Volltext Seite (XML)
her Mittelmächte gestellt worden. Nicht unerhebliche Mengen haben bereits die Grenze passiert: in den letzten Lagen sind etwa 1200 Waggons Lebensmittel aller Art über Lie sogenannte trockene Grenze zu den Mittelmächten herein« bekommen. Von den ersten Lieferungen wird mit Rücksicht dus die zurzeit in Österreich bestehenden Ernähmngs« 'chwierigkeiten der größere Teil Österreich belasten werdend während dafür im Juni und Juli der größere Teil nach Deutschland kommt. Aber auch von den ersten Lieferungen sind bereits Sendungen über die Landgrenze nach Deutsch« iand unterwegs. Insbesondere werden die über das Schwarza Meer in Bcaila eintreffenden Ladungen von Getreide unij inderen Lebensmitteln bis auf weiteres ausschließlich Deutschs wnd zugeführt werden. Inzwischen sind in Braila bereit» ZO 000 Zentner Getreide eingetroffen, Lie mit der Eisenbahv nach Deutschland unterwegs sind. Verurteilung Deutscher in Italien. Berlin, 2. Mai halbamtlich wird mitgetetlt: In Genua sind die deutschen Reich mngebürigen Königstein, Ampt und Heß, die bei der wmueser Elektrizitätsgesellschaft leitende Stellungen bekleidet r oben wegen Spionage in eontmnsciaw zum Tode ver urteilt worden, ohne daß für ihre Schuld ein irgendwie schlüssiger Beweis bat erbracht werden können. Die deutsche Regierung hat nunmehr durch Vermitt lung der schweizerischen Regierung der italienischen Regierung »erklären lassen, daß sie diese letztere für allen den Verurteilten aus dem Urteil etwa erwachsenden Schaden verantz wörtlich mache und daß sie, sofern etwa auf Grund des (Urteils Maßnahmen gegen das in Italien befindliche Ver^ mögen der Genannten ergriffen werden sollten, die geeignet ,sind, deren Interessen zu schädigen, unverzüglich zu den lschärfsten Gegenmabregeln greifen werde. Gleiches Wahlrecht abgetehni — Plupalwaht angenommen Stellungnahme der Regierung erst nach der 3. Lesung« tt. Berlin, 2. Mai. Der Paragraph 3 der preußischen Wahlrecht». Vorlage wurde heute mit großer Mehrheit in S. Lesuns abgelehnt. Von 422 anwesenden Abgeordnete, waren nur 183 für den Paragraphen, der lautet Zeder Wähler hat eine Stimme. 233 Ab geordnete stimmten gegen diese grundlegende Be ftimmung, 4 enthielten sich der Stimme. Der Aus- schutzantrag zur Einführung des Mehrstimmen, rechts wurde dagegen angenommen mit 232 gegen 183 Stimmen bet 2 Stimmenthaltungen. Deutscher Reichstag. UM. Sitzung.) 6L. Berlin, 2. Mai. , Weiterberatung -es Arbeitskammergesetzes. i Abg. Brande- (U. Sor): Die Fehler der Vorlage sind »rößer als ihre Vorzüge. Wir lehnen sie ab. Die Arbeitet Ind allein auf ihre Kraft angewiesen. I " Abg. Nowicki (Pole) begrübt die Vorlage. An der Fol terung der Gewerkschaften, dab die Kosten der Kammern vom Keich getragen werden, halten wir fest. , Abg. Giebel (Soz.): Die Vorlage muß abgeändert werden, namentlich in bezug auf da» Einigungsmesen. Arbeiter- una Angestelltenausschüste müssen in das Gesetz Hineingearbettei werden. Es genügt nicht, dab Angestelltenkammern versprochen find, sie müssen jetzt mit geregelt werden. . Abg. Kuckhoff (Ztr.) hat Bedenken gegen die Einbeziehung der Angestellten in die Arbeitskammer. Der neue Mittelstand muß sich selbständig entwickeln können. Das soll keine Bevo« »ugung der Angestellten sein, aber eine neue soziale Schicht, wie es der neue Mittelstand ist, darf nicht mit den Arbeitern verquickt werden. ' Abg. Marquardt (natl.) verlangt Schutz gegen Maß regelung der Arbeiter durch die Ardeitskeurmern. Er beruft sich auf die Willenskundgebung des Verbandes der kauf männischen Angestellten, die eigene Angestelltenkammern ver langt. Die Vorlage geht an einen AuSschub von 28 Mitgliedern, Es folgt die zweite Lesung