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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101019024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910101902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910101902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-19
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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BezagL-Preit Ntt u»d «»r,n, durch »»)«» lrtg« uni bixdllrirre S»«I tt-lich tu» Hau« «edrachl: UV ^z m»»arl., L.7ÜMf »l-rtrljthrt. vrt unleru MlUU« u. Lu» «chmrlleüru adardalt: 74 ch , L»S <F tnenellSdrl. Durch »t« Vvftr lanrrdald Lruilchlanb« und drr d»u«tchen Kolonien dierlelithrl. tt.G« mouall. lL» M aullchl, Postbefteüaeld ,>«ru«r i» Belgien, Dänemark, den Danauktaate», Italien, Lurrmdurg, «iederlaude, P«r- weaeu Letlerreich-llngaru, ckuVand, Schwede», Schweig u. Spanieu. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« »eichäj,«Helle de« Blatte« erhältlich. Da« Uewiger D«u,«dl»N «rtcheiui >«at täglich, Sou». ». Aei riag« um morgen«. Vdoiiuemeut-Lnnadmr Lugulluäplatz 8, bei uniereu Lrägern, Filialen. Spediteureu und Liiuahmeftellen. sowie Postämter» und Bnesrrägertt »«a»»l»»rl,»k«»ret« »er Morgen» ««-ad» Iv der il deudautgab« I ch, «edaktton und SrlchäfttLeller Iohannirgasie v. Seruwrechrr! ItE. läSUd, I««X Abend Ausgabe. MMerTagMalt Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Änzclgea-vrcis We Imerake au» teio«, und llmgedu^ di« S^toalien« hl) »« drett» V«ttt»eil» L ch, dt» 74 »u» dritte «Maiua^a« ' M, «dwärt« M «aNami»» i.» Auseratt »», V«4»rdr» n» amtlich«, DM dt» 74 wm drrtt» BeNtiMk» «0 »Bchätman^iqe.i m« P aHoorlchrtkte» au» t» »er Lveudaulaad« >m Prrii« erhöht, «tadail nach turil. BeUaaegrdühr ü ^4 ». Daule»» exkl. Poktgedühr. HettrrieUr» Auikrag, ktaaeu mchl »archt- »eeogen werden. Ittr da« itrschetue» au bevimmrrn läge» und Plä^u wir» lei»« «araatt» üderuomme» LuM^».«n»ahM«> Li^»a«4vi«tz kh h«, lämtlicheo Filialen u. allen Lnnonce» Lkuedttro»«» de« In- -ad LutUulda«. Hauv«-8tlt»le vrrtttii T«rl L»n«ei Ber,»gt. Bugr H»sh»ä^ haudlung, Llchowltiah« Ilü lDelevdon Vk. »tr. «dl«). HaiiUd-Stlialr Qreldeur Serltra,» «. 1 tDetevhou ««Uh Ar. 28S Mittwoch, Len IS. vmoder ISIS. 104. Jahrgang. Die Serrlchaft üer Lomde in Paris. Zn der Pariser Bevölkerung rufen die häufigen Bombenattentate, die sich als eine sehr unangenehme Begleiterscheinung der Streikunruhen bemerkbar machten, große Aufregung hervor. Ein so alltägliches Vorkommnis wie z. B. in Barcelona ist die Entdeckung einer Höllenmaschine an der Seine denn doch noch nicht, so daß man sich die Beunruhigung der Pariser wohl erklären kann. Freilich gab es eine Zeit, wo auch in der französischen Hauptstadt die Bomben werferei keine Seltenheit war. Wir denken dabei an die Tat D a i l l a n t s, der am 9. Dezember 1893 von der Tribüne Les Palais Bourbon in die unter Dupuys Vorsitz versammelte Deputiertenkammer eine Bombe schleuderte. Dann folgte die Explosion einer Höllenmaschine am Eingänge der Made- leine-Kirche, wobei der Täter, der Belgier Pauwels, umkam, ferner das von dem jungen Fanatiker Henry im Caf6 Terminus begangene Bombenattentat sowie mehrere andere in einer Her berge der Rue St. Jacques, dem Restaurant