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50 zu helfen und beizustehen." Er nahm Ger. das Arm wie den Arm einer Geliebten und führte sie zum Wagen. „Ich bin selbst ge. fahren, damit keiner von unserem Hofstaat erfährt, was bei uns los ist, und nun fah ren wir vergnügt zurück, und die Dienst boten mögen denken, du hast zu Fuß etwas in Wendenhain besorgt und ich holte dich ab." — Fast willenlos nahm Gerda neben dem Vater Platz. In diesen: Augenblick schwieg alles in ihr, nur das Gefühl eines großen schönen Geborgenseins umhüllte sie wie eine wärmende Decke. Mit einem kleinen Ruck wandte Karl Weidner das Pferd und in rascher Fahrt ging es die Landstraße entlang in der Richtung auf Ulmenhof zu. „Blutter weint, Gerdachen, darum müssen wir eilen heimzukommen," sagte der Mann, die Eile erklärend. Mutter weint! Gerda durchrieselte es als hauche ein linder Frühlingsodem über er- starrte Blumen. Mutter weint! Das war wie ein Zauberstab, der ihr Herz berührte. Sie lächelte. „Ja, wir wollen so rasch Wie möglich fahren, damit Mutter nicht so lange wei nen braucht!" Karl Weidner lachte wie ein Junge. „So ist's recht, mein Mädelchen, nun weiß ich, daß wir, Mutter und ich, dir doch etwas gelten! Darauf kommt es an, alles andere ist lange nicht so wichtig." Karl Weidner und seine Frau versuchten mit keiner Silbe mehr Gerdas Pläne zu durchkreuzen, sondern sie halfen ihr wirklich nach besten Kräften sie einzuleiten und zur Ausführung zu bringen. Der Kommissionsrat lächelte sogar sehr stolz, als die berühmte Berliner Schauspie lerin, die Gerda geprüft, äußerte: „Ihre Tochter besitzt eine geradezu wunderbare Begabung, Nach diesem Ausspruch begann für Gerda eine Zeit voll Arbeit und zugleich von Schaffensfreude Sie lebte schon voll ständig in Berlin, wohin auch die Eltern ihretwegen übersiedeln wollten. Die Be wirtschaftung von Ulmenhof sollte vorläufig in die Hände des Inspektors Koßmann ge legt werden, dessen Zuverlässigkeit über jedem Zweifel stand. Aber ehe die Weidners Ulmenhof verlie ßen, fuhr der Kommissionsrat noch einmal nach Rottcnkirch hinüber. Die Angelegen heit, die ihn zu dem Grafen führte, war auf eine Unterredung mit Gerda zurückzuleiten, aber das verschwieg Karl Weidner dem Anderen. Erstens, weil es, Gerda wünschte, und zweitens: Es gibt Dinge, die man wirklich nicht beim rechten Namen nennen darf. Der Graf empfing den kleinen Herrn liebenswürdig und doch mit einer gewissen Zurückhaltung, ihm wäre es am liebsten gewesen, zunächst nicht zu deutlich an die kurze Zeit seines Sommerglücks erinnert zu werden, denn noch dachte er mit unruhvollen Sinnen an das Mädchen mit dem Haar wie Rotgoldfäden und den Augen wie dunkle Topase. Der Kommissionsrat ggb sich freundlich und glatt und mühte sich, die Sache, um deren willen er gekommen, rasch abzuwik- kein. Er ersparte sich sogar die Vorrede. „Meine Tochter hält sich, um ihre Thea terstudien zu machen, in Berlin auf," be- aann er, „meine Frau und ich ziehen, weil wir natürlich mit ihr zusammen wohnen möchten, auch nach der Hauptstadt. Das Gut ist in den Händen Inspektor Koß manns gut aufgehoben, nur durch die ver wünschte Tongrube erwachsen mir Schwie rigkeiten. Sie selbst, Herr Graf, rieten, meine Frau und ich sollten Gerda zu ver stehen suchen, nun, seit uns eine erste Künst lerin erklärt, was in ihr steckt, verstehen wir sie." Er wiegte den Kopf. „Ich möchte aber nicht durch die Tongrube, an deren Ausnutzung nun richtig rangegangen wer den muß, hier gewissermaßen festgelegt sein — deshalb kurz heraus, Herr Graf, ich komme zu Ihnen, mit der Bitte mir die Last abzunehmen." Er sprach immer schnel ler. „Ich meine, ich wäre Ihnen außer- ordentlich verpflichtet, wenn Sie den Schwedenkreuzacker wieder Ihrem Besitze zufügen möchten. " Henning Nottenkirch zuckte die Achseln. „Das ist doch nicht Ihr Ernst. Man sagt, der Acker berge ein Vermögen an fei nem Ton." »Ja, ja, ja, mag sein," erfolgte die Ant- Wort, „ist mir aber völlig schnuppe. Sehen Sie, Herr Graf, Geld habe ich schließlich genug, und da sich nun