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Wilsdruffer Tageblatt : 27.11.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-11-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191811270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19181127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19181127
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-11
- Tag 1918-11-27
-
Monat
1918-11
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.11.1918
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von Mannschaften und Material beauftragt war. Unsere Bevollmächtigten in Spaa protestieren natürlich, aber wogegen haben sie nicht alles schon protestieren müssen, und alle ihre Vorstellungen sind eindruckslos verhallt. Marschall Foch lehnt jede Milderung der Bedingungen ab. Er gibt sich nicht einmal die Mühe, sein Nein zu begründen, und als seinem Vertreter General Rudant daraufhin noch einmal.an der Hand der Karte und unter Angabe von Zahlen die technische Undurchführ barkeit der Aufgabe nachgewiesen wurde, eine Armee von über 3 Millionen Mann in der festgesetzten Frist auf den schlechten und engen Straßen über die wenigen Rheinübergänge zurückzuführen, gab er lediglich zur Ant wort, daß er derartige Mitteilungen in Zukunft nicht mehr entgegenzunehmen wünsche. Die Schwierigkeiten seien wohl bekannt, aber die Fristen seien unabänderlich, die Lage sei nun einmal so und nicht anders. Deutschland habe die Bedingungen angenommen; wenn es dies nicht getan hätte, wäre seine Lage nicht bester. Auch in den Sonderkommissionen dasselbe Bild: Unnachgiebigkeit bis zum äußersten auf französischer Seite, so sehr ihnen auch nachgeünesen wird, daß einfach Unmögliches von uns verlangt wird. Marschall Foch sucht offenbar seinen Triumph darin, die uns auf gezwungenen Bedingungen auf das schärfste zu seinen Gunsten auszulegen und mit größter Strenge durch zuführen, ohne Rücksicht darauf, ob Tausende, vielleicht Hunderttausende auf dem Rückzüge vor Erschöpfung am Wege umkommen oder in Gefangenschaft geraten. Auch ob unser ganzes Transport- und Ernährungswesen zu- sammenbricht, ob Hungersnot und Arbeitslosigkeit zu wirt schaftlichen und politischen Katastrophen führen, scheint den erbarmungslosen Franzosen gleichgültig zu sein — sie brennen vor Begierde, ihr Mütchen an uns zu kühlen, und spotten der ohnmächtigen Proteste, auf die wir uns jetzt leider Gottes beschränken müssen. Es ist weit mit uns gekommen, sehr weii^ Die Reichsregierung hat den Befehl gegeben, daß unsere Truppen sich unter keinen Umständen auf Feuergefechte mit den Franzosen einlassen dürfen, auch wenn sie von diesen beschossen werden, und Generalleutnant Groener, der Nachfolger Ludendorffs, hat zurückgemeldet, daß dementsprechend verfahren werden würde. Ob diese Anweisung den Rachedurst unserer Feinde etwas dämpfen wird? Man muß, glauben wir, eher auf das Gegenteil gefaßt sein. Alle deutschen Unterhändler, die jetzt mit Franzosen in Berührung gekommen sind, berichten übereinstimmend über den glühenden Haß. den sie bei ihnen gegen uns angetroffen haben und tas ebenso bei den Führern wie bei einfachen Leuten. Keine Spur von Mitgefühl mit unserer wahrhaft er barmungswürdigen Lage, noch weniger irgendwelches Interesse, für die politischen Veränderungen, die sich bei uns zugetiagen haben. Sie lassen nicht den geringsten Unterschied gelten zwischen dem kaiserlichen und dem revolutionären Deutschland, und auch der Vorwärts muß zugebcn, daß die französische Armee fest in der Hand ihrer Führer ist. Alle Anzeichen sprechen sogar dafür, daß sie jetzt erst recht gewonnenes Spiel zu haben glauben. So die Tatsache, daß sie die letzte Räumungs staffel des Saarreoier mit seinen Kohlengruben ein fach mit einbezogen haben, obwohl davon im Wäffenstillstandvertrage mit keinem Worte die Rede ist, weil das preußisches und nicht lothringisches Gebiet ist. Wir protestieren, laut und kläglich — aber wird es uns etwas helfen? Wir schreien über Gewalt, da wir doch in Erwartung