Foyot, beim Palais Luxembourg usw. Eine Reihe von Jahren blieb dann Paris*von solchen Verbrechen ver schont, und in der letzten Zeit hatte nur der Vorgang in der Avenue de la Republique Ende Januar 1905, wo eine Bombe mitten unter eine Gruppe von Poli zisten und Garden geschleudert wurde, böse Folgen, denn mehrere Personen erlitten schwere Verletzungen. Am gleichen Tage hatte die Polizei auch in dem von einem russischen Botschaftssekretär bewohnten Hotel Lang eine Bombe entdeckt und rechtzeitig un schädlich machen können. Man schreibt die jetzt sich wieder häufenden Bombenattentate den Anarchisten zu, die die ohnehin schon durch die Streits hervorgerufene Erregung erhöhen und für ihre Zwecke ausnutzen wollen. Hand in Hand damit gehen die anderen Ausschreitungen, die Akte der Sabotage usw. Aus stände wirken immer in mehr oder minder großem Maße demoralisierend auf die Massen, die Achtung vor dem Gesetze wird gelockert, die Rücksicht auf Eigen tum und Leben der Mitbürger erleidet Abbruch, eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Folgen der Auflehnung gegen die öffentliche Ordnung greift um sich, und leichtfertig wird die eigene Existenz aufs Spiel gesetzt. Das ist der Boden, aus dem die Anar chisten sich für die Verbreitung ihrer Lehren Erfolg versprechen, und in bezug auf die Förderung ihrer Ziele glauben sie diesen dadurch näher zu kommen, daß sie die Bevölkerung durch Attentate in Schrecken versetzen. Dabei brauchen sich diese verbrecherischen Anschläge gar nicht einmal gegen bestimmte, den Anarchisten mißliebige Personen zu richten, die Hauptsache ist vielmehr, Laß Schrecken und Aufregung verbreitet werden, ob auch dabei Menschen, die den Anarchisten völlig gleichgültig sind, ihr Leben einbüßen. N, Die Frau lm Spiegel. Van G. W. Appleton. (Autorisierte Uebersetzung.) „Richt viel", erwiderte ich. „Es ist bloß eine Einzelheit. Ich bin nachgerade solche kleine Ueber- raschungen gewöhnt!" Der Tag verstrich, wie derlei Tage zu verstreichen pflegen. Ich entschloß mich, der Polizei keine Mitteilung über die Ereignisse zu machen. Dem Toten war ja dcch nicht mehr zu helfen. Und schließlich hatte die Polizei in diesem Falle mehr zu tun, als nur einen einzelnen Mörder festzunehmen. Nach dem Mittagessen mietete ich mir in einem Hotel ein Zimmer, wo ich trotz der aufregenden Er eignisse der vergangenen Nacht in einen kräftigen Schlaf verfiel, aus dem ich gerade rechtzeitig erwachte, um noch einen Imbiß zu mir zu nehmen, bevor ich meine Schritte wieder nach St. Johns Wood lenkte. Erst als ich mich gegen 9 Uhr wieder in der Eisinorestraßc einsand, begann mein Herz lauter als gewöhnlich zu schlagen. Ich wollte eben das Eartenpförtchen ausschließrn, als sich mir ein Polizist näherte. „Herr Lart?" fragte er, indem er militärisch grüßte. „Jawohl", antwortete ich. Ich habe vom Inspektor etwas auszurichten. „Nun?" fragte ich, gespannt auf seinen Auftrag. „Zwei Worte nur, Herr Lart: heute nacht." „Gut. Danke. Ich verstehe." Er legte die Hand wieder an den Helm und ent fernte sich. Ich schloß auf, durchschritt den Garten und betrat das Haus. Die Hall war schwach beleuchtet. Ich ging auf mein Zimmer hinauf, und klingelte und klingelte wieder, bis ich es endlich als nutzlos aufgab. Es