des Haushaltsplanes des Reichs^ Wirtschaftsamts. Abg. Hoch (Soz.) macht ausführliche Angaben über d« Ausgaben und Len Wirkungskreis dieses neuen Amtes. t Aba. Mayer-Kaufbeuren (ZK.): Wir waren friedlich gesinn dnd haben niemals nach Alleinherrschaft gestrebt, auch nich auf wirtschaftlichem Gebiete. Man wollte Deutschland wirk Ichaftlich vernichten, aber der eiserne Ring ist gesprengt Natürlich hat sich unsere wirtschaftliche Lage im Kriege statt verändert: Wir haben unsere halbe Handelsflotte verlöret) and unendlich wertvolle Arbeitskräfte sind im Kampfe ver< richtet worden. Aber die Gmndlagen sind erhallen geblieben, and das Reichswirtschaftsamt hat die Aufgabe, auf diesen Grundlagen wieder aufzubauen. In allen Unterabteilungen sollten. Fachausschüße gebildet werden. Wie Frau mit den Karfunkel steinen. Roman von E. MarMK 49) „Es war keine Arbeit, nur ein Zeitvertreib," er widerte der alte Maler. „Ein festes Arbeitspensum habe ich nicht mehr, und da male ich an einer Land schaft, die ich vor Jahren angefangen habe. Freilich geht es langsam. Ich bin auf dem einen Auge völlig erblindet, und das andere ist auch ziemlich schwach;, so bin ich immer nur auf die wenigen Hellen Mit tagsstunden angewiesen." „Man hat Ihnen Ihr festes Arbeitspensum ge nommen?" fragte Margarete, unumwunden auf ihr* Ziel losaehend. „Ja, mein Mann rst entlassen," bestätigte Fr . Lenz bitter. „Entlassen wie ein Taglöhner, weil «« als gewissenhafter Künstler die Arbeit nicht so massen« hast lieferte, wie die jungen gedankenlosen Schmierer.^ Er schüttelte den grauen Kopf. „Ungerecht dürfen wir aber auch nicht sein, liebe Frau," sagte er mild, „Für mein festes Einkommen habe ich allerdings in den letzten zwei Jahren nicht mehr die entsprechende Ar beit geliefert, meiner Augen wegen. Ich habe das auch gesagt und um Bezahlung per Stück gebeten, aber der junge Herr will davon nichts hören. Nun, ihm steht ja das Verfügungsrecht zu, wenn er auch noch nicht mündig erklärt ist, und die Testamentseröffnung noch bevorsteht . . Auf dieses Testament hoffen noch manche von den alten Arbeitern draußen in Dambach, denen es ähnlich ergeht wie mir." » Margarete wußte von Tante Sophie, daß ein Te-i stament ikres Vaters vorhanden war, welches in den nächsten Tagen eröffnet werden sollte. „Mein Gott," rief sie lebhaft, „wenn Sie meinen, daß das Testament vieles ändern kann —" „Es wird und muß vieles ändern," fiel Frau Lenz mit sonderbar harter Betonung und Bestimmt heit ein. Abg. Süüekum (Soz.): Der Gegensatz zwischen Preuße« und den: Reiche auf wirtschaftlichem Gebiete muß ver-i schwinden, und das Reichswirtschaftsamt muß die Einheit fördern. Warum sagt uns der Staatssekretär nichts über sein Programm? Oder hat er keins? Man darf die Wirtschaft« siche Krise nicht unterschätzen, und die Beschlüße Ler Pariser Wirtschaftskonferenz sind gefährlicher als die Eroberungspläne des Zehnverbandes. Eine Besserung ist nur möglich im Sinne riner größeren Durchstaatlichung des Wirtschaftslebens. Wetterberatung moraen. — poliiische Rundschau« Deutsches Reich. , Der Hauptausschutz des Reichstages beschloß mit! großer Mehrheit trotz des Widerspruchs des Staats sekretärs die Aufhebung der Portofreiheit der^ Fürsten, ihrer Gemahlinnen und Witwen, soweit sie nicht, purch die Staatsverträge des Norddeutschen Bundes mip den Königreichen Bayern und Württemberg für den inneren Verkehr dieser Bundesstaaten zugesichert ist. Das Wechselstempelgesetz wurde unverändert angenommen.. Das Umsatzsteuergesetz rief lebhafte Auseinandersetzungen! hervor. -4 Die Unterzeichnung ses Friedensverrragev mit» Rumänien steht unmittelbar bevor. Wie von Berliner- zuständiger Stelle gemeldet wird, hat sich