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Tagessvruch Den meisten gilt in späten Tagen Als Inbegriff des Glücks das Kind; Sie wissen, daß sie glücklich waren Erst dann, wenn sie es nicht mehr sind. * Es ist noch nicht weise, wer Lust hat, es zu werben. Friedrich der Große. I Wilsdruffer Tageblatt I 2. Blatt Nr. 137 Freitag, den 15. Juni 1934 Vergeßt -ie älteren Angestellten nicht! Ein Aufruf der sächsischen Führerschaft. Tas gigantische Aufbauwerk der Reichsregierung isi in seinen glänzenden Erfolgen weitesten Volkskreisen zw gute gekommen. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die Be mühungen um Eingliederung der Millionen Arbeitsloser in den Wirtschafts- und Produktionsprozeß haben ein« ungeahnte Auswirkung gehabt. Außerordentlich grof sind die Erfolge, die bereits erreicht sind. Trotzdem stehen noch zwei Millionen bester deutscher Menschen außer Lohn und Brot; darunter ein ungewöhw lich großer Prozentsatz älterer, verheirateter Angestellter Bei diesem Personenlreis handelt es sich vorwiegend um langjährig außerhalb jeder Tätigkeit stehende Geistes arbeiter. Fünf- und mehrjährige Stellenlosigkeit sind keine Seltenheit. Diesem vom Schicksal hart betroffenen wertvollen Volkskreis zu helfen, ihm die Aufmerksamkeit aller maß gebenden Stellen der Behörden und Wirtschaft zuzuwen den, ist eine volksbiologisch und moralisch zwingend« Aufgabe. Es handelt sich darum, diesen vorwiegend nur geisti, schaffenden Menschen, die seit Jahren außerhalb des Be rufes stehen, wieder Lebensinhalt zu geben, ihnen Le bensziel und Lebensaufgabe zu weisen. Mehl aber kommt es noch darauf an, ihre großen Lebens- uni Berufserfahrungen wieder in der Wirtschaft wir ken zu lassen, nicht zuletzt im Interesse des großen Auf bauwcrles selbst. Damit zugleich aber wird der deut- Ichen Familie geholfen, ihr der Ernährer wiedergegeben, und werden die Grundlagen des Familien lebens gesichert. Schließlich erwächst diese sittliche Aufgab« mi Hinblick auf die Zukunft der Kinder des das zuletzt seine Wurzeln in der Famili, slnvet. Diesen Aufruf fassen wir deshalb dahin zusammen Stellt ältere Arbeitnehmer, stellt Familien väter ein! Helft insbesondere den älteren, stellenlosen Angestellten! Arbeitsamt und die reichsgesetzlich zugelassen« t ^Vermittlung der Deutschen Angestelltenschaft diener Aufgabe und stehen Ihnen jederzeit uneigennützig nm entsprechenden organisatorisch hochwertigen Emrich "»gen zur Verfügung. Es ist deshalb möglich, jederzeit und überall fachkundiges, geschultes und berufserfahreues 4>cr,onal — ganz gleich ob männliches oder weiblicher .^"sonal, kaufmännische oder technische Angestellte — Mensalls immer die richtige Kraft für di< Stellung zu vermitteln. Behörden uni haben die Pflicht, sich gerade jetzt zur Ein- peuung alteren Angestelltenpersonals zu entschließen! Deshalb: Vergeßt die älteren An gestellten nicht! Mutschmann, Gauleiter und Neichsstatthaltsr Stiehler, Treuhänder der Arbeit, Bezirk Sachsen Dr. Schulze, Landesarbeitsamt Sachsen Peitsch, Deutsche Arbeitsfront, Bezirk Sachsen c.Wickert, D. Angestelltenschaft, Stellenverm. Bez. Sachsen. Polen ehrt vr. koebbels. Am Grabe des llnbelannten Soldaten in Warschau. Feierliche Kranzniederlegung durch Dr. Goebbels. In Warschau legte Reichsminister Dr. Goebbels am Grabe des Unbekannten Soldaten feier lich einen Kranz nieder. Eine Ehrenkompagnie des 21. Infanterieregiments hatte mit der Regimentsfahne und einer Kapelle auf dem kleinen Platz vor dem Grab mal Aufstellung genommen. Die Kapelle spielte das Deutschland- und das Horst-Wessel-Lied, während die Ehrenkompagnie präsentierte. Nachdem Dr. Goebbels die Meldung des Führers der Kompagnie entgegengenommen hatte, schritt er die Front ab. Darauf erfolgte die Nieder legung des Kranzes, ber