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Deutsche Pfingsten im baltischen Lanve. Der Maigraf und feine Gefellen. In die oom Ruffenjoch befreiten Landstriche -m der Ostsee, die alten deutschen Kulturprooinzen Livland und Estland führt unS diesmal unsere Pfingstbetrachtuna. In Reval schwang vor Jahrhunderten um die Pfingst-, zeit ein Maigraf sein Szepter. Die Gilden wählten ihn: den Altermann und die Beisitzer, der Bürgermeister, die Ratsverwandten, die der Bürgermeister mitbrachte, der bisherige oder alte Maigraf waren die Wähler. Feierlich ritt der neugewählte Maigraf mit den übrigen Herren in die Stadt, er brachte ihr den Mai, und auf der Gilden- ftube gab es dann ein wackeres Gelage. Einige Tage darauf erfolgte der .Ausritt' des Maigrafen. Es war ein Frühlingsfest, das zunächst an einem Maitage ab- gehalten wurde, bald aber verknüpft mit Pfingsten, denn wir lesen Verordnungen, daß der Maigraf .hernach', d. h. nach der ersten und eigentlichen Feier, nur noch am Pfingstmontag und Pfingstdienstag ausreiten solle, den ersten Pfingsttag behielt sich die Kirche vor. Was sonst alles bei dem Feste oorgenommen wurde, darüber sind die Nachrichten recht dürftig; daS kann uns nicht in Erstaunen fetzen, denn wozu sollten die Leute damals, in den Jahren 1408 oder 1473, zu Papier bringen, was jeder wußte? Es fand ein Schießen statt, nach einem hölzernen Vogel, dem „Papeghoy", und 1616 wurde verordnet, daß fortan nur ein Papeghoy sein solle — eine der üblichen Lustbarkeitsbeschränkungen, an denen die alte Zeit so reich ist. Der Maigraf wählte sich auch eine Maigräfin, er bewirtete diese und ihre Damen recht freundlich, wofür sie ihm die Lichte stellt, wenn er später an der Fronleichnams- Prozession teilnahm. Wir dürfen uns im ganzen ein Wald- und Wiesenfest oorstellen, mit Tan» und Spiel im Freien, mit Wettlaufen und -springen, Reiten und Schießen, und nicht zu vergessen etwas Trinken: das frohe Fest des jungen Frühlings. Die Würde deS Maigrafen dauerte ein Jahr, bis eben «in neuer gewählt wurde, und er wird wohl auch bei den sonstigen Festen des Jahres, etwa beim Erntefest usw. seine Rolle gespielt haben. Der Maigraf verschmolz wohl mich gelegentlich mE dem Schützenkönig, und das Mai fest, das zu einem Pfingsttest geworden war, äußerte sich dann hauptsächlich als Schützenfest. Im Jahre 1553 wird dieser Feste in Reval zum letzten Male gedacht. Dann ging der livländische Staat seinem Ende entgegen, es kam die Zeit der schwedischen Drangsal, während deren den Livländern die Lust zu frohen Festen verging. Auch in Riga finden wir den Maigrafen. Die .Kumpanie der Kaufleute' war es. die ihn wählte, und man hatte Bestimmungen, welche Amtleute der Maigraf selbst bestimmen sollte, und welche mit Bewilligung deS ObmannS, wie weit die Bewirtung gehen sollte, wie viel Tage die Schützen trinken sollten usw. Ausritte des Mai grafen fanden statt bis Mittwoch nach Pfingsten, dann hörte daS Fest auf. In dem reichen Riga, einer der be deutendsten und mächtigsten Handelsstädte des Ostlandes, ging eS prächtiger und wohl auch verschwenderischer zu ols n dem bescheidenen Reval; ob auch lustiger, ist die F- In Riga hatte man gelegentlich mehrere Mai- p > welche die verschiedenen Gilden wählten. Dies« u enen dann gewiß in ihren Leistungen für die all- x Volksbelustigung, und wer es am besten gemacht bo - den rübmte die ganze Stadt und seine Gilde war stolz nu' 'uen Rui Auch in Riga hören die Maigrafen- ?! r ite mtt dem Jahre 1553 auf. Als Fest der Schul» . Haber» ück die Maigrafen-Ausritte noch zwanzig vdu dreißig Iakre