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Wilsdruffer Tageblatt : 27.02.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-02-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191802270
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19180227
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19180227
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-02
- Tag 1918-02-27
-
Monat
1918-02
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.02.1918
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Kaiser Wilhelm anKapitä« Nerger. Der Kaiser hat aus Anlab der Rückkehr S. M. HilfS- kreuzers »Wolf* an den Kommandanten Fregattenkapitän Nerger folgendes Telegramm gerichtet: »Ich heiße Sie und Ihre tapfere Besatzung nach langer erfolgreicher Kreuzfahrt durch alle Ozeane herzlich will kommen in der Heimat. Indem Ich Ihnen hiermit den Orden Lour le möttts verleihe, lasse Ich für den Stab und die Besatzung des Hilfskreuzers eine Anzahl Eiserner Kreuze 1. und 2. Klasse folgen. Ihnen allen wünsche Ich frohes Wiedersehen mit den Ihrigen und gute Erholung nach langen Entbehrungen und Anstrengungen.* In der gesamten Presse wird die Fahrt des Hilfs kreuzers »Wolf*, der mit 400 Gefangenen und mit M ^nen-Beute nach 15 monatiger Kreuzfahrt im Atlantt- ich.u. Stillen und Indischen Ozean glücklich heimgekehrt ist. als eine Heldentat, würdig der groben Leistungen unserer Marine gepriesen. Thronwechsel in Mecktenburg-Gtrelih. drittes Kind des in Berlin am Großherzog Friedrich Franz IV von Mecklenburg-Schwerin Neustrelitz, 25. Februar. Die Nachricht von dem unerwarteten Tode des Groß- Herzogs Adolf Friedrich Vl. von Mecklenburg-Strelitz hat " as ganze Land in tiefe Trauer versetzt, und ganz Deutsch ¬ land würdigt den Schmerz der Landeskinder um den so früh Heimgegangenen. Die Trauer und das Mitgefühl werden noch verstärkt durch die Tragik, die über das Ende des Ent schlafenen gebreitet liegt. Groß- Herzog Adolf Friedrich war am 23. nachmittags spazieren gegangen. Als der hohe Herr bis zum Abend nicht zurück gekehrt war, bemächtigte sich, der Dienerschaft große Un-; ruhe. Man machte sich auf die Suche, die die ganze Nacht ergebnislos blieb. Erst am Sonntag vormittag wurde mit Hilfe des herbeigerufenen Militärs die Leiche des Groß verstorbene wurde ins Parkhaus gebracht, das er sich als Irbgroßherzog gebaut hatte und das er auch jetzt bewohnte. Weitere Anordnungen sollen heute im Laufe des Tages getroffen werden, da man auf die Rückkehr Les Grob-, Herzogs von Mecklenburg-Schwerin aus Gmunden wartete. Großherzog Adolf Friedrich VI. war am 17. Juni Herzogs im Kammer-Kanal, rine Stunde vom großherzoglichen Palast entfernt, mit einer Schußwunde in der Schläfe aufgefunden. Der bleiben, wie der Entschlafene jede Gelegenheit wahrnahm, um getreu seiner Proklamation bei Regierungsantritt, treu zu Kaiser und Reich zu halten, seine Liebe zum deutschen Vaterlande zu betätigen. , In den letzten Tagen hatte seine Umgebung au dem Großherzog eine tiefe Schwermut bemerkt, die alle mit ernster Sorge erfüllte, zumal er sich völlig abschloß. Auf Lem Schreibtisch des Verstorbenen wurden mehrere ver siegelte Briefe gefunden, die vielleicht Aufschluß über daS tragische Ende des jungen Monarchen geben werden. Der Großherzog war unvermählt, von seinen beiden Schwestern 1882 zu Neustrelitz als 11. Juni 1914 verstor benen Großhsrzogs Adolf Friedrich ge boren, er hat also nur ein Alter von nicht ganz 36 Jahren erreicht. Nach dem er in München studiert hatte, widmete er sich dem Heeresdienst» und trat 1903 als Leut nant bei dem 1. Garde- Ulanen - Regiment in Potsdam ein, aus dem er als Rittmeister 1912 ausschied. Kürzlich ist er zum Generalmajor befördert worden. Der Großherzog, der häufir seine Truppe an der Front besuchte, war In haber der Eisernen Kreuze 1. und 2. Klaffe. In deutschen