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MsdmfferTageblatt Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und Das Mlsdruffer Tageblatt» erscheint an allen Werktagen nachmittags 4 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. !"! Haus, bei Poftbestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern w Sipjg. Alle Postanstalten und Post- j-derzeit Bestellungen ent. Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend ^rge^^m Fall/'hSherer wewa't,Kr>eg ad. sonstiger — -2-2 Betriebsstörungen besteht «e>n Anspruch aus Liekerung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. «lllkjendung^Lingejandier Schriftstücke erfolgt nur, wenn Nückpono beiliegt. alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreis:"die I spaltige Millimeterzeil?l«8mm breit) 7Rpfg., die llspaltige Millimeterzeile der amtlichen Bekannt» machungen bei direkter Austragserteilung ll Rpsg. ohne Nachlaß, Lie 1 spaltige Text«MiUimclcrzeile <Mmm breit) 20Rpsg.i Nachweisung--Gebühr:. 20 Rpsg. Dorgeschriebenes Erscheinungsiage u.Platz.' Fernsprecher. 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's w i rd s ch o n g e h e n!" und daran wurde die damals sehr populäre Aufforderung geknüpft, man solle „die Aristokraten an die Laternen hängen". Dieses Lied hat sich dann 1870, als Napoleon III. vom Thron gefallen war, wieder hören lassen und hat nunmehr, bei den Pariser Revolten, zum zweitenmal als Sturmlied eine Art Auferstehung feiern dürfen, — bloß mit einem etwas ver änderten Text! Jetzt war nicht mehr von den Aristokraten dabei die Rede, sondern die Pariser Straßen und Plätze hallten wider von dem „?a ira! Ta ira!" und der daran sich anschließenden, von den damit Gemeinten aber recht unangenehm empfundenen Aufforderung: „Die Parla mentarier an die Laternen! Und wenn ihr sie nicht aufhängt, dann schlagt ihnen eins in die Zähne!" — wo bei noch hinzugefügt werden foll, daß mit dieser Übersetzung das betreffende französische Wort stark abgemildcrt wor den ist! Nett ist das ja nun gerade nicht von den Parisern, weil schließlich jedes Volk heute genau diejenige Regie rung hat, die es verdient, und dieses Wort auch für das Parlament gilt. Aber dem Druck der außerparlamenta rischen Kräfte — und das sind nicht etwa bloß die Tumul tuanten auf den Straßen — ist schon das Kabinett Chau- temps gewichen und auch sein Nachfolger Daladiei erlegen, obwohl dieser Mann von einer Kammermehrhest gleich drei Vertrauensvoten hintereinander erhielt! Unk Kammermehrheiten waren in Frankreich bisher sozusagen der politischen Weisheit letzter Schluß; sie waren es, die über Leben und Tod des Kabinetts entschieden. Die Kammermehrheit, — das war so etwas wie der wirk liche Souverän Frankreichs. Zwar besitzt der Staats präsident verfassungsgemäß das Recht, die Kammer aus zulösen, aber dieses Recht auszuüben hat seit 1870 nur ein einziger gewagt, Mac-Mahon, zwecks Wieder herstellung der Monarchie. Doch bei der Wahl entschied das französische Volk derart deutlich gegen diese Pläne, daß der Marschall-Präsident zurücktrat. An und für sich ist in der jetzigen Deputiertenkammer eine regierungs- sähige Mehrheit vorhanden: das bewiesen die drei Siege Daladiers, nur beweist dieses Vorhandensein selbst doch heute nicht mehr allzuviel, wenn es durch die Parise, Straßen hallt: „Die Parlamentarier an die Laternen!' Was nun allerdings auch wieder nicht heißt, daß dies eint Art Pulververschwörung gegen die Institution des Par laments selbst darstellt! Bloß die übelriechenden Ge schwüre sollen ausgeschnitten werden. -i- Jn