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Auslieferungspflicht der Neutralen. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Entwurf eines Gesetzes zur Besteuerung übermäßigen Aufwandes soll der Nationalversammlung demnächst zugehen. * Die Reichstagswahl-Gesetzentwürfe sind vom Reichs« kabinett fertiggestellt worden. * Mit Zustimmung der Entente werden die deutschen Gold» zölle vom 1. Januar 1920 ab wieder eingeführt und zwar zunächst für drei Monate. * Wie der „Malin" behauptet, soll Wilhelm H. eine Ver- teidigungsichrift an den König von England gerichtet haben. * Die Entente verlangt jetzt auch von den Neutralen die Auslieferung der Deutschen, die sich auf der Auslieferungs» liste befinden. * Mustafa Kemal Pascha, der Führer der türkischen Auf- slandsbewegung, bat erklärt, dab er die von der Regierung nach Paris entsandten Unterhändler nicht anerkenne. * In der Nähe von Damaskus hat ein ernstlicher Kampf zwischen arabischen Freiwilligen und französischen Truppen, der acht Stunden andauerte, stattgefunden. * Nach Meldungen aus Washington ist Wilson wieder völlig hergestellt und bat die Amtsgeschäfte wieder ausge nommen. Er beabsichtigt, demnächst den Völkerdundrat ein- zuberufen. Beamtenelend. Annähernd 40 000 Beamte sind am letzten Sonntag in Berlin, trotz Winterkälte und Schneetreiben, ausmarschiert, um, zum Teil in Versammlungen unter freiem Himmel, die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihre immer unerträg licher werdende wirtschaftliche Notlage zu lenken. Ent schließungen wurden angenommen, die, ohne sich zu irgend welchen Drohungen zu versteigen, an Entschiedenheit nichts zu wünschen übrig lassen, Demonstrationszüge zur Wilhelmstraße und zur Nationalversammlung veranstaltet, die die Reihen der den verschiedensten Verwaltungs gruppen angehörigen Beamten noch fester zusammenkitten sollten,. Abordnungen in die zuständigen Reichs- und Staatsämter entsandt — kurz, kein Mittel blieb unbenutzt, non dem man sich eine Einwirkung auf die maßgebenden Gewalten versprechen konnte. Sie haben von den Arbeitern, von den Angestellten gelernt, wie man sich heutzutage regen muß, wenn man nicht ganz und gar unter den Schlitten kommen will, und sie werden, das ist ihr gutes Recht, nicht eher ruhen, als bis auch ihre be rechtigten Forderungen Erfüllung gefunden haben. Augenblicklich handelt es sich für sie um die Erhöhung der Teuerungszulagen. Sie hatten das Dreifache der bisherigen Sätze als Mindestforderung aufgestellt, die Regierung will jedoch nur eine Steigerung um 50 °/o be willigen und hat dazu auch bereits die Zustimmung der Nationalversammlung eingeholt, ohne sich vorher deswegen mit den Beamtenorganisationen in Verbindung zu setzen, was ihr um so mehr verdacht wird, als es gegen aus drückliche Zusagen verstoßen soll. Die Beamtenschaft ist darüber in besondere Erregung geraten, weil sie in diesem Verfahren ein Vorspiel zu Ler Art und Weise erblicken zu müssen glaubt, in der man die für Ostern 1920 ange kündigte große und allgemeine Beamtenbesoldungsreform ins Werk zu setzen gedenkt. Begreiflich, daß sie dabei unter keinen Umständen ausgeschaltet werden will; ihr Mißtrauen ist aber nun einmal wachgerufen. Für die Beamten handelt es sich aber bei den kommenden Entscheidungen wirklich um ihre Existenz. Sie werden nicht müde darauf hinzuweisen, daß sie, von Ausnahmefällen abgesehen, heute immer noch die alten Friedensgehälter beziehen, die ja tatsächlich auch für die damaligen Preis- und Lebensverhältnisse alles andere eher als üppig bemessen waren. Dab inzwischen die not wendigen Ausgaben im Durchschnitt auf das Fünffache gestiegen sind, während die ihnen gewährten Teuerungs zulagen und einmaligen Wirtschaftsbeihilfen nur gerade ausreichten, um einen geringen Teil dieser Mehrlasten