länger erhalten. Viele Art, das Pfingstfest volkstümlich zu begeben, war m den vergangenen Jahrhunderten über ganz Norü de utschland verbreitet. Ein ganz besonders stattlicher Maigrasen-AuSrM land m Danzig 1K52 statt. Nicht wenrger als 234 Berittene m voller Rüstung gaben da den Malgrafen das Geleite, dann folgten 460 Mann zu Fuß nur langen Spießen, 480 mtt Hellebarden, andere mit Rubren, d. b Flinten, ferner Pfeifer und Trommler. Fahnenträger und Trompeter. In Danzig, wo der be rühmt» Artushoi «Litz der Gilden und damtt auch der Kurung des Maigrasen, der Bewirtungen usw. war, er lebte man nicht feiten Zwistigkeiten bei der Wahl, die einzelnen Stände stritten sich um den Vorrang und die Frauen ergriffen Partei. So kam es manchmal zu ge trennten Feiern, bis der hohe Rat der Stadt ein weises Machtwort sprach. In den germanischen Reichen des Nordens, 'n Schweden und Dänemark, herrschten ähnliche Sitten, mit einigen Abänderungen. Das alte Frühlingsfest war gewiß ein allgemein germanischer Gebrauch, herüber- a-kommen aus uralter Leit. Manche Gelehrte haben ge- Das Feldheer braucht dringend Hafer, Heu und Stroh! Landwirte helft dem Heere! meint, daß der Ausritt deS Maigrasen eigentlich einen kriegerischen Zug gegen den feindlichen Winter brauten sollte, wie auch das Todaustreiben, das m den halb« llavischen Landesteilen noch jetzt geübt wird. Ob diel, Vermutuno richtig ist. darüber ist sogar viel gestritten lworürn. Mr können daran oorübergehen. Für Ms erst «heim deute am meisten dl» Tatsache anziehend, daß »en entlegenen, unZ lange entfremdeten Ländern an der! Ostsee dinelben Volksfest» begangen würden wie tm K«Mjchev Laad« selbst. X. So Sorü 6sr Slvira. Von Hermann Dreßler. 1 Die deutschen U-Boote hatten gründliche Arbeit geta«., Der Meeresgrund barg seit dem Ausbruch der „deutsche» Seepest" ungeheure Schätze und die Gesellschaft, die sich zur Hebung der versenkten Werte gebildet hatte, versprach» sich hohe Dividenden. Vor allem waren ihre Bemühung gen seit langen Monaten darauf ausgegangen, den Ort: der „Alvira auszukundschaften, jenes Schiffes, welches im! Frühjahr 1916 mit seiner amerikanischen Goldfracht am Bord durch ein deutsches Unterseeboot versenkt worden! war. Die Aktiengesellschaft setzte bei dem ganzen Unter-! nehmen ihre ganze Hoffnung auf Dickens, den weltbe kannten Taucher. Millionenwerte waren durch ihn schon den Meerestiefen entrissen worden. Er war der einzige, dem es sozusagen gelungen war, den Barren der spani schen Goldflotte, die schon seit langen Jahren in ihrem Sandbette schlummerte, nachzugraben. Eben war Dickens an Bord gegangen, Dickens, den mau hier wie einen König begrüßte, den König der Ties«: Im stillen zuckte er verächtlich die Achseln über jenH Schmeicheleien und Artigkeiten, die ihm die wohlgenähr ten Herren mit den dicken goldenen Uhrketten über dem cremefarbigen Westen sagten. Sie lockte ja nur das Geld, das glatte, gleißende Me tall, dem sie ihr ganzes Leben lang dienten. Freilich, man hatte auch ihm eine entsprechende Summ» angeboten. Er würde sie mit Gleichmut einstreichen, wenn ihm seine kühne Arbeit gelang, wenn —! Aber locken konnte ihn der Besitz nicht. Ihn reizten die tausend Ge fahren, die Romantik des Meeresgrundes, all das, was den anderen Sterblichen verschlossen blieb. Man sah es der knochigen Stirn mit den ernsten, stren gen Mienen nicht an, was sür kühne Ideale dahinter wohnten. — Das Taucherschiff lief aus. Die kleinen Propeller peit'chten das Wasser zu schaumigen Blasen auf und scho ben das breite niedrige Fahrzeug in mäßiger Geschwindig keit durch