte sich er schreckt ab. Aber die Prinzessin lächelte, sie mochte einen anderen Sinn hcrausgehövt haben, als Beate. Klaudine stand am Nachmittag dieses Tages, sich ver abschiedend, am Schreibtisch ihres Bruders. „Meine Absage ist doch besorgt?" fragte er. Si-e nickt«. „Deine und mein«. Leb wohl, Joachim!" „Deine?" fragt« er bestürzt. „Ja! Ich sehne mich nicht nach derartigen Festen; s«i nicht böse, Joachim!" „Böse? Ich verstehe dich nur nicht, du wirst Beate sehr botrüb-n." „Oh, ich denke, ich werde sie wieder versöhnen. Joachim, laß mich doch hier; du hast keine Ahnung, wie ich mich aus diesen Tag freue,'aus den Nachmittag unter der Steineiche, auf den Abend mit dir." Er reichte -ihr die Hand. „Wie du willst, Klaudine. Du weißt, -alles ist mir recht, was du tust." Und Klaudine ging hinunter, küßte -das Kind zum Ab schied, das unter Idas Leitung Puppenkleider nähte, und schaute in Fräulein Lindenmeyers Zimmer. Die schlief i-m Lehnstuhl; leise machte Klaudine die Dür -zu und schlüpfte durch den Hausflur in den Garten hinaus, vor dessen Pforte der -fürstliche Wagen hielt. Nach kaum einer halben Stunde saß sie unter den Eichen des Altensteiner Gartens -und las der Herzogin- vor aus Joachims Werk „Frühlingstag« in Spanien". Die Geschichte seiner Liebe war in die wunder vollen landschaftlichen Schilderungen anmutig mit eingewebt. „Klaudine," unterbrach, die Herzogin die Lesende, „sie muß sehr reizend gewesen sein, diese kleine Schwägerin! Be schreibe sie mir!" Das Mädchen heftete ihre blauen Augen aus die fürst liche Frau. „Sie glich dir etwas, Mf-äbeth," sagte sie. „O du Schmeichlerin!" drohte die Herzogin; „aber da bringst du mich auf eine Idee — verzeih, daß mich die inter essante Lektüre zu einer Toilettefrage anregt. Wie wär's, Klaudine — ich nehm« Fächer ustd Mantille und komme ein mal »spanisch' nach Neuhaus? Es ist ein guter Gedanke, weine ich. Und tm. Dina?"
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