notdürftig auszugleichen. Daß sie trotzdem ihre Pflicht im Kriege wie in der Revolution in alter Treue getan, daß sie ruhig zugesehen haben, wie anderen Schichten der Bevölkerung mit vollen Händen gegeben wurde, während für sie nicht viel mehr als Vertröstungen übrig blieben, - daß inzwischen ihre Verschuldung und ihre Verelendung immer beängstigender anschwoll, bis jetzt endlich sogar die Unbestechlichkeit, die Ehrlichkeit, die Zuverlässigkeit nicht bloß der gering entlohnten Beamtenkreise ins Wanken ge raten ist. Und gerade die fortdauernde Steigerung der Arbeiterlöhne, der Angestelltengehälter trägt ja unweigerlich zu immer riesiger anschwellender Aufwärtsbewegung aller Sachausgaben bei: wie sollen angesichts dieser allge meinen Kalamität die Beamten ruhig bleiben, die sich ja noch am wenigsten drehen und wenden können, um viel leicht durch Nebenverdienste ihr Einkommen aufzubessern. Auch sie sehen jetzt ein, daß wir es nicht mit vorüber gehenden Erscheinungen unseres Wirtschaftslebens zu tun haben. Und wenn man sie fragt, woher das Reich, dessen finanzielle Lage lja bekannt ist, die Gelder nehmen soll, um ihre Ansprüche zu befriedigen, so geben sie zur Ant wort, daß man schon im Frieden für alles mögliche Geld übrig gehabt habe, nur nicht für die angemessene Be zahlung der Beamten, und daß es jetzt im Grunde auch nicht anders sei; diesen Zustand der Dinge wollten sie sich aber unter keiner Bedingung noch länger ge fallen lassen. Auch daß jedes weitere Anziehen der Notenpresse die klägliche Entwertung unseres Geldes nur noch fortsetzt, das Übel also, unter dem wir alle leiden, verschlimmert, geben sie natürlich ohne Widerrede zu, aber sie sehen doch nun einmal kein anderes Mittel, ihrer augenblicklichen Not abzuhelfen, und des halb hat es gar keinen Zweck, mit Vorstellungen dieser Art auf sie einwirken zu wollen. Es ist in vielen früheren Fällen nicht gelungen, deshalb darf man sich nicht darüber wundern, dab Versuche Kiefer Art auch hier durchaus sehl schlagen. So ist die Lage, mit ihr muß man sich abfinden. Die Beamten wollen nicht die Letzten i-in, die von den Hunden gebissen werden. Wer sich selber frei weiß von Schuld und Fehle, der werfe den ersten Stern aus sie. Auslieferungspflicht -er Neutralen. Verbannung Wilhelms II. Halbamtlich wird aus Paris gemeldete Der alliierte Rat habe sich entschieden, die der -e^schen Regierung zngehende Auslicfermigsliste auch samtltv^n Regierungen der neutralen Länder zu übermitteln. Zuglciktz würde» die neinralen Länder ersucht, diejenigen Deutschen, die sich auf der Auslteserungöltste befinden und sich in den b-1rcfrcndcn Ländern aufhaltcn, auf Grund des ihnen zur Wie man dazu weiter aus London ersährl, weroen die Blättermeldungen über einen Verzicht der Alliierten auf die Auslieferung des früheren deutschen Kaisers in unterrichteten politischen Kreisen Londons dementiert. Eine endgültige Entscheidung über das Schicksal des Ex kaisers sei noch nicht getroffen, da eine Einigung in dieser Frage von den alliierlen Brächten bisher nicht erzielt wurde. Es steht jedoch immerhin fest, dab die französische und englische Regierung auf eine Verbannung des Kasters außerhalb Europas dringen werden. Italien gegen Clemenceau. Fiume und Danzig. Bei der Erörterung der auswärtigen Politik im römischen Senat nahmen die Redner kein Blatt vor den Mund. Mazziotti dementierte Clemenceaus Behauptung von dem angeblichen Heldenmut der Jugoslawen, die ec im Interesse der Entente gemacht habe. Gerade das Gegenteil sei wahr. Denn die jugoslawischen Regimenter waren die zähesten Regimenter Österreichs gegen Italien. Ciraolo sagte, Clemenceaus neulicke Rede war nur der Epilog der Italien seit langer Zeit durch die Alliierten zuteil gewordenen Behandlung. Senator Pellerano hoffte, daß die Alliierten