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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.10.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101019018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910101901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910101901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-19
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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Bezugs-Preis Mr Ueivgia UN» «ororr, durch «Md« LrLaer und Spedilrur« !i»«I täglich in» Hau« grbrachl: VV miuatl., »iertelithri. vet un>rru Miair» u. Lu» «-»«stellen «dgebolt: 7L ch »««L, »FL Fs »irrteiitdet. Durch »t« V», mnerhald LeuiichMnd« und dir »iNchchi, Kolonien »terrel,Ldrl. 8.1« »«all. IFd LUZIchl. PoNdeslrügelb. ferner i» Belgien. Dänemark, den Douaustnaie», Zraltrn, Lurrmdurz, «iederlaude, »«- meaeu, Oesterreich-Ungarn, kn-land, Schwede», Schweig ». Spante». In alle» übrigen Staaten uur direkt durch dt« «eichästlftelle de« »latte« erhtlllrch. Da» Umhtzger D«edlaN ericheini st «rat tt-lich, Siu»- » Ferrrma» nur w eigen«. Udmruemrut^lunad»«. Augustu.platz S, bat unteren Drtaeru, stUialeu, Spediteure» und Dowchwctielle». sowie Postämter» «d Briesträgeru. >t»,,I»«rr«,s«»,«i« »er «om«a. «ch^b, 1Vch^ d« iUdendautgab« L ch, Ardaktton »ad Grschäft.keller Iahannisgasse 8. S«r»wrrcheri 146V2, l«6«t. lä«ch Morgen-Ausgabe. KipMrrTaMaü Handelszeitnng. Amtsblatt des Rates und des Ralizeiamtes der Ltadt Leipzig. „cu- ^rc»2 chr Tnlerair au» reipii, und Uingedung di« 8g-ipatten» bv mm drei»» Peiiizeil« L ch, dl« 7« nun breit« Keklamegeil« l ch! »» »u«wän» ch, cheUamro l.!ä) atzt Autrratr »an Beddrden m «mliichen Dril dl« 74 ar» brrlt« Petitzeil« 40 ch »eichäir«an,eiaen mit P atzuirtchritt«» und l» »er Udendautaad« >m Preil« erhöht. Rabatt nach tauf. Peilagegedüdr ü ». Daulend «xkl. Poftgedühr. Festerteil» stuiträg« wnnru nicht zurück- «erogen werden. Für da» Erscheine» an benlmmtrn Lage» und Plätzen wird leine Garantie übernommen. »nzeigen-«lnnahme > August u.platz ch bri ltmilichrn Filialen a. allen illunonceu- äxpedittonen de» An. na» Lu»lande«. Haupt-Filiale Der st»! Carl Vunckee. Hrrzaqi. Vapr. Hosduch» dauLlung, Lützowstlatz« Ich sDelevho» Vl, Ar. 4M8). Haupt-Stlial« vrr«deru Seestrade 4, l cr«l«Pb»u «E Nr. 289 104. Zshrgsng Mittwoch, üen 19. OMover 1910. Vas Dichttglte. * Die Landtagsersatzwahl in Leipzig V ergab Stichwahl zwischen Dr. Zöphel (Natl.) und Bau, mes (Soz.). Zm 44. ländlichen Wahlkreis, Plauen-Land, siegte der konservative Kandidat Semmler. (S. Leitart.) * Wellma« und seine Begleiter wurden 4S0 Seemeilen südlich von SandqHook von einem Dampfer an Bord genommen; dasLust- schiff mutzte seinem Schicksal überlassen werden. * Der Ausstand auf der f r a n zö s i s ch e n N o r d- und Westbahn ist vollkommen beendet. (S. Ausl.) * Der Zustand des serbischen Kron prinzen hat sich verschlimmert. (S. Ausl.) * Zn der türkischen Ministerkrisis wurden Berständigungsversuche angebahnt. * Auf den Regierungsbahnen in Ober ägypten ist ein Ausstand ausgebrochen. Zwischen Polizei und Ausständigen kam es zu blutigen Zusammenstößen. (S. Letzte Dep.) »JnPetitboury