scheint außer mir keine Seele im Hause zu sein, dachte ich. Ich möchte wißen, ob Marie meinem Rate gefolgt und weggegangen ist. Ich sah mich im Zimmer um, ob ich nicht «in Anzeichen zur Entscheidung dieser Frage finden könnte. Zuletzt fiel mein Blick auf einen Zettel, der auf dem Kaminsims lag. Aha, dachte ich, da haben wir's ja! Das ist von ihr. Was schreibt sie denn? Die französischen Behörden gehen gegen die An stifter der Ausstände und gegen die Anarchistensührer sehr energisch vor. Hoffentlich gelingt es, die ver brecherische Bewegung zu unterdrücken, bevor größeres Unheil angerichtet worden ist. Mellmsns Fahrt mißglückt. Die Mannschaft gerettet. Der Versuch des Amerikaners Wellman, mit dem Lenkballon „America" den Ozean zu überfliegen, ist, wie der Telegraph schon gemeldet hat, voll ständig mißglückt, und die Fachleute, die das waghalsige Unternehmen von vornherein als aus sichtslos bezeichneten, haben recht gehabt. Weit von seiner ursprünglichen Route abgetrieben, wurde der Ballon in seiner höchsten Not von einem Dampfer entdeckt, dem es glücklicherweise gelang, Wellman mit seinen Begleitern zu retten, so daß der ungenügend vorbereiteten Fahrt wenigstens kern Menschenleben zum Opfer gefallen, wenn auch das Fahrzeug ver loren ist. Ueber den Flug des Luftschiffes bis zur Rettung seiner Besatzung liegt folgende Draht nachricht vor: * London, 19. Oktober. (Tel.) Der „Daily Tele graph" empfing kurz vor Mitternacht über New York ein drahtloses Telegramm Wellmans vom Dampfer „Trent" folgenden Inhalts: Nachdem am Sonntag vormittag Nantucket passiert war, ließen wir uns unserer Berechnung nach 140 Meilen in nordöstlicher Richtung mit abgesielltem Motor von der frischen Brise treiben. Unter 42 Grad nördlicher und 67 Grad westlicher Länge drehte der Wind nach Nordwesten und hatte eine Stundengeschwindigkeit von 30 Meilen. Das Luftschiff trieb mit einer Ge schwindigkeit von 25 Meilen. Der Equilibrator, der auf den Wellen lag, zog heftig und erschütterte das Luftschiff, das dadurch in rollende Bewegung kam, die das Schiff vollständig zu zertrümmern drohte. Es war eine schreckliche Nacht, aber die ganze Be satzung blieb ruhig: wir waren zu sehr erschöpft. Einer nach dem andern schlief ein, gefaßt im Ozean wieder zu erwachen. Der Equilibrator zog die „America" hinab und drohte auch das Rettungsboot, unser einziges Rettungsmittel fortzureißen. Wir waren alle einig, daß wir im Schiff bleiben wollten und warfen Gasolin aus, um das Schiff zu erleichtern. Um 3 Uhr morgens wurde der Befehl gegeben, den Motor anzulassen, um Europa oder die Azoren zu erreichen. Der Wind blieb zunächst günstig, schlug aber bald nach Nordost um. Es war unmöglich, mit der verringerten Quantität Gasolin die Azoren zu erreichen. Man beschloß alsch die Hermuda-Jnseln zu erreichen. Wir ließen uns *»«t einer Stunden geschwindigkeit von etwa 15 Meilen nach Südwest treiben und bewahrten Motor und Gondeln für den Endkampf auf. Wir waren entschloßen, das Schiff so lange wie möglich zu halten. Am Montagabend warfen wir wieder Gasolin und einen Teil der be schädigten Maschinen über Bord, um in der Luft bieiben zu können. Während der kalten Nacht sahen wir ein. daß es unmöglich war, uns noch eine Nacht in der Luft zu