den letzten Tagen hätten wir Deutschen aber auch an ein „politisch' Lied" denken können, das abe, durchaus kein „garstig Lied" war und ist, sondern in de, Zeit vor 1870 so etwas wie die deutsche „Nationalhymne" — obwohl damals Deutschland eigentlich nur ein „geographi scher Begriff" war. Wir meinen das bekannte „Was iß des Deutschen Vaterland?", dieses „Frage lied", wie einer unserer besten deutschen Auslands pioniere der damaligen Zeit erinnerungsvoll geschrieben hat, ein Lied, das diese Ausländsdeutschen „vielleicht mii größerer Inbrunst und Sehnsucht gesungen haben als die Deutschen nach 1871 die neue Nationalhymne". Und doH blieb in gewisser Beziehung jenes „Fragelied" in Geltung, Denn bis vor wenigen Tagen mußte z. B. der im Ausland reisende Deutsche auf dem polizeilichen Anmeldeschein ini Hotel usw. die überall selbstverständliche Frage nach de, „Staatsangehörigkeit" eigentlich von Rechts wegen, nämlich seinem Paß gemäß, mit „Preuße", „Bayer' oder, bis vor einigen Jahren, etwa mit „Waldecker" be antworten. Denn das und nichts anderes war sein« Staatsangehörigkeit. Aber in zahllosen Fällen machten sich diese Reisende gar kein Gewissen daraus, eine leichte Fäl schung zu begehen und jene Rubrik auf dem Anmeldezette! einfach mit „Deutscher" ausznfüllen. Auch sonst ergaben sich aus dieser „Staatsangehörigkeit" rechtlich oft geradezu groteske Vorkommnisse. Mit Mm diesen „Gewissens konflikten" — hinter denen übrigens auch so etwas wie ein bißchen Beschämung über diese Zustände steckte — ist es nun aus und vorbei. Nun gibt es keine Staats angehörigkeit mehr und jetzt dayf und wird man sich offen, frei und für immerdar bekennen: „Ich bin ein Deutscher..." * In die Vergangenheit hinabgesunken ist nun heute jenes Wehmuts- und sehnsuchtsvolle „Fragelied", sei! nunmehr in Erfüllung ging, was es in seiner letzten Zeile forderte: „Das ganze Deutschland soll es sein!" Ver- umkcn und verklungen aber sind auch jene Haß- gesänge, die die „Verdammten dieser Erde" zum letzten Gefecht aufriefen, zum Klassenkampf und für die internationale, die ihnen angeblich erst das Menschen recht erkämpfen werde. Wir Deutsche haben es vor gezogen, uns dieses Recht, das aber vor allem eine Pflicht M.. durch den Nationgllo ru errinaeuck GeüLN Eine Regierung Ser Mimlen Einheit. Die neue französische Regierung. Ein Kabinett der Ministerpräsidenten. Havas verbreitet unter Vorbehalt später noch er folgender Änderungen in der Verteilung der Minister sitze folgende Kabinettsliste: Ministerpräsident: Doumergue, ohne Porte feuille; Äußeres: Barthou, Senator der Demokra tischen und Radikalen Vereinigung; Justiz: Cheron, Senator, parteilos; Inneres: Sarraut, Senator, Radi kalsozialist; Krieg: Marschall Pstain; Kriegsmarine: Piötri, Abgeordneter der Demokratischen Linken; Luft: General Denain; Finanzen: Germain-Martin, Abgeordneter, Radikalsozialist; Untcrrichtsminister: Berthod, Abgeordneter, Radikalsozialist; Handel: Herriot, Abgeordneter, Radikalfozialist; Kolonien: Laval: Senator, parteilos; Landwirtschaft: Tar dieu, Abgeordneter der Republikanischen Mitte; Öffent liche Arbeiten: Flandin, Abgeordneter, Demokratisch« Linke; Öffentliches Gesundheitswesen und physische Aus bildung: Mariu, Abgeordneter der Demokratischen Vereinigung; Arbeit: Marquet, Abgeordneter, Neu sozialist; Pensionen: Nbarnegaray, Abgeord neter der Republikanischen Vereinigung, oder Rivolet. Der alte Doumergue hat auf Ersuchen des Staats präsidenten das auf alle Fälle undankbare Amt des Ministerpräsidenten übernommen und ein neues Kabinett