das ichwarzgriine Meer, das in leichter Dün ung stieg und fiel. Dickens stand mit verschränkten Armen am Kiel und schaute stumm auf die Flut, der er sich anoertrauen wollte. Sein Auge blitzte kühn und freudig aus, al« er in der. Ferne den Leuchtturm aufragen sah, in dessen Nähe die gesunkene „Alvira' liegen mußte. Die Zerren Au raggeber saßen in der Speisekabin« und taieu-u. Dec apitän trat zu ihm. Er hielt seine Seekarte in der Han t »M: .id am Ziel, Dickens. Wie ist Ihr Befinden »Se» gut. Lassen Sie die Maschine stoppen, daß wir nicht zu weit abgetrieben werden t Es ist Flutzeit." Bald daraus !aa das Taucherschiff still, mir .'eise aus und nieder schaukelnd. Die Herren sind an Deck gekommen und umstehen mit bangkiopsendeu Herzen Dickens, der bereits seinen Skap hander angelegt hat und eben im Begriffe ist, sich den Helm mit den dicht abschließenden Gumiplatte,: «schrau ben zu lassen. Alle Hände strecken sich ihm eurgtgen. »Glück aus'" Der Schlauch des Pumpwerkes wird eingesetzt, de Luftreguloisc wird Dickens aus den Rücken geschnallt »w der Unterwasser-Signalappara; -»«er eingehenden B.öbam unterzogen. Dann faßt die Lwhirroffe MU Wo« binerhaken in de» Brmstgurt, dk <zete«rl i«a Wass«-» und bald darauf steigt Dicke".« auf de» AEttp langsam, ttrfsimna und schwerfSLH hinab. Tr «Ai noch «tue Art und « rwtch«eff» d-v- G«t tzackvß und verschwindet dann — wie ein Seeungetüm — in der Tiefe. Zwei Matrosen stehen am Gewinde und lassen die Trossen langsam ablaufen. „Wie weit ist er?' fragt einer der Herren. »40 Meter!" „Wetter! Wie tief haben Sie gelotet?' »Auf gut 55 Meter," erklärte der Kapitän. »Es ist fast das Ende der erreichbaren Tiefe. Ueber. «0 Meter ist auch Dickens noch nicht hinabgestiegen." In atemloser Spannung folgt die Gesellschaft mit den Augen der Trosse, die ihre Stahlwindungen wie den Leib einer ehernen Schlange um die Windachse 'pannt. Im mer weiter läuft sie ab, immer tiefer versinkt sie im Meere. Und an ihrem Ende hängt ein Menschenleben, ein zucken des Herz, ein denkendes Hirn. „45—50—55—Meter!' berichtet der Matrose in Ab ständen. Fast gleichzeitig schlägt die Signalglocke an. „Grund — Stopp!" bestehlt der Kapitän den Matro sen. Diese arretieren das Windewerk, bleiben aber trotz dem an ihren Posten. , .Wie lange kann es dauern?' fragt einer den Kapi tän. .Dickens hat es bei geringen Tiefen schon bis aus fünf Stunden gebracht," gibt der zur Antwort. Einige atmen tief aus und wischen sich die Schweiß tropfen der Aufregung von der Stirne. — Dickens ist unterdes bei 55 Meter auf den Grund ge langt. Am Anfang seiner Reise umfing ihn grünlich schim merndes Tageslicht. Das ging allmählich in Rosa und Purpur über. Jetzt aber liegt um ihn eine Nacht, die ihr« dichten Schleier in gesättigtes Violett und Indigo gebaucht zu haben scheint. Er steht eine kurze Weile still, um das Auge an di« eigentümliche Finsternis zu gewöhnen. 2 Dickens prüfte nochmals seine Apparate. Alles ist m Ordnung. Also an die Arbeit. Bald erkennt er, daß er, in einem ziemlich lichten Walde von Algen und mimosen artigen Meerespflanzen steht, zwischen deren Stämmen far- »enartige Gewächse ihre Wedel ausbreiten. Er läßt das Licht seiner Blende aufblitzen, das als leuch tender Strahl durch die Vollinse fällt. Er steht wieder einmal klopfenden Herzens vor diesen Tiesenwundern. Die kühnste Phantasie vermag nicht» si» i» ihrer tausendfachen Vielgestaltigkeit zu schildern. Am Boden liegen Felsbrocken. Der Wellenschlag mag sie von dec Küste losgerifsen und hierher versenkt haben. Sie sind mit grünen und rotbraunen Aigen