der bulgarisches Ministerpräsident Dr. Radoslawow nach Bukarest begeben^ um dort den Friedensvertrag mit Rumänien zu unter-i zeichnen. Aus dieser Tatsache darf Ler Schluß gezogen! werden, daß es gelungen ist, die Fragen, die im Zusammen-I bang mit den Bukarester Friedensverhandlungen zwischen! Bulgarien und der Türkei zu regeln waren, zum mindesten» einer vorläufigen Lösung zuzuführen. Es ist möglich, daß, auch Ler türkische Großwesir, Talaat Pascha, sich nach« Bukarest begibt, um gleichfalls bei der Unterzeichnung derj Verträge persönlich Mitwirken zu können Rußland. x Der Vollzugsausschuß des allrussischen Sowjet- kongresses in Moskau hat Trotzkis Plan der allgemeinen Militärpflicht genehmigt. Danach sollen alle männlichen Personen im Alter von 16 bis 40 Jahren militärisch aus gebildet und alle Arbeiter und Frauen zur Dienstpflicht für das Land herangezogen werden Die Verbandsmächte Möpsen aus der Annahme dieses Planes die Hoffnung,' Hatz Rußland noch einmal in den Krieg eintreten werde. Ob fick Liese Hoffnung erfüllt, ist zumindest sehr fraglich Gfohbritaumen. x Unter dem Druck der Verhältnisse hat die Regierung die Einführung der Dienstpflicht in Irland verschoben, ^cine königliche Verordnung vertagt das Inkrafttreten des! Gesetzes auf unbestimmte Zeit. Die Londoner Presse erklärt dazu, daß die Regierung sich entschlossen hat, bezüglich der Einführung der Dienstpflicht in Irland in den nächsten Wochen eine abwartende Haltung einzunebmen, bis sie beurteilen kann, welchen Erfolg das Gesetz über die Selbst- ^Verwaltung in Irland haben wird, das in den nächsten Tagen eingebracht werden soll. Nur schwer wird sich di«j Regierung Lloyd Georges für diesen Schritt Entschieden haben; aber oas entschiedene Verlangen der Arbeiterpartei, Lie gefährlich aufflammende irische Bewegung gegen di« Dienstpflicht, deutliche Winke der Vereinigten Staaten und schließlich als stärkste Kratt die englische Mannschaftsnot und die Bedrängung und nbttmme Lage der flandrisch« französischen Front - das alieS hat zusammengewirkt, um Lloyd George umzustimmen Noch ist aber nicht sicher, oh Has Selbstverwaltungsgesetz die Wogen des Aufruhrs m »Irland zu glätten vermag. Frankreichs Schulä am Mell kriege. Daß Frankreich die eigentliche Schuld am Weltkriegs hat, kann von keinem Einsichtigen bezweifelt werden. War in den letzten Tagen des Kriegsausbruchs Rußland der „Brandstifter", trägt England daneben die schwerste Schuld, weil es den Krieg hätte verhüten können, so trifft Frankreich der Vorwurf,°daß es durch sein Verhalten in den vier Jahr zehnten seit 1871, durch seine Rüstungen, seine Rachestim mung und Aufhetzung kein Vertrauen und kein ruhiges Nebeneinander der Völker Europas aufkommen ließ. Die Revanche, künstlich genährt und aufgestachelt, hat den Frieden vergiftet, den Krieg frevelhaft heraufbeschworen und Frankreich selbst in den Abgrund gestürzt, aus dem es nie mehr hsrauskommen kann. s Es ist nun immer wieder bis heute behauptet worden, daß Ler Verlust Elsaß-Lothringens die Revanche hervorge rufen habe, Deutschland also die Schuld trage, wenn für Frankreich seit 1871 kein aufrichtiger Friede mit dem deutschen Nachbar möglich gewesen sei. Ebenso ist es aber von anderer Seite klar, bewiesen worden, daß nicht der Verlust Elsaß-Lothringens, sondern die Niederlage im Kriege und die verletzte Eitelkeit des ruhmsüchtigen fran zösischen Volkes der Anlaß zur Revanche gewesen sei. Nach den Freiheitskriegen 1815 hatte Frankreich nur ein ganz geringes Gebiet verloren; dennoch hat es in der ganzen Zeit bis 1870 nach Landgewinn und nach Kriegsruhm aus- gsspäht, da es die glorreiche Zeit Napoleons nicht ver gessen, die Niederlagen von 1813 und 1815 