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WochmM für Wilsdruff Beilage zu No. 70 Freitag, den 1. September 1893 »Ls seinen Wunsch und Willen als maßgebend zu betrachten, als ab gemacht angesehen ward. In der Freude darüber entging es ihm, daß sein Sohn immer ernster und einsilbiger geworden und wiederholt mit der Hand über die Stirn strich, wie um peinliche Gedanken zu verscheuchen, die sich nicht immer abweisen lassen wollten. VIII. Der Herbst war dahin geschwunden und auch der Winter fast vergangen. Er war in Deutschland mit zeitweiliger strenger Kälte ausgetreten, in Italien mit gleichmäßig milder Temperatur, und die leidende Menschheit, welche sich in dessen verschiedensten Gegenden aufhielt, fand, wenn nicht die Genesung, so doch Linder ung in der warmen Luft und unter dem blauen, sonnigen Himmel/ In der offenen, mit Schlingpflanzen bewachsenen Veranda der mittelgroßen, rings von einem Garten umgebenen Villa, welche Herr Otto Erdmann mit seinem Sohn und seiner Schwie gertochter in Mentone bewohnte, finden wir diese an einem Morgen um die Mitte März. Ersterer hatte sie mit seinem deutschen älteren Diener, den er zu seiner besonderen Aufwartung und Pflege genommen, und zwei italiensche Frauen, welche seit Jahren schon die Haushaltung der jedesmaligen Bewohner der Villa be sorgt und die deutsche Sprache verstanden, seit Mitte November inne gehabt. Letztere waren zum Weihnachtsfest von ihrer Hoch zeitsreise eingetroffen. Unter mannigfachen Genüssen, die der Reichthum zu verschaffen und zu erhöhen vermag, war ihnen seit dem die Zeit vergangen, auch hatten sie einen ihnen zusagenden Kreis von Bekannten verschiedener Nationalitäten gefunden. Herr Erdmann's Lungenleiden machte sich in der milden Luft weniger als in der Heimath geltend, obgleich der ihn behandelnde deutsche Arzt die Ueberzeugung hatte, und diese auch seinem Sohne nicht vorenthalten, daß er dennoch Fortschritte machte und die größte Vorsicht und Sorge für ihn geboten war. Sich gegenseitig zwar bewußt, daß sie sich nicht aus tiefer, inniger Liebe geheirathet, machten dennoch die jungen Eheleute den Eindruck eines glücklichen Paares, und galten unter den Be kannten auch allgemein als solches. Friedrich Erdmann war stets der aufmerksamste Eheherr, der seine Zeit ausschließlich seinem Vater und seiner Gattin weihte, und diese, welche schon bei seiner Bewerbung um ihre Hand alle Vortheile einer ehelichen Verbindung mit dem vielleicht schon baldigen Besitzer von Haus Grönwohld eingesehen, kam ihm stets wie eine liebende Gattin entgegen und hatte auch die Sorge einer solchen für ihn. Gleichzeitig war sie seinem Vater die liebevollste, aufmerksamste Tochter und Pflegerin, wofür er ihr feine ganze Zuneigung weihte. Wer an dem genannten Morgen die kleine Familie gesehen, mußte sie für die glücklichsten Menschen kalten, und wer ihnen wohlwollte, wünschte auch, daß ihr Glück andauern möge. Sie plauderten in heiterer Weise vom Abend vorher, wo sie in einer Gesellschaft gewesen, und besprachen eine in Aussicht stehende Tour in die Berge, als der Diener die eingetroffenen Zeitungen und Briefe brachte. Letztere waren für Herrn Erdmann von seinem Verwalter, und für seine Schwiegertochter von deren Tante, welche Beide zu lesen begannen, während Friedrich Erdmann eine in Nizza erscheinende Zeitung ergriff, welche die Lokalberichte der ver schiedenen Curorte der Riciera, und die ausführlichen Fremden listen derselben brachte. Diese eingehend übersehend, verfärbte er sich plötzlich, hatte aber Geistesgegenwart genug, sich durch einen schnellen Blick zu überzeugen, daß weder sein Vater noch feine Gattin, deren Aufmerksamkeit gänzlich in Anspruch genommen war, dies bemerkt, worauf er, seine Aufregung beherrschend, anscheinend voll Interesse weiter las, indeß in der That seine Gedanken in anderer Weise beschäftigt waren, bis, die Augen fast zu gleicher