überzogen. Schwerfällige Käser stolpern zwischen ihnen herum, uni» schnellfüßige Panzerspinnen hasten mit vielgliedecigen Bei- nin darüber hinweg. Schritt sür Schritt tun sich ihm neue Wunder auf. Hier glotzt ein Teleskopfisch mit seinen Kugelaugen wie lauschend hinter einem Korallenstamm hervor, und dort verschwindet zwischen den Zweigen eine Schar kleiner phantastisch buntgesäcdtec Fischchen, die hier wie die Bö gel in den Wäldern auf dec Erde nisten, llvcc jener un terseeischen Waidwiese scheint eine ganze Herw Fische zu weiden. Beim Anblick des seltsamen zweibeinigen Ge schöpfes huschen sie scheu nach allen Richtungen ausei nander. Und stumm wie im Grabe ist es hier unten. Eine tausendgelenkige Beweglichkeit erschaut das Auge, abe> das Ohr vernimmt nichts als das leise Sausen der Preß lüft im Regulator und das Pulsen des Blutes in d» Adern. Dickens gibt ein Klingelzeichen nach oben, damit je» dtt irosti S—Awstrk. dH c>^a- uu- dem gestraff: h«t Er käßr s«tne Blende ringsum Kreisen, ano plötzlich dmch»««k' Freude sein Herz. Nicht weit vor ssch sieht « — »le »ine Märchenhütte im Walde — Balken und Pfo sten »Wilcken den Zweigen ausraqen. kämst nach meinem Tod in die Lage, das Mädchen unter die Haube bringen zu müssen!" „Das sollte mir nicht schwer werden," sagte « mit einem unmerklichen Lächeln. Heute lag die Sonne breit über der Stadt, eine bleiche, machtlose Wintersonne, die vergeblich an dem frostgehärteten Schneepanzer der Dächer sog und leckte. Die zarten, sehnsüchtigen Zimmerblumen hinter den Fenstern freuten sich aber trotz alledem des blassen Sonnenlächelns, und Papchen im Salon der Frau Amtsrätin schrie und lärmte. Er hatte seit langem »nicht so viel Kosenamen, so viel Biskuit und Zucker-, Brot von seiner Herrin erhalten, als heute. Es war überhaupt, als fliege noch ein besonderer Sonnenschein durch die vornehme obere Etage des Lamprechtshauses, Die Bettelkinder bekamen mehr Brot und weniger Strafpredigten als gewöhnlich, die Köchin verließ öfter» als billig ihren Kochherd, um den schönen, fast noch neuen Hut immer wieder aufzuprobieren, den ihr die Frau Amtsrätin geschenkt hatte. Drunten in der Lamprechtschen Küche sah es anders aus. Um das Packhaus hatte man sich freilich nicht zu kümmern, wie es seit Jahren Brauch und Gesetz im Vorderhaus« war; aber wenn in einer Wohnung „null ülwr den Hof 'nüber" eine Schwerkranke lag, da konnte es doch ein Christenmensch nicht fertig bringen, zu tun, als sei dieses Haus ein bloßer Steinhaufen. Tie Aufwärterin aus dem Packhause hatte tief bekümmert erzählt, daß Frau Lenz vor einigen Stun den einen Schlaganfall gehabt habe, sie könne nicht sprechen und die linke Seite sei gelähmt — der Tok-; tor, der noch an ihrem Bette sitze, nehme die Sache sehr bedenklich. Und die Tränen waren ihr aus den Augen ge schossen bei der Schilderung, wie der alte Herr Lenz totenblaß im Zimmer auf und ab gehe und die Hände ringe und in seiner Angst und Herzensnot nicht ein nun! einen Blick für den kleinen Max habe, der ni einer Ecke am Bett der Großmama kauere, ihr immer fort in das entstellte Gesicht sähe und auch nicht den kleinsten Mundbissen ru sick näbme Und dann hatte sie der alten Kocyrn werrer u» Ohr geraunt, Franz Lenz habe schon den ganzen Tag über sehr aufgeregt ausgesehen, und nachmittags sei der alte Herr' nach Hause gekommen, ganz weiß im -Gesicht und mit einer so heiseren Stimme, als ver- lechze ihm die Kehle. Sie, die Aufwärterin, sei in die Küche an ihre Aufwafchgelte gegangen; aber gleich 'darauf habe sie einen dumpfen Fall gehört, und das ^sei drüben im Zimmer