auf Guadeloupe haben blutige Wahlunruhen stattgefunden, der denen sieben Personen getötet wurden. (S. Ausl, und Letzte Dep.) * Man befürchtet, daß sämtliche in der Sar- stedter Grube eingeschlossenen Bergleute den Tod gefunden haben. (S. Tageschronik.) * Auguste Rodin richtet einen herzlichen Bries an den Veranstalter der französischen Kunst ausstellung in Leipzig. (S. Kunst u. Wissenschaft.) Zwei Lsnütags - Grlstzmshlen. Nach Wochen emsiger, mühevoller Arbeit in den Landtagswahlkreisen Leipzig V und Plauen- Land ist am gestrigen Tage die Entscheidung über die Neubesetzung der beiden erledigten Mandate dieser Kreise gefallen. Die konservative Partei ließ inLeipzigV alle Minen springen, um ihrem Kandidaten, Sanitätsrat Dr. Brückner, wenig stens zu einem Achtungserfolge zu verhelfen. Aber der auffälligen Zurückhaltung des Kandidaten unü den widerwärtigen Agitationspraktiken des konser vativen Generalsekretärs Kunze ist es zuzuschreiben, daß nicht einmal dieser erhoffte Achtungserfolg er reicht ist. Die Reformer, die erst in den letzten Tagen des Wahlkampfes mit ihrer Kandidatur Schn auß auf den Plan getreten sind, haben sich wohl selbst nicht viel Hoffnung auf einen Erfolg ge macht. Sie haben sich vorm Zahre im Bunde mit den Konservativen um diesen Wahlkreis beworben und wollten offenbar durch die neuerliche Ausstellung des Justizrats Schnauß ihren früheren Bundes genossen beweisen, daß sie sich nicht widerspruchslos konservativem Machtgebot fügen. Ihren Zweck haben sie nicht erreicht. Ihr Kandidat Schnauß brachte es auf 1520, der konservative Kandidat Dr. Brück ner auf 1934 Stimmen, beide Kandidaten der Rech ten zusammen vereinigten sich auf 3454 Stimmen. Vorm Jahre schied der reformische Kandidat Schnauß mit 5778 Stimmen aus der Hauptwahl aus. Der Anhang der rechtsstehenden Parteien, die sich so gern als einzige Retter des Mittelstandes auf- fpielen, hat also gerade in diesem, von Angehörigen des Mittelstandes sehr stark bewohnten Wablkreife eine ganz niederschmetternde, eine jam mervolle Niederlage erlitten. Aber auch ver sozialdemokratische Kandidat Bammes ist hinter den Ziffern vom vorigen Jahre erheblich zu rückgeblieben. Trotzdem sich parlamentarische Führer der Sozialdemokratie für seine Kandidatur mächtig ins Zeug legten, trotzdem die „Leipziger Volks zeitung" in geradezu kindischer Weise den national liberalen Kandidaten Dr. Zöphel angriff, hat Bam mes diesmal nur 7712 gegen 8826 Stimmen, also 1128 Stimmen weniger bekommen. Ein guter Teil des Verlustes wird auf die starke Bevölkerungs verschiebung in diesem Wahlkreise zurückzuführen sein. Nahezu um diese Ziffer, nämlich um 961, haben die Stimmen für den nationalliberalen Kandi daten Dr. Zöphel zugenommen. Während e, der verstorbene Abgeordnete Dr. Rudolph auf 9802 Stimmen brachte, hat Dr. Zöphel 10 763 Stimmen erzielt. Er steht also in denkbar günstigster Stichwahl mit dem Sozialdemokraten und wird in dieser Stichwahl einen glänzenden Sieg erringen, selbst wenn die Konservativen in Anlehnung an den Vorschlag des Reichstagsabgeordneten Lattmann bei der Stichwahl nicht zur Wahlurne schreiten würden. Wir beglückwünschen den nationalliberalen