halten. Sus üen Keickstagskommillianen. Di« Strafprozeßkommisfion trat am Dienstag nach längerer Pause in die zweite Lesung der Justizgesetze ein und zwar zunächst der Novelle zum Eerichtsverfassungsgcjetze. Zum § 2 des geltenden Gesetzes, Len die Novelle nicht ändert, beantragen die Sozialdemokraten, wie schon in der ersten Lesung die Aufnahme elner Be stimmung, wonach die Zulassung zum Vorbereitungs dienst nicht von der politischen oder konfessionellen Gesinnung oder Betätigung des sich Meldenden ab hängig gemacht werden darf. Nach einem weiteren Antrag soll die Entfernung aus dem Vorbereitungs dienst nur auf Grund eines Disziplinargejetzes er folgen dürfen. Beide Anträge werden abgelehnt. Weiter lag der Antrag vor, unter Aufhebung der Disziplinargesetze der Einzelstaaten für richterliche Beamte die Richter für die Enthebung von ihrem Amte und Versetzung in üen Ruhestand den Mit gliedern des Reichsgerichts gleichzusiellen. Auch dieser Antrag fand wie schon in der ersten Lesung nicht die Mehrheit, ebensowenig ein jetzt neu gestellter Eventualantrag, der den Erlaß eines gleichzeitig mit der Novelle zum Gerichlsverfassungsge,etz zu erlassen den Neichsdisziplinargesetzes sür Richter sordert. Die Sozialdemokraten hatten ferner ihre Anträge aus der ersten Lesung wiederholt, die darauf hinzielen, die unabhängige Stellung der Richter weiter auszu gestalten. Der Hauptantrag: „Zum Richter darf mchl ernannt werden, wer länger als fünf Jahre em Verwaltungsamt oder das Amt eines Staatsanwalts bekleidet hat. Richtern ist die Annahme von Orden und Titulaturen verboten" wurde als zu weit gehend abgelehnt. Auch nicht ganz so weit gehende Eventualanträge wurden abgelehnt. Ebenso wenig fand ein Antrag Annahme, der die Sonder stellung der Kriegsgerichte und Standrechte beseitigen wollte. Bei 8 23 wurde die Bestimmung über die Zuständigkeit der Amtsgerichte in Straf sachen durch die Hinzufügung der mit Festungshaft bedrohten Vergehen vervollständigt. Eine längere Aussprache entfesselte die Anregung der Regierung, die Vorlage in 8 23, Nr. 3, wieder- herzustetlen, wonach die Zuziehung der Schöffen bei Uebertretungen und kleineren Vergehen unterbleiben soll. Ein Antrag wollte den Regierungsenlwurf wlederherstellen. Es wurde auf Grund eines anderen Antrages beschloßen, die Zuziehung von Schössen bei Uebertretungen fort- sallen zu lassen, die Betteln, Landstreicherei, Arbeitsscheu und ähnliche Fälle betreffen. Dem 8 65 wurde im Eingänge eine andere Fassung ge geben, wonach eine Vertretung des Kammervor- sltzenden oder seines regelmäßigen Vertreters nur im Falle „vorübergehender" Verhinderung zulässig ist. Zu A 69 wurde, wie schon in erster Lesung, die Beseitigung des Hilfsrichtertums verlangt. Es wurde beantragt: „Die richterlichen Geschäfte an den Landgerichten dürfen nur von ständig angestellten Richtern wahrgenommen werden." Dazu war der Unterantrag gestellt, die Bestimmung aus die Straf sachen bei den Landgerichten zu beschränken. Die Anträge wurden von der Regierung lebhaft bekämpft und von der Kommission abgelehnt. Die Beratung ging sodann auf die Besetzung der Strafkamme rn als Berufungsinstanz über. Es wurde der Antrag gestellt, die Regierungs vorlage wiederherzustellen und den Beschluß