mit dem Hakenkreuz und den Farben schwarz-weitz-rot geschmückt war. Während der Kranzniederlegung spielte die Kapelle die polnische Natio nalhymne. Eine zahlreiche Zuschauermenge, die von der Polizei zurückgehalten wurde, folgte dem feierlichen Akt. Vom Grabmal des Unbekannten Soldaten begab sich Dr. Goebbels mit dem deutschen Gesandten auf das Schloß des Staatspräsidenten, wo er sich in das Gäste buch eintrug. Mittags fand ein Frühstück beim Außen minister Beck statt. * Goebbels von Marschall pilsu-ski empfangen. Reichsminister Dr. Goebbels wurde Donnerstag nachmittag in Warschau von Marschall Pilsudski empfangen. Bei dem Empfang waren zugegen der pol nische Außenminister Beck und der deutsche Gesandte in Warschau, GrasMoltke. Der Empfang bei Marschall Pilsudski im Belvedere dauerte etwa '/< Stunden, über den Inhalt der Unter redung ist keinerlei amtliche Verlautbarung zu erwarten. Die Nachricht vom Empfang hatte sich in Warschauer politischen Kreisen wie ein Lauffeuer verbreitet und großes Aufsehen erregt. An dem Frühstück, das der polnische Außenminister B eck zu Ehren von Dr. Goebbels mittags gegeben hatte, hatten außer dem deutschen Gesandten von Moltke und einigen Herren aus der Umgebung des Reichspropaganda- ministers Ministerpräsident Kozlowski, Armeeinspek tor Fabrycy, Unterstaatssekretär Lechnicki und der Chej der Presseabteilung im polnischen Außenministerium I Przesmycki, teilgenommen. Etwa eine halbe Stunde ooi dem Frühstück stattete Dr. Goebbels in Begleitung des deutschen Gesandten dem Außenminister Beck einen Be such ab, wobei eine Aussprache stattfand. Kurz vor dem Besuch bei Außenminister Beck hat Dr. Goebbels am Ehrenmal des deutschen Kriegerfriedhofs in Powonski einen Kranz mit den Reichsfarben niedergelegt. Abends wurden in den Räumen der deutschen Gesandtschaft die Vertreter der deutschen Kolonie von Dr. Goebbels emp fangen. Dr. Goebbels ricktete an die Anwesenden eine kurze Ansprache. * Oie Wirkung auf -ie polnische Öffentlichkeit. Weitgehendes Verständnis in der Presse. Die Warschauer Presse bringt durchweg Bilder und umfangreiche Berichte über die Ankunft, den Aufenthalt und die Rede des Reichspropaganda ministers Dr. Goebbels. Die offiziöse „Gazeta Polska" sagt u. a. „Minister Goebbels hat den Vortrag mit der ihm eigenen Lebendig keit gehalten. Er hat die Aufmerksamkeit des Publikums ununterbrochen durch die berührten Fragen gefesselt, die die Versammelten mit großem Interesse angehort haben. Minister Goebbels erfreut sich des Rufes eines ausgezeichneten Redners. Er besitzt eine vortreffliche Aus drucksweise und belebt seine Ausführungen durch treffende Akzente der Leidenschaft und ruhigen Kraft. Der Vortrag wurde durch lebhaften Beifall belohnt/ Der regierungstreue „Kurjer Polski hebt besonders hervor, „daß der Hitlerismus keine Ausfuhrware, sondern eine typisch deutsche Erscheinung ist/ „Expreß Poranny" sagt: „Es gibt in Europa keine Frage, die einen Krieg erfordern würde/ Es ist bemerkenswert, daß nicht nur alle Regierungs blätter, sondern auch die Presse der Opposition eingehende Berichte über den Aufenthalt Dr. Goebbels' in Warschau und um fangreiche Inhaltsangaben seiner Rede veröffentlichen. An dem Essen, das zu Ehren Dr. Goebbels' in der deutschen Gesandtschaft stattfand, haben u. a. Minister präsident Kozlowski, Außenminister Beck, Innen minister Pieracki, Kultusminister I endrzejewic; und hervorragende Vertreter des Regierungslagers, der Armee und der Warschauer Gesellschaft teilgenommen. An schließend fand ein großer Empfang statt, zu dem etwa 200 Personen erschienen waren. Außerdem wurden die Vertreter der deutschen Presse, die mit Minister Goebbels nach Warschau gekommen waren, als Gäste des Chefs der Prefseabteilung des Außenministers