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MsdrufferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— NM.' ßeei Haus, bei Postbestellung 1.80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpfg. Alle Postanstalten und Post boten, unsere Austräger u. HL" LL Geschäftsstelle, nehmen zu z-d-r,-it Bksttllungt» -NI- Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend gegen. Im Falle höherer, Gewalt, Krieg od. sonstiger ' Betriebsstörungen besteht- kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter. Schriftstücke, alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut aufliegendem Tarif Nr,4.- — NachWeisungs-Gebühr^20 Rpfg.>—?.Vorgeschrteb'eno Erscheinungstage und Platzvorschriften . werdet^nach.sMöglichkeit berücksichtigt^—> Anzeigen - Annahme! bis vormittags 10 Uhr. . . Für di^ Richtigkeiv ders durch Fernruf übermit- FerNfPrechkr . AlNl WllsdrU^ Nr. 6 teilen Anzeigen übernehm men wir keine Gewähr. " . - — Jeder Nabattanspruchf erlischt, wenn .Ler. Betrag- durch Klage eingezogen werden-» .muff, oder? .der''.Auftraggeber» .iw»Konkurs gerät. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meisten, des Stadt-- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 134 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Dienstag, den 12. Juni 1934 Ungesühnt. Zum Beginn des zweiten Horst-Wefsel-Prozefles. Am 12. Juni begann in Berlin der zweite Prozeßumdie Ermordung Horst Wessels. Drei Beteiligte stehen vor Gericht. Das ruft die düsteren Erinnerungen an den Tod und an das völlig unbefriedi gende, ja empörende Ergebnis des ersten Prozesses wach. Horst Wessel, Slurmführer in einer der damals ge fährlichsten Gegend Berlins, von den Kommunisten wegen seiner Unerschrockenheit, seiner mitreißenden Aktivität und -starken persönlichen Wirksamkeit bitter gehaßt, wurde am 14- Januar 1930 von einer Horde Kommunisten unter Füh- t"ng des vielfach vorbestraften Tischlers H ö h l e r in seiner Wohnung meuchlings überfallen und ohne weiteres er schossen. Im September gleichen Jahres wurde das Ver- fahrcn eröffnet. Die sechstägigen Verhandlungen ergaben über die Angeklagten grauenhafte Bilder von Verkommen heit und Verbrechertum niedrigster Sorte. Die Wirtin Horst Wessels, eine Frau S a l m. ist als eigentlicher Henker anzusehen. Sie hat die „Sturm- auteilung Mitte" des trotz Verbotes weitergeführten Rot- Nontkampferbundes, der sich „Proletarischer Selbstschutz" an jenem trüben Januartage herbeigeholt. Sie vat auch ganz genau gewußt, wie cs dem Opfer er- r"^"wiirde: w ihrer Küche, vor ihren Augen, wurden ° Mörder geladen. Deren Führer war „Uli", eine tvpische Verbrcchererscheinung Zubältermilicu damaliger Zeit. »llo En Wassern gewaschene Schwerverbrecher , ', nnt zwei Genossen, alle drei mit geladenen und Erten Pj^len bewaffnet, an die Tür Horst klopfte, und zwar mit der linken Hand, hielt in der Manteltasche die schußfertige Pistole der halbgeöffneten Zimmertür erschien die Swrmführers. Im gleichen Augenblick hatte die Plsto,^ gus hem Mantel gerissen — ehe Horst abwehrende Bewegung machen konnte, tras ihn K^el ins Gesicht, die dann nach schwerem ^ca>tum den Tod herbeiführte. Noch während Horst m seinem Blute lag und die beiden Kumpane Röchelnden auf Waffen untersuchten (!), sagte r-ohter kalt zu seinem Opfer: „Du weißt ja, wofür " u das bekommen hast!" -der Form halber gaben die Mörder noch den