erster Lesung, wonach in den Strafkammern als Berufungs instanz auch Schöffen mitwirken sollten, aufzuheben. Die Regierung erklärte, daß bei Aufrechterhaltung des Beschlußes erster Lesung die ganze Straf prozeßreform scheitern würde. Bei den Beratungen der verbündeten Regierungen ist nach der Erklärung des bayrischen Vertreters nur Bayern für die Zuziehung der Laien in der Berufungsinstanz gewesen. Die Regierungsvorlage wurde mit 18 gegen 10 Stimmen wiederherge stellt. Ich trat ans Licht und las die folgende Mit teilung: „Geehrter Herr Lart! Ich Hube getan, wie Sie mir rieten, insbesondere weil rch sehe, daß Sie sich selber gedrückt haben. Als ich das Frühstück für Sie herauforachte, sah ich, daß Sie das Bett nicht berührt hatten. Ich glaube, ver gangene Nacht ist etwas Schreckliches hrer passiert. Weil Sie weg sind, kann ich es länger nicht mehr aushalten. Ich hoffe, daß Sie diesen Brief erhalten. Meine Adresse ist bei meiner Muster, Mulberry- straße 24, Kentish Town. Ihre ergebenste Dienerin Marie Gibbs." Aha, dachte ich, das gibt eine fröhliche Geschichte. Die Razzia ist auf heute abend angesetzt. Die Nach richt war offiziell und kann nicht bestritten werden. Aber zu welchem Zwecke? Das Nest ist leer. Ich kann wohl die Haustür« aufsperren, wie ich versprach, aber was nützt es? Ich werde nur sagen können: Freut mich, meine Herren, daß Sie da sind, aber ich kann Ihnen nicht helfen: außer mir ist keine Menschenseele im Hause! Nun, das ist ihre Sache, und ich glaube, es ist nun die höchste Zeit, daß ich meine Siebensachen zusammenpacke und mich eben falls für den Abzug bereit halte! Ich begab mich in mein Schlafzimmer und zündete das Gas an. Dann leerte ich meine Schublade und packte meine wenigen Habseligkeiten in meinen Hand- kcsfer. Als ich damit zu Ende war und befriedigt aussah, zog rrn merkwürdiger Anblick meine Auf merksamkeit auf sich. Der große, vom Boden bis zur Decke reichende Spiegel stand schief gegen die Wand. An dieser Ent deckung war nicht zu zweifeln. Es konnte keine optische Täuschung lein. Und als ich näher trat, be merkte ich, dah auf jeder Seite dahinter ein Spalt sichtbar war, in den ich mit Leichtigkeit die Hand stecken konnte. Im nächsten Augenblick entdeckte ich, daß der Spiegel oben und unten in der Mitte in Zapfen ruhte, um die er drehbar war. Ich zog ihn vor, bis er senkrecht zur Wandfläche stand, und sieh« da: zu beiden Seiten des Spiegels gähnte eine Oefs- nung, die in einen dunkeln Gang führte. Jetzt endlich hatte ich eine Erklärung für die ge heimnisvollen Besuche gefunden, die ich zu ver schiedenen Malen erhalten hatte. Achtundzwanzig st es Kapitel. Diese Entdeckung brachte mich gleich auf den Ge danken, daß ich durch sie auch noch andere Geheimnisse aufüecken könnte. Ich tappte in den dunkeln Gang hinaus, etwas ängstlich, wie ich gestehen muß, aber die Finsternis hemmte meine Schritte. Ich konnte mir nicht denken, wohin er führte. Trotzdem ich vor Neugierde brannte, blieb ich doch stehen. Der Selbst erhaltungstrieb, der auch die lebhaftesten Impulse hemmt, hielt mich zurück. Vor allem mußte ich Licht machen, und dazu brauchte ich meine Zündhölzer, die ich auf meinem Waschtische hatte liegen laßen. Rasch tastete ich mich an den Wänden entlang