eines Rechtsfriedens uns an Wilson ge wandt hatten. Aber wer hört heute auf unsere Stimme? Wer kann sagen, ob Wilson überhaupt Protesten einer Regierung Beachtung schenken wird, deren Gesetz mäßigkeit einstweilen noch ganz und gar in der Luft schwebt? Ihre dringende Bitte um schleu nigste Einleitung von Verhandlungen zur Herbeiführung eines Vorfriedens hat er bis jetzt wenigstens völlig un beachtet gelassen — obwohl ihm doch sicherlich bekannt ist, daß jeder Tag deS Zögerns für uns eine Frage von Tod und Leben sein kann. Das deutsche Volk ist es, das sich jetzt in Schmerzen windet, das Volk, dem er gar nicht oft genug seine wohlwollende Teilnahme versichern konnte. Herr Wilson aber bleibt stumm wie das Grab, er, der sonst seiner Redseligkeit nur zu gern die Zügel schießen ließ. Er überläßt uns den heißen Rachegefühlen der Franzosen, die er vielleicht immer noch für eine ritterliche Nation hält. Gnade uns Gott, wenn wir diese Ritterlich keit noch über die Grenzen des Waffenstillstaudsoertrages hinaus zu kosten bekommen sollen! Aber eins soll und muß gesagt werden: die Be mühungen unserer Unterhändler, an Ler» und Verstand Liselottes Heirat. Roman von H. Courths-Mahler. 2lj Als man ihr mitteilte, daß die Gäste schon abgereist waren, sagte sie gelassen: „Ich wußte daß sie den Frühzug benutzen wollten. Die Dienerschaft hatte schon gestern abend Weisung bekommen bezüglich Frühstück und Bereit haltung der Wagen. Die beiden Damen hatten sich gestern abend von mir verabschiedet." Damit war eine unbefangene Unterhaltung eingeleitet. Fritz Gernrode sah sein Mündel einigemal ernst und fragend an, als wolle er ergründen, was in ihrem Köpfchen vorging. Als sie es bemerkte, wurde sie rot und ihre Oberlippe zuckte nervös. Dies Zeichen war ihm bekannt, es verriet stummen Trotz. Da sah er von ihr fort. Solange sie in diesem Stadium war, konnte man nichts mit ihr anfangen, das wußte er. . Nach dem Frühstück zog sich Liselotte sofort in ihre Zimmer zurück und Wolf lieb seinen Black Prince satteln. Ihn verlangte nach einem frischen Ritt ins Freie. Die kühle Luft tat ihm wohl und beruhigte seine Nerven. Es wurde ihm leichter und freier ums Herz. Sein Vater hatte recht. Liselottes Liebe gehörte ihm trotz allem, und diese Liebe würde sie auf den rechten Weg zurück bringen, von dem sie Sibylles ränkeoolle Worte verdrängt hatten. * * . V * Die beiden jungen Ehegatten lebten nebeneinander bin, wie zwei Fremde, die sich nichts zu sagen haben. Dabei hatten sie sich nie heißer, sehnsüchtiger geliebt als jetzt. Wolf war artig und ritterlich gegen Liselotte und lieb sie fast nie aus den Augen. Sie vermied es aber, außer d«, Mahlzeiten mit ihm zusammenzutreffen. In Gegen- »on Wolfs Bat» und Fräulein von Schlegel sprachen st' irbetubar unbesava-» -asteinander so daß die ahnungs- fal, alte Dame rückst» -uw dem Zerwürfnis merkte. Die t»^ge Frau verstand i-br gut, Wolfs Blicken auszu- der Franzosen zu appellieren in allen Ehren. Aber nun ist es genug der Bitten und Beschwörungen, übergenug! Tragen wir lieber mit stummer Würde, waS doch nicht mehr zu ändern ist, und ersparen wir der Welt ein Schau spiel, das die unsagbaren Qualen dieser Lage nur noch er höhen muß. . Reichskonferenz -er Bundesstaaien. Einigkeit der Stämme notwendig. Berlin, 26. November. Kurz nach 10 Uhr begann heute im Kongreßsaal des Reichskanzlerhauses die von der Reichsregierung ein berufene Zusammenkunft der Vertreter der neuen deutschen Freistaaten, die über die fernere innerpolitische Gestaltung beraten sollen. Erschienen sind etwa 70 Beauftragte aus fast allen Staaten, unvertreten sind nur Schwarzburg- Sondershausen und Waldeck. Neben einigen früheren diplomatischen Vertretern sieht man sehr viele bekannte Ab geordnete, die in ihrer früheren engeren Heimat die Re gierung übernommen haben. Daneben unbekannte Männer, zum Teil im Matrosen- oder Soldatenrock Zwei lange Tische sind von den Vertretern besetzt, während am dritten die Staatssekretäre und die Beigeordneten Platz genommen