gebildet. Er selbst, der mehr als Siebzigjährige, gehört sozusagen zu dem „letzten Aufgebot" des politischen Frankreich von gestern. Er war eigentlich entschlossen, seinen Lebensabend bei Toulouse auf seinem Landgut durch Rosenpflege auszufüllen, als ihn, wie einst jenen alten Römer Coriolan der Ruf sozusagen vom Pfluge weg in das Amt eines Diktators erreichte. Man hat ihn aus dem Frieden seines Toulouser Landhauses weg geholt, und zwar in eine Situation hinein, die so schwierig ist, wie sie seit 1914 Wohl kaum ein französischer Ministerpräsident vor sich gesehen hat. Die Liste seiner Kabinettsmitglieder entbehrt aber auch sonst nicht eines besonderen Reizes. Im Kriegsministerium sitzt der Marschall P 6 tain, der ja aus dem Weltkrieg als Nachfolger des „Blutf äu ßer s", General Nivelle, und als Verteidiger Verduns uns Deutschen bekannt ist. Die Justiz betreut der als unantastbare Persönlichkeit geschätzte Senator und frühere Ministerpräsident Cheron, und sogar Herr Herriot, der Führer der Radikalsozialistischen Partei, ist als Han delsminister in das Kabinett hineingenommen worden. Ein weiterer ehemaliger Ministerpräsident, der uns Deut schen von seinem Berliner Besuch bekannte Laval ist Kolonialminister geworden, und der uns Deutschen vielleicht noch unsympathischere Herr Tardieu, Führer der Republikanischen Mitte, wurde als Landwirtschafts minister ebenfalls in das Kabinett hineingenommen. Das kennzeichnendste an der politischen Zusammensetzung des Kabinetts ist aber Wohl die Tatsache, daß zum Chef des öffentlichen Gesundheitswesens ein ausgesprochener und führender Politiker der Rechten, nämlich Herr Marin, ebenfalls Mitglied des Kabinetts wird. Das Äußere liegt in Händen des Herrn Barthou, gleichfalls eines ehemaligen Ministerpräsidenten, der bereits während des Krieges die Führung der fran zösischen Politik innehatte, und der trifft sich dort mit einem anderen ehemaligen Ministerpräsidenten, Sar- raut, der jetzt die besonders schwere Aufgabe des Innenministers zu lösen hat. Man kann also das, was Herr Doumergue zusammengebracht hat, als das „Kabi nett der Ministerpräsidenten" bezeichnen. * Sin Ausruf Doumergues. Ministerpräsident Doumergue hat folgenden Aufruf in Paris anschlagen lassen: Bürger! Ich bin berufen worden, um eine Regierung des Burgfriedens, der Ent spannung und der Gerechtigkeit zu bilden. Diese Regie rung ist jetzt gebildet. In ihrem Namen fordere ich euch auf, eurerseits eure Pflicht zu tun und zwar dadurch, daß ihr von jeder Agitation Abstand nehmt. Das Inter esse Frankreichs und der Republik über alles! (gez.) Ministerpräsident Gaston Doumergue. die Feinde draußen und drinnen. Und jetzt klingt zum Marschtritt der Arbeiterbataillone ein anderes Lie^: „Brüder in Zechen und Gruben, Brüder, ihr hinter dem Pflug, Aus den Fabriken und Stuben Folgt unseres Banners Flug!" Dr. Pr. Neue Unruhen in Paris. An verschiedenen Punkten der Stadt Paris ereigneter: sich neuerlich ziemlich heftige Zwischenfälle. Die kommu- nistischen Kundgeber setzten der Auflösung ihrer Zug« Widerstand entgegen. Einige Plünderer wurden verhaftet Am Boulevard Belleville behaupteten sich die Kommu nisten auf der Straße, wobei mehrere Schüsse fielen. Aus den Fenstern wurde die eingesetzte Polizei mit Blumen- töpfen beworfen. Im Laufe des Abends drangen Demon stranten in den Ostbahnhof ein und begannen zu plün. dern. Es kam zu heftigen Zusammenstößen mit der Po. lizei, wobei ein Beamter durch einen Schuß getötet wurde. Manifestanten haben die St.