Volltext Seite (XML)
§snntags-8eilage irr. II Aiistiruker cageblatt>7. Z. I4Z4 Dns Vnckhnus. Lin Stück Heimatgeschichte / Von DaS alte Backhaus hat seine Ahnen. Das fleißige Mädchen und das faule Mädchen kamen auf ihrem Wege zu Frau Hotte nicht au einem Backhause, sondern an einem Backofen vor über, „der war voll Brot, und das Brot rief: ,Zieh mich raus! Ionst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken!'" Dieser Backofen im Freien auf der Wiese oder in einer Gartenecke gehört einer Zeit an, als es kein Backhaus gab. Hin und Wie ser findet mau ihn noch heute. Aus meiner Kindheit erinnere ch mich, das; ein Backofen außerhalb des Dorfes hinter einem Landberge stand, gebraucht wurde er nicht mehr; als ich kürz lich wieder vorüber ging, war er zu einem Steinhaufen zu- sammengefatteu. An der Bahnstrecke Hamburg-Berlin konnte man im Sachsenwalde in der Nähe von Wohltorf einen solchen Sackofen sehen, auch der ist vor Jahresfrist zusamengefallen nid abgetragen. Bald wird man die freistehenden Backöfen mr noch aus dem Märchen kennen. Wie sahen sie aus? Sehr einfach: ein mitSteinen gepflasterter '--rund, eine Halbkugel aus Stein und Lehm darüber, an einer Leite das Ofenloch zum Einschieben und Herausholen der Kote, der ganze Ofen mit einer dicken Schicht Erde zugedeckt, lud doch war diese einfache Anlage einmal eine fortschrittliche Erfindung gewesen gegenüber der offene» Feuerstelle. Die offene Feuer stelle ist die Urahne des Back- muses; nur Hirtenknaben, Waldarbeiter und wilde Völker- daften kennen sie iwch zum Braten von Obst, Wurzeln, Uchen und Fleisch. Als man dahin gelangte, Halmfrüchte i zubauen und die Körner zu mahlen, wurde auch der Brot ig zwischen die heißen Steine der offenen Fenerstelle gelegt, it heißer Asche und Kohlen bedeckt und auf diese Weise ge- eu. Einige Jahrtausende hat es gedauert, bis man von er offenen Feuerstelle über den Backofen zum Backhause äugte. Das Backhaus hat aber nicht nur seine Ahnen, sondern b seine Nachkommen. Es besitzt zwei Söhne, den Bäcker den Konditor, und von dem Bäcker stammt schon wie- eine Tochter: die Brotfabrik. Die Bäckerei ist Jahr- dcrte alt, die Brotfabrik erst einige Jahrzehnte. Es lohnt ein wenig in diesem Buche der Heimatgeschichte zu blättern; ..'ofeu und Backhaus, Hausfrauen und Bäcker erzählen uns soviel von unsere» Vorfahre» wie alte Runensteine und Umschriften. Cs sind die Frauen, in deren Händen von alters her die unst des Brotbackens gelegen hat; und diese Kunst hatte zu- eich ihre Wissenschaft. „Drei Dinge lernt der Mensch nie is, die sind Butter», Braueu und Backen", lautet ein alter muenspruch. Es gehörte sicherlich allerlei Kennen und Kön en dazu, mit so einfachen Mitteln aus Körnern Brot m sacken. Das Mahlen auf dem Mahlstein oder mit der Hand- mühle war eine schwere Arbeit. Das „Säuern", das Anrühren )es Mehles mit warmem Wasser und Sauerteig, erforderte Fingerspitzengefühl. War der Teig nach zehn bis zwölf Stun- sen locker aufgegangen, dann galt es, ihn durchzukneten und w Broten zu formen; gleichzeitig sorgte im Ofen ein mächtiges Feuer für die richtige „Backhitze". Während das Feuer noch als durchgebrannte Glut im Ofen lag, wurde in seiner Mitte nn Streifen frei gemacht, der die geformten Brote aufnahm. Waren sie nach wenigen Minuten gebräunt, so wendete man sie um, damit auch die Unterseite braun und trocken werde. Das nannte man „Gaffeln". Erst wenn dies gemacht war, holte man die glühenden Kohlen mit der Krücke heraus, reinigte mit einem Reisbesen an langem Stiel den Ofen auch von der Asche, dann erst wurde aas Brot zum eigentlichen Backen in den Ofen geschoben. Nach arei Stunden waren die duftenden, wohlgeformten Brote SrtiL Klopfte