nicht ver schmerzen, die herrschende Stellung in Europa nicht auf- gsben konnte. Wie schon 1815 der englische Minister Liverpool sagt: „Frankreich wird die Demütigung nie ver zeihen, sondern die erste Gelegenheit ergreifen, seine kriegerische Aloks herzustellen", so Hal Bismarck oftmals betont, „daß auch ohne jede Landabtretung doch derselbe Haß, dieselbe Rachsucht wegen der verletzten Eitelkeit und Herrschsucht in der französischen Nation zurückbleiben würde." Wie kam es denn, daß Napoleon HI. immer wieder deutsche Grenzgebiete am Rhein erschleichen wollte? Er fühlte, daß sein Kaisertum nicht fsststehe, wenn er als „Revanche für Sadowa" den Franzosen nicht einen Landzuwachs verschaffe und damit einen Trost gebe über die Vergrößerung Preußens. Als nun 1871 der Sieg erfochten war, konnte das neue Deutsche Reich gar nicht auf Elsaß-Lothringen ver zichten, nicht nur, weil das deutsche Volk einmütig den Wiedergewinn des alten deutschen, einst ihm geraubten Landes forderte, sondern auch, weil der Schutz Süddeutsch lands diese Sicherung vor den Angriffen des unruhigen französischen Nachbarn verlangte. Die Rheingrenze als ewige Bedrohung Deutschlands durfte nicht länger bestehen. Von nun an begann die unermüdliche Arbeit der neuen Machthaber in Paris, an den Satzungen des „Frankfurter Friedens" zu rütteln. Es zeigte sich, daß die Republik nicht friedlich gesinnt war, sondern gerade ehrgeizige Politiker begünstigte, die durch Aufstacheln des Macht-Instinkts zu Einfluß und Aemtern gelangen wollten. Bismarcks Hoff nung, durch Kräftigung der neuen Republik kriegslustige Thronforderer auszuschließen und den französischen Ehrgeiz durch koloniale Erwerbungen zu stillen, ging nicht in Er füllung. „Nie davon sprechen, aber immer daran denken!" war die Weisung Gambettas, des volkstümlichsten Mannes in Frankreich. Und er, der 1870 den Widerstand organisiert hatte, begann nun auch die äußere Politik in die Wegs zu leiten, die zum Weltkrieg führen sollte: festes Bündms mit Rußland und Annäherung an England. Beides wurde durch das mächtige Erstarken des Deutschen Reiches be günstigt, dessen friedliche Politik zu verdächtigen man an der Seine trefflich verstand. Um sich vor einem vermeint lichen Ueberfall zu schützen, in Wahrheit, um die Revanche vorzubereiten, stürzte Frankreich sich in die kostspieligsten Rüstungen, die stets die Zustimmung der Volksvertretung fanden. Auch benutzte man diese Revanche, um aus den inneren Wirren herauszukommen, denn im Chauvinismus waren alle Parteien, Klerikale und Radikale, Monarchisten und Republikaner, einig. Das Bündnis mit Rußland vollzog sich in den neun ziger Jahren. Die französischen Sparer legten ihr Geld in russischen Werten an, so daß allmählich 20 Milliarden Frank nach Rußland gingen. 1891 kam ein französisches Geschwader nach Kronstadt, 1893 ein russisches nach Toulon, der neue Zar Nikolaus 11. erschien 1896 in Paris und brauchte 1897 zum ersten Male das Wort „Allianz" für das Bündnis, das in einem Geheimvertrag festgestellt war. Seit 1900 trat die Revanche stärker hrrvor. Die nationalistischen Leidenschaften wurden durch den Dreyfuß- Prozeß gesteigert. Und nun war die junge Generation herangewachsen, die durch alle Mittel in Schulbüchern, Liedern, Reden und Schriften zur Befreiung der „geraubten" und angeblich von Deutschland geknechteten Provinzen an gestachelt worden war. Was Derouleds, der Bards des Deutschenhasses, und seine Patriotenliga gesät hatte, ging nun auf. Der Minister Delcasse setzte die entscheidende Margarete verstummte für einen Moment, be-, troffen in den noch immer schönen, blauen Augen der alten Frau forschend — eine Art von Wilder- Genugtuung funkelte in ihnen