Kan didaten Dr. Zöphel zu seinem herrlichen Wahlerfolg schon heute aufs lebhafteste und hoffen, in wenigen Tagen diesen Glückwunsch noch mit größerem Rechte wiederholen zu können, wenn die endgültige Entschei dung gefallen ist. Der sächsische Landtag gewinnt jedenfalls in Dr. Zöphel eine Kraft von seltener Ausdauer wieder, eine Persönlichkeit, die im härtesten Sturme erprobt ist, die eine zweifelsfreie Gewähr bietet, daß die Parole des nationalen Liberalismus immer lauten wird: Vorwärts! Vielleicht noch heftiger als in Leipzig V, hat der Wahlkampf in Plauen-Land getobt, wo die Konservativen das Mandat zu verteidigen hatten.' Von konservativer wie von nationalliberaler Seite wurde auf das emsigste gearbeitet, und die Sozial demokratie rührte sich nicht minder energisch. Die Kämpfe haben in dem vogtländischen Kreise den Zei tungsberichten nach viel robustere Formen angenom men als in Leipzig. Der Erfolg ist wie bereits im vorigen Jahre den Konservativen gleich im ersten Wahlgange zuteil geworden. Deren Kandidat Sammler erhielt 5414 Stimmen, während es 1909 der verstorbene Abgeordnete Sieber nur auf 5390 ge bracht hatte. Für den nationalliberalen Postsekretär Rausch, der sich auch diesmal wieder als wackerer Vorkämpfer für liberale Weltanschauung selbstlos auf den Kampfplatz gestellt hatte, wurden 2149 gegen 2371 Stimmen im Vorjahre gezählt; wir haben also die sehr bedauerliche Tatsache zu verzeichnen, daß die Stimmenzahl der Nationalliberalen um 222 zurück gegangen ist. Noch überraschender ist der auffällige Ausfall der Stimmen bei der Sozialdemokratie, die auf ihren Kandidaten Meier diesmal nur 2153 gegen 2653 Stimmen vereinigen konnte, also 500 Stimmen einbüßte. Die Partei, die scheinbar die günstigsten Chancen für sich hatte, hat bei dieser Wahl am schlechtesten abgeschnitten. Diese Tatsache als Stimmungsbarometer zu benutzen, erscheint uns zur zeit sehr gewagt, vermutlich hat der Stimmenausfall an dem ungeeigneten Kandidaten gelegen. Was lehrt der Ausfall der beiden Wahlen? Lin Berliner freisinniges Organ hatte sich aus Dresden einen Artikel zusenden lassen, worin der IS. Oktober als „kritischer Tag" für den sächsischen Liberalismus be zeichnet wurde. Man malte dort das Gespenst zweier sozialdemokratischer Siege und den Verlust der natio nalliberalen Kammermehrheit an die Wand. Diese auf recht geringer Sachkenntnis beruhenden Aus führungen sind durch die beiden Resultate des gestrigen Tages glänzend widerlegt worden. Am Besitzstand der Konservativen in der Zweiten Kammer ändert sich nichts, und auch die Nationalliberalen werden in gleicher Stärke wie vorm Zahre im Winter 1911 ins Dresdner Ständehaus einziehen, denn der nationalliberale Kandidat in Leipzig V Dr. Zöphel befindet sich in der aussichtsreichsten Stichwahl. Die beiden rechtsstehenden Parteien sind mit ihren Ziffern erschreckend weit hinter den Stimmen, die Dr. Zöphel auf sich ver einigte, zurückgeblieben, und auch dem Kan didaten der Sozialdemokratie ist er um ein recht erfreuliches Stück voraus. Leipzig bleibt die Hochburg des Liberalismus! Das künden in deutlicher, weithin vernehmlicher Sprache die Ziffern der Wahlschlacht vom 