Landen wird es unvergessen Großherzog Adolf Friedrich VI. von Mecklenburg-Strelitz h IN die ältere, Herzogin Marie, die Gattin des Prinzen Julius Ernst zur Lippe, während die jüngere den Kron prinzen Danilo von Montenegro geheiratet hat. Das Haus Mecklenburg-Strelitz ist mit dem Tode des Groß- Herzogs Adolf Friedrich Vl. im erbfolgeberechtigten Mannes stamm erloschen, denn von den Brüdern seines Großvaters hat Herzog Karl Michael vor vier Jahren die Aufnahme in dxn russischen Staatsoerband nachgesucht, er ist außer dem unverheiratet, Herzog Alexander, der 1909 starb, war nur morganatisch vermählt, seine Nachkommenschaft kommt also für die Erbfolge nicht in Frage. Die Regierung des Strelitzer Landes geht nunmehr auf den Großherzog Friedrich Franz IV. von Mecklenburg-Schwerin über, da nach dem Hamburger Vertrage im Falle des Erlöschens des Mannesstammes des einen der beiden großberzog- lichen Häuser der Erstgeborene des anderen Hauses thron- berechtigt ist. Antwort an Präsident Wilson. Graf Hertling im Reichstag. (182. Sitzung.) 6L. Berlin. 25. Februar. Die Sitzung begann mit einer kleinen Sensation. 3'/t Uhr und darüber ist es, das Haus ist dicht besetzt, ebenso der Ministertisch, an deren Spitze der Kanzler und sein Vertreter, aber — der Präsident fehlt. Atemlos erscheint mit einer Verspätung von 20 Minuten Vize präsident Dr. Paasche und leitet sofort die Sitzung ein mit einem Nachruf auf den Großherzog von Mecklen burg-Strelitz, wobei er sich verspricht und vom Groß herzog von Mecklenburg-Schwerin spricht. Ein Wort des Gedenkens für den 70jährigen König von Württem berg und eine warmherzige Anerkennung für die tapferen Führer des Hilfskreuzers „Wolf* — noch einige geschäfts ordnungsmäßige Mitteilungen und der Reichskanzler nimmt das Wort. Das hohe Haus hat berechtigten Anspruch darauf, im Ausschuß und hier über die außenpolitische Lage und die von der Reichsleitung dazu eingenommene Stellung unterrichtet zu werden, obwohl ich anderseits gewisse Zweifel an dem Nutzen und Erfolg der von Len Ministern und Staatsmännern der kriegführenden Mächte vor der Öffentlichkeit gehaltenen Zwiegespräche habe. Ich kann nicht finden, daß die Watte, die ich bisher zweimal hier gesprochen habe, im feindlichen Aus land eine objektive Würdigung gefunden Hütten. Eine Be sprechung im engeren Kreise würde den Vorteil haben, daß über alle die Einzelheiten, die bei der Lösung großer Konflikte zur Sprache kommen müssen, viel leichter eine Verständigung erzielt werden könnte. Dabei denke ich ganz besonders an Belgien. Zu wiederholtenmalen ist von dieser Stelle aus erklärt worden, daß wir nicht daran denken, Belgien zu Lehalten. Daß wir aber gegen die Gefahr geschützt sein muffen, daß der Staat, mit dem wir nach dem Kriege in Frieden und Freundschaft leben wollen, nicht zum Aufmarschgebiet feindlicher Machen schaften dienen wird. Die Mittel und Wege, die zu einer solchen Lösung führen würden, würden zweifellos am besten in einer engeren Gemeinschaft besprochen werden. Wenn also oon der Gegenseite, etwa von der Regierung in Le Havre eine dahingehende Anregung kommen sollte, so würden wir uns nicht von vornherein ablehnend verhalten. Wenn ich mich nun sogleich zu der Botschaft des Präsidenten Wilson vom 11. d. Mts. wende, so gebe ich zu, daß man vielleicht in dieser Botschaft eine kleine Annäherung finden kann. In Lieser Annahme will ich mich sofort zu den vier Sätzen wenden, in denen die Ausführungen des Präsidenten Wilson gipfeln, und oon denen er annimmt, daß sie die Grundlagen des allge meinen Friedens bilden könnten. Der Reichskanzler verliest den ersten Satz, der bekanntlich lautet: daß jeder Teil einer endgültigen Vereinbarung im wesentlichen auf der Gerechtigkeit in dem bestimmten Falle und auf einem solchen Ausgleich aufgebaut sein muß, von dem es am wahrscheinlichsten ist, daß