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Wilsdruffer Tageblatt : 25.12.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-12-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191812252
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19181225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19181225
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-12
- Tag 1918-12-25
-
Monat
1918-12
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 25.12.1918
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«inträchtigt«, erhebt die Postverwaltung mit Wirkung vom 15. Dezember für »i« Gutschrift keine Gebühr mehr. Ferner ist der Nleistbetrag der Zählkarten, die den Landknefträgern auf ihren Bestellzängen zur Ablieferung an die Postanstall übergeben werden können, von 800 Mk. auf 1000 Mark erhöht worden. Das amtliche Verzeichnis der Postscheck kunden bei den Postscheckämtern un Reichs-Postgebebiet wird im Januar 1919 nach dem Stande von Ende Dezember 1918 neu aufgelegt werden. — Anmeldung bei den Bezirkskommandos. Ent lassene Unteroffiziere und Mannschaften haben mit der An meldung bei den zuständigen Bezirkskommandos solange zu warten, bis öffentlich dazu aufgesordert wird. Ebenso erfolgt über den Zeitpunkt für die Auszahlung des Entlassungs geldes an behelfsmäßig entlassene Unteroffiziere und Mann schaften noch öffentliche Bekanntmachung. — Die achtstündige Arbeitszeit in den Gartenbau betrieben, die durch Vereinbarung der Arbeitsgemeinschaft beschlossen worden ist, findet auf alle Gartenbaubetriebe, gleichviel ob sie als landwirtschaftliche oder gewerbliche Unternehmungen anzusehen sind, Anwendung. — Das Theater der Feldgrauen. Die Aufklärungs- Abteilung des Stellv. Generalkommandos Xll beehrt sich mitzuteilen, daß das von ihr seit einem Jahre unterhaltene „Theater der Feldgrauen", Schauspiel- und Vpern-Ab- teilung, mit dem 3 s. Dezember 1918 als Unternehmen des Stellv. Generalkommandos aufhören wird. Der größte Teil der bisherigen Mitglieder beider Abteilungen will die Theater unter-neuem Namen unter Beifügung der Be zeichnung „Ehemaliges Theater der Feldgrauen" (Sckausp-ei- Abteilung bez. Gpern-Abteilung) weiterführen Die Auf klärungs-Abteilung des Stellv. Generalkommandos möchte darauf aufmerksam machen, daß nur diese Theater be rechtigt sind, sich „Ehem. Theater d. Feldgrauen" zu nennen. — Der Frauenüberschuß nach dem Kriege. Ueber die Höhe des durch den Krieg hervorgerufenen Frauenüber schusses veröffentlicht Sanitätsrat Dr. prinzmg in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift" interessante statistische Feststellungen. Gerade in dem Alter, das für den Geburten zuwachs am wichtigsten ist, und zwar im Alter von 18 bis H5 Jahren, ist der Ueberschuß von Frauen gegenüber den Männern am stärksten. Zn diesem Aller kamen vor dem Kriege auf 1000 männliche Einwohner sOOH weibliche, während jetzt auf die gleiche Zahl Männer HS6 weibliche Personen kommen. Der Frauenüberschuß hat sich also während des Krieges um 1-,2 v. H. verstärkt. Ein sehr großer Teil der Weiblichkeit, vom Eintritt in das erwerbs fähig« Alter bis in die vierziger Zahl/ hinein, wird künftig auf die Ehe verzichten müssen und ist darauf angewiesen, durch eigene Tätigkeit den Lebensunterhalt zu verdienen, viele Witwen werden auch für ihr« unmündigen Kinder sorgen müssen. Dir weitere Folge davon wird «in erheb