Zeit von ihren Briefen erhebend, Herr Erdmann zu seiner Schwiegertochter sagte: „Nun, Elfriede, was schreibt die liebe Tante?" „Sie schickt vor allen Dingen gleich dem Onkel Dir und Friedrich die herzlichsten Grüße," entgegnete sichtlich erregt Frau Erdmann und fuhr, als diese sie dankend anerkannt, fort: „Beide befinden sich wohl und sind in der Land- und Hauswirthschaft sehr thätig und meine liebe Cousine und Stellvertreterin hat sich schon einigermaßen an die Stille und Einsamkeit von Buchenfelde, die anfänglich ihr sehr wenig zugesagt, gewöhnt!" „Und hat die Tante nichts Weiteres geschrieben, Elfriede?"^ fragte ihr Gatte, der sich fast gänzlich von seinem Schrecken er holt hatte. „Dein Gesicht schien mir mehr zu verrathen. " „Wie scharfsichtig Du bist, mein lieber Friedrich?" antwor tete die junge Frau lachend. „Ja, der Brief enthält in der That doch mehr und Interessantes " „Laß es uns, falls Du es mittheilen darfst, erfahren," sprach ebenfalls angeregt Herr Erdmann. „Ihr müßt es sogar erfahren," sagte heiter seine Schwieger tochter, „denn mein Onkel und meine Tante beabsichtigen gegen Ende des Monats mit meiner Cousine eine Reise nach dem Süden zu unternehmen " „Sie haben also meinen Vorschlägen Gehör gegeben," rief lebhaft Herr Erdmann und sein Sohn setzte lächelnd hinzu: „Und die landwirthschoftlichen Arbeiten, die Deinem Onkel so sehr am Herzen liegen?" „Dafür ist schon in der Person eines jüngeren Verwandten, der erst später eine neue Stellung antritt, gesorgt. Ihr seht, wir können die Sache als abgemacht betrachten " „Solltest Du noch vorher schreiben, so bitte sie, so bald wie möglich zu kommen," antwortete in heiterster Stimmung Herr Erdmann, worauf die kleine Familie in belebtem Gespräch die Sache noch weiter erörterte. Die eingetretene Pause unterbrechend, erkundigte Friedrich Erdmann sich nach dem von seinem Vater erhaltenen Brief und dieser erwiderte mit der Miene und Haltung eines Gutsbe sitzers : „Holzwardt hat mir über seine und seiner Leute Unterneh mungen den gewohnten Bericht erstattet, auch schreibt er, daß die Arbeiten im Herrenhause einen raschen Fortgang nehmen und demnächst die erste Mobiliensendung eintreffen wird. Es freut mich, daß jetzt endlich die großen, bisher so öden Räume zur Geltung kommen, während die früheren Besitzer von Haus Grön wohld über ihre Vollendung hinweg gestorben sind!" Diese Worte aus dem Munde des bereits sehr kranken Mannes machten einen peinlichen Eindruck auf seine Kinder, und eben war Frau Erdmann im Begriff, darauf zu erwidern, als nochmals der Diener eintrat und ihr einen zierlichen Brief über brachte, zugleich bemerkend, daß der Bote auf Antwort warte und sich dann entfernte. Ohne weitere Bemerkung erbrach und las sie das Schreiben und sagte, als dies geschehen, zu den sie mit einiger Erwartung betrachtenden Männern: „Der Brief ist von Mrs. Benthill. Sie theilt mir mit, daß ihr Mann heute einmal wieder einen längeren Spaziergang unternehmen darf, und da sie ihm während desselben einige Zer streuungen verschaffen möchte, fordert sie Dich Friedrich, wie mich auf, sie zu begleiten. Im Fall wir darauf eingehen, müssen wir um zwölf bei ihnen sein. Was soll ich Eurer Meinung nach darauf antworten?" „Jedenfalls, daß Ihr kommen werdet," antwortete schnell Herr Erdmann. „Mr. und Mrs. Benthill haben sich stets so freundlich gegen uns und besonders vom ersten Augenblicke meines Hierseins gegen mich bewiesen, daß wir jede Gelegenheit, es zu erwidern, ergreifen müssen. „Und was sagst Du dazu, Friedrich?" wandte sich die junge Frau an ihren Gatten, dessen Gesicht momentan ein düsterer Ausdruck überflog. „Nun," erwiderte dieser ausweichend, „ich schwärme nicht so sehr für solche Ausfahrten und wäre ebenso gern davon dis- penstrt." „Daran darfst Du diesmal nicht denken, unterbrach ihn eifrig seine Gattin, „denn durch eine ablehnende Antwort würdest Du