mit meiner Tochter alles anders gefügt als ich erwartete, habe ich keine rechte Freude an den Dingen, die mit Ulmenhof zusammenhängen. Nehmen Sie Ihren Schwedenkreuzacker und geben Sie mir meine zwanzigtausend Mark dafür, dann sind wir einig." Er rückte unruhig auf seineni Stuhle. „Unter uns, Herr Graf, die Sache mit dem unvermuteten Tonfund war mir gleich peinlich. Hätte ich von dem Ton was ge ahnt, wäre ich nie in Sie gedrungen, mir den Acker zu verkaufen. Ich habe beinahe Gewissensbisse, mich da an etwas zu be reichern, was moralisch Ihnen und Ihrem Sohne zusteht. Wenn Sie sich über mein Angebot nicht schlüssig werden können, dann denken Sie an Ihren Sohn, den Sie schä digen, wenn Sie es ausschlagen. Sprechen Sie mit der Baronesse und tun Sie, — indem Sie meinen Wunsch erfüllen, — sich und mir einen Gefallen." Der Graf stand wie benommen. Das An- gebot bedeutete Reichtum, wenigstens für seine Begriffe, und zur rechten Zeit hatte ihn Karl Weidner an Ewald erinnert. Sei nem Jungen einst einen stolzen großen Be sitz hinterlassen zu können, das war doch von je fein Traum gewesen. Er nahm die Worte des Kommissionsrats auf, wie sie gesprochen waren und suchte keinen weiteren Sinn dahinter. Dem Kommissionsrat bedeutete das Tonlager unter den jetzigen Verhältnissen eine Last, ihm dagegen Reichtum und er sprießliche Arbeit. „Ich will mit meiner Schwägerin zu Rate gehen," versprach er, „morgen bringe ich Ihnen Nachricht." Elma lachte zufrieden, als sie von dem Angebot hörte. „Mit beiden Händen mußt du zugreisen/ Henning, schon um Ewalds willen." Um Ewalds willen! — Das gab den Ausschlag, und so fiel der Schwedenkreuzacker dann wieder an Rotten kirch zurück. Gerda dankte dem Vater herzlich. „Hast dich brav bezwungen, Vater, oder vielmehr den Geschäftsmann in dir bezwun gen — nun erst ist unser Gewissen frei." — Im ganzen Kreise fand man die Hand lungsweise des Kommissionsrates sehr vor nehm und sogar der Klatsch über die Ent lobung mußte davor beiseite treten. Neue Aufregung gab es erst wieder, da sich Henning und die blonde Elma zuein- anderfanden? Es geschah ganz Plötzlich und eigentlich nur durchs einen unbehüteten Blick, mit dem Elma Henning angesehen. Einen Blick, der ihm die lange treue Liebe verriet, die ihm der Mund so tapfer ver schwiegen. „Willst du es mit mir wagen, Elma," hatte Henning die Schwägerin gefragt, „und wird es dich nie stören, wenn meine Gedanken zuweilen heimwehkrank zu jenem schönen Mädchen wandern, das ihre Be- gabung und ihren Ehrgeiz höher als die Liebe stellte? — Manchmal grübele ich allerdings darüber nach, ob mich überhaupt Liebe an Gerda Weidner fesselte, oder ob es nur ihre bezaubernde Schönheit war," schloß er sinnend. . Elma sah den Mann offen und groß an. „Dasselbe habe ich auch schon gedacht, Henning. Eins aber weiß ich, Gerda Weid ner hat dich geliebt und es ist ebenso stark von ihr, daß sie ihrer Sehnsucht und Büh- nenneigung folgte, wie es stark war, daß sie eingestand, doch nicht die rechte Lebens- gefährtin für dich zu sein." Zwei Jahre waren seither vergangen. Hennings Ehe mit Elma hatte sich sehr glücklich gestaltet, so glücklich, wie seine erste Ehe mit ihrer Schwester, der zarten Rose. Am Schwedenkreuzacker erhebt sich eine geräumige Fabrik, darin allerlei Geschirr, vom einfachsten bis zum kostspieligsten ver- fertigt wird, denn das Rottenkircher Geschirr hat sich rasch guten Ruf erworben und es zieht einen tüchtigen Goldstrom nach dem Gute, auf dem Ewald einst Herr sein wird. Graf Henning erwirbt bei jeder Gelegenheit neues Gelände, er will Rottenkirch soll wie- der ein so großer Besitz werden, wie er es in Zeiten der Vorväter gewesen. In Berlin aber, an einem der vornehm- sten Theater, spielt „die wunderschönste und begabteste Menschendarstellerin Deutsch lands", wie die Zeitungen Gerda Weidner nennen, so tief, so lebenswahr und innig, daß sich das Publikum bei ihrem Auftreten wie in einer Kirche benimmt. Und ernst und rein, gleich einer Priesterin, faßt die schöne, junge gefeierte Gerda ihre Kunst auf. Eines