Przemycki aus genommen. Der Tag von Warschau. Wieder einmal sind die Augen der Welt auf Deutsch land gerichtet. Sie sieht neue wirkungsvolle Bestätigungen für die uns Deutschen seit fast anderthalb Jahren vertraute Tatsache, daß die leitenden Männer des Dritten Reiches dieTat dem Wort vorziehen. Die Weltpresfe ist in diesen Tagen beherrscht von den beiden großen Ereigniffen: der Reise des Reichspropagandaministers Dr. Goebbels nach der polnischen Hauptstadt Warschau und der Zusammen kunft der beiden größten Staatsmänner Europas, Adolf Hitlers und Benito Mussolinis, in Venedig, Es ziemt sich nicht, Betrachtungen über Inhalt und Be deutung der Tage von Venedig anzustellen, solange di« beiden Männer ihre Unterhandlungen führen. Das wird nach deren Abschluß geschehen. Das Ereignis im Osten Europas aber, der Besuch Dr. Goebbels' in War schau, inhaltlich gipfelnd in seinem großen grundlegen den Vortrag vor der politischen und geistigen Elit« Polens, zeigt sich schon jetzt als Schritt von einer solchen Tragweite, daß man sie auch ohne das Echo in der Presse der europäischen Hauptstädte zu erfühlen vermag. Die schadenfrohen ausländischen Hetzer, die vor einem Jahr die Übernahme der Macht in Danzig durch die National sozialisten als den Funken ins polnische Pulverfaß hinzu- ftellen versuchten, sind durch die genau gegenteiligen Tat sachen längst ins Lächerliche abgeführt worden. Was aber hätten sie Wohl gesagt, wenn sie damals gehört hätten, einer der maßgeblichsten Männer des neuen Deutschland würde schon im Juni 1934 vor der breitesten Öffentlich keit Polens sprechen, auf eine private polnische Einladung zwar, aber — und das ist das Wesentliche - in An wesenheit fast sämtlicher polnischer Re gierungsmitglieder, fast sämtlicher offiziellen Persönlichkeiten des polnischen Staates! Und in diesem Zusammenhang ist es außerordentlich bemerkenswert, daß das polnische Blatt „Polska Za- chodnia" unmittelbar vor der Ankunft des Ministers in Warschau einen Leitartikel veröffentlichte, der mit aller Wahrscheinlichkeit von oben her inspiriert ist und die Be deutung dieses Besuches auf indirekte Weise ins rechte Licht gerückt. Das Blatt verweist auf die Kritik, die man sich in letzter Zeit in maßgeblichen Kreisen Rußlands und Frankreichs an der Politik Polens erlaubt, und -rklärl: Polen besitze nach zwei Seilen offene Grenzen zu zwei mächtigen Nachbarn, mit denen es in Frieden leben wolle; dabei halte es Polen für nicht ange bracht, sich damit zu beschäftigen, wer in diesen Län dern regiere. s38 »Aber gewiß, Durchlaucht, nur ... ich bin von Ihrem ehrenvollen Antrag allzu überrascht.. / „Es ist gut, mein lieber Doktor! Ich danke Ihnen. Und — es muß nicht heute oder morgen sein. Ich kann warten, bis Rosemaries Herz sich mir zuneigt. Sie scheint mimo senhaft scheu zu sein/ Die Herren verabschiedeten sich. Lueberg ging in der festen Hoffnung, heute einen be deutenden Schritt vorwärts gekommen zu sein. Jetzt erst wußte er, daß Rosemaries Bild in seiner Seele schon so fest verankert war, daß er sie erringen mußte Doktor Brunnenrandt aber saß noch lange in seinem Arbeitszimmer. Eine Zigarre nach der anderen rauchte er, und schon umwogte ihn fast undurchdringlich blauer Dunst. Er grübelte und grübelte. Wie oft noch würde einer seine Hand nach Rosemarie ausstrecken. Aber er durfte nicht anders. Er mußte ihr von der Werbung des Fürsten berichten. Und leise stellte er sich die bange Frage, was sie Wohl mehr reizen würde: Krone und Geld!, oder: ihre Kunst und der Ruhm! Aber soviel er auch sann, eine Antwort auf diese Frage fand er nicht. Er wagte sie auch nicht. Wenn Rosemarie die Werbung des Fürsten annahm, gewiß, dann war sein Traum, sie als Nachfolgerin ihrer Mutter umjubelt zu sehen, ausgeträumt. Dann lebte sie