Benthill's sehr verletzen, zumal ich jedenfalls mit ihnen fahre!" „Deine Frau hat Recht, Friedrich," sagte auch sein Vater, dem seine Schwiegertochter den erhaltenen Brief gereicht, „und Du solltest sie begleiten —" „Wenn aber nun wahrend unserer längeren Abwesenheit Dir etwas zustieße," konnte sein Sohn sich nicht enthalten zu erwidern. „Sei unbesorgt," entgegnete Herr Erdmann, „ich fühle mich heute sehr wohl und habe bis jetzt weder Husten noch asthmatische Schmerzen gehabt!" „So schreibe ich Mrs. Benthill, daß wir um zwölf Uhr bei ihr sein werden," sagte, sich erhebend, Frau Erdmann, welche gern eine gebotene Abwechselung annahm, und die Hand auf die Schulter ihres Gatten legend, sah sie ihn zugleich über redend an. „Von Euch Beiden überstimmt, muß ich mich wohl fügen," antwortete Friedrich Erdmann, welcher die ihm kommenden Ge danken und Besorgnisse unterdrückte. „Auch wird die Fahrt so lange nicht währen " „Unternimm sie meinetwillen ohne Sorge," sagte nochmals sein Vater, „und sollte ich nachher wirklich das Alleinsein, oder das Bedürfniß nach Zerstreuung empfinden, so werde ich, von Georg begleitet, eine Spazierfahrt unternehmen." IX. Das Ehepaar hatte sich zu der befreundeten englischen Familie begeben, Herr Ervmann war aber nach dem mit ihnen einge nommenen Frühstück in die Veranda zurückgekehrt, wo er voll Behagen sich von der Mittagssonne bescheinen ließ, während ihm erreichbar Zeitungen und Unterhaltungsblätter lagen. In seinem Sessel lehnend, sann er über die Ereignisse der letzten Vergangen heit, und seine so gänzlich und glücklich veränderte Lebenslage nach, die ihm alle Wünsche und Genüsse erreichbar machte, während vor einem Jahre er sich bei seinem vorhandenen Leiden mit einem knappen Gehalte behelfen, und sein einziger Sohn seinen Lebens unterhalt in Amerika erwerben mußte „Einige Jahre möchte ich noch leben," sagte er dann halb laut, „möchte mich nock von Enkeln umspielt sehen, die dann die zweiten Erben meines großen Vermögens und des ebenso werth- vollen Haus Grönwohld wären! — es ist möglich, doch glaube ich es nicht, denn ich bin kränker und schon viel schwächer, als selbst Friedrich in seiner Besorgniß um mich, die ich heute wieder erkannt, meint." Sein Selbstgespräch ward durch das Erscheinen zweier wohl gekleideter Männer unterbrochen, welche, durch den Garten schreitend, alsbald zu ihm vor die Veranda traten. Ihn höflich begrüßend, was er eben so erwiderte, sagte dann einer von ihnen, der seines Sohnes Alter haben mochte, während der Zweite be deutend älter schien, mit etwas fremdländischem Accent, indem er zugleich Herr Erdmann forschend und prüfend betrachtete: „Entschuldigen Sie, mein Herr, diese unerwartete Störung, es ist uns aber gesagt worden, daß in dieser Villa ein Herr Erdmann wohnt " „Da sind Sic recht berichtet, denn mein Name ist Erd mann," antwortete dieser, sich erhebend. Der Redner, welcher kein Auge von ihm gewandt, erwiderte mit einigem Zögern: „Der Herr Erdmann, den ich gekannt habe, war ein viel jüngerer Mann " „Mein Sohn, den Sie vielleicht meinen, wohnt ebenfalls hier," entgegnete der Gutsherr. „Aber treten Sie näher, meine Herren und nehmen Sie Platz, denn Sic werden vom Wege ermüdet sein Die Fremden kamen seiner Aufforderung nach, und der Sprecher fuhr fort: „Gestatten Sie mir vor allen Dingen, uns vorzustellen,. Herr Erdmann. Mein Begleiter ist Herr Manuel Rosas aus Valparaiso, wo auch ich ansässig bin, der nur wenig deutsch Moltke, der Lowlenerfinder. Zur Erinnerung an den 2. September 187V. Von Moltke, dem Schlachtplanergründer, . Erzählt jedes Kind dir im Land, Doch M oltko, der Bowlenerfind er. Ist minder im Reiche bekannt. Und doch hat der sinnende Lenker Der Schlacht auch auf feuchtem Gebiet Bewährt sich als Forscher und Denker — Das künde und preise mein Lied! Wenn Sommers mit durstiger Miene Die Sonne im Meere verzischt, Dann sitzt vor