Auftrag, einen Arzt z» holen. Die Salm und eine andere Mit- nuperin erhielten von Höhler die Anweisung: »Lchnauze halten — sonst geht es euch e v enso!" Dann ging man, als sei nichts vorgefallen, wieder in sein Bierlokal und an seine Billard- Partie zurück! Welchen Wert die KPD. darauf legte, den Mörder Wessels möglichst ungeschoren aus der Affäre zu »icocn, ging daraus hervor, daß sie für ihn allein einen sonderen Verteidiger, den kommunistischen Rechtsanwalt 7^-"Vfel, gestellt hatte. Unter den drei weiteren Ver- cwigern war auch der damals aus dem Reichstag °^'wte Kommunistenführer Dr. Löwenstein, der ^errn" Höhler mit herzlichem Händedruck zu begrüßen Der Mörder selbst hatte bei der Erörterung der ' iMichkeiten der Anklageerhebung (Landfriedensbruch, --'Weriwrsetznug mit Todeserfolg^ Raub mit Todes- o-.P.vorsätzliche Tötung) nur ein Lächeln. Die ^-rleidigung brachte es angesichts eines sonnenklaren - wbestandes fertig, von einer „Notwehr" des Mörders zu IPreckcw Es war noch lange nicht das Schlimmste wis diesem Prozeß: Im Einvernehmen mit de- KPD.- ^-"ung versuchte die Verteidigung sogar, unter den fckmutzigstcn Verdächtigungen gegenüber dem Ermordeten die ganze Tat vom politischen Gleis abzuschieben und sie als eine Eifersuchtsangelegenheit der Berliner — Unter welt darzustellen! Aus dem Zuschauerraum erhob sich ein solcher E n tr ü st u n g s st u r m, ein so gellendes „Pfui!", daß der Vorsitzende Mühe hatte, die Ruhe wiederherzu stellen. Der Prozeß endete bekanntlich mit der Verurteilung der beiden Haupttäter, des Höhler und des Rückert, zu nur zu sechs Jahren und einem Monat Zuchthaus, „wegen gemeinschaftlichen Totschlages und unbefugten Wafsen- benbes": die anderen Angeklagten erhielten geringere TMwtbaus- und Gefängnisstrafen. Niemand, der wie der C areiber dieser Zeilen, jenen Prozeß von der ersten bis zur letzten Stunde miterlebte und durchlitt, niemand, der die Einzelheiten der Verhandlung, besonders die plan volle Vorbereitung, die wohlüberlegte Durchführung der - at kennt, kann von diesem Spruch anders als von einem krassen Fehlurteil sprechen. Der Staatsanwalt batte ursprünglich beabsichtigt, Anklage auf Mord zu erheben. Nichts war selbstverständlicher als dies. Daß er es trotzdem nicht tat. wäre kaum anders als durch em Eingreifen von oben her zu erklären, wie es damals on der Tagesordnung war; man braucht ja nur an den von den roten Machthabern in Preußen damals inszenier ten Justizskandal um Oberleutnant Schulz oder anderer seits an die vielen Vertuschungen und Unterdrückungen in den großen Skandalprozessen um die neben Freunde, die Barmat, Kutisker, Sklarek usw. zu denken. Und in diesem VroreL aina es ia — nur «»« National.10L4.a- colk LlWlllk in üestmM. Die Regierung Dollfuß machtlos. Die Lage in Österreich hat sich in den letzten drei Tagen infolge der schweren Eisenbahnanschläge aufs äußerste verschärft. Es gärt im ganzen Lande. Während sich der Regierung eine wachsende Nervosität bemächtigt hat, geht eine tiefe Unruhe durch die Bevölkc- rung. Dies um so mehr, als sich die Regierung Dollfuß gegenüber den noch ständig an Zahl zunehmenden Sprcngstoffanschiägen völlig machtlos erweist. In kurzen Zwischenräumen werden immer neue Maßnahmen angeordnet, die nur die Ratlosigkeit der Regierung zeigen und praktisch keinen anderen Erfolg haben, als die ständig herumgehetzten Polizei- und Ordnungsmannschaften