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für die Amtshauptmannschaft Meißen, für das Nr. 21 j Sonntag den 26. Januar 1S1S 78. Jahrg. 2 Vock »WlMrufter Tageblatt erschein! tägftch, ml! Ausnahme der Sonn- und Festlage, abends s Uhr für den folgenden Tag. / Bezugspreis bei Selbstabholung von der vrusterei wschenistch 20 Pfg., monatlich o pfg., vierieljährlich 2,10 MI.; durch unsere Austräger zugetragen monatlich SV Pfg., viertehshrlich 2,40 Mk.j bei den deutschen Postanstaften vierteljährlich 2,« MI. ohne ZusteNungsgebühr. Aste Postanstalten, Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. / 2m Faste höherer Gewalt — Krieg oder sonstiger irgendwelcher Störungen der Betriebe der Zeitungen, der Lieferanten oder der Beförderungseinrichtungen — hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückzahlung des Bezugspreises. 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Zurzeit weilt in Dresden (Europäischer Hof) eine Delegation der neutrale« «nd alliierte« Länder (Offiziere und Aerzte in Uniform-, oie Ermittelungen in allen Lagern, Lazaretten, Irrenanstalten, Gefängnissen und Arbeitsstellen, insbesondere Berg werken, in denen sich Gefangene der Entente befanden, anstellen soll, ob deren Abbeförderung entsprechend den Waffenstillstandsbedingungen erfolgt ist. Insbesondere soll sie, um die öffentliche Meinung in den Entenleländern zu beruhigen, feststellen, ob etwa noch Gefangene verborgen werden. Indem die Oeffentlichkeit vyn dem Aufenthalte der Delegation und deren Auftrage hierdurch in Kenntnis gesetzt wird, werden gleichzeitig alle Personen, denen der Verblelb eines alliierten Kriegsgefangenen — gleichviel od krank oder gesund — bekannt sein sollte, angewiesen, entsprechende Angaben sofort der nächsten Polizeibehörde oder Lager- kommandantur zu machen, die diese Angaben umgebend der Inspektion der Korps- gefangenenlager Königsbrück zu drahten haben. Alle noch außerhalb der militärischen Dienststellen befindlichen Gefangenen haben sich schriftlich oder mündlich bei obengenannter Delegation in Dresden zu melden. Nm festzustellen, welche Gefangenen der Alliierten sich noch in Deutschland befinden, hat am 25. dieses Monats über die Gefangenen eine Zählung staltzufinden, die in der Nacht vom 24. zum 25. dieses Monäts auf der betreffenden Stelle anwesend waren. Die Zahlung der unter miliiärilchen Dienststellen befindlichen Gefangenen wird von den Generalkommandos veranläßt. Hingegen sind alle Gefangenen, die sich ""gegebenen Zeilpunkte etwa noch bei Zivilpersonen oder in Zivilgeföngnissen, Zuchlhausern und sonstigen Anstalien befinden, von den Haushaltungsvorständen oder Anstaltsdireklionen aufzunehmen und der örtlichen Polizeibehörde zur Anmeldung zu bringen. Die Polizeibehörde hat ungesäumt dem zuständigen Generalkommando drahtlich Mitteilung zu machen. Bei der Zählung sind festzustellen Name, Vorname, Gefangenennummer und Regiment, und zwar getrennt nach folgenden Nationen: Franzosen, Engländer, Belgier Serben, Italiener, Portugiesen, Japaner, Amerikaner, Montenegriner, Griechen, Brasilianer (unterschieden nach Kriegs- und Zioilgefangeuen). Personen, die einen Kriegsgefangenen der Alliierten gegen dessen Wunsch oder ohne Anmeldung verbergen, werden, wenn nicht eine höhere Strafe verwirkt ist, mit Geld strafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder Haft bestraft. Dresden, am 21. Januar 1919 21a/b II Die Ministerien des Innern und der Justiz. Stellung der