zurück und holte meine Zündhölzer. In diesem Augenblick tlopfte es an der Tür meines Wohnzimmers. Das Pochen kam mir so unerwartet, daß mich ein Schauder überlief. Rasch drehte ich den Spiegel wieder in seine gewöhnliche Lag« zurück und zog die Türe zu meinem Schlafzimmer leise hinter mir zu. Dann ging ich langsam zur Türe und machte auf. Herr Eoliby trat ein. „Ich habe Licht in Ihrem Zimmer gesehen, als ich durch den Garten kam", sagte er, „aber was ist Ihnen denn? Sind Sie unwohl? Störe ich Sie?" Es war klar, daß ich mich um ein weniges ver raten hätte. Ich machte nun eine verzweifelte An strengung, mich zusammenzuraffen. „Nicht im geringsten, Herr Goliby", erwiderte ich. „Ich bin selber erst vor kurzem nach Hause zurückge kehrt, und habe wiederholt geklingelt, ohne dah jemand gekommen wäre. Daher dachte ich, ich fei allein im Hause, und als Sie anklopstcn, erschrak ich ein wenig und —" »Ja. ja", versetzte er, „ich verstehe. Sie haben sich auch in einer Hinsicht nicht getäuscht: sämtliche Dienstboten sind dem Beispiel Sawkins gefolgt und durchgebrannt. Der Himmel weiß, warum. So kommt es, daß das Haus nahezu verlaßen ist. Ich habe es bereits heute morgen entdeckt. Es war ihnen wahrscheinlich zu eintönig hier. Nun, glücklicher weise schadet es nicht», indem ich morgen selbst ver reise. Leider habe ich in letzter Zeit Pech gehabt." „Das tut mir sehr leid", warf ich ein. „Nun, man mutz aus derlei Wendungen gesaht sein — das Glück ist ein unsicherer Kamerad. Die Besitzungen in Norddakota haben sich als nicht so ein träglich erwiesen, wie ich mir ursprünglich dachte. Es ist betrübend — sehr betrübend." Die Reichsverficherungskommisfion beriet am Dienstag das fünfte Buch, das die Be ziehungen der Versicherun gsträger zueinander und zu anderen Verpflichteten, d. h. Ge meinden und Armenverbändcn, regelt. Es handelt sich dabei um Ersatzansprüche u. dgl. Das Buch um faßt die 88 1483—1527. Wesentliche Aende- rungen wurden daran nicht vorgenommen. politische Nachrichten. Die Stichwahl im Landtagswahlkreisr Leipzig V zwischen dem nationalliberalen Kandidat«« Dr. Zöphel und dem sozialdemokratischen Kandi daten Bammes findet Dienstag, den 25. Oktober statt. Krisis im preußischen Kriegsministerium. Berlin, 19. Oktober. (Tel.) Nach einer vom Preß- Telegraph verbreiteten Meldung soll die Stellung des Kriegsmini st ers von Heeringen er schüttert sein, so daß in Kürze mit seinem Rück tritt gerechnet werden müße. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt nicht vor. — Möglich ist der Inhalt der Meldung immerhin; denn es ist seit längerer Zeit bekannt, daß zwischen dem Kriegs minister und dem Staatssekretär des Reichsschatz- amies Differenzen wegen der Aufstellung des Militäretats bestehen. Die Lohnbewegungen in Bremen. Bremen, 19. Oktober. (Telegramm.) Die Ver waltung der Werft des Bremer „Vulkans" in Vegesack ist mit ihrer Arbeiterschaft zu einer vollständi gen Einigung gelangt. Danach werden die Ar beiter der Werst bereits von heute ab wieder ein gestellt. Donnerstag früh 6s/z Uhr soll der v o l l e Be tr ieb wieder im Gange sein. Bremen, 19. Oktober. (Telegramm.) Dor den Depots der Straßenbahn kam es abends zu schwe ren Ausschreitungen. Die dort angesammelte Menschenmenge von