18. Oktober. Dieser Wahlausgang eröffnet aber zugleich die besten Aus sichten auf die politischen Kämpfe, die uns in Leipzig noch bevorstehen. Wir nehmen den glänzenden Wahl erfolg Zöphels als ein günstiges Omen für die in absehbarer Zeit bevorstehende Ersatzwahl im 23. länd lichen Wahlkreise hin, den bisher der den National liberalen sehr nahestehende Abgeordnete Dürr vertrat, Auch hier muß es gelingen, das Banner des Libera lismus aufzupflanzen. Der nationale Liberalismus marschiere vorwärts! * Die Vslilergebnllle. Leipzig V. Wahllokal il.Bezirksschule Dölitz „Z-Reit.'' Dösen Schloß, sirobsty-, Gasth. Sa. St! 1,Schauspielhaus 2. '!„Vereinsbr." . 3. „Kolumbus" . 4. Südstern" . . 5. 8. Bezirksschule 6. ^Turnhalle". . 7. Rest.W.Barthel 8. „Elysium" . 9. „Bavariabräu" 10.8. Bezirksschule 11. Rest. E. Etzold 12. !„Friedrichsy." . 13.,,Zur Post" . . 14. „Stadt Borna" 15. 16. 17. 18. ! Bei der Hauptwahl im Zahre 1909 erhielten in Leipzig V an Stimmen: Zustizrat Schnauß sRefpt.) 7758. Amtsrichter Dr, Rudolph (all.) 9802, Redakteur Bammes (Soz.) 8826. Wahl- berech- ti«i Er- s-b'e- nene Wah- i-r Abgegebene Stimmen sür «« Z2 sK -2 Liv 583 423 129 90 502 306 593 463 70 62 342 465 621 447 109 84 572 353 606 472 111 108 776 257 739 601 100 138 834 442 769 568 138 132 716 427 680 539 174 89 871 352 993 746 217 178 1474 341 594 466 104 76 739 288 737 578 159 137 959 377 740 597 162 103 829 454 881 754 123 101 581 787 802 691 61 84 347 736 860 724 113 81 468 755 770 659 57 37 319 717 382 326 51 ! 9 164 359 72 64 23 1 73 23 313 255 33 10 197 273 11735 U37A 1934 1520 10763 7712 I« Plauen-Land. (44. ländlicher Wahlkreis) erhielten: Privatmann Sammler (Kons.) 5414 Stimmen, Postsekretär Rausch (Natl.) 2149 Stimmen, Parteisekretär Meier (Soz.) 2153 Stimmen. Sammler (Kons.) ist gewählt. Bei der Wahl 1909 erhielten an Stimmen: Ritter gutsbesitzer Sieber (Kons.) 5390, Postsekretär Rausch (Natl.) 2371, Geschäftsführer Jrmscher (Soz.) 2653. Abolition. Zur Reform der sactitischen Verfassung. Ewig ist nur der Wandel. Staatsgrundgesetze, scheinbar für die Ewigkeit geschaffen, bröckeln schon nach Jahrzehnten Stück sür Stück ab. Und es bleibt dem abwägenden Politiker die Aufgabe, unzeitgemäße legislatorische Ruinen rechtzeitig abzubauen, damit das Mephistowort nicht allzu wahr werde: „Es erben sich Gesetz und Menschenrechte, Wie eine ew'ge Krankheit fort. . ." Noch kein Jahrhundert ist die sächsische Ver fassung vom 4. September 1831 in Kraft. Und doch ist dieses Bollwerk schon stark durchbrochen. Ausdrücklich abgeändert allerdings sind nur wenige von ihren 154 Paragraphen. Ausdrücklich gesetzlich aufgehoben sind nur einzelne veraltete Bestimmungen im 4. Abschnitte über die Behörden-Organisation. Andere Derfassungsgrundsätze aber fristen nur ein Scheindasein, noch dazu solche in dem wichtigen fünf ten Abschnitte: „Bon der R e ch t s p s l e g e." „Moratorien dürfen von Staats wegen nicht erteilt werden", bestimmt 8 54 der sächsischen Verfassung. Durchbrochen ist dieser Grundsatz durch 8 721 der deut schen Zivilprozeßordnung in der Fassungvom 20. Mai 1908, der die wichtige sozialpolitische Maßregel ent hält: „Wird auf Räumung einer Wohnung