Abends nahm sich auch Henning, da er gerade in Berlin weilte, einen Platz in dem Theater. Auf diese Weise sah er Gerda nach Jahren wieder. Sah sie droben auf der Bühne und mußte ihrem Spiele mit einer scheuen, an Andacht grenzenden Bewunderung folgen. Die klare, .Weiche, tönende Stimme er. griff ihn, packte, rührte und begeisterte ihn, und zermürbte auch das letzte kleine Vor urteil, das sein Junkerstolz noch bisher gegen den Stand gehegt, dem das Mädchen, das einmal seine Braut gewesen, nun ange. hörte. Er erkannte und begriff: Gerda war eine Gottbegnadete, eine Be. rufene, und die Krone des Ruhmes, nach der sie aus einem innigheiligen! Gefühl ge griffen, diese aus Lorbeer und Dornen ge flochtene Krone, war wertvoller als die neunzackige Krone, die er ihr einmal ge. boten. Udine daß unsere Feldgrauen bei dem Betreten der i griff auf Italien, von den Der Gloaenturm Iwan Welily im Kreml wurde zerstört. Herzen der friaulischen Ebene stehen und daß das früchtbare Land für Italien verloren war, das ungeheure Mengen Weizen, Mats, Reis, Hanf, Hülsenfrüchte, Kattoffeln, Wein und Seide hervorbringt und dessen Rinder. Schaf- und Ziegenzucht außerordentlich be deutend ist. Dazu kommt aber, daß Udine ein wichtiges Industriezentrum ist. Die In- düstrie der Provinz Udine erstreckt sich auf Seiden, Baumwoll-, Papier- und Metallfab rikation, Brauerei, Gerberei und Töpferei. Wie ein Weckruf ging es durch die feind liche und neutrale Welt als der deutsche Hee resbericht verkündete: Udine ist genommen. Wußte doch damit jedermann, daß wir im Stadt zuerst dem Stand- s > bild der Friedensgöt tin und einem Stand bild der Gerechtigkeit be gegneten. Die Stadt zer fällt in die innere und d e Aeutzere, die durch Gräben! und Mauern getrennt sind. Der Palast der Stadt (s. unteres Bilds ist wegen seiner 'Gemälde weltbe rühmt. 1457 im Stil des venezianischen Dogenpala stes aufgebaut, fiel er 1876 einem Brande zum Opfer, wurde aber wieder hsrge- stellt. In Udine, (das üb rigens den Ton auf der ersten Silbe hat) findet sich ein merkwürdiges Gemisch von klassischem Altertumi und modernem italienischen! Verfall (s. oberes Bild rechts). Im Altertum! Utina oder Utinum ge- ' nannt, wurde es etwa ums Jahr 1000 angelegt und! zwar in Form eines Ka stells, das die Herrschaft Über Friaul sichern sollte. Das damalige Kastell be fand sich an derselben Stelle, auf der heute der Campo santo, einer der schönsten Friedhöfe Euro- pas liegt. 1420 kam es an Venedig, 1814 an Oester, reich. Es war die erste Stadt, die 1848 nach dem Aufstand in Venedig von Oesterreich abfiel und durch schmählichen Verrat die Be satzung zum Abzug zwang, genau 4 Wochen später unterwarf es sich wieder, 1866 fiel es mit Venedig an Italien. Und nun hat es die ausgleichende Ge ¬ rechtigkeit der Weltgeschichte Ein seltsamer Witz der Weltgeschichte will es, ) gefügt, daß es beim An- Zm eroberten Udine: Auf der Piazza Palmanova vor ver Porta Aqnilcja. deutsch-österreichischMNgattschen Truppen erobert wurde. Wieder einmal spielte sich in der friaulischen Ebene, wie schon sooft, ein Stück Weltgeschichteckb. Niemals aber hat es sich um so weltgeschichtliche Ereignisse wie letzt gehandelt. Wie einst in grauer Vorzeit die Zimpern und Teutonen über die Alpen in die oberitalienische Ebene einfielen, irrster den sieggewohnten Heeren des Südens Furcht und Sch ecken verbreiteten, so sind auch jetzt durch Schnee und Eis über Grat und Gipfel die Deutschen gekommen, um schmählichen Ver- ia, m ächm. Während aber damals) der Einfall der Nordvölker nur örtliche Bedeutung hatte, ist der An griff auf Friaul im Jahre 1917 mit die Grundlage einer weltgeschichtlichen Entscheidung geworden- Bei Udine ward Italien geschlagen. Tas Schloß der von den verbündeten Truppe» p r 14. Armee genommenen italienischen Provmzhauptstaln rwme. M «- kv kv kv kv kv kv kv kv kv kv kv kv 0! kV kv kv kV kv kv kv !v kv kv kv kv. kv kv kv kv kv. kv -v kv kv kv kV kv kv kv kv 'N kv kv kv k» -» kv kv kv kv kv Ä r kv <» kv kv kv kv kv kv kv ke -v w kv kv kv kv -v kv kv