Anabhängigen zum Sozialismus. Was heißt Sozialismus? Eine Aussprache. Vorbemerkung. Von verschiedenen Seiten sind wir ersucht worden, unbeschadet unserer Stellung als „bürger liches' Blatt, eine Aussprache über den Sozialismus herbeizuführen. Dieses Verlangen ist berechtigt, denn wie heute, so wird wohl für längere Zeit der Sozialismus im Vordergrund des politischen Interesses im Lande wie im Reiche stehen. Um jede Einseitigkeit zu vermeiden, haben wir uns an Vertreter beider Richtungen: der sozialisten freundlichen wie sozialistengegnerischen mit der Einladung gewandt, hierzu das Wort zu ergreifen. Heute spricht ein führendes Mitglied der „Unabhängigen" zu uns: nach einigen Tagen wird sein politischer Gegner, ein konser vativer Volkswirt, zu Wort kommen. * * „Sozialisierung." Beleuchtet von einem Sozialisten. Sozialisierung heißt Vergesellschaftung. Was vergesellschaftet werden soll, sind die Produktions mittel, das heißt jene Einrichtungen, Liegenschaften und Kapitalien, deren der Mensch zur Arbeit, zur Güter- und Warenerzeugung bedarf. Die Produktion von Nahrungs mitteln, die Beschaffung wichtiger Rohstoffe ist gebunden an die Ausnutzung des Grund und Bodens, eine „kon kurrenzfähige" Verarbeitung dieser Rohstoffe zu Gegen ständen des täglichen Bedarfs ist heute auf fast keinem Gebiete mehr möglich ohne die Zuhilfenahme komplizierter Maschinen, großer Fabrikanlagen, von Dampfkraft oder elektrischem Strom, und jedes Unternehmen, das vorwärts kommen will, verlangt zunächst eine anständige Summe als Anlage- und Betriebskapital. Wie beute die Dinge liegen, können nur wenige sich rühmen, selbst Besitzer solcher „Produktionsmittel" zu sein. Die große Masse der anderen ist darauf angewiesen, da sie ohne Produktionsmittel nicht konkurrenzfähig arbeiten kann, ihre Arbeitskraft denjenigen zu verkaufen, die im Besitz der Bergwerke, Fabriken und Handelsunter nehmungen sind. Sie bekommen dafür ihren Lohn oder ihr Gehalt, — in diesem Lohn oder Gehalt aber nur einen Teil von dem, was sie durch ihre Arbeit tatsächlich an Werten erzeugen; der andere Teil bleibt als Profit, Unter- Nehmergewinn, Grundrente, Dividende usw. demjenigen der das Vorrecht des Besitzes genießt. Dem will der Sozialismus ein Ende machen. Die Produktionsmittel sollen aus dem Privatbesitz einzelner in das Gemein eigentum aller überführt werden. Und der gesamte Er trag der gesellschaftlichen Arbeit soll der Gemeinschaft zugute kommen, ohne daß einzelne Bevorrechtigte sich in Gestalt des Profites zuvor einen wesentlichen Teil davon 'n ihre Privattaschen stecken können. Die Vergesellschaftung kann nicht so vor sich gehen, daß jeder Betrieb in das Eigentum derjenigen Arbeiter übergeht, die gerade in ihm tätig sind. Das würde zu nächst schon eine starke Ungerechtigkeit bedeuten, eine völlig ungerechtfertigte Bevorzugung derjenigen Arbeiter und Angestellten, die zufällig in einem modern eingerichteten und gutgehenden Unternehmen beschäftigt sind, und eine unverdiente Benachteiligung derjenigen, die in rückständigen, schlecht florierenden Betrieben arbeiten. Es würde aber auch bei den neuen Besitzern der Betriebe sehr leicht wieder lavitalistische Neigungen wecken, das Bestreben, sich am Profit zu bereichern, Indem sie andere an den ihnen nun gehörigen Produktionsmitteln gegen Lohn arbeiten lassen, und es würde weiter den Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Werken mit seinen vielen Schädigungen, würde die ganze Regellosigkeit