auf. „Nun ja," setzte sie dann nachdrücklich, mit schwerem Vorwurf hinzu,, „wozu dann die Grausamkeit, das Kind ums Brot auf der Straße singew zu lassen?" Frau Lenz fuhr empor und trat auf ihre Füße.! Sie war lahm und konnte sich nur schwer fortbewegen; aber in diesem Moment schien sie von Schmerz und Schwäche nichts zu fühlen. „Grausam? Wir? Gegen: ufiser Kind, unseren Abgott, unser alles?" rief sie wie außer sich. Der alte Maler ergriff begütigend ihre Hand. „Ruhig Blut, liebes Herz!" mahnte er mild lächelnd „Grausam sind wir zwei alten Menschen nie gewesen, gelt, Hannchen? Nicht gegen die kleinste Kreatur der Schöpfung, geschweige denn gegen unseren Jungen . . . Sie haben ihn wohl heute singen hören?" wandte er sich zu Margarete. „Ja, vor unserm Hause, und das Herz hat mir wehe getan. Es ist so bitterkalt — ich meinte, der Atem müsse ihm vor dem Munde gefrieren. Er wird sich erkälten." Herr Lenz schüttelte den Kopf. „Der kleine Bursche hat sich selbst hart gewöhnt. Da an den warmen Ofen kacheln lehnen die Hausschuhe, und in der Ofenröhre steht heißes Warmbier für unseren kleinen Kurrende schüler." „Ja, es kamen ein paar fatale, ein paar schlimme Tage für uns, nachdem der junge Herr mir aufgesagt hatte," hob er wieder an. „Wir hatten die Schneider- ftnv Schuhrechnung für Max gezahlt, und unseren Kohlenvorrat angeschafft, und da kam ein Abend, an »welchem wir nicht wußten, wovon wir am anderen Tag auch nur eine Suppe kochen sollten. . . . Ich wollte gehen und ein paar von unseren Silberlöffeln ver kaufen; aber das Frauchen da" — er zeigte mit zärt lichem Blick auf seine Frau — „kam mir zuvor. Srei nahm Stickereien und Strickereien, die sie mit ihren geschickten Händen in Mußestunden gearbeitet hatte,, gus der Kommode und ging — jo sauer ihr auch bas: Gehen wird mit Max in die Kaufläden, und da brachte sie nicht nur Geld, sondern auch viel Bestellun gen mit heim . . Nun lasse ich alter Kerl mich von der Hand ernähren, an die ich einst den Ver- lvbungsring gesteckt hatte, in der unerschütterlichen Üeberzeugung, daß mein Mädchen das Leben einer Prinzessin an meiner Seite haben solle. — Ja, sehen Sie, das ist nun Künstlerleben und Künstlcrhoffen!" „Ernst!" unterbrach Frau Lenz und drohte mit dem Finger. „Willst du wirklich Fräulein Lamprecht weis machen, ich sei so eine gewesen, die sich ein Schlaraffen leben bei dir erträumt hätte? . . . Zum Faulenzen habe ich nie Talent gehabt, dazu bin ich immer zu rasch gewesen. Schaffen und Helfen, das war stets mein Lebenselement, und die Ader hat auch Max von mir bekommen." Sie preßte die Lippen anfeinander und sah mit seltsam loderndem, beredtem Blick durch das gegen überliegende Fenster in die sroststarrende Luft hin ein. Es lag etwas Rachedürskndes in ihrem ganzen ^esen. „Das Kind ist schlecht genug behandelt worden dem großen, stolzen Hause, seit es die deutsche Heimat betreten hat, sagte sie mit noch weggewandtem Blick grollend, wie zwischen zusammengebissenen Zäh? nen hervor. „Der Kies im Hofe war zu vornehm ffür seine Sohlen, und der Garb ntisch unter den Lin den wurde entweiht durch seine Bücher, seine schreiben den Händchen. Und von dem Sarge droben im große« Saal sollte er weggescheucht werden wie—" Sie brach !ab und legte die Hand über die Augen. - „Mein Bruder ist krank und deshalb keines Men schen Freund; mit ihm dürfen Sie nicht so streng ins Gericht gehen, auch andere müssen unter seiner so großen Schroffheit leiden," tröstete Margarete sanft. „Dagegen weiß ich, daß mein Vater den kleinen Max sehr gern gehabt hat, wie alle in unserem Hause. Ich weiß, daß er für seine Zukunft hat Sorge tragen wollen, und aus dem Grunde bin ich gekomvmen . . . (Fortsetzung folgt.)