gebauchter Terrine Der Feldherr und kostet und mischt. Und sinnt und erwägt in: Gemüthe, Was beizugesellen noch gut, Und bessert und seilt an der Güte Der goldig schimmernden Fluth. Was immer das Feuer der Sonnen Aromataspendendes braut: Der Erdbeer' und Ananas' Wonnen, Waldmeisters süßduftendes Kraut — Und was die entlegensten Zonen Weinwürzendes senden ins Haus, Das nützt er zu Combinationen Gaumlabender Mischungen aus. So hat er — wie Busch uns berichtet — Im siebziger Krieg vor Paris Ein trinkbarer Epos gedichtet, Das jeder, der's kostete, Pries: Es war ein Gemisch von Burgunder Mildieurigem Cognac und Sect — Das glitt so geschmeidig hinunter Und hat selbst dem Kanzler geschmeckt. Die beste, die je ihm gelungen, Der Bowlen — das künd ich jetzt laut — Die beste - das sei jetzt gesungen — Die hat bei Scd an er gebraut. Der Kessel, in dem er sie schenkte, Der war dem Getränke gemäß: Kein Bowlenv rfertiger schwenkte Jemalen solch Riesengesäß! Der Stoff war von edelster Güte Aus deutschem und gallischem Land; Es wurden der Zuckerhüte Zweitausend hinuntergesandt, «lau mischte und rührte auss Beste Und heizte das Ganze mit Fleiß; Gar manchem der taselnden Gäste, Dem ward das Getränke zu heiß. Die Franzosen, die so nichts vertragen, Die wurden im Augenblick schlapp, Verdarben sich greulich den Magen Und freien gottsjämmerlich ab. ^edoch die germanischen Stämme, Die besser sich halten beim Schmaus, Die zogen und sogen wie Schwämme Und tranken das Kefseichen aus. keiner vergessen — kaiserlich war das Getränk! Und wer um Sedan da aesessen. Blnbt ewig des Tages gedenk Und Kinder und Kinder der Kinder A- rühmens und preisens noch laut, der Bowlenerfinder Im Kessel Sedan s einst gebraut! Wahrheit und Dichtung. Original-Erzählung von Mary Dobson. Nachdruck verbeten , . (Fortsetzung). „Was könnte das sem?" fragte der Sohn, der sich bestrebte, sich immer fester in seine Stellung als Verlobter von Elfriede Schwarz hinein zu denken. „Wir wollen unsere Abreise nach Italien einstweilen ver schieben und Deine und Elfriedens Hochzeit sobald wie thunlich, meinetwegen zu Anfang November begehen!" entgegnete in leb- bafterem, entschiedenem Ton Herr Erdmann. „So bald schon?" fragte schnell der junge Mann. „Das klingt ja fast, als fürchtest Du Deine Hochzeit?« rief lachend sein Vater. „Nun, das doch gewiß nicht," versetzte, sich ebenfalls zum Lachen zwingend, der Sohn, dessen Wangen sich leicht färbten. „Weshalb aber schon an unsere Hochzeit denken, da wir erst drei Tage verlobt sind? — Elfriede und Waldhausens wird Dein Vorschlag sehr überraschend kommen —" „Dies glaube ich weniger und wird sich ja auch Alles ein richten lassen," entgegnete Herr Erdmann. „Aus welchem Grunde aber wünschest Du eine so baldige Verbindung für uns?" konnte Friedrich Erdmann sich nicht ent halten zu fragen. „Weil Ihr dann Eure Hochzeitsreise nach Italien machen könntet, um dort den Winter mit mrr zu verleben. Meiner An sicht nach müßte Euch ein solcher Anfang Eures Ehelebens zu sagen und von Cannes, Nizza oder Mentone aus, oder wo sonst wir bleiben werden, könntet Ihr Euch das vielgepriesene Land weiter ansehen." „Der Vorschlag läßt sich hören, und dürften auch Elfriede und Waldhausens daraus eingehen," entgegnete Friedrich Erdmann, in dessen Gedanken zugleich die Erinnerung an seinen ersten Hochzeitstag auflauchte, zu dessen Feier er mit seiner jungen Gattin und deren Mutter eine Fahrt in der Umgegend von New-Jork unternommen. . . . .. . „Weshalb auch sollten sie mcht darauf emgehcn, da sie das Vernünftige desselben eins-h-n müssen?" erwiderte sem Vater m immer lebhafterer Weise. „Frau Waldhauskonn^ °rt höchstens Elfriedens Ausstattung wegen Bedenken haben doch wird ihr bis zu unserer Rückkehr >m Frühling Zeit genug bleiben, ^Vater mch Sobn besprachen die Angelegenheit noch weiter, die dann von Seiten des Ersteren, der sich immer meh>-gewohnte,