der Warenerzeugung mit ihren schlimmen Folgen: Überproduktion, Stockung des Ab satzes usw. belassen, -- lauter Erscheinungen, die sicherlich nicht erfreulich genannt werden können. Sie können aber ausgeschaltet werden, wenn die Vergesellschaftung in der Weise vor sich geht, daß die Gemeinden, Provinzen oder Staaten die einzelnen Betriebe und Industrien übernehmen. Welche dieser gesellschaftlichen Organisationen jeweils die „zuständige" ist, wird sich nach dem Charakter der zu sozialisierenden Unternehmungen zu richten haben. Handelt es sich um Einrichtungen,' die nur einen lokalen Wirkungs oder Versorgungskreis haben, so wird die Gemeinde am zweckmäßigsten die Besitzerin werden, andernfalls ein Ver band von größerem Umfang, wie eben eine Provinz, ein Staat oder das Reich, das mehrere Staaten zusammenfaßt. Die Gemeinde, der Staat, das Reich können dann einen Ausgleich zwischen den Bezügen der in den einzelnen Betrieben Tätigen vornehmen und dabei zugleich auch dafür sorgen, daß ein Teil des Ertrages abgezwsigt wird zur Versorgung der nicht Arbeitsfähigen und zur Be streitung der Ausgaben für allgemeine Verwaltung, Sicher heitsdienst, Gesundheitspflege usw. Sie können allen Konkurrenzkampf zwischen den einzelnen Unternehmungen ausschalten und damit sehr viel Kraftoerschwendung und Kapitalvergeudung unterbinden. Sie können vor allen Dingen eine weitgehende Produktionsregelung herbei führen, indem sie stets genau den Bedarf an Gütern der verschiedensten Art feststellen und dafür sorgen, daß nur soviel von allen Waren erzeugt wird, wie wirklich nötig ist, indem sie dergestalt Überproduktion und Krisen' ver hindern und keine Kraft aufwenden lassen für die Er zeugung von Dingen, die volkswirtschaftlich unnötig sind und sehr wohl entbehrt werden können. Dazu kommt, daß bei einer solchen Vergesellschaftung auch die Möglichkeit besteht, solche Betriebe, die mit ihren Einrichtungen nicht auf der Höhe sind, zu schließen und dafür jene um so mehr zu verbessern und zu vergrößern, die besonders günstig gelegen und besonders praktisch ein gerichtet sind. Das bedeutet für die sozialistische Wirt schaft die Möglichkeit einer starken Produktionssteigerung bei gleichbleibender Menge der aufgewandten Arbeit; di» Tätigkeit des einzelnen wird erheblich ergiebiger werden als heute, und so liegt die Möglichkeit vor, auch ohne Verlängerung der Arbeitszeit jedem die Möglichkeit einer besseren Versorgung zu gewähren, ja, trotz dieser besseren Versorgung die Arbeitszeit immer mehr zu verkürzen, so daß der einzelne besser Zeit zur Erholung, zur Fort bildung, zum Genuß von Kunst und Kultur erhält. Aus dem Gesagten erhellt schon, daß es lächerlich ist, Sozialisieren mit „Aufteilen' übersetzen zu wollen. Eme Aufteilung der heute angesammelten Kapitalien und Besitz tümer würde — sofern sie überhaupt möglich wäre — das Privateigentum an den Produktionsmitteln ja gar nicht beseitigen, sie würde nur die Zahl der Besitzenden sehr vermehren und an Stelle der großen Besitztümer eme Unmenge kleiner setzen, von denen jedes für sich un genügend wäre, um damit zeitgemäß, „konkurrenzfähig produzieren zu können. Denn eine moderne Produktion nur möglich, wenn sehr erhebliche Kapitalien Mitwirken, wenn in Großbetrieben mit Dampf und Elektrizität, mit modernen Riesenma'chinen gearbeitet wird. Nicht eme Aufteilung der Großunternehmungen in eine Reihe rück ständiger Kleinbetriebe erstrebt der Sozialismus, sondern er wird noch mehr als