erkannt, so kann das Gericht auf Antrag einem Schuldner eine den Umständen nach angemessene Frist zur Räumung gewähren." Nach staatsrechtlichen Grundsätzen aber geht in solchem Falle zweifellos ReichsreM vor Lan desrecht. Weiter bestimmt Z 46 unserer Verfassung: „Alle Eerichtsstellen haben ihren Entscheidungen Gründe beizufügen." Auch dieser Leitsatz ist mit Recht von der Zivilprozeßordnung sür die Tausende und aber Tausende von Versäumnis- und Anerkennungs urteilen durchbrochen worden. Zm 8 52 besagt ferner di« sächsische Verfassung: „Die Konfiskation kann künftig nur bei einzelnen Sachen, die als Gegenstand oder Werkzeug einer Vergehung gedient haben, statt finden. Erne allgemeine Vermögenskonfiskation tritt in keinem Falle ein." Auch dieser Grundsatz ist still schweigend aufgehoben durch 8 93 und 8 140 des Deutschen Strafgesetzbuches, wo die Beschlagnahme des Vermögens des Angeschuldigten bei Hoch- und Landesverrat sowie bei Verletzung der Wehrpflicht für zulässig erklärt wird. Nicht minder ist die wich tige Bestimmung in 8 51 der sächsischen Verfassung: „Niemand darf ohne gesetzlichen Grund über 24 Stun- den über die Ursache seiner Verhaftung in Ungewiß heit gelaßen werden", abgeändert durch 8 114 Ab satz 3 der deutschen Strafprozeßordnung, wonach dem Angeschuldigten der Haftbefehl spätestens „am Tage nach seiner Einlieferung in das Gefängnis" bekannt zumachen und ihm zu eröffnen ist, daß ihm das Rechts mittel der Beschwerde gustebe. Trotz dieser Widerjprüche ist eine formelle Auf hebung dieser tatsächlich durch später in Kraft ge tretene deutsche Reichsgesetze überholten Bestimmun gen der sächsischen Verfassung noch nicht erfolgt. Weit wichtiger aber als diese im Grunde nicht allzu erheblichen Widersprüche ist die Erwägung, ob eine der schwerwiegendsten Bestim mungen dieser unserer sächsischen Verfassung vom 4. September 1831 in ihrer weiten Fassung dauernd haltbar ist. 8 52 nämlich besagt: „Der König hat in strafrechtlichen Fällen das Recht der Abolition, sowie die Verwand lung, Minderung oder des Erlasses der Strafe, kann aber zuerlannte Strafen nicht er höhe n." Eine einzige Einschränkung erfährt dieses Staats grundgesetz in seiner ungeheuren Folgenschwere durch K 150 im letzten (achten), von der „Gewähr der Ver fassung" handelnden Abschnitte, wonach bei Minister anklagen vor dem Staatsgerichtshose „der König die Untersuchung nicht nur niemals hemmen, sondern auch das ihm zustehende Begnadigungsrecht nie da hin ausdehnen wird, daß ein von dem Staatsgerichts hofe in die Entfernung vom Amte verurteilter staatsdiener in seiner bisherigen Stelle gelaßen oder in einem anderen Justiz- oder Staatsoerwal- tunasamte angestellt werde." Das Recht der Begnadigung nach rechtskräftiger gerichtlicher Aburteilung freilich steht allen deutschen Monarchen, auch den Senaten der drei freien Städte, wie auch fast allen außerdcuischen Souveränen, selbst in Republiken, für die von ihren Gerichten erlaßenen Strafurteile zu. Zu den wichtigsten Kronrechten zählt diese Begnadiaungsdefugnis die, wenn sie durch erfahrene Kriminalisten ausgeübt oder wenigstens beraten wird, tatsächlich manche Härte im Straf gesetze, wie in