Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 17.01.1918
- Erscheinungsdatum
- 1918-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-191801174
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19180117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19180117
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1918
-
Monat
1918-01
- Tag 1918-01-17
-
Monat
1918-01
-
Jahr
1918
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 17.01.1918
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
land nach den neuesten Nachrichten vorzieht, im Hinblick auf die immer größer werdende Nahrungsmtttelnot Brot getreide, Fleisch und Futtermittel, statt der Truppenhilfe von den Vereinigten Staaten von Amerika zu erhalten. Vie „wunäervoUen pnozent- Mern" cier britischen Admiralität. Immer offener und bitterer üben jetzt in England ein sichtige fachmännische Ureise an den Veröffentlichungen der englischen Marinebehörden Antik und verkünden ihre nur zu sehr berechtigten Zweifel und ihre Besorgnis vor der wachsenden U-Boot-Gefahr aller Welt. 5o führt der be kannte englische Reeder Houston, der dem Parlament als Mitglied der Rechten angehört, in einer Unterredung mit dem Vertreter eines Sonntagsblattes, die im „Journal of Lommerce" vom sO. Dezember (9(7 wiedergegeben ist, u. a. aus. „Dr. Macnamara, der Unterstaatssekretär, erklärt« uns, die Admiralität täte ihr Bestes, um der abscheulichen Gegenwart der U-Boot-Pest zu begegnen, aber ich habe ge wöhnlich gefunden, daß Leut«, welche «inen Irrtum be gangen haben, oder sich eines Blödsinns schuldig gemacht haben, erklären, sie täten ihr Bestes. Meiner Ansicht nach ist dies immer ein Zeichen der Unfähigkeit. Wenn man sieht, daß innerhalb von H8 Stunden rin anderer Dampfer genau an derselben Stell«, an der die „Apara" versenkt wurde, torpediert worden ist, so scheint es doch, daß man mit dem U-Boot nicht fertig geworden oder noch ein zweites U-Boot an dieser Stelle tätig gewesen ist. Aber nach den Angaben einiger Regierungssachverständiger liegt gar kein Grund zur Beunruhigung vor. Sie fürchten sich nicht vor den feindlichen U-Booten, da sie dieselben zu meistern verstehen. Wir haben - einen „Uebelfluß an Schiffsraum" und können ihn mit jedem anderen teilen. ZMelben „Narren" sprechen leichtfertig von 20 Millionen Tonnen Schiffsraum zur Fahrt über See, den wir bei Ariegsbeginn gehabt haben sollen und den wir nie mals befaßen. Sie sprechen von Nettoverlusten, pro zentualen Verlusten, prozentualem Bau usw., von diesen wundervollen Prozentziffern. Aber unglücklicherweise teilen sie uns niemals die absoluten Ziffern mit und auch nie die absolute Wahrheit, weil diese, wie ich fürchte, dem Feinde Informationen geben würde." sh Tage später wies Houston in einer Auslassung in der „Sundav Times" nach, daß Sir Leo Money in einem Brief tzie Tonnenzahl der-bis jetzt gebauten Linheitsschiffe am ((000 zu hoch veranschlagt hätte, indem er aus dem Rauminhalt d«r bis jetzt gebauten 7 Schiffe H7 000 anstatt, 3S000 herausrechnete. Bekanntlich find von diesen viel- gerühmten Schiffen bereits 2 versenkt, und man versteht die Bitterkeit, mit der Houston sagt: „Der ganze ungeheure Berg von Arbeit hat also nur 7 Mäuslein geboren." » vergleicht man mit vorstehenden Auslastungen die Parlamentsberichte der letzten Zeit, in denen die Anfragen der Abgeordneten über die Frage der U-Boot-Abwehr und Versenkungen einen immer breiteren Raum einnehmen, und hält man sich die plötzliche Entlastung des Admirals Iel- licae vor Augen, so kann man mit diesen unbestreitbaren Wirkungen unseres U-Boot-Arieges durchaus zufrieden sein. Das steigende Mißtrauen des englischen Volkes gegen die amtlichen Zahlen und Veröffentlichungen und wohl auch gegen die englische Arieg- und Wirtschaftsführung zu Lande und zu Wasser läßt sich jetzt anscheinend auch nicht mehr durch di« schönsten Ministerreden