er einen Frieden, der dauernd ist, herbeiführen wird; und fügt hinzu: Wer wollte dem widersprechen? Der Satz, den Ler große Kirchenvater Augustinus vor eineinhalb Jahr tausenden ausgesprochen hat, „Gerechtigkeit ist die_Grundlage der Königreiche", gilt noch heule, denn nur oer miede wird Bestand haben, der in allen seinen Teilen von den Grund sätzen der Gerechtigkeit getragen wird. Der Reichskanzler verliest hier den zweiten Satz der Wilsonschen Botschaft, welcher lautet: daß Völker und Provinzen nicht von einer Staatsoberhoheit in eine andere herumgeschoben werden, als ob es sich ledig lich um Gegenstände oder Steine in einem Spiel handelt, wenn auch in dem groben Spiel des Gleichgewichts der Kräfte, das nun für alle Zeiten diskreditiert ist. Der Kanzler fügte hinzu: Das ist ein Sah, dem man zu- Mmmen könnte. Man muß sich eigentlich wundern, daß der Präsident für nötig befunden hat, diesen Satz besonder? ein- mschärfen. Er lautet fast wie eine Polemik gegen längst ver schwundene Zustände und Anschauungen. Der dritte Satz, Ser lautet, daß jede Lösung einer Gebietsfrage, die durch diesen Krieg aufgeworfen wurde, im Interesse und zugunsten der be ttoffenen Bevölkerungen und nicht als Teil eines bloßen Ausgleichs oder Kompromisses der Ansprüche rivalisierender Staaten getroffen werden muß; ist doch nur eine weitere Ausführung des zuvor erwähnten Satzes. Er kann also in die dazu erteilte Zustimmung mit ringeschloffen werden. Endlich der vierte Satz, der da heißt, daß alle klar umschriebenen nationalen Ansprüche die weitgehendste Befriedigung finden sollen, die ihnen zuteil werden kann, ohne neue oder die Verewigung alter Elemente von Zwist und Gegnerschaft, die Len Frieden Europas und somit der ganzen Welt wahrscheinlich bald wieder störe« würden, aufzunehmen. Ein allgemeiner Friede auf solcher Grundlage errichtet, kann erörtert werden. Auch diesem Satze stimme ich grundsätzlich zu. Ich erkläre also mit dem Präsidenten Wilson, daß ich einverstanden bin, daß die von ihm aufgestellten Sätze di« Grundlage einer Vereinbarung über den Weltfrieden bilde» können. (Lebhafter Beifall.) Nur ein Vorbehalt wäre zu machen: Diese Grundsätze nutzten von allen Staaten und Nationen tatsächlich ange- rammen sein. (Sehr richtig.) Der Reichskanzler streifte hier den öeüanken eines Völkerbundes, Er auf Gerechtigkeit und Wahrung des Friedens gestützt sei md bemerkte, daß er sich glücklich fühlen würde zu der Herbei- ührung eines solchen Jdealzustandes beitragen zu können, illlein die Haltung unserer Gegner zeige, daß dieses Ideal wrläufia ein frommer Wunsch bleiben werde. Unsere Kriegs iele find bekanntlich von Anfang an die Verteidigung des Vaterlandes gewesen. Ich betone dies mit besonderem Nach- Mck, um etwaige Mißverständnisse, bzw. unserer militärischen Operationen im Osten u beseitigen. Unser Vorgehen in der Ukraine war bestimmt, »he Früchte des Friedens mit diesem Lande zu sichern. Ich betone ferner, daß wir gar nicht daran denke», «mS kn Livland oder Estland festzusetzen. Was wir wünsche«, ist unr, mit den dort sich entwickelnden unabhängige» Ltaatsgcbilden in Frieden und Freundschaft zu leben. « Der Reichskanzler teilt mit, daWie russischen Delegierten bi? ceits nach Brest-Litowsk abgereist seien, nachdem die Peters burger Regierung im Prinzip unsere Friedensbedingungen an genommen hatte. Unsere Delegierten sind ebenfalls nach Brest- Litowsk abgereist. Nachdem dann der Reichskanzler noch die rumänische un polnische Frage gestreift hatte, schloß er diesen Abschnitt seine» Rede mit den Worten: „Sie werden aus meinen Darlegungen entnommen haben, daß wir jetzt vor der Aussicht stehen, daß auf de» ganzen Ostfront von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer Frieden herrschen wird." Nachdem der Reichskanzler Graf v. Hertling seine Aus führungen geschloffen hatte, sah