der Piozeßbehandlung auszugleichen vermag. Daß der Monarch persönlich nicht zur Er ledigung imstande ist, geht schon daraus hervor, daß selbst in den größeren deutschen Mittelstaaten jähr lich etwa fünft bis zehntausend Gnadengesuche ein gehen, die gründliche Nachprüfung der Akten er fordern. Wesentlich anders aber liegt die Frage, ob die Abolition in Kulturstaaten dauernd haltbar ist. Abolition ist die unbefchränkte Befugnis des Souve rän», jedes Strafverfahren schon vor der richterlichen Aburteilung, selbst schon vor der Erhebung einer An klage oder der Einleitung eines staatsanwaltschaft- lichen oder polizeilichen Ermittelungsversahrens niederzuschlagen. Denke man an einen Mörder, dessen Bestialität zahlreiche blutige Opfer gefordert hat. deßen man nach fieberhaften krimina listischen Strapazen endlich habhaft wird. Und man setze die nach dem angeführten 8 52 der sächsischen Verfassung zweifellos gegebene Möglichkeit, daß er freigelaßen wird und völlig ungestraft ausgeht! Theoretisch wäre diese Folge freilich auch möglich bei Begnadigung nach rechtskräftiger richterlicher Verurteilung, also selbst nach dem Todesurteile eines Schwurgerichts. Immerhin aber würde die Achtung vor dem Richterspruche es gewagt erscheinen lassen, einen zu schwerster Strafe rechtskräftig Verurteilten völlig zu begnadigen. Oder man denke an politisch bewegte Zei ten. Könnte nicht, theoretisch genommen, die Be seitigung eines unbequemen parlamentarifchen Gegners durch Abolition völlig ungefühnt bleioen? Freilich wird das Gebot der Selosterhaltung die Krone und ihre Berater vor solchen Schritten be wahren. Immerhin aber wird in Kulturstaaien selbst die bloße Möglichkeit derartiger Folgen gesetz lich ausgeschloßen werden müssen. Ganz besonders aber wird die Zahlung der sogenannten Le- zergungssumme, die vielfach zur Bedingung der erbetenen Niederschlagung eines Strafverfahrens gemacht wird, nur den wenigsten Ncchtsbeflißenen besonders sympathisch sein, wenngleich sie fiskalische Vorteile bieten mag. Mit vollem Rechte ist deshalb die Abolition in fast allen deutschen Gebieten längst ge fallen — mit einziger Ausnahme des König reichs Sachsen, sowie der 1866 annektierten Län der Hannover und Kurheßen, wo der König von Preußen das geltende Aoolitionsrecht übernahm. Sicher ist auch nur maßvoll und sparsam davon Ge brauch gemacht worden. In der Praxis würde also ein wesentliches Kronrecht mit einer Beseitigung nicht berührt werden. Sin neuer Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Zm Verlage von U. E. Sebald in Nürnberg ge langt soeben ein neuer Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch zur Ausgabe, betitelt: B. E. B., Kommen tar von Reichsgerichtsräten. (2 Bünde, Preis in Halbfranz gebunden 70 -4l.) Der allgemeine Teil, das Recht der Schuldverhält- niße und das Sachenrecht ist im ersten, etwas stärkeren Bande, das Familien- und Erbrecht im zweiten Bande enthalten, der zugleich das Einführungsgesetz mit Verweisungen auf die Stellen, an Lenen tm Hauptwerk selbst darauf näher eingegangen ist, sowie das alphabetische Sachregister. Mitarbeiter sind die Herren Reichsgerichts räte Georg Hoffmann, Brückner, Erler, Bur