schon das kapitalistische'Zeitalter die Produktion in Großbetriebe zusammenfassen. Nur daß in der sozialistischen Wirtschaft die Großbetriebe nicht mehr Eigentum einer kleinen Schar dividendenschluckender Aktionäre sein werden, sondern Eigentum der Gesellschaft, und daß ihr Ertrag ganz und ausschließlich ihr zugute kommen wird und durch sie denjenigen, die durch ihrer Hände und ihres Kopfes Arbeit die Betriebe in Gang erhalten. Töricht ist es auch, wenn behauptet wird, der Sozialismus wolle dem"Menschen alles nehmen, was er heute sein eigen nennen darf. Nein, es handelt sich bei der Vergesellschaftung immer nur um die Kapitalwerte, die für die Produktion unentbehrlich sind, also um die so genannten Produktionsmittel. Das, was jeder an Gebrauchswerten erwirbt oder besitzt, soll ihm un geschmälert bleiben. Jeder wird auch in der sozialistischen Gemeinschaft das Recht auf ein eigen Heim haben, das er sich einrichten kann wie er will, — ja, die Möglichkeiten, sich ein behagliches Heim zu schaffen, werden für die großen Massen erst durch den Sozialismus geschaffen werden. Jeder wird sich kleiden und schmücken dürfen wie er will; jeder wird auch das Recht haben, sich mit Gleich gesinnten zusammenzutun, um irgendwelche Einrichtungen zu schaffen, die der religiösen oder künstlerischen Erbauung, der Vertretung irgendwelcher Ansichten durch Herausgabe > von Zeitungen oder dergleichen dienen. Nur wird das, was der einzelne besitzt oder mit seinem Besitztum unter nimmt, nie dazu dienen dürfen, andere auszubeuten, d. h. aus der Arbeit anderer Gewinn zu ziehen. Schließlich ist es auch ein Unsinn, wenn gegen den Sozialismus eingewandt wird, er laufe auf eine öde Gleichmacherei hinaus. Auch in der sozialistischen Gesellschaft wird es höher und weniger hoch gewertete Tätigkeiten und Stellungen geben. Der besonders Be fähigte wird die Möglichkeit eines viel weiteren Wirkungs kreises, einer weir angeseheneren Stellung und einer besferen Lebensweise haben als der weniger Begabte und Träge. Beseitigt werden nur die klaffenden Unterschiede in der Lebenshaltung, beseitigt wird die Klassenscheidung sein, die die einen m Herren, die anderen zu Sklaven ihrer Produktionsmittel macht. Auch der in unansehn lichster Stellung Beschäftigte wird das Bewußtsein-haben dürfen, daß der gesamte Ertrag seiner Arbeit der Gesell schaft und durch die Gesellschaft ihm wieder zufließt, ohne daß irgendein Kapitalist sich daran bereichert, -er wird in jedem Falle die Möglichkeit eines gesunden, menschen würdigen Daseins haben, und ihm werden alle Tore offen stehen, sich bis zu den einflußreichsten Ämtern emporzu- Auch in der sozialistischen Gemeinschaft wird es nicht nur lauter Glückseligkeit und Zufriedenheit geben. Auch m ihr wird es nicht an Eifersüchteleien und Ränken fehlen und mancher wird sich zurückgesetzt und nicht voll gewertet fühlen Aber gewiß ist, daß die Möglichkeiten für leben, zu einer ibn befriedigenden Existenz zu kommen, in ihr unvergleichlich viel größer ,ein werden als unter der Herrschaft des Privatkapitals. , , . Der Sozialismus ist nicht von heute auf morgen zu verwirklichen. Nur allmählich kann das Wirtschaft^ leben sozialisiert werden. Die wzialrstische Gemeinschaft, wie sie als Ideal vor uns steht, liegt noch in lahreweiter, wenn nicht jahrzehnteweiter Ferne. Aber die Möglichkeit ihrer schrittweisen Durchführung ist gegeben, seitdem die Revolution das Proletariat zur politischen Macht gebracht hat. "L. ö. tv-e.