beschwichtigen. Helke, was Kelten mag! Mit allen Mitteln sucht man in den feindlichen Län dern den Kriegswillen aufzupeilschen. Nur die Anwendung schärfster giftiger Reizmittel scheint offenbar noch geeignet, die flau gewordene Stimmung künstlich zu beleben. Eine kleine Blütenlese mag zeigen, zu welchen Albernheiten die feindliche Presse greift: l. Die Deutschen schänden Schloßkirchhöfe bei Noyon, richten Gräber als Latrinen ein usw. „La Formation", 15. Dezember. (Bericht Gomez Carillo- 2. Schließung der Wiener Universität infolge von Frie denskundgebungen der Studentenschaft. „Nouvelliste de Lyon", 18. Dezember 1917. 3. Deutschland verletzt die Gefühle der Mohammedaner wo es kann. a) Das Betretungsverbot für Mekka und Medina ist für Deutschland.aufgehoben. b) Türken gezwungen, Briefmarken 'mit Bild des - Sultans einzuführen trotz Verbot des Korans. v) Der deutsche Generalstab hat seine Bureaus in der großen Moschee in Aleppo eingerichtet. „Homme libre", 19. Dezember, „Pays", 18. Dezember 1917. 4. Krupps Werke stehen in Brand, die elektrische Zentrale ist exp'odiert. „Telegraaf", 22. Dezember 1917. 5. Türkische (I) Truppen schänden aus dem Marsche durch Friaul sämtliche Kirchen und stecken sie in Brand. „Jdea Nationale", 16. Dezember 1917. Die Ausgeburten einer durch Angst und Sorge um die nächste Zukunft erhitzten Phantasie unterscheiden sich kaum noch von den Tartarennachrichten zu Beginn des Krieges. Wie sagte doch Hindenburg: „Wer die besseren Nerven hat, gewinnt den Krieg!" Das Frauenwahlrecht im preußischen Abgeordnetenhause. (107. Sitzung.) LL. Berlin, 18. Januar. Nach reichlich bemessenen Weibnachtsferien bat da? Ab geordnetenhaus beute seine Verhandlungen wieder ausge nommen. Die Bänke weisen große Lücken auf, und die Mit glieder des Haufes bringen der Tagesordnung nur wenig Interesse entgegen, unterhalten sich vielmehr schon lange vor Beginn der Sitzung sehr angeregt über die bekannter: Vor gänge der letzten Tage auf dem Gebiete der großen Politik. DaS Stimmengewirr verstummt erst als Präsident Graf Schwerin-Loewitzdemvor einigenTagen verstorbenen lang jährigen Präsidenten Jordan v. Kröcher einen Nachruf von bewuderer Wärme und Herzlichkeit widmet. Dann tritt das Haus in die Erleöfgung seiner Geschäfte ein. Die Ankündi gung. daß an erster Stelle die vorliegenden Anträge auf Erweiterung der kommunalen Rechte der Frau zur Beratung kommen würden, hatte aus dem Kreise der Berliner Frauenwelt einen großen Andrang zu den Tribünen veranlaßt. Die Zuhörerinnen wußten sich aber der un gewohnten Umgebung nur schwer anzupasfen, begleiteten viel mehr die Ausführungen der Redner mit lauten Kundgebungen des Mißfallens oder der Zustimmung. Die Grundlage der Aussprache bildete rin Antrag des Ausschusses, der eine Vorlage verlangt, daß die Frauen mit beschließender Stimme Mitglieder städtischer Deputationen werden sollen, die sich mit Fragen der sozialen Fürsorge und der Wohlfahrtsfrage beschäftigen. Dr.S Zentrum will die Frauen auch zu den Schuldeputationrn binzuziehen, während die Fortschrittler ihnen zu allen städtischen Verwaltungs deputationen den Eintritt ermöglichen wollen. Verbunden wurde die Aussprache mü der Behandlung der Bittschriften des deutschen Bunde» gegen die Frauenem-mzipation, die sich gegen jede Erweiterung der Frauenrechte auch in der städtischen Verwaltung aussprechen. » Den konservativen Standpunkt vertrat der Abg. Graes. Trotz aller Bedenken werden wir für die Ausschußanträge und für den Zemrumsantrag stimmen. Dagegen lehnt der gröbere Teil meiner Fraktion den fortschrittlichen Antrag wegen seiner Folgerung für das politische Frauenstimmrecht ab. Bei der Zulassung der Frauen zu städtischen Deputationen wäre mindestens Vas Gemeindewahlrecht die Folge. Gewiß sind die Frauen jetzt in erhöhtem Maße auf allen Gebieten tätig, aber die Ausnahme einer Kriegszeit darf nicht zur Regel werden. Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.) begründet einen Anttag, die Frauen auch mit beschließender Stimme zu den Echul- kommissionen «uzulassen. Ein Regierung-Vertreter erklärt, daß der Minister bereit sei, die Städteordnung dahin abzuändern, daß die Frauen in die wichtig««» Deputationen als stimmberechtigte Mit- glieder etnirelcn können. Der VolkSoarteiler Dr. Lewin (Schwiegersohn des ver storbenen Frauenlieblings Albert Träger) macht darauf auf- merksam, daß schon 1912 sich der Zentrumsabgeordneie Trim born im Hause für die Teilnahme der Frauen am öffentlichen Leben ausgesprochen habe. Auch der sozialdemokratische Abge ordnete Hirsch-Berlin tritt für die Erweiterung der Frauen- reüue lebhaft ein. Worte des Wohlwollens spendet der nationalltberale Ab geordnete Liepmann den Vorlagen. Der Vertreter der Freikonservativen Dr. v. Woyna verhält sich reserviert, wo gegen sich der zweite konservative Redner, Abgeordneter SeinS. in scharfen Worten ablehnend ausspricht O Liu mein VeutseklanÄ! Roman aus großer Zeit von Elsbeth Borchart. »5j Kaum zwanzig Minuten water ging es wieder hinaus dem Feinde entgegen. Stolz und kraftvoll m Haltung ritt Werner Seeburg seiner Kompagnie voraus. Kein Dtuskel und keine Miene verriet, was er in Sei letzten Stunde erlebt und erlitten batte. Sein Denken und fern Streben gehörten nur der großen Aufgabe, die der Dienst und Krieg an ihn stellte; denn er ahnte, daß letzt erst der große Belagerungskampf beginnen füllte, zu dem die Armee bis dahin nur ihre Vorbereitungen getrosten hatte. « - — * Der Angriff auf Antwerpen hatte in vollem Umfange eingesetzt. Den Vortakt zu der großen Kriegsmusik hatte die Wegnabm« und Besetzung von Mecheln gegeben, und üun ging es unaufhaltsam und siegreich vorwärts. Die schwere Artillerie war herangezogen und das Feuer er öffnet worden. Ganze Geschoßgarben gingen auf die Angriffsfront nieder, und unter dem fürchterlichen Anprall der 42-Zentimeter-Granaten zerbarsten die dicken Panzer türme wie Glas. Die AußenfortS Waelhem, Wavre - St. Catherine, Lermonde, Lierre, Königshoott und die dazwischen liegen den Redouten waren gefallen und zum Schweigen gebracht worden, und mit dem glücklich, aber nach harten blutigen Kämpfen erzwungenen Übergang über die Nethe hatten sich die deutschen Truopew den Jnnenforts und der Bv> jchießung der Stadt selbst sugewandt. Werners Regiment stand auf dem linken Flügel and hatte schwere Kämpfe hinter sich. Er selbst war immer einer der ersten gewesen, durch sein« Uner schrockenheit und Tapferkeit ferne Mannschaften zu gleicher Kraft und Ausdauer ankeuernd und hinreißend. Mit begeistertem „Hurra" stürmten sie vorwärts, dem Feind entgegen, nicht achtend der Kugeln, die ihr« SLofe mnvfiffen. Und rm Kampfgetümmel und Schlachte» donner gingen alle persönlichen Empfindungen unter. Nur ein Gedanke beherrschte sie alle: den Feind schlagen und siegreich in die Tore Antwerpens einztehen, dieses letzte stolze Bollwerk den Belgiern nehmen, die Sieges fahnen dann weiter tragen und allen haßerfüllten Feinden beweisen, daß Deutschland zu groß und stark war. um sich vernichten zu lassen. Der linke Flügel hatte die Aufgabe die Schelde zr überschreiten. Dock waren alle Versuche bisher oergeblick gewesen. Als auch der letzte Versuch mißglückte, wurd, eine andere Taktik Angeschlagen. Heimlich des Nachts von dichtem Nebel geschützt, begaben sich die Truppen an das Ufer in der Näbe von Schönaerde, wo du Pioniere eine Pontonbrücke zu schlagen begonnen hatten Schon am Morgen um 6 Uhr konnten die ersten Truppen Infanterie, von schwerer Artillerie gedeckt, über die Brück« gehen. Unter ihnen befand sich auch Werner mit seine, Kompagnie. Sein Werd, von seinem treuen Burschen ge führt. schritt biüter ihm. Da begannen die Belgier ein mörderisches Feuer Ein Hagel von Geschaffen. Granaten und Schrapnells