das Haus mit großem Inter--, esse dem ersten Auftreten des neuen Vizekanzlers entgegen. Vizekanzler v. Payer Vizekanzler v. Paper wendet sich gegen die äußerste Linkt wie gegen die äußerste Rechte. Lauter und lebhafter Wider spruch wurde darum auf diesen beiden Seiten des Hauses laut Unter großer Kreovung wurde die Sitzung auf morgen vertaal. Im letzten Abschnitt seiner Rede matt der Reichskanzler die Frage auf. ob zu hoffen sei. dab au« dem Frieden im Osten der allgemeine Weltfitede sich entwickeln könnte. Et glaubte, diese Frage verneinen zu müssen, und »war aus di« ganze Haltung der Westmächte hin. Freilich verschwieg e» nicht, daß auch au? jenen Reiben Stimmen der Vernunft und Les Friedens zu hören seien. Dazu feien die Reden von Runciman und Lord Milner zu zählen. Mit erhobene» Stimme schloß der Kanzler: Wir können nur wünsche«, daß «diese Stimmen sich mehren. Aber dazu ist es dte höchste Zeit. Denn di« Well steht zurzeit vor den größten, schicksalsschwerste« Ent scheidungen. Entweder dte Feinde entschließe« sich, de» Stimme der Menschlichkeit und Vernunft Gehör zu geben und Frieden zu machen — unter welchen Bedingungen wir zur Verständigung bereit sei« würden, wissen sie — »der sie meinen, de« verbrecherische« Wahnwitz deS ErnderungS- kriegrs noch fortsetzen z» muffen. Dann werden unsere herrliche» Truppe« unter ihre« genialen Führer« weite« kämpfen. Aber das Blut der Gefallenen, die Qual de» Verstümmelten und all daS Seid und die Not der Völker — sie werden über die Häupter derer komme«, die der Stimm« der Menschlichkeit Lis zum letzten Augenblick widerstanden haben." (Lebhafter Beifall auf allen Seiten, Händeklatschen, auch'auf'den Tribünen). Vizekanzler von Payer stellt sich zunächst dem Hause, dem, er 36 Jahre als Abgeordneter angehört hat, in seinem neuen, Amte vor,.Er geht dann auf den Streik ein, der so sinnlos O äa mein Veullckianä! Roman aus großer Zeit von Elsberh Borchart. 56s Da wurde Lie Lür geöffnet und der Oberarzt hat ein, am seinen gewohnten Rundgang zu machen. Heinz folgte ihm mit den Augen, wie er von Bett zu Bett ging, der große, schlanke Mann mit den ernsten Gesichtszügen und dem wohltuend gütigen Wesen. Jetzt trat er zu Heinz und begrüßte ihn mit einem freundlichen Lächeln. „Nun, Herr Seeburg — wir haben ja schon ganz klare Augen — nun schaffen wir es — bald sind Sie wieder heil und gesund", sagte er tröstend. Heinz lächelte matt. Mut und Energie fehlten ihm einstweilen noch. „Wissen Sie auch, daß ich vor Monaten hier Ihren schwerverwundeten Vater behandelte?* fragte der Arzt jetzt, um ihn etwas zu ermuntern. In Heinz' Augen trat ein matter Glanz. „Meinen Vater kennen Sie, Herr Doktor?* „Und ab ich ihn kennet Auch Ihre Tante Irmgard, die hierberiam, ihren Bruder zu pflegen", setzte er mit seicht bebender Stimme hinzu. „O bitte, erzählen Sie mir!" bat Heinz jetzt mit er wachendem Interesse. Doktor van der Grooten berichtete mit wenigen Worten von Ler Lamaligen Krankheit seines Vaters; er ,mte cmmit erreicht, was er bezweckte: Heinz' Lebens geister begannen sich frisch zu regen, und ohne daß er selbst wußte, .wie es geschah, hatte er dem Doktor, zu dem ihn ein rätselhaftes Vertrauen zog, seine Geschichte erzählt, die so packend und ergreifend in ihrer Tragik und ihren Konflikten mit dem endgültigen AuSgang war, daß mich der Doktor sich ihrem Eindruck nicht verschließen konnte. Er drückte seinem jungen Patienten bewegt die Hand: „Ich verstehe Sie", sagte er einfach, „und wenn ich als Belgier auch schmerzlich Ihren Übertritt beklage, so erscheint er mir doch natürlich und gerechtfertigt." Und plötzlich huschte ein wehmütiges, träumerisches Lächeln, über seine Züge. — „Was Sie mir da von der deutschen Frau uns Ihrer Sehnsucht nach ihr erzählen — das ist mir ebenfalls begreiflich. Auch ich kannte eine deutsche Frau, die mir teuer war. Der