über tausend Personen wurde mit der blanken Waffe wiederholt zurückgetrieben, da sie die Schutzmannschaft mit Flaschen und Steinen geworfen hatte. Die Ruhestörungen dauerten bis in die Nacht hinein. Diele Verhaftungen fanden statt. Zahlreiche Personen, darunter auch Schutzleute, wurden verletzt. Deutschland und Portugal. Berlin, 19. Oktober. (Telegramm.) Der deutsche Gesandte in Lissabon, Freiherr von Bod mann, ist, nachdem er von Berlin mündliche Weisungen mit genommen hat, auf seinen Posten zurückgekehrt. Wie verlautet, wird die deutsche Regierung gleich den andern Regierungen die Republik Portugal erst an erkennen, nachdem das neu zu bildende portugie sische Parlament die bisher nur provisorrsche Regierung bestätigt hat und dies den Mächten zur Kenntnis gebracht worden ist. Antimonarchische Kundgebungen in der Universität Toimbra. Lissabon, 19. Oktober. (Tel.) In der Uni versität Coimbra wurde heute gelegent lich der Wiederaufnahme der Vorlesungen von „Ich bin sehr überrascht, Herr Eoliby. Soweit ich in den Stoff eingedrungen bin, schienen sie sehr aussichtsreich." „Mir auch. Es ist ein harter Schlag, Herr Lart!" „Ich kann es fast nicht glauben! Haben Sie, bei läufig, mein Billett von heute morgen erhalten, Herr Eoliby?" „Gewiß. Aber Sie hätten sich nicht die Mühe machen sollen, zu schreiben. Ich dachte, Sie hätten gestern verstanden, daß ich es Ihnen sreigestellt habe, zu kommen und gehen, wie es Ihnen beliebt." „Jawohl. Aber ich hielt es für meine Pflicht —" „Nicht im geringsten , unterbrach er mich. „Und das dringt mich auf den Grund, warum ich Sie heute abend noch störe. Da morgen das Haus verlaßen sein wird und niemand zu Ihrer Bedienung anwesend ist, so wäre es das beste, wenn Sie, wie ich Ihnen an deutete, einen kleinen Urlaub nehmen würden. So bald ich nach London zurückkehre, werde ich mich an Ihren Freund, Herrn Hamilton, wenden." „Wie Sie wünschen, Herr Goliby. Haben Sie mittlerweile noch einen Auftrag für mich?" „Nein, nicht daß ich wüßte. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen, Herr Lart. Laßen Sie sich's gut gehen! Unsere Beziehungen sind ehr angenehm ge wesen. Leben Sie wohl! Hoffentlich sehen wir uns bald wieder. Adieu!" „Besten Dank, Herr Goliby. Leben Sie wohl!" Ich geleitete ihn bis zur Türe und schloß sie dann leise hinter ihm ab. Dann kehrte ich in mein Schlaf zimmer zurück und wandte mich wieder dem geheim nisvollen Spiegel zu. Ich wäre fast umgesunken vor Schrecken, als ich davor das mysteriöse Weib er blickte, von dem in meinem Berichte soviel die Rede gewesen ist. Ich schnappte nach Lust. Endlich sagte ich: ^Sie wieder hier, Madame?" Trotz ihrer leichenhaften Bläße und einer roten Strieme auf der Stirne, erschien sie mir schöner als je. „Jawohl" erwiderte sie, „zum letzten Male. Was mich wieder yierhergetrieben hat, weiß ich nicht. Sie haben ja meinen wiederholten Warnungen nicht die geringste Beachtung geschenkt. Sie haben Augen, um zu sehen, und Ohren, um zu hören, und doch verfolgen Sie blind und taub Ihren Weg. ohne zu merken, was um Sie vorgeht. Warum ich zum ersten Male hier her kam, weiß ich nicht, es sei denn, daß ich mit Ihnen, einem jungen, unschuldigen Menschen, Mit-
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