endlich Italiens Minimalprogramm annehmen werden. Frascara stellt den schmerzlichen Ein druck fest, daß Italien durch Clemenceau und das fran zösische Parlament nicht allein hinter Serbien, sondern sogar hinter Jugoslawien zurückgesetzt wurde. Das Traurige sei, daß diese Äußerungen der Gesinnung eines . Teiles des französischen Volkes entsprächen. General Robilant analysierte die Adriafrage und geißelte, daß der angloamerikanische Kapitalismus alle Volksrechte mit Füßen träte, deutsche Gebiete und Danzig ebensowohl den Polen auslieferte, wie er Fiume den Italienern oor- enthalte. Vom Tage. In ihren an Deutschland gerichteten Forderungen ist die Entente jetzt endlich auf den Hund gekommen oder viel mehr auf 26 000 Hunde. So groß nämlich ist die Zahl der Phplaxe, Möpse und Dackel, die die .alliierten und assoziierten Mächte" von uns als Ersatz für die von den deutschen Truppen in Frankreich „getöteten oder entführten" Hunde verlangen. Was sie mit dieser ansehnlichen Meute ansängen wollen, ist nicht recht ersichtlich. Sollten sie Sehnsucht nach frischer Wurst haben? Wir sollen wieder einmal „studiert" werden! Das Aktions komitee der zwecken Internationale beschloß in seiner Londoner Tagung, nach Deutschland eine Kommission zu ent senden, um unsere politilchen und wirtschaftlichen Verhält nisse zu ergründen und hierüber in einer Ende Februar in Rotterdam stattfindenden Konferenz Bericht zu erstatten. — Wenn sich das Maß der Hilfe der Entente nach den Ergeb nissen der Reisen der hundert und mehr „Studienkommissionen", die uns seit der Revolution mit ihren Besuchen beehrt haben, richten würde, dann wären wir schon längst „fein heraus". Dak imcl fern. s 114 Kilometer die Stunde im Motorboot. Prc- fesfer Graham Bell, der Erfinder des Telephon, hat ein Gleitboot mit Propellerantrieb gebaut, das mit zwei Liberty-Motoren von 400 L8 ausgestattet ist. Bei den Versuchsfahrten am Kap Breton in Kanada soll das Boot trotz unruhigen Meeres eine Stundengeichwindigkeit von 114,260 Kilometer erreicht haben. Die Form des Boots körpers lehnt sich an die eines Luftschiffes an. s Rockefellers Wcihnachtsspende. Ganz Amerika spricht von der Weihnachlsgabe von 160 Millionen Dollar, di- d-s B-l^s-umkönia Jpbn Rockefeller ausaesetzt bat. ist für Erziehungszwecke bestimmt, der andere für die Rockefeller-Stiftung. Rockefellers Weihnachtsgabe ist die größte Summe, die bisher jemals für menschenfreundliche Zwecke gespendet wurde. Die Schenkungen des Mil liardärs steigen mit dieser letzten auf die Summe von 192 Millionen Dollar. o Große Schiebungen mit Edelmetallen sind in Danzig entdeckt worden. Die Metalle stammten aus den Be ständen der Reichswerft. Anfang September wurden von der Westpreußischen Materialverwertungsgesellschaft 10000 Kilo hochwertiges Edelmetall, das an eine Berliner Firma verkauft worden war, in einen Waggon verladen und vom Werftgelände nach Berlin befördert. Als nach mehreren Wochen die Zahlung der Kaufsumme noch nicht erfolgt war, wurde bei der Käuferin angefragt, und nun stellte es sich heraus, daß der Waggon in Berlin nicht einge gangen war. Die Untersuchung ergab, daß der Waggon unter mißbräuchlicher Verwendung eines Frachtbriefes der genannten Gesellschaft noch einmal an eine andere Firma aufgegeben worden ist. Der Versender des Waggons konnte festgestellt werden. 0 Wölfe in Hannover. Vor einigen Tagen schoß der Jagdaufseher Reichart im Revier Stapeler Kreis hei Laage einen starken Wolf.