liches Sinken der Geburten; ffer sein. Nach den Berech nungen Sanitätsrats Dr. prinzing wird es 27 Zahre dauern, bis der aus den Ariegsverhältmssen hervorgegangene Frauenüberschuß beseitigt ist. — Dresden. Die Weltfirma E E. Betzold 6c Aul horn, Fabrik für Schokolade, verschiedene Aakaopräparate, Fondants, Pralines und Zuckerwaren, beging die Feier ihres 25jährigen Bestehens. — Freiberg. Neuerdings mehren sich hier wieder die Fälle schwerer Grippe-Erkrankungen in unserer Stadt. Zn zahlreichen Fällen haben die Erkrankungen sogar einen tödlichen Ausgang genommen. — Rückersdorf. Als der Bäcker Richter nach vier jähriger Abwesenheit seine Wohnung betrat, um das Ge schäft wieder zu eröffnen, war ihm alles, was nicht met- und nagelfest war, gestohlen worden. Elektrische Birnen, Sicherungen, die Wage aus dem Laden, Wäsche, Kleidungs stücke und sonstige Vorräte, die der Besitzer zur Wieder eröffnung seines Geschäfts am Tage vor dem Einbruch mitgebracht hatte, hießen die Spitzbuben mitgehen. Mit dem Beil erbrochene Schränke und Kästen legen Zeugnis davon ab, in welcher Weise sie gehaust haben. Tue auf dem Herz, Menschenkind! ! Bon Pfarrer Alfred Fischer, Berlin. Durch alle deutschen Lande und mit den Auswanderern überS Meer ist das vor hundert Jahren geborene Lied »Stille Nacht, heilige Nacht' gewandert und kommt nun heute zu unS als einem geschlagenen und zerrissenen Boll und will unS eine stille heilige Nacht inS trübe und müde Herz singen. Tue ihm auf dein Herz, du Menschenkind, daß auch dir die rettende Stunde schlägt in Thrifti Geburt. ' Du sollst und du darfst einmal beim Klange dieses Liedes auf einen Augenblick vergessen alles was um dich her an Jammer und Leid dieser Tage ist, du darfst auch vergessen, was in dir ist an Sorge und Teilnahme am Geschehen in Volk und Menschheit, du sollst einmal mit dir selbst ganz allein sein und sollst in dieser Stille die Stimme des himmlischen Vaters hören, der durch das Weihnachtskind dir und jedem Menschenkind« fest und gewiß es sagt: Du bist mein Kindl Über dich soll's kommen wie eine große Seligkeit, daß dir wieder wird, wie einst, da deine Mutter dich auf ihren Schoß nahm und du deinen Kopf an ihre Brust lehntest und du hörtest ihre liebe Stimme, die sprach: Mein liebes Kindl — So spricht wahrlich und wahr haftig in der Stillen Nacht, ob sie eS hören oder nicht, ob sie es glauben wollen oder nicht, so spricht der himm lische Vater zu seinen Menschenkindern und denen, die es hören, und glauben wollen, denen wird ganz selig, fried lich, stille zu Mute, sie fühlen sich geborgen in einem ge waltigen, Himmel und Erde umspannenden Willen, in einer starken unbesieglichen Macht. Sie sind herauS- gehoben über allen Kampf der Welt und aller Sorgen auf Erden, sie find ganz gewiß: es kann mir und keinem auf der Welt irgend etwas geschehen, als was dieser himmlische Vater vorgesehen und gewollt hat, was darum mir und den Meinen und meinem Volk und der Mensch heit nicht zum Segen werden muß. Stille Nachtl — Nackt, die stille macht, alles Sorgen, Grämen, Klagen, Weinen, LeidenI Stille Nscht, komm' zum deutschen Volk. Und eine heilige Nacht wirst du werden, eine Nacht, die da heiligt! Heilige unseren Schmerz um unsere Toten, daß sie wissen, sie sind nicht vergeblich gestorben, ihr Opfer und Blut ist, wie das Samenkorn, das jetzt verborgen ins Dunkel der Erde, unter kaltem Schnee