übersäete die deutsche Pontonbrücke und die darüber Marschierenden. Der höllische Riesenregen wurde immer stärker. Ein Brausen, Heulen und Pfeifen durchzittert« die Luft. Die Geschosse schlugen ins Wasser und lieber eS meterhoch auftpritzen, sie schlugen in die Kähne de, Brücken unter Donnern und Krachen. Wilde Schreckens- und Schmerzensschrei« wurden laut. Tödlich getroster brachen viele zusammen und stürzten in die gurgelnder Fluten der Schelde, die sanft und lind ihre kalten Arm« um sie schlang und sie aus dem Schlachtgebraus hinweg trug in friedliche, selige Gefilde. Werner Seeburg batte glücklich das andere Ufer er reicht. Er stand auf festem Boden und gab mit lauter Stimme seine Befehle. Da erhielt er plötzlich einen harten Schlag an das linke Bein und sogleich daraus einen an den Kopf. Der Helm stog ihm vom Kopf, und vor seinen Augen wurde eS schwarz. Einen Augenblick batte er noch das Gefühl, als sänke er tiefer und tiefer Dann schwanden ihm die Sinne, und lautlos, wie vom Blitz er« schlagen, sank die kräftige Gestalt zur Erd«., Im Herrenhaus — keine Kanzlerrede. L». Berlin, 15. Januar. Auch das Herrenhaus trat heute zu einer ersten Sitzung im neuen Jahre zusammen und bereitete sogleich den Viel- zuvielen, die die Tribünen füllten, eine schwere Enttäuschung. Es war bekanntgeworden, daß der Reichskanzler sich dem Hause vorstellen werde, und man vermutete, er würde zumindest über die innere Politik, ihre Entwicklung und Zukunft sprechen. Die Sitzung begann. Der Prä sident teilte die Tagesordnung mit: Das Wohnungs gesetz, und erteilte dem neuen Herrn Minister präsidenten das Wort. Dieser nahm es auf und — gab es nach wenigen Minuten weiter an die Resiortminister. Graf Hertling stellte sich nämlich in der ihm von S. M. dem Kaiser und König verliehenen Würde vor, empfahl das Wohnungsgesetz dem Wohlwollen des hohen Hauses und schloß nach einigen Sätzen mit dem Bemerken, daß der Herr Handelsminister über alles Nähere zu berichten berufen und bereit sei. , Als aber der Präsident dem Berichterstatter das Wort erteilte, leerten sich die Bänke, lichteten sich die Tribünen. Sibirische Butter. Haben wir Aussichten zur besseren Fettoersorgung? Wenn wir mit dem Osten wieder in regelmäßigen Güterverkehr treten sollten, waS nach dem jetzigen Stand der Dingei ja im Bereich der Möglichkeit steht, wttd wohl die erste Folge eine Erleichterung sein, nach der wir ünS - recht sehr gesehnt haben. Von allen Einschränkungen, die wir unS auferlegen mußten, ist die Fettknappheit eine der fühlbarsten. Nicht nur die gute Speisebutter, sondern auch die zweitklassige Koch- und Backbutter wird zurzeit von unseren Frauen sehr ersehnt. Die wenigsten von ihnen wissen, daß ein gut Teil der Butter, die wir in Deutschland täglich verwendeten, aus dem westlichen Sibirien kam. DaS hat seiuen Grund darin, daß die sibirische Butter im Aussehen und Geschmack höchstens von ganz feinen Kennern herauSgeschmeckt werden konnte, so sehr glich sie der unserigen. Die frühere russische Regierung hat sich in der Tat sehr angelegen sein lasten, die Erzeugung und Lie Ausfuhr der Butter auS Sibirien kräftig zu fördern. ES sind Molkereischulen ein gerichtet worden. Gesetze wurden eingeführt gegen Ver fälschung u. dergl., zweckmäßig hergerichtete Kühlwagen verhinderten das Verderben auf dem immerhin langen Transporte. Für die deutschen Großhändler lag aber kein Anlaß vor, die Verbraucher über die Herkunft der gern gekauften Butter aufzuklären. Im Gegenteil, da daS Wort Sibirien bei unS gerade keinen guten Klang hat, wäre eher davon eine Schädigung deS Absatzes zu be fürchten gewesen. Tas westliche Sibirien ist ein menschenarmes, aber oiehreicheS Land. Man rechnet auf 100 Menschen 70 Pserde und 80 Stück Rindvieh. Daraus ergibt sich, daß an Milch und Milchprodutten Überfluß herrschen muß. Jeder, der einmal auf der sibirischen Bahn gereist ist, war erstaunt über die Menge vorzüglicher Milch, die auf allen Stationen zu billigen Preisen angeboten wurde, wobei zu bedenken, daß auf den Bahnhöfen die Preise immer noch mindestens doppelt so hoch zu erwarten waren, als im Lande selbst.