läge, Busch, Dr. Ebbecke, Kiehl, Schaffeld und Schmitt. Wenn jetzt, nachdem das Bürgerliche Gesetzbuch seit zehn Jahren in Kraft ist, ein Kommentar hierzu erst mals auf den Plan tritt, so muß es sich um eine Arbeit ganz besonderer Art handeln, wenn unsere hochgespannten Erwartungen erfüllt werden sollen. Ist doch an brauchbaren Kommentaren zum B. G. B. an sich kein Mangel. Schon bei kürzerer Beschäftigung mit dem vorliegenden Werke treten uns besondere Eigenschaften entgegen. Wir finden die Recht sprechung des obersten Gerichtshofes erschöpfend be rücksichtigt, wie es von den Herausgebern als Männern der Praxis nicht anders zu erwarten ist, und zwar einschließlich der in den Sammlungen nicht veröffent lichten Entscheidungen, und werden auf die bereits gesicherten Ergebnisse der Rechtsprechung hingewiesen. Es ist daher ein entschiedener Vorzug, daß das Werk erst im jetzigen Zeitpunkt erscheint, wo es die Kristalli sation der in einem Dezennium fortgebildeten Rechts sätze des B. K. B. zu bieten vermag. Der Umstand weiterhin, daß die sämtlichen Mitarbeiter Mitglieder des höchsten deutschen Gerichtshofes sind, gibt der Er scheinung das Gepräge eines außerordentlichen juristischen Ereignisses. Erläuterungen von so berufener Seite entsprechen einem praktischen Bedürfnisse. Dem Praktiker ist es nicht mehr möglich, bei jeder auftauchenden Rechtsfrage die ge samte einschlägige, für den einzelnen kaum mehr zu überblickende Literatur und Rechtsprechung zu studieren. Der vielbeschäftigte Richter, der über lastete Anwalt muß daher eine Kommentierung be grüßen, die, wie er überzeugt sein kann, aus um fassendster Prüfung aller zur Auslegung des Gesetzes dienlichen Hilfsmittel beruht. Besonders wertvoll muß es allen Juristen und am Rechtsleben be teiligten Kreisen sein, daß die bei aller Ausführlich keit doch knappe und übersichtliche Darstellung sich eines störenden Eingehens auf theoretische Streit fragen enthält. Erst vor den Gerichtsferien im Manuskript abgeschloßen und während der Gerichts ferien gedruckt, gibt der Kommentar den neuesten Stand der Rechtsprechung und Eesetzesauslegung wieder. Dem nach einheitlichen großen Gesichtspunkten an gelegten Werk kann mit Sicherheit eine große Zukunft vorhergesagt werden. Den Eindruck der gelungenen und gediegenen äußeren Ausstattung des Werkes erhöht die Farbe seines Gewandes, deren Tönung uns an das Rot der Robe gemahnt, die die Herren Herausgeber als Mit glieder des höchsten deutschen Gerichtshofes zum Zeichen ihrer Würde ziert. Oeullches Selch. Leipzig. 19. Oktober. * Liu konservativer Verein für Olbernhau und Umgegend, dem 68 Herren beigetreten sind, wurde am Sonnabend in Olbernhau gegründet. Zum Vor sitzenden ist Assessor a. D. Bakemeyer, Leiter der Kupfer, und Messingwerke F. A. Lange in Kupfer hammer Grünthal gewählt worden. * * Der früher« Reichsbankpriifident Richard Koch wurde am Dienstagnachmirtag in Berlin be- erdigt. Unter den den Sarg bedeckenden Kränzen befanden sich di« letzten Grüße des Reich-dankdirek- torium», das durch den jetzigen Präsioenten der Reichsbank, Havenstein, und den Vizepräsidenten
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