und Eis, über die der rauhe Nord fährt, schläft und bas keimt und daS einst sproßt und herrliche Früchte bringt. Heilige unser Leid um unser geschlagenes Volk, daß wir es um so lieber haben und um so treuer find mit dem Herzen und mit unseren Händen. Heilige unser Tun und Arbeiten, daß wir schassen für unser Volk und nicht nur um Gewinn und Verdienst, um Genuß und Reichtum. Du, heilige Nacht, stellst uns das alte traute Bild vor die Seele; die armen Eltern und das arme Kind, im ärmlichen Stall auf Heu und auf Stroh — und der dort liegt, ward der Herr der Welt, der Heilige der Jahrtausende, der Heiland der Menschheit. Er hatte solange er lebte nicht wo er sein Haupt hinlege und starb am Kreuz und hatte doch einen Schatz, köstlicher als aller Welten Edelsteine und «ine Macht, größer als aller Mächte Macht in seinem Besitz: Er wußte die frohe Botschaft vom Vater im Himmel! Heilige Nacht, heilige uns von der Nußerlichkeit^und deren Scheinwesen, lehre uns um die Seele, den inneren Menschen, seine Größe, seine Reinheit, seine Echtheit sorgen! Heilige unsern Bund mit den Brüdern unseres Volkes, daß uns nicht mehr gilt Vornehm und Gering, Reich und Arm, sondern nur gilt das Menschenkind und das Gotteskind, daß wir für einander leben, arbeiten, sorgen, sinnen — nicht nur für uns, daß die Liebe stark werde und die Selbstsucht sterbe. Heilige uns, daß wir die Erde erkennen in ihrer Vergänglichkeit und Kleinheit und an Gott uns halten, dem Ewigen und Großen, daß wir Wachsen und Werden — im Kampf der Zeit — heilige Nacht — daß wir Wachsen und Werden hinein in die lichte Ewigkeit. Besitze der Familie. Das Haus bildete die Ecke des Martt- Platzes und einer steil bergaufsteigenden Straße, und an Dieser Ecke lief die stattliche Front des Gebäudes in einen weit hervorspringendcn Erker aus. In den zwei oberen Stockwerken hingen jahraus, jahrein schneeweiße Vorhänge hinter den Scheiben, nur dreimal im Jahre und dann stets Einige Tage vor den hohen Festen verschwanden die Hüllen — es wurde gelüftet und gescheuert. Die mächtigen, erze nen Drachenköpfe hoch oben am Dache, die das Regenwasser iaus der Dachrinne hinunter auf das Pflaster spien, die Vö- tzel, welche vorüberflatterten, sahen dann die aufgespeicher ten Schätze des alten Kausmannshauses, sahen die altmodische jPracht der Zimmer — jene hohen Schränke von kostbarer eingelegter Arbeit mit den blitzenden Schlössern und Hand-, haben, die reichen seidendamastenen Ueberzüge auf den strotzenden Daunenkissen der Kanapees und den hockc-epolster- ten Stühlen, die deckenhohen, in die Wand eingefügten, venezianischen Spiegel und in den Kammern die yochauf« gestapelten Gastbetten, deren Leinenüberzügen ein starker Lavendeldufl entquoll. Diese Raume wurden nicht bewohnt. Es war niemals Sitte in der Familie Hellwig gewesen, einen Teil des ge räumigen Hauses zu vermieten. Durch alle Zeiten hatte da droben vornehmes, feierliches Schweigen geherrscht, das «nur unterbrochen wurde durch eine glänzende Hochzeit oder ^Kindtaufe, und im Laufe des Jahres dann und wann durch den hallenden Schritt der Hausfrau, die dort ihre Leinen schätze, ihr Silber- und Porzellangeschirr verwahrt hielt. Frau Hellwig war als zwölfjähriges Kind in dieses Haus gekommen. Die Hellwigs waren ihr verwandt und nahmen sie aus, als ihre Eltern rasch hintereinander star ben und sie und ihre Geschwister mittellos