- Für die sibirische Bevölkerung war also die Herstellung von Butter zu Ausfuhrzwecken eigentlich eine Selbst verständlichkeit. Trotzdem ist diese Industrie nicht alt, der Anfang wurd« erst 1895 gemacht. Im Jahre 1910 führte Westsibirien schon 690000 Doppelzentner Butter auS, fast sämtlich über den baltischen Hafen Windau, im Sommer auch über Riga, wenig übet Odessa. Im Jahre 191S bezog Deutschland 300000 Doppelzentner Butter auS Sibirien. Den Löwenanteil an der sibirischen Butter sicherte fich damals England. Auch der kleinere Import in Dänemark kam England zu gute, da die Danen der sibirischen Butter hauptsächlich deshalb bedurften, weil sie ihre eigene hoch wertige dänische Butter sehr vorteilhaft nach England ab setzten. Die winterliche Buttererzeugung aus Sibirien, die natürlich hinter der Sommererzeugung bedeutend zurück stand, siel dagegen fast ausschließlich Deutschland zu, weil dann England zur Genüge mit australischer Butter ver sorgt war. Der Hauptmarkt für die sibirische Butter wurde Hamburg, wohin die Butter von Windau oder Riga und auf schnellen Ostseedampfern in zwei- bis drei-' tägiger Fahrt geliefert werden konnte. Fachleute erklären, daß die Beschaffenheit und Verpackung der sibirischen Butter stets tadellos war; sehr selten einmal gab es Grund zu Beanstandung. DaS Eintreten friedlichen Zustandes mit unserm öst lichen Nachbarn könnte uns also vielleicht daS Leben in Bezug auf eine bessere Versorgung mit Fett wieder an- Lcr zum botanischen Karten führenden Promenade in Brüssel herrschte heute ein außergewöhnlich starker Verkehr. Eine lebhaft bewegte Menschenmenge, wett- städtisches Publikum, elegant gekleidete Frauengestalten, vornehme Männer, dazwischen feiernde Arbeiter, Kinder, halbwüchsige Burschen und Mädchen wogten dort in buntem Durcheinander auf und ab. Alle trugen in ihren Mienen eine gewisse Spannung zur Schau. Jedes vor beifahrende Auto, jeder Soldat, jede vorbeiradelnde Ordonnanz oder vorbeimarschierende Truppenabteilung wurde neugierig gemustert, und wenn ferner Kanonen- ! donner herüberscholl, so zuckte man zusammen und wars fich gegenseitig bedeutsame Blicke zu. Sie alle schienen irgend etwas Besonderes zu erwarten, irgendein Ereignis, die Nachricht von dem Rückzüge der Deutschen aus Ant werpen und ihrer schmählichen Niederlage, ja, sie er warteten den Einzug ihres siegreichen Königs, der sie von den verhaßten Eindringlingen befreien sollte — sie warteten nur auf den Augenblick, nm ihrer Wut wieder freien Ausdruck geben nnd über die Deutschen herfallen zu köunen, wie in den schreckensoollen Tagen des August. Gegen Abend stieg die Aufregung der Bevölkerung. Alles drängte in die Vorstädte, um zuerst die große Nach richt in Empfang zu nehmen und im Triumph weiter ver breiten zu können. Dumpf rollte der Geschützdonner von Antwerpen her. Da zeigten sich Automobile am fernen Horizont — man drängte, man stieß vorwärts, zur Seite, voll fieber hafter Erwartung. Die Autos kamen näher, langsam, vorsichtig; die weiße Fahne des Roten Kreuzes wehte darauf. Transportautos, die die ersten Verwundeten vom Kampfplatz brachten. Mit groben brennenden Augen spähte man hinein. Waren es Belgier oder Deutsche? Deutsche Führer, deutsche Sanitäts beamte saßen darauf. Man hätte gern gefragt, geforscht, wie es draußen vor Antwerpen stände, auf welche Seite sich der Sieg neigte; aber man wagte es nicht. Aus den Mienen dieser Deutschen sprach aber trotz allen Ernstes eine durchaus zufriedene, sichere Stimmung. So sahen nicht Besiegte aus. Wut und Enttäuschung kochten auf; aber noch hoffte man.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)