Krieg zerriß die kaum geknüpften Bande, und ich weih nicht, ob sie sich je wieder vereinen lassen werden. Aber Sie sollen zu Ihrer deutschen Frau nach Berlin, sobald Sie irgend transportfähig sind und damit Sie es bald sind, müssen Sie jetzt wieder ruhen und schlafen." Damit ging der Arzt hinaus, und Heinz versank in ein halbwaches Träumen. Er fühlte keinen Schmerz mehr, nur eine wohlige Schwäche, und seine Seele beschäftigte sich mit lichten Bildern. Ob Minuten oder Stunden seit dem letzten Besuch des Doktors vergangen waren, wußte er nicht. Er hörte plötzlich wieder dessen Stimme dicht an seinem Bett: „H^rr Seeburg — Sie erhalten Besuch." Zwischen Wachen und Träumen schwebend, öffnete Heinz halb die Augenlider. Plötzlich tat er einen Freudenschrei: „Mutter!" Im nächsten Augenblick hatte sich die vornehme Dame« über ihn gebeugt und ihn geküßt: „Ich komme, meinen Heinz heimzuholen, damit ich ihn wieder gesund pflegen kann." Erst als er ihre Stimme Hötte, wußte er, daß es Wirklichkeit und kein Traumbild war, und außer Fassung vor Freude, konnte er nur immer wieder ihre Hand küssen und ein einziges beglücktes Wort stammeln: „Mutter!" Er fühlte sich so wunschlos glücklich, daß er nichts anderes empfand als die Nähe der verehrten und geliebten Frau. Herta von Waldegg aber berichtete jetzt in kürzen Worten, wie sie hierhergekommen war, und daß sie in seines Vaters ehemaligem Hotel logiere, dort gut auf gehoben wäre und auch genügend Verbindungen und Empfehlungen an das Generalgouvernement habe, fo daß es ihr an Schutz nicht fehle und sie sich für einige Zeit hier ruhig anshalten könne, bis Heinz soweit sei, daß sie ihn nach Berlin mitnehmen könne. Zum Schluß brachte sie ihm die Grüße Sieglindes. Hochbeglückt hatte Heinz das alles vernommen uns fand zuletzt nur den Ausruf: „Wenn dock der Pater aucki hierher käme — wie würde er sich mit mir über dein Hiersein freuen!" Herta beugte sich über ihn, um ihr tiefes Erröten zu verbergen, und streichelte feine Wange: „Meinst du, Heinz?" fragte sie schelmisch. Da sprudelte Heinz über von Worten und Beweisen, die seines Vaters Verehrung Mr sie kundtun sollten, und er vergaß in diesem Augenblick ganz seine eigene Mutter, die in derselben Stadt mit ihm lebte und die zu sehen er noch nicht einmal begehrt hatte. Der Ritz, der ihm damals, als er zum letzten Male bei ihr weilte. Lurch die Seele gegangen war, klaffte noch zu tief — er hatte sich noch nicht zu ihr zurückfinden können. Aber hier neben ihm saß die Frau, die ihm Mutter geworden war in des Wortes höchster Bedeutung, und ihr galt jetzt sein tiefstes Empfinden. Nach einiger Zeit verabschiedete sich Herta mit dem Versprechen, morgen und alle Tage wiederzukommen, bis er soweit hergestellt war, daß sie ihn mitnehmen konnte. Dann ging sie wohlgemut durch die Straßen Brüssels mit frohbeschwingtem, hoffnungsvollem Herzen. Die schöne, elegante Stadt, die sie vor Jahren an der Seite ihres Gatten auf der Durchreise nach Ostende kennen gelernt hatte, schien ihr unverändert. Auf den Straßen flutete das Leben scheinbar wie einst. Alle Läden waren geöffnet. Nur etwas paßte nicht in das einstige Straßen- bilL: Las waren Lie vielen Feldgrauen, die sich mit den Einheimischen vermischten, und ein gewisses Etwas, das deutsche Ordnung und deutschen Geist atmete. Und gerade das mutete sie fo ungemein wohltuend an« Jeden Feldgrauen musterte sie mit freundlichen Hellen Blicken, ob nicht vielleicht der darunter war, den ihre Seele suchte und herbeisehnte. Und war es ein Fremder, nickte sie ihm zu wie einem alten Brannten. Es waren doch alles deutsche Brüder. Am nächsten Morgen schickte sie sich von neuem an, Heinz im Lazarett aufzusuchen. Sie nahm keine Droschke, sondern wollte lieber zu Fuß gehen, sie hatte ja Zeit genug. (Fortsetzung folgt.)
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