-Josephs-Kirche in Brand ge- steckt. Die Feuerwehr ist bemüht, den Brand zu löschen. * Kirchen in Brand gesteckt. Paris, 10. Februar. Km Mitternacht scheinen die kom- munistifchen Unruhen um den Platz der Republik und den Ost bahnhof stark abzuflauen. Es ist der Polizei überall gelungen, der Ansammlungen und der Aufstandsversuche Herr zu wer den. Nur an der Pforte Saint Martin, wo die Kommunisten ihr Hauptquartier aufgeschlagen zu haben scheinen, war es un möglich, ein Lokal auszuheben, aus dem sie fortwährend mit Wassen und Lebensmitteln versorgt wurden. Die bereits gemel deten Zusammenstöße am Ostbahnhof sind ziemlich ernst ge wesen. Dreimal mußte die Polizei gegen sich immer wieder bildende Gruppen von 50 bis 100 Mann anrücken, die von der Schußwaffe Gebrauch machten. Auf beiden Seiten werden zahlreiche Verletzte gemeldet. Die Nachricht, daß ein Polizist durch einen Kopfschuß getötet worden sei, bestätigt sich nicht. Doch sind zwei Polizeibeamle mit sehr schweren Bauchver letzungen ins Krankenhaus eingeliefert worden. Km 23 Uhr verlegten die Manifestanten ihr Tätigkeitsfeld mehr auf dis Außenboulevards. Das Rathaus des 11. Pariser Bezirks wurde von ihnen umzingelt und die Fensterscheiben eingeschlagen Doch konnte das Gebäude durch heranrückende Polizei schnell besetzt werden. An die Saint Ambroise-Kirche wurde von den Kom munisten Feuer gelegt, doch konnte der Brand bald gelöscht werden. Polizeistreifen durchziehen die Stadtviertel, um Gruv- penbildungen zu verhindern. Alle irgendwie verdächtigen Per sonen werden angehalten und auf Waffen untersucht. Der autonome Beamtenverband hatte seine Anhänger auf gefordert, sich an den kommunistischen Kundgebungen zu betei ligen. In geschloffenem Zuge zogen 800 Mitglieder dem Platz der Republik entgegen; sie wurden unterwegs von einem star ken polizeilichen Absperrungsgürtel aufgehalten und vertrieben. Hierbei sind viele Teilnehmer verletzt worden. Die Bilanz des Abends läßt sich noch nicht ziehen. Dw Zahl der Verhafteten soll sehr groß sein und die der Verletzten nicht weniger beträchtlich. * Die Pariser Stadtverordneten fordern Wiedereinsetzung Chiappes. Paris, 10. Februar. Der Vorsitzende der Stadtverord netenversammlung ist bei Innenminister Sarraut vorstellig ge- worden mit der Forderung, die Regierung möge den früheren Polizeipräsekten Chiappe und den aus Solidarität mit ihm nv- rückgetretenen Präsekten des Seine-Departements Reyna cd wieder einsetzen, da sie das volle Vertrauen der Pariser Be völkerung besäßen und ihrer Aufgabe gewachsen seien. Innen minister Sarraut wieg darauf hin, daß nicht er, sondern die Regierung hierüber zu entscheiden habe. Der Matin will berichten können, daß Chiappe eine ent sprechende Anregung der Regierung im Interesse der Beruhi gung der Oesfentlichleit dankend abgelehnt habe. Chiappe wird dem Blatt zufolge zum Botschafter in Bristol ernannt werden, während der frühere Seine-Präfekt Reynard seinen alten Posten wieder übernehmen soll. Oer Balkanpakt abgeschlossen. Der Balkanpakt ist in Athen von den Außenministern Rumäniens, Griechenlands, der Türkei und Südslawiens unterzeichnet worden. Sein Inhalt läßt sich dahin zusammenfassen, daß die vier unterzeich neten Länder sich gegenseitig ihre Balkangrenzen garan tieren. Sie verpflichten sich, ohne vorherige gegenseitige Mitteilung keinerlei Aktion gegen jeden anderen Balkan staat, der das Abkommen nicht unterzeichnet hat, zu unter nehmen; desgleichen ohne Zustimmung de: anderen ver tragschließenden Parteien keinerlei politische Verpflichtung einem anderen Balkanstaat gegenüber zu übernehmen. Jeder andere