die Frau Lenz gewesen, die zn Boden gestürzt sei . . . ! Was geschehen sein müsse, worüber sich die arme Frau erschreckt habe, wisse sie nicht, hatte die Auf wärterin gesagt. Aber die Frau Amtsrätin wußte es — der Landrat hatte den alten Lenz auf das Am« kommen lassen, um ihm die unerbittliche Tatsache mit- zuteilen, daß sich nichts, auch nicht das kleinste Papier- blättchen, nicht die geringste Notiz, weder über den ge setzlichen Ehevollzug des verstorbenen Kommerzienrates mit seiner zweiten Frau, noch bezüglich des nachge borenen Sohnes gefunden habe. — Das Geheimnis, das vom Packhause herüber mii seinen Fäden das stolze Vorderhaus zu umspinnen gedroht hatte, schien somit dem Dunkel verfallen. Noch blieb dem alten Lenz allerdings die persönliche Nach forschung in den Kirchen von London, wo die Trau ung seiner Tochter, die Taufe seines Enkels stattge funden; allein in dem Briefe der jungen Frau war die Kirche nicht genannt, in welcher sie „als glückseliges Weib an seiner Seite gestanden und den Ehering empfangen habe" .... Der alte Lenz hatte ferner dem Landrat erzählt» ;er habe eines Tages von der Pflegerin seiner Tochter, die zugleich ihre Freundin gewesen, die Nachricht er halten, daß ihm ein Enkel geboren sei, und drei Tage später sei ein Telegramm eingelaufen mit der Meldung, daß die junge Frau im Sterben liege. Er habe zwar schleunigst die Reise nach London angetre ten, um sein einziges Kind noch einmal zu sehen, sei aber doch zu spät gekommen — die Erde habe sie bereits gedeckt. — Das Heini seiner Tochter, eine wahrhaft fürstlich eingerichtete Wohnung, habe er verlassen ausgesunden; nur die Pflegerin sei noch dagewesen, um auf Be fehl des Kommerzienrates alles Mobiliar versteigern! zu lassen. Sie habe ihm mitgeteilt, daß der Kommers zienrat, nachdem er die letzte Hand voll Erde auf deck Sarg der Verstorbenen geworfen, sofort abgereist fett Er habe sich wie ein Wahnsinniger gebärdet, so daß sie ihm meist angstvoll aus dem Wege gegangen sei. Seinen Knaben habe er nicht einmal angesehen, ge schweige denn geliebkost — weil das arme Kind di« Veranlassung zu Blankas Tode gewesen. Trotzdem habe er den kleinen Neugeborenen samt der Amme mit sich genommen, denn London wolle er nicht Wiedersehen, sollte er gesagt haben. Den ganzen Nachlaß der Verstorbenen an Klei-' oungsstücken, Leibwäsche und dergleichen habe er ihr für die Pflege geschenkt, hatte die Dame hinzugesetzt, aus dem Schreibtisch aber habe er alle Briefschaften und sonstigen Papiere an sich genommen. Nicht ein be schriebenes Blättchen sei mehr in den Fächern zu fin den gewesen, hatte der alte Lenz dem Landrat weiter berichtet. Erst nach Jahresfrist sei damals der Kommerzien rat in seine deutsche Heimat zurückgekehrt, ein völlig verwandelter Mann, dessen Ausbrüche der Verzweiflung die alten Eltern seines Heimgegangenen Weibes tief erschüttert und geängstigt hätten . . . Im Dunkel der Nacht sei er zu ihnen gekommen. Da erst hätten sie erfahren, daß er den kleinen Max nach Paris in die Pflege der Witwe eines verstorbenen Geschäfts freundes, einer hochgebildeten, ausgezeichneten Frau gegeben habe. Das Kind sei damals gut aufgehobeq gewesen; der Kommerzienrat habe mit der Dame un ausgesetzt korrespondiert und sei stets von allem ge, aau unterrichtet gewesen, was seinen kleinen Soh« angegangen; dagegen habe er sich nie entschließe;, können, das Kind selbst wiederzusehen . . . Nun sei aber vor einem Jahre die Dame in Paris plötzlich gestorben, und der Kommerzienrat habe den Entschluß ausgesprochen, den Knaben in einem Insti tut unterzubringen. !