hinterließen. Das junge Mädchen hatte einen schweren Stand der alten Tante gegenüber, die eine strenge und stolze Frau war. Hellwig, der einzige Sohn des Hauses, empfand anfänglich. Mitleidcn für sie, später aber verwandelte sich die Teilnahme in Liebe. Seine Mutter war entschieden gegen seine Wahl, und es kam deshalb zu schlimmen Auftritten, allein der Liebende setzte schließlich seinen Willen durch und führte das Mädchen heim. Er hatte die mürrische Schweigsamkeit der Geliebten für mädchenhafte Schüchternheit, ihre Herzenslüste für sitt liche Strenge, ihren starren Sinn für Charakter gehalten und stürzte mit dem Eintritt in die Ehe aus all seinen Himmeln. Binnen kurzem fühlte der gutmütige Mann die eiserne Faust einer despotischen Seele im Genick, und da. wo er dankbare Hingebung gehofft hatte, trat ihm plötzlich der krasseste Egoismus entgegen. Seine Frau schenkte ihm zwei Kinder, den kleinen Na thanael und seinen um acht Jahre älteren Bruder Johannes. Den letzteren hatte Hellwig schon als elfjähriges Kind zu einem Verwandten, einem Gelehrten, gebracht, der am bcpein lebte und Vorstand eines großen Knabeninstituts war. Das waren Hellwigs Familienverbältmfse zu der Zeit, als er das Kind des Taschenspielers in fein Haus nahm. DaS schreckliche Ereignis, dessen Zeuge er gewesen war, hatte ihn tief erschüttert Er konnte den flehenden, unsäglich schmerz lichen Blick der Unglücklichen nicht vergessen, als sie gede- mütigt in seinem Hausflur gestanden und seinen Taler in Empfang genommen hatte. Sein weiches Herz litt unter dem Gedanken, daß es vielleicht sein Haus gewesen war, wo das arme Weib den letzten verwundenden Stachel ihrer un glückseligen Lebensstellung hatte empfinden müssen. Als daher der Pole ihm die letzte Bitte der Verstorbenen mit- .teilte, da erbot er sich rasch, das Kind erziehen zu wollen. Erst als er auf die dunkle Straße hinaustrat, wohin ihm der 'letzte, herzzerreißende Abschiedsrns des unglücklichen Mannes nachscholl, und wo die Kleine, ihre Aermchen fester um seinen Hals schlingend, nach der Mama fragte, erst da dachte er an den Widerspruch, der ihn voraussichtlich daheim erwartete; allein er rechnete auf den Liebreiz des Kindes und auf den Umstand, daß seiner eigenen Ehe ja ein Töchterchen versagt kei — er hatte trotz aller schlimmen Erfahrungen noch immer keinen vollkommenen Begriff von dem Charakter seines Wei bes, sonst hätte er sofort umkehren und das Kind in die Arme des Vaters zurückbringen müssen. War bis dahin das Verhältnis zwischen Hellwig und seiner Frau ein frostiges gewesen, so hatte es fetzt nach der Ausnahme der kleinen Waise den Anschein, als seien granitene Mauern zwischen dem Ehepaar aufgestiegen. Im Hause «ging zwar alles seinen Gang unbeirrt fort. Frau Hellwig wanderte täglich mehrere Male durch die Haus- und Wirt schaftsräume — sie hatte durchaus keinen schwebenden Gang, und für ein feines oder gar ein ängstliches Ohr hatten diese harten, festen Schritte etwas Nervenaufregendes. Fortwäh rend glitt dabei ihre rechte Hand über Möbel, Fenstersimse und Treppengeländer — es war ein unbezwinglicher Hang, eine Manie dieser Frau, die große, Weiße Hand mit den kol- bigen Fingerspitzen und den breiten Nägeln über alles Hin streifen zu lassen und dann die innere Fläche sorgsam zu prü fen, ob nicht Staubatome oder das verpönte Fädchen eines Mitten hinein in Kampf und Sora« der