zu erschöpfen und sie daneben auch gegen die Negierung zu erbittern. So ist auch bei dem außerordentlichen Kabinetts rat in Wien nicht viel mehr hcrausgekommcn, als daß Dollfuß und Starhemberg nicht, wie beabsichtigt, nach Krems gefahren sind. Es heißt, sie wagten nicht mehr, auf österreichischen Bahnen zu fahren. Unterdessen dauern die Sprengstoffatten tate an. An der Triester Südbahnstrecke wurden die Geleise in die Lnft gesprengt. An der Ostbahn wurde eine Brücke durch eine Explosion beschädigt, ebenso eine Brücke an der Tauernbahn und die Zufahrtsstraße nach Krems. Ferner wurden Überlandleitungen durch Ekrasitbomben gesprengt, Telegraphenleitungen zerstört, die Geleise der Strecke Amstetten- Linz beschädigt, zahlreiche Papierböller ge worfen usw. Ein Hilfsgendarm wurde durch einen Bombenwurf getötet, ein zweiter schwer verletzt. In Wien wurde ein großes Lager von Bomben und Sprengkörpern gefunden; es sollen die gleichen sein wie die bei den großen Eisenbahnattentaten verwendeten. Es ist bezeichnend, daß die österreichische Presse über die großen Attentate wie auch über die zahlreichen anderen Anschläge so gut wie nichts bringt — zweifellos auf höheren Befehl. In gleichem Matze wie die Behörden, die Polizei und ihre Hilfsorgane fortgesetzt zu schärfstem Vorgehen er muntern und den offenen Terror begünstigen, gehen die sinnlosen Massenverhaftungen unter den Nationalsozialisten weiter, obwohl die Ur heber der Attematswelle nachweislich im marxistischen Lager zu suchen sind. Die Behandlung der Gefangenen, die wegen der Überfüllung der Gefängnisse in die unmög lichsten Räume gepfercht werden, ist unbeschreiblich. * Bombenanschläge am laufenden Band Neue Sprengungen und Papierböller-Explosioncn in Oesterreich. Wieder liegen Meldungen über zahlreiche Anschläge in Oesterreich vor. In Bludenz (Vorarlberg) wurde ein Mast der elektrischen Ueberlandleitung durch eine Laduna von zwei Kilo Ekrasit gesprengt. Im Floriana-Park in Wien wurde eine Stilhandgranate, in einer Schreber gartenhütte wurden sechs Bomben und 115 Stilhand granaten und anderes Sprengmaterial gefunden. Auf der Bahnstrecke Steinhaus—Semmering wurde ein Spreng stoffanschlag verübt. Der Verkehr konnte aber aufrecht l i st'e n! Der Vorsitzende hatte schon während der Ver handlung an seiner eigenen Ansicht keinen Zweifel ge lassen, wenn er gegenüber den frechen Behauptungen Höhlers und der Verteidigung, die Pistole habe sich selbst entsichert und sei versehentlich losgegangen, ruhig und be stimmt erklärte: „Fahrlässige Tötung kommt für mich gar nicht in Frage!" Es hietz denn auch in der Urteils begründung ausdrücklich: „Das Gericht ist der festen Über zeugung, daß der Schutz vorsätzlich abgegeben wurde. Dafür spricht alles, was der Tat vorausgegangen war... Wessel selbst war in Notwehr. . Alle drei (Täter) haben von vornherein damit gerechnet, datz ein Mensch als Leiche auf der Strecke bleibt." Um so unver- ständsicher jenes mehr als milde Urteil. Die Zeiten, in denen solche Urteile gefällt werden konnten, sind ein für allemal vorbei Es ist das besonders Tragische an dem Tod des jun gen Freibettshelden Horst Wessel, datz er nicht im offenen, ehrlichen Kamps fier, in dem er so oft seinen Mann ge- stanven hatte, sondern datz er von einer Horde roter Ver breche-' heimtückisch "icd-raeknaltt wurde .Kameraden, vi? Rottront und Reaktion erschossen, Marsn'iern