man mit der Hand auf die Unterseite uckd Kana Wilhelm Möller-B erlin. es schön hohl, dann war nm» sicher, daß der Teig gut aufü gegangen und locker gebacken war. Inr Sauerteige liegt das Geheimnis des Backens. Jedes mal werden von der Teigmenge einige Pfund genommen und in einem Gefäße an einen« kühlen, aber srostfrcien Orte für das nächste Mal aufbewahrt. So hat der Sauerteig eine ununterbrochene Kette von Backtag zu Backtag durch die Jahre, Jahrhunderte, ja, durch die Jahrtausende gezogen. Jesus erzählt das Gleichnis vom Sauerteig, „den ein Weib nahm und mengte ihn-unter drei Scheffel Mehl". Die Hefe, der Gest, ist ein jüngerer Bruder des Sauerteigs, das Back pulver Vollends erst ein Erzeugnis der modernen Chemie. Bei allen ihren sonstigen großen Erfolgen hat die Chemie noch nicht vermocht, den Sauerteig aus seiner wcltbehcrrschenden Stellung zn verdrängen. Ein Backtag war immer ein Ereignis für Hans und Dorf. Schon die Arbeitszeit war ungewöhnlich, denn es wurde in der Nacht zwischen ein und vier Uhr gebacken. Das geschah, um diese Arbeit, die keine Unterbrechung ertrug, ungestört durch andere Verrichtungen vollenden zu können. In dem Raum des Backhauses verbreitete das lodernde Feuer des Ofens Licht und Wärme. In dieser ungewöhnlichen Um gebung und Beleuchtung und zu dieser ungewöhnlichen Zeit hantierte nicht nur die Bauersfrau mit ihren Mägden inr Backhause, dazu kamen noch einige Tagelöhnerfraucn und die Frauen von Handwerkern, die keinen eigenen Backofen hatten. Diese Zusammensetzung der Backgemeinschast aus lauter „Frauensleuten", das Arbeiten Hand in Hand war eine günstige Gelegenheit, alle Vorgänge und Vorkommnisse des Dorfes mitzuteilen und auszutauschcn. Und das geschah auch. Wenn dieBackhausgeschichten einmal geschrieben wer den sollten, so werden sie nicht minder fesselnd sein als di« alten „Spinnstubengeschichten". Das Backen ini Backofen und im Backhaus« war Haus frauenarbeit; mit dem Emporkommen der Städte wurde aus oieser Hausarbeit ein Handwerk. Der Bäckermeister übernahm die Kunst und Kenntnis der Frauen. Die Be reitung von Feinbrot und Süßbrot verdanken wir im wesent lichen ihm. Dabei sind die einzelnen Bäcker in den ver schiedenen Städten nach eigener Kunst und eigener Erfindung tätig gewesen. Lübecker Eierkringel, Möllnische Zwiebacke, Salzwedeler Baumkuchen, Berliner Pfannkuchen, Nürnberger Lebkuchen, sind ein Paar Beispiele für örtliche Leistungen der Backkunst. Jeder wird weitere nennen können. Gewerbsmäßig betrieben wurde seit der Einführung des Rohrzuckers auch die Zuckerbäckerei, und aus einer Vermählung der Mehlbackerei und der Zuckerbäckerei ist die moderne Konditorei mit dem Kaffeehause hervor- gcgangen. Diese freundliche und gastfreie Dame erinnert sich kaum noch daran, daß sie eine Enkelin der Großmutter Back haus ist, und ihre Gäste tun dies noch weniger. Und treten wir nun in eine Brotfabrik, so sehen wir nicht mehr Menschen, sondern nur noch Maschinen in Tätigkeit. Maschinen befördern die Mehlsäcke, Maschinen rühren den Teig au, Maschinen kneten ihn und teilen ihn zn Broten und Brötchen ab, Maschinen führen die Brote durch den Ofen, sie verpacken das Gebäck, keine Menschenhand hat es berührt. Nur hier und dort steht noch ein Mann, um die Laufwerke ein- und auszuschalten. Die Entwicklung des Brotbackens von der häuslichen Frauenarbeit über die handwerksmäßige Bäckerei zum Fabrik betriebe ist ein gesetzmäßiger Vorgang? Zum Unterschied von anderen Berufen hat aber keine Vernichtung der älteren Weise durch die neuere stattgefundsn, sondern immer noch bestehe« alle drei Formen nebeneinander. Anch heute wird aus dem Lande im Backhause gebacken. Noch jetzt bäckt die Frau und Mutter