Welt ruft st« die Weihnacht — unbekümmert um der Zeit Geschrei — die ihr wollt frei und groß und glücklich sein, die ihr be freien wollt und wollt helfen den Menschen zum Glück — höre, höre Geschlecht der Zeitenwende, auf die stille, die heilige Nachtl Weihnachtsabend in Südafrika. Von E. Winterfeld - Warnow. Fritz Frankenstein hatte eine Patrouille zu machen mit noch einem Mann. Heute am Weihnachtsabend! Weihnachten im Felde und Weihnachten auf afrikanischem „Veldt" ... es kam ihm ganz wunderbar vor. Der alte Jan, der seit langen Jahren Führer eines Ochsengespanns gewesen war, und daher Weg und Steg kannte, hatte ihn auf Schleichwegen geführt. Sie batten erkundet, was sie erkunden sollten und suchten nun den Weg zum Lager zurück. Aber die Nackt würde Hereinbrechen, die finstere, afrikanische Nacht! Da konnten sie nicht weiter. Sie sammelten Reisig und machten ein Feuer an. Da lagen sie nun! Schlafen durften sie nicht. Die Gefahr, daß sie überrascht werden konnten, war zu groß. Auch die Gefahr vor wilden Tieren, die nur durch ihr Lagerfeuer ferngehalten wurden ... Weihnachtsabend hier draußen! Fern von allen Lieben! Heimweh wollte Fritz das Herz schwer machen. Heimweh nach seinem alten Vater, nach der lieben, kleinen Schwester Lotte, nach so manchem daheim, mit dem ihn treue Freundschaft ver bunden hatte. Weihnachten mit blühenden Blumen und tropischer Glut! Wenn ihm früher jemand gesagt hätte, daß er je einen solchen Weihnachtsabend verleben würde, er hätte ihn ausgelacht. Die letzten, schrägen Sonnen strahlen strömten über Tal» Ebene und Hügel. Die Bäum« und Gräser streckten sich, um den letzten, scheidenden Glanz der Sonne aufzufangen. Jeder Zweig und jedes Blatt gatte feinen eigenen, kleinen Schatten, vis zu den kleinsten Steinchen hinunter. Jetzt kriechen die Schatten am Hügel herab. Sir fallen vom Himmel und lauern in dem langen, gelben Grase, hinter groben Steinhaufen. Sie flattern umher und vermischen di« blaue Linie des Horizonts. Plötzlich ist das Sonnenlicht besiegt. Und die schwarze, geheimnisvolle, afrikanische Nacht liegt über dem Veldt. Müde und langsam nestelt sich der warme Wind in den Zweigen der Jahrhunderte alten, alleinstehenden Bäume «in und geht schlafen. Die Sterne, Myriaden von glitzernden, zitternden Lichtern, blicken von dem blau- fchwarzen Himmel herab. Dom fernen Walde her ist ge heimnisvolles Leben am Werke. Tiefer und tiefer wird die Dunkelheit. Hin und wieder bricht ein Zweig unter dem schweren Tritt eines Leoparden, und das Geschwirr der Nachtvögel zittert durch daS Schweigen. Es war Fritz, als blickten tausend böse, glühende Augen durch die Dunkelheit. Ein unheimliches Gefühl beschlich ihn. Ein Gefühl, als sei er selbst nur ein Atom, ein Nichts, in dieser dunklen Einsamkeit, dieser seltsamen Weite. Wunderblumen duften von dem kleinen Wviher her, an dem sie vorher oorbeikamen. Lilien, weiße Wasserlilien sind es, die an dem stillen, warmen Wasser stehen, und die jetzt ihren schweren Duft in die Nacht schicken. Von ganz fernher tönt der Schrei eines Löwen. Es ist, als ob die Luft zitterte von dem heiseren Ton. Es sind nur einige Sekunden. Dann ist wieder tiefe Stille. Das schwelende Lagerfeuer flackerte ein wenig. Fritz beugte sich vor, um zu sehen, ob der alte Jan schliefe. Aber nein! Seine lebhaften, Hellen Augen blickten scharf in daS Dunkel, schienen auch dort Dinge zu