- Bereits vor einigen Wochen schoß der Hegemeister -chmidtnagel in den Napeler Fuhren einem Wolf eine rotladung in das Fell. Das Tier entkam. Da aus magerien und Zoologischen Gärten seit längerer Zeit keine Wölfe entwichen sind, tönnen diese Raubtiere wohl nur durch die Kriegswirren aus den Schlachtfeldsgebieteu nach Hannover ver schlagen sein. Letzte Drahtberichte des »Wilsdruffer Tageblattes". Errichtung eines polnische« Konsulates in Essen. Thorn, 31. Dezember, (tu.) Für die Polen des gesamten rheinisch-westfälischen Industriebezirkes ist ein polnisches Konsulat in Essen errichtet worden. Stillegung des Betriebes der Berliner Firma Ludwig Löwe L Co. infolge Kohlenmaugels. Berlin, 31. Dezember, (tu.) Die Firma Ludwig Löwe L Co. hat gestern durch Anschlag ihrer Arbeiter- schast bekanntgegeben, daß sie sich infolge Kohlenmangels gezwungen steht, den Betrieb des Werkes von heute ab zu schließen. Die gesamte Arbeiterschaft in Höhe von 2800 Arbeitern ist entlasten worden. Eine englische Kommission in Hamburg. Hamburg, 31. Dezember, (tu.) Auf Veranlassung des Obersten Nates wird eine britische Kommission mit einem britischen Zerstörer am 31. Dezember in Hamburg eintreffen, um Einzelheiten über Schwimmdocks, Kröhne und anderes schwimmendes Material in den deutschen Häfen festzustellen. Verabschiedung des Reichsgerichtspräfidente« Dr. Freiherr« vo« Seckendorf Leipzig, 31. Dezember, (tu.) Gestern mittag fand im großen Festsaal des Neichsgerichtsgebäudes die feier liche Verabschiedung des bisherigen Reichsgerichts- Präsidenten Dr. Freiherrn von Seckendorf und die Ei^ führung des neuen Präsidenten Dr. Delbrüch statt. Aus Stadt und Lau Wilsdruff, den 31. Dezember 19^ „Glückauf, ein gesegnet 1920!" Mit Glockenklang, umrahmt von mildem Wetter, zieht ein neues Jahr herauf. „Ihm blühen noch im Zeckenschoße — die schwarzen und die heitren Lose" Noch weiß niemand, was es uns bringen wird, noch stehen wir in völliger Ungewißheit an seiner Schwelle. Wird es in so manchem, was unser tägliches Leben ausmacht, Besserung und Stetigkeit bringen, oder wird es die üblen Erfahrungen der Vorjahre noch durch einige weitere bereichern? Noch wissen wir es nicht, und das ist gut so, denn gerade die Ungewißheit unserer Zukunft ist das, was uns das Leben immer wieder noch einmal begehrenswert macht. Wäre das erst nicht mehr und läge jeder Tag unseres Lebens heute schon offen vor uns, wieviel von uns möchten dann überhaupt noch die Lust zum weiter- leben haben? So aber ist es stets biese oder jene Hoffnung, die uns neu einspinnt und unserem Seelenleben immer wieder einen Ruck nach vorwärts gibt. Und gerade an «in neues Jahr und an seinen Türhüter, den Neujahrstag, pflegen wir immer wieder besondere Erwartungen und Hoffnungen zu knüpfen. Ganz unvernünftiger weise eigentlich, denn ein Tag ist wie der andere und ein Jahr gleicht dem anderen, und der Einsichtige wird keinen Grund wissen, gerade vom Neujahrstage etwas besonderes zu verlangen. Trotzdem sind wir's nun einmal gewöhnt, sendln uns gegenseitig zum Neujahrstage Glückwünsche und sind >— seien wir offen — ehrlich verstimmt, wenn ein solcher seitens irgend eines guten Bekannten oder Freundes wider Erwarten ausbleibt. Und weil es nun einmal so ist, und weil auch wir (Verlag und Schriftleitung) in diesem Falle den Wunsch hoben, den Hoffnungen und Erwartungen unserer Leser Rechnung zu tragen und mit ihnen zu denken und ;« fühlen, darum wollen wir diese Zeilen nicht schließen, ohne unseren Lesern zururufen: Lin frohes, glückliches, zufriedenes Neujahr! — Ab 1. Januar kostet das Bierpfunvbrot 2 Mk. In der heute vormittag in der Amlshauptmannschaft Weißen abgehaltenen Sitzung des Ernährungsausschusses des Rommunaloerbandes Weißen Stadt und Land wurde von Herrn Amtshauptmann Dr. Sievert über die Steigerung der Preise von Getreide, Wehl und Brot berichtet. Die neuerliche Verteuerung entsteht in der Hauptsache durch die von der Reichsregierung neu eingeführt« Abli«f«rungsprämit an die Landwirte. Der bisherige Preis für den Doppel zentner Roggen von 65,50 wk. muß auf (02,50 wk., der für den Doppelzentner Weizen von 73 Wark