lw Geist in unsern Reihen mit" 'An ihrer Spitze marschiert Horst Wessel. P. Ä. N. erhalten werden. An drei Stellen wurden die Drähte der staatlichen Telegraphenleitung Wien—Preßburg durch schnitten. Nach Ankunft des D-Zuges Ostende—Paris- Wien wurde ein Papierböller zur Explosion gebracht und in der Halle des Westbahnhofes beträchtlicher Schaden angerichtet. Auf einer Nebenlinie der Bundesbahnen nach St. Pölten wurde eine Bahnbrücke durch Ekrasit zerstört, Bei einem Mediziner in Wien wurde zahlreiches Spreng material gefunden. Fünf Verhaftungen wurden vorge nommen. In der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Niehl explodierte im Wartezimmer ein Papierböller, der einigen Sachschaden anrichtete. Die Regierung hat für Anzeigen, die zu Verhaftun gen von Urhebern der Sprengstoffattentate und von Bc-, sitzern von Sprengstoffen führen, Belohnungen bis zu 10000 Schilling ausgeschrieben und ferner verfügt, daß die schweren Schäden, welche die Hoch schule für Bodenkultur durch zwei Bombenwürfe erlitten hat, durch Umlagen, die bei den Studierenden erhoben werden, gedeckt werden müssen. Befreiungen können ge währt werden, werden aber nur Studierenden, welche re gierungstreuen Organisationen nahestehen, gestattet. Wer diese Umlage nicht bezahlen kann, bars nicht w e i t e r stu d i e r e n. In der Verfügung der Regierung wird zugegeben, daß durch diese Maßnahme sicherlich zahlreiche Unschuldige betrosfest werden. (Kann die Regierung Dollfuß ihre eigene Hilflosigkeit noch besser dokumentieren, als durch diese ungerechte Bestrafung Un schuldiger? D. Schristl.) Gewsteniblößlmg. Die Regierung Dollfuß sucht fieberhaft nach Gegen mitteln gegen die Welle von Anarchismus, die durchs österreichische Land geht. Nach den letzten Wiener Mel dungen will man versuchen, überall Ortswehren ein- zurichten — „Selbsthilfemaßnahmen der Bevölkerung" wird es genannt!, — denen rzneingeschränkte Be fugnisse eingeräumt werden sollen. Ja, nach bisher unbestätigten Meldungen will die Regierung Dollfuß so gar internationale diplomatische Schritte unternehmen. Das würde bedeuten, datz man sich fremde Helfershelfer ins Land holen will. Es wäre nicht nur das blamabelste Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit, sondern auch der Gipfel aller bisheri gen landesverräterischen Maßnahmen, die mit der Unter stellung Österreichs unter fremde Finanzkontrolleure be gannen. Sollfuß W Deutschland verdöchligen! Mit welchen propagandistischen Mitteln die Regierung in Österreich arbeitet, beweist ein amtliches Wiener Kommunique, das „nur für das Ausland" bestimmt ist. Es heißt darin: „Die nihilistische Methode der mit ausländischem Gelbe bezahlten verschwindenden Minderheit national sozialistischer uns kommunistischer Terroristen wirv durch die in der gesamten Bevölkerung organisierten Selbst- Hilfsmaßnahmen schon in den nächsten Tagen endgültig erledigt werden." Ein anderes Kommunique stellt es im Gegensatz dazu so dar, als ob die Anschläge von einer im Reich be findlichen Stelle systematisch organisiert würdenl Es heißt nämlich darin: „Wir wissen aus mehreren Fällen, datz diese einheitliche Besehlsstelle ihren Sitz in Deutschland hat." (!) Noch krasser sind die Äußerungen der der Regierung Doü- suß nahestehenden Presse Die gesprengte Eisenvahnbrückr bei Söcklamarlt aus der österreichischen Westbahnlinie Wien—-Salzbur Innsbruck—Zürich,