haben. Eingeleitet wurden die Verhandlungen durch eine Rede des Vorsitzenden, des Volksbeauftragten Ebert. Er führte aus: Das Ziel der Politik der Reichsleitung ist die Durchführung und Sicherung der sozialistischen Demo kratie. Unsere nächsten Aufgaben sind: der Friede und die Sicherstellung des wirtschaftlichen Lebens. Die Waffen-' stillstandsbedingungen sind unerhört hart. Wir niubien uns mit diesen abfinden, etwas anderes gab es nicht. Rettung kann uns nur ei» schneller Präliminarfrieden bringen, sonst muß unser Volk in tiefstes Elend und wirt schaftliche Anarchie versinken. Jeder Versuch, uns die volitische Freiheit strittig zu ryachen, muß an dem entschlossenen Wider stand der Arbeiter UNd Soldaten scheitern. Die Freiheit kann uns nur nützen, wenn wir Brot und Arbeit haben. Vom un gestörten Fortgang unserer Kohlenförderung hängt fast alles ab. Wir haben bereits Maßnahmen ergriffen, um die Sozialisierung der Industriezweige in die. Wege zu leiten, die dazu reif sind. Nichts wäre verhängnisvoller als ein Äus- einanderstreben des Reiches. Nie war die Einigkeit aller Stämme Deutschlands notwendiger als in dieser Stunde. Die endgültige Regelung durch Zusammenwirken der Einzel staaten mit dem Reiche und die Einberufung der konstituierenden Versammlung sobald als möglich ist dringend geboten. Die Beratung des Wahlgesetzes soll in den allernächsten Tagen beginnen. Die Aufgabe der heutigen Konferenz ist, die Möglichkeit des provisorischen Zusammenwirkens bis zur Nationalversammlung auszusprechen. Dr. Solf warnt vor zersplitternde» Bestrebungen. Staatssekretär Dr. Solf sprach über unsere Beziehungen zu den bisherigen Gegnern und den östlichen Nachbarn, wobei er die Lage des Reiches als aufs äußerste bedroht darstellte, sowohl durch den nackten Vernichtungswillen unserer. Gegner, als auch durch die separatistischen Bestrebungen im Innern. Er setzt alle Hoffnung auf die heutige Versammlung, die der Reichsregierung die Vertretung nach außen einschränkungslos anvertrauen muß und die Nationalversammlung so schnell wie möglich beruft. Staatssekretär Erzberger berichtete über die Waffen stillstandsverhandlungen, worauf auf Antrag des bayerischen Ministerpräsidenten Eisner die Aussprache über beide Referate gemeinsam eröffnet wurde. Bundesstaatliche Grundlage des Reiches. Zunächst sprach Eisner, der mit scharfem Protest gegen beide Staatssekretäre als kompromittierte Vertreter der alten Zeit begann, deren Referate nicht im entferntesten merken lassen, daß in Deutschland inzwischen die Revolution ihre Arbeit getan hat. Dann trat der Redner für die schleunige Eiuberusung ' der Nationalversammlung ein. In die Debatte griff eine Reibe der Vertreter der übrigen Bundesstaaten ein. Fast durchweg klang aus allen Reden der Wunsch heraus, das Deutsche Reich auf bundesstaatlicher Grundlage neu zu errichten. Durch eine Mittagspause wurden die Beratungen bis gegen Abend unterbrochen, doch galt es aber während der Unterbrechung als sicher» daß die beiden Hauptforderungen „baldige Nationalversammlung und Aufrechterhaltung des bundesstaatlichen Verhältnisses im Reiche' ohne nennenswerten Widerspruch zur Annahme gelangen würden. Das Westheer im Rheinland. Der Rückmarsch unserer Truppen geht auch weiterhin an den allermeisten Stellen in Ordnung vor sich. Wenn »eichen, und sie tat mit großer Beharrlichkeit, denn wenn ihre Augen zufällig eim al zusammentrafen, las sie tu den feinen einen ernsten, ors.hmden Vorwurf, der sie beunruhigte. Um diese Unrm/ zu verbergen, zeigte sie sich danach stets doppelt kühl und zurückhaltend. Einmal trafen ihre Hände zusammen, als sie zu gleicher Zeit nach einer herabgefallenen Zeitung griffen, Ihre Hand zuckte zurück, als habe sie sich verbrannt, und ^ie bekam einen roten Kopf. Sie hörte, daß Wolf tief, aufseufzte, und daS erregte sie so sehr, daß ihre Land/ zitterten. Sie fühlte, daß er sie beobachtete, fühlte, daß ihr das Blut ins Gesicht schob, da stand sie brüsk auf und verließ das Zimmer. So kam es, daß Wolf zuweilen