fern von ihm das Leben einer reichen, hochgeachteten Frau, und die Bande, die das Schicksal damals in huldvoller Laune geknüpft hatte, zerschnitt es wieder mit rascher Hand. In dieser Nacht fand Doktor Brunnenrandt keinen Schlaf mehr. Aber gewaltsam schob er alle Gedanken an Rosemaries Zukunft von sich ab. Noch war es nicht so weit. Noch war sie sein geliebtes Töchterchen, dem sein künstlerischer Ehrgeiz eine Bühnenzukunft erträumte. Wenn sie die Werbung des Fürsten ausschlug? Er ries sich ihre Worte vom Nachmittag ins Gedächtnis zurück: „Je höher ich stehe, um so tiefer ist dann der Absturz/ Nein, noch mehr hatte sie gesagt: „Und mein Herz wird nicht sprechen. Niemals. Bei keinem wieder/ In diesem Zusammenhang tauchte plötzlich der Plan auf, den er am Nachmittag gefaßt hatte. Da setzte er sich ohne Zögern an seinen Schreibtisch und schrieb einen langen herzlichen Brief an Tante Berta. „... Rosemarie ist manchmal so einsam. Ich habe ge sehen, wie glücklich sie war, wie sie auflebte, als Sie die paar Tage hier waren. Sie entbehrt in meinem Junggesellenheim allzusehr der mütterlichen Fürsorge. . . . Kommen Sie, verehrte gnädige Frau. Es kann doch nicht allzu schwer sein, Ihren Haushalt dort auf zulösen. Die finanzielle Seite der Dinge betrachten Sie selbstverständlich als geordnet. Rosemarie ahnt nichts von diesem Briefe. Es soll für sie eine große Ueber- raschung sein, die schönste wohl, die es für sie geben kann/ Noch lange schrieb Doktor Brunnenrandt, und es machte ihm keine Mühe, für die Frau herzliche, warme Worte zu finden, die ihm durch ihr schlichtes, taktvolles Wesen in so lieber Erinnerung geblieben war. Als er am nächsten Morgen mit Rosemarie am Früh stückstisch saß, war sein Gesicht etwas blaß und über nächtig, so daß Rosemarie dis scherzhafte Frage an ihn richtete, ob die Herren noch lange gefeiert hätten. Doktor Brunnenrandt konnte Luebergs Werbung nicht lange mit sich herumtragen, ohne Rosemaries Einstellung zu kennen. In vorsichtigen Worten teilte er ihr mit, was sie doch einmal hören mußte. Rosemaries Bestürzung war grenzenlos. Dieser vor nehme, reiche Mann begehrte sie zur Frau? Doktor Brunnenrandt sah, wie ihre innersten Empfin dungen sich auf ihrem Gesicht widerspiegelten. Ein kurzes Schweigen war zwischen ihnen. Rosemarie sah den Fürsten, wie sie ihn vom gestrigen Abend her in an genehmer Erinnerung hatte . und doch wurde ihr die Entscheidung nicht schwer. „Fürst Lueberg ist dein guter Bekannter, Onkel! Und du schätzt ihn gewiß sehr . . Vielleicht wirst du mich dumm schelten, vielleicht undankbar . ,, aber seine Werbung kann ich nicht annehmen." Rosemarie stockte und wagte nicht, den Blick zu er heben. „Ich könnte seine Liebe nicht erwidern, wie er es ver diente. Alles, was ich ihm gäbe, wäre Lüge, weil ich Wolf gang Wangenheim nicht vergessen kann." Ihre Stimme bebte. „Laß mich der Kunst dienen, Onkel! Nur ihr soll! mein ganzes Herz gehören, und bitte, bitte, verzeihe mir, wenn ich den Fürsten kränken muß!" Noch immer hielt Rosemarie den Kopf gesenkt. Sie fürchtete Doktor Brunnenrandts Enttäuschung. § In dessen Gesicht aber stand ein freudiges Leuchten. Langsam hob er ihren Kopf und schaute in die wunder baren blauen Augen. „Kindchen, wie kannst du nur so etwas denken? Hast du vergessen, was ich gestern sagte? Keiner darf kommen, keiner! Eine Schaffende muß frei sein!" Da neigte sich Rosemarie über seine Hände und küßte' sie in dankbarer Zärtlichkeit. * § » T Wie eine Bombe schlug Doktor Brunnenrandts Brief in Tante Berias ruhigen Alltag. Viel war in der Schneiderstube in diesen Wochen von Berlin und Rosemarie gesprochen worden. Die jungen! Mädchen wurden nicht müde, all das Wunderbare z»! hören, was Tante Berta in den wenigen Tagen erlebt Hatte, (FortsetzWg folgt,^