sehen, von denen die Augen des jungen Deutschen nichts wabr- pahmen. „Jan", sagte er leise. „Ja. Herr!' — „Erzähl' imir ein wenig! Erzähl' mir, wie ihr hier Weihnackten »eiert! Bei uns ist es jetzt kalt! Schnee, reiner, weißer, Lühler Schnee deckt das Land! Das nennen wir Weih- kacktsweiterl Aber hier in diesem Veldt, wie ist da Weihnachten?' „Heut nach Mitternacht, wenn der Morgen dämmert, dann müßt ihx horchen und lauschen. Dann knien die Tiere nieder, alle, auch der böie, schreiende Schakal. Dann . geht ein lichter Schein durch den Busch, dann kommt der „Große Geist'. Und dann erzählte Jan weiter. Er er zählte, wie die Geschichte der heiligen Verkündigung in dem Glauben der Kastern lebt. Fritz verstand nicht jedes Spinnwebenversuchs daran hänge . . . Es wurde gebetet nach wie vor, und die Stimmen, die Gottes ewige Liebe un» Barmherzigkeit priesen, die sein Gebot wiederholten, nach welchem wir selbst unsere Feinde lieben sollen, sie klangen ge nau so eintönig und unbewegt, wie vorher auch. Man nahm die Mahlzeiten gemeinschaftlich ein, und Sonntags schritt das Ehepaar einträchtig nebeneinander zur Kirche. Aber Frau Hellwig vermied es mit eiserner Konsequenz, ihren Mann anzureden. Sie fertigte seine Annäherungsversuche mit der knappesten Kürze ab und machte es möglich, stets neben oder über der kleinen Gestalt des Hausherrn hinweg- zuschcn. Ebensowenig existierte der kleine Eindringling für sie. Sie hatte an jenem stürmischen Abende der Köchin ein für allemal befohlen, täglich eine Portion Essen mehr anzu richten, und in deren Kammer einige Bcttstücke nebst Lein zeug geworfen. Den kleinen Koffer mit Felicitas Habselig keiten, den unterdes der Hausknecht aus dem „Löwen" ge bracht hatte, mußte Friederike vor den Augen der Haus frau öffnen, und die äußerst sauber gehaltene, kleine Garde robe, welcher der Hauch eines sehr seinen Odeurs entquoll, sofort aus einen offenen Gang zum Auslüften hängen .... Hiermit begann und beschloß sie die ihr aufgedrungene Für sorge für das „Spielerskind", und als sie danach wieder in oas Zimmer trat, war sie mit diesem Kapitel innerlich fer tig für alle Zeiten. Nur ein einziges Mal schien es, als ob ein Funke Teilnahme in ihr aufglimme. Eines Tages näm lich saß eine Näherin im Wohnzimmer und fertigte aus einem dunklen Stoffe zwei Kleider für Felissitas, genau nach dem strengen Schnitte, wie die Frau des Hauses sich trug. Zu gleicher Zeit preßte Frau Hellwig die widerstrebende Kleine zwischen ihre Knie und bearbeitete deren Kopf so lange mit Bürste, Kamm und Pomade, bis das wundervolle Lockengerin gel die erwünschte Glätte und Nachgiebigkeit erhielt und sich in zwei häßliche, steife Zöpfe am Hinterkopfe zwängen ließ . . Die Abneigung dieses Weibes gegen Grazie und Anmut, gegen alles, was wider die Gebote ihrer verknöcherten Ansich ten stritt, und was seine Linien und Formen aus dem Ge biete des Idealen entnahm — jener Widerwille war stärker noch als ihr Starrsinn, als der Vorsatz, die Anwesenheit des Kindes im Hause völlig zu ignorieren . . . Hellwig hätte weinen mögen, als ihm sein kleiner Liebling so entstellt ent gegentrat, während seine Frau nach der Sühne, die ihr schön heitsfeindlicher Sinn gebieterisch verlangt hatte, womöglich nock zurückweisender aeaen das Kind war als vorder. sFortsetzung auf der nächsten Seite.s
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