doch wieder irre wurde an ihrer Liebe. Er begriff und verstand nicht, daß ein stolzes Frauenherz lieber zugrunde geht, als sich an merken zu lasten, daß es den Mann liebt, der es ver schmäht. So vergingen ihm die Tage zwischen Hoffen und Verzweifeln, während Liselotte sich immer tiefer in Gram und Trotz verstrickte und sich verzweifelt gegen die Liebe wehrte, die trotzdem nicht aus ihrem Herzen wich. — Sie ging jetzt blaß und stumm im Hause herum. Das Dienstpersonal machte abends in der Küche seiner Ver wunderung Luft, daß ihre Herrin seit ihrer Verheiratung gar so ernst und still geworden. Sonst hatte sie in Lust und Übermut gelacht und gesungen von früh bis spät. Jetzt huschte kaum einmal ein schattenhaftes Lächeln übe» ihr Gesicht. Es siel natürlich auch auf, daß das junge Ehepaar jetzt gar nicht mehr miteinander ausritt. Liselotte hatte zu nichts mehr rechte Lust, auch zum Reiten nicht. Fräulein von Schlegel — sogar dieser harmlosen Seele fiel das auf — fragte sie einmal, warum sie jetzt so wenig ausreite. Da wurde Liselotte rot, sagte aber schein bar gleichmütig: „Es ist jetzt so trübes, unfreundliches Wetter — daS lockt mich nicht." Früher hatte sie sich durch kein Wetter von ihren Ritten zurückhalten lassen, aber Fräulein Frieda war zu unbefangen, um darüber nachzudenken, und gab sich mit der Bemerkung zufrieden. Der Winter hatte früh seinen Einzug gehalten, derselbe Winter, den sich Liselotte in es nicht überall so klappt, wie man es wünschen möchte, so sind daran die fast unausführbaren Waffenstillstands bedingungen schuld. Die 4. Armee gegen die Diktatur. Von der 4. Armee und ihrem Führer General Sixt v. Arnim sind allerhand Nachrichten über Holland ge kommen, die wissen wollten, daß der General mit seinem Truppen einen Putsch gegen die neue Ordnung plane! Nach Meldungen aus Krefeld, wo diese Armee inzwischen mit ihren Spitzen eingetroffen ist, handelt es sich aber offenbar um ganz andere Dinge. Krefeld, 25. Nov. An Ebert wurde vvn der 4. Armee ein Telegramm gerichtet, in dem es heißt: Im Auftrage vou 5V0V0V Frontsoldaten verwahrt sich der Soldatenrat der 4. Armee aufs schärfste gegen die Anmaßung des ASR von Berlin, der unter Umgehung der Nationalversammlung eine diktatorische Gewalt über das ganze deutsche Volk erstrebt. Die Front wird sich niemals der Diktatur einer Minderheit unterwerfen. Weiter wendet sich dieser Soldatenrat mit Entschieden heit gegen die Spartakusgruppe, den Frontsoldatenrat in Berlin und gegen den General der Infanterie o. Eber hardt, weil dieser das Tragen von roten Abzeichen ver boten habe. Dagegen fordert der Soldatenrat die sofortige Einberufung der Nationalversammlung als dem Lebens intereste des deutschen Volkes entsprechend. Das Feldheer behält die Waffen. In einem Aufruf des Soldatenrates bei der Obersten Heeresleitung an die ASR der Heimat heißt es u. a.: Den versprengten Kameraden sind nach wie vor nur Waffen und Munition abzunehmen, geschlossenen Truppen körpern aber sind die Waffen unter allen Umständen zu be lassen. Alle etwa hieran geknüpften Befürchtungen entbehren jeglicher Berechtigung, denn wir wissen aus Verhandlungen mit den Vertretern von Soldatenräten des Feldheeres, daß die Fronttruppen uneingeschränkt auf dem Boden der aus unserer staatlichen Umwälzung beroorgegangenen Regierung Ebert-Haase stehen. Mit den Arbeitsbrüdern in der Heimat will auch das Feldheer die Demokratisierung und Soziali sierung unseres Landes. Deshalb erhebt es aber auf das schärfste Einspruch gegen alle Bestrebungen, die dahin führen, das Zustandekommen der von der jetzigen Regierung ge planten Nationalversammlung zu hintertreiben. Weiter verlangen die Feldtruppen, bei dem ferneren Ausbau des Reiches mitzuwirken. Das Feldheer will den Frieden und den geordneten Aufbau des neuen Reiches und lehnt den Gedanken ab, den Sieg über die bisherigen Diktaturen zur Erreichung einer neuen Diktatur zN miß brauchen, weil diese den ersehnten Frieden vereiteln und das deutsche Volk dem Hungertod preisgeben könnte. Fronlsoldatentag in Ems. Der Soldatenrat bei der Obersten Heeresleitung har an die Soldatenräte aller Fronten einen Aufruf erlassen» in dem ein allgemeiner Vertretertag der Truppen- Soldatenräte, deren Stimme bei der Neugestaltung der Dinge im Reich nicht überhört werden soll, auf den 1. Dezember, vormittags 9 Uhr, nach Bad Ems einberufen wird. Jede Division, sowie jedes Generalkommando, Armee-Oberkommando und jede Heeresgruppe — die drei letzteren für die ihnen unmittelbar unterstehenden Truppen — sollen je einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertreter entsenden. Transportuöte beim Ostheer. Nach Telegrammen der Soldateuräre aus dem Osten steht dort noch eine Armee von fast einer halben Million, die bei ihrem Rückmarsch mit den allergrößten Transport schwierigkeiten zu kämpfen hat. Das weite Land ist ohne Verkehrsstraßen: auf schlechten russischen Landwegen, in Eis und Schnee, und schlimmer noch im Schneeschlamm, müssen die Truppen viele, viele Kilometer weit marschieren, um eine Bahnlinie zu erreichen. Zudem stauen sich an dieser Front die Transporte russischer Kriegsgefangener aus Deutschland an, wodurch die Lage noch verschlimmert wird. Die Soldatenräte bitten deshalb im Interesse des ganzen Ostheeres, daß nicht mehr russische Kriegsgefangene heimbefördert werden, als dort Nahrungs- und Transport- gelegenheit finden. * Verschiedene Meldungen. Koblenz, 25. Nov. Die 3. Armee überschreitet in bester Ordnung hier den Rhein. Mannheim, 25. Nov. Die österreichischen Truppen, die vor und südlich Verdun gestanden haben, marschieren hier durch, von der Bevölkerung warm begrübt. Es folgen württembergische Kontingente. Innsbruck, 25. Nov. Im Laufe des heutigen Tages ist ' ein italienisches Regiment nach dem. andern unter ihren Träumen so hold und traut ausgemalt hatte. Wie ganz anders sah es jetzt in Schönburg aus als in ihren Träumen! Statt traulich zu zweien in Liselottes lauschigem Boudoir am Kamin zu sitzen, saß jeder der jungen Gatten für sich allein. Statt miteinander eng aneinandergeschmiegt im Schlitten über die glitzernde Schneefläche zu fahren, ging jeder für sich seine Wege. Wolf ging viel auf die Jagd oder saß über die Wirtschaftsbücher gebeugt in seinem Zimmer und rechnete — rechnete gewissenhaft wieder und wieder dieselbe Seite herunter, weil er dazwischen zuweilen unaufmerksam wurde. Das war, wenn seine Gedanken über Saatpreise und Lohntabellen zu Liselotte Hinüberschweiften. Manchmal klopfte ihm das Herz bis zum Halse hinauf, wenn ein leichter Fuß draußen an seiner Tür vorüberglitt. Er . kannte genau ihren gleitenden Schritt und konnte ihn nicht hören, ohne voll Erwartung, voll sehnenden Verlangens nach der Tür zu blicken. Wie oft malte er sich aus, wie das sein müßte, wenn sie eines Tages wirklich ber ihm einträte und dort auf der Schwelle stände. Er hörte dann im Geiste, wie sie sagte: „Verzeihe mir — ich war töricht, daß ich an deiner Liebe zweifelte. Jetzt habe ich endlich das Vertrauen zu dir wiedergefunden, vergib mir das böss häßliche Wort!" Er würde sie gar nicht ausreden lassen, es würde ihm schon genügen, daß sie zu ihm kam, daß sie den Willen hatte, gut zu machen. Wenn sie ihn nur mit dem alten, innigen Ausdruck der Augen ansähe, dann wäre schon alles gut. Wie wollte er sie jubelnd in seine Arme fchließen und den roten Mund mit der trotzigen Oberlippe mit Küssen bedecken. Wie er ihn liebte, den kleinen zuckenden Mund, der ihm immer so verheißend entgegen leuchtete und ihn vergessen ließ, daß ihre Augen so kalt und fremd über ihn fortsahen. — Und Liselotte? Ihr war manchmal zumute, als fei Las eine ganz Fremde, die da so still und kalt durch ihr altes, liebes Schönburg wandelte und an nichts, an gar nichts mehr Freude fand. Sie kannte sich selbst nicht mehr. Es war etwas in ihr gestorben, was ihr